Verfasst von: Leopold Schmetterer und Jacqueline Chua
Glaukom ist eine Augenerkrankung, die den Sehnerven schädigt und oft zu irreversiblen Sehverlusten führt. Die Beurteilung des Sehnervs ist entscheidend für die Diagnose und Überwachung des Glaukoms. Untersuchungen umfassen eine gründliche Beurteilung des Sehnervenkopfs durch einen Augenarzt. Fotos des Sehnerven können zur Dokumentation und Verfolgung von Veränderungen im Laufe der Zeit verwendet werden. Kohärenztomografie (OCT) ist eine Methode, die detaillierte Querschnittbilder des Sehnervs und seiner umgebenden Strukturen liefert. Sie ermöglicht eine präzise Messung der Nervenfaserschichtdicke und anderer wichtiger Parameter. Zusammenfassend bieten diese Techniken eine umfassende Bewertung des Sehnervs, was eine frühzeitige Erkennung und effektive Behandlung des Glaukoms ermöglicht. Sie spielen eine entscheidende Rolle bei der Überwachung des Krankheitsverlaufs und der Anpassung der Behandlungsstrategien.
Eine genaue Bewertung des Sehnervs ist für die Diagnose, Überwachung und Behandlung des Glaukoms von entscheidender Bedeutung. Der Sehnerv spielt eine Schlüsselrolle in der Übertragung von visuellen Signalen vom Auge zum Gehirn, und Veränderungen am Sehnerv führen zu irreversiblen Sehverlusten.
Hier sind einige wichtige Aspekte zur Bedeutung der Bewertung des Sehnervs beim Glaukom:
Früherkennung und Diagnose: Veränderungen am Sehnerv sind oft eines der ersten Anzeichen für Glaukom. Durch die Untersuchung des Sehnervs können strukturelle Aspekte wie die Größe und Form der Papille, das Verhältnis der Vertiefung in der Papille zur Gesamtfläche der Papille (Cup zu Disc Ratio [C/D-Ratio]) im Verhältnis zur Größe der Papille, die Konfiguration und Tiefe der Exkavation, die Konfiguration des neuroretinalen Randsaums, die Position des Ausgangs des zentralen Netzhautgefäßstamms, das Vorhandensein und die Lokation einer Papillenrandblutung, Defekte der retinalen Nervenfaserschicht sowie Konfiguration und Ort einer parapapillären chorioretinalen Atrophie festgestellt werden. Eine frühzeitige Erkennung des Glaukoms ermöglicht eine rechtzeitige Behandlung, um den Fortschritt der Krankheit zu verlangsamen oder zu stoppen.
Überwachung des Krankheitsverlaufs: Die regelmäßige Bewertung des Sehnervs ist entscheidend, um den Verlauf des Glaukoms zu überwachen. Durch den Vergleich von Sehnervenuntersuchungen im Laufe der Zeit können strukturelle Veränderungen erkannt werden und damit die Effektivität der Behandlung beurteilt werden. Dies ermöglicht eine Anpassung der Therapie, um eine Progression des Glaukoms zu verhindern oder zu verlangsamen.
Beurteilung der Sehfunktion: Der Zustand des Sehnervs korreliert eng mit der Sehfunktion. Schädigungen am Sehnerv führen zu entsprechenden Gesichtsfeldausfällen. Die regelmäßige Beurteilung des Sehnervs unterstützt die Beurteilung des Schweregrads des Glaukoms.
Therapeutische Entscheidungen: Die Informationen, die aus der Bewertung des Sehnervs gewonnen werden, beeinflussen die Wahl der Behandlungsmöglichkeiten. Die zentrale Rolle bei Therapieentscheidungen kommt der Gesichtsfelduntersuchung zu, strukturelle Untersuchungen können aber solche Entscheidungen unterstützen. Die Erhaltung des Sehnervs und die Verlangsamung des Krankheitsverlaufs sind Hauptziele bei der Behandlung des Glaukoms. Die Beurteilung des Sehnervs hilft dabei, die Wirksamkeit der aktuellen Behandlung zu bewerten und gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen.
Insgesamt ist die Bewertung des Sehnervs von zentraler Bedeutung, um eine angemessene Behandlung etablieren, den Sehverlust zu minimieren und die Lebensqualität der Patienten zu erhalten.
Anatomie des Sehnervs bei Glaukom
Der Sehnerv
Das Verständnis des Sehnervs und seiner Rolle beim Glaukom ist entscheidend, um die Pathophysiologie, Diagnose und Behandlung dieser Augenerkrankung besser zu verstehen. Der Sehnerv ist ein Teil des visuellen Systems und überträgt visuelle Informationen vom Auge zur Weiterverarbeitung im Gehirn. Der Sehnerv besteht aus einer Ansammlung von Nervenfasern, die aus den retinalen Ganglienzellen stammen.
Die Schädigung des Sehnervs manifestiert sich klinisch als Veränderungen im Sehnervenkopf und Verlust von Nervenfasern. Techniken wie die ophthalmologische Untersuchung, optische Kohärenztomografie (OCT) und Fundusfotografie werden verwendet, um Veränderungen am Sehnerv zu erfassen, die Struktur zu beurteilen und den Krankheitsverlauf zu verfolgen.
Die Größe der Papille weist eine starke interindividuelle Variabilität auf, ist jedoch nicht oder nur sehr schwach mit dem Glaukomrisiko assoziiert (Hoffmann et al. 2007). Daher kann die Papillengröße per se nicht für die Glaukomdiagnose herangezogen werden. Sie ist jedoch insofern von Bedeutung, als die C/D-Ratio und die relative Größe des neuroretinalen Randsaums dadurch beeinflusst werden. Bei großen Papillen liegt eine große Vertiefung der Papille vor, die in manchen Fällen fälschlicherweise als Glaukomverdacht klassifiziert wird. Bei kleinen Papillen ist die Vertiefung sehr gering und die C/D-Ratio dementsprechend klein. Dies führt in der Praxis dazu, dass frühe Glaukome bei kleinen Papillen übersehen werden. Asymmetrien der Papillen an beiden Augen müssen besonders beachtet werden. Diese können durch verschiedene Myopiegrade und damit unterschiedliche Augenlängen, aber auch durch Asymmetrien im Glaukomstadium verursacht werden (Abb. 1).
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Eine normale Papille ist vertikal oval, wobei der vertikale Durchmesser das Maximum darstellt und der horizontale Durchmesser das Minimum. Es können jedoch auch andere Papillenformen auftreten, was insbesondere bei Astigmatismus und Amblyopie häufig der Fall ist. Eine Papille wird als gedreht definiert, wenn die vertikale Achse der Papille um mehr als 15° vom vertikalen Meridian abweicht. Von einer geneigten Papille spricht man, wenn eine dreidimensionale Abwinkelung der anteroposterioren Achse des Sehnervenkopfes vorliegt. Anatomische Sonderformen der Papille sind insofern zu beachten, als sie das Aussehen des neuroretinalen Randsaums und die relative Position des Gefäßbaums beeinflussen. Bei Patienten mit hochgradiger Myopie ist die Beurteilung des Sehnervenkopfes dementsprechend schwierig (Abb. 2).
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Der Beurteilung des neuroretinalen Randsaums kommt bei der Glaukomdiagnose eine zentrale Bedeutung zu. Dies kann einerseits durch die Quantifizierung der C/D-Ratio geschehen (Abb. 3). Anderseits kann auch die lokale Konfiguration des Sehnerven beurteilt werden. Da der Sehnervenkopf im Normalfall vertikal oval ist, weist der neuroretinale Randsaum eine charakteristische Konfiguration auf. Dabei ist der untere (inferior, I) Rand am breitesten, gefolgt vom oberen (superior, S), dem nasalen (nasal, N) und dem temporalen (temporalen, T) Rand (Abb. 3). Dies ist die sogenannte ISNT-Regel, die dabei hilft, glaukomatöse Veränderungen der Papille zu detektieren (Wang et al. 2007). Die ISNT-Regel ist jedoch weder hinreichend noch notwendig, um eine Glaukomdiagnose zu stellen. Sie gilt insbesondere bei Augen mit anormaler Sehnervenkopfanatomie und hochgradiger Myopie (Rao et al. 2015).
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Der Verlust des neuroretinalen Randsaums bei Glaukom beginnt normalerweise im inferotemporalen oder superotemporalen Bereich und breitet sich progredient in andere Bereiche aus, wobei der nasale Bereich im Normalfall am längsten erhalten bleibt. Es ist jedoch zu beachten, dass bei Glaukompatienten auch ein generalisierter Verlust von neuroretinalem Randsaum vorkommen kann.
Papillenrandblutungen
Eine Papillenrandblutung ist radial und senkrecht zum Papillenrand ausgerichtet (Abb. 4). Anatomisch ist sie im prälaminären Bereich der Papille und in der angrenzenden oberflächlichen Nervenfaserschicht der Netzhaut lokalisiert (Abb. 4).
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Papillenrandblutungen kommen mit einer Prävalenz von ca. 1 % auch in der Normalbevölkerung vor, sind jedoch bei Patienten mit Glaukom wesentlich häufiger (Kim und Park 2017). Liegt eine Papillenrandblutung bei einem Glaukompatienten vor, ist die Wahrscheinlichkeit einer neuerlichen Blutung etwa 50 %. Zu beachten ist, dass Papillenrandblutungen im Durchschnitt nur 13 ± 8 Wochen sichtbar sind und sowohl in Größe als auch in der Persistenz eine beachtliche Variabilität aufweisen. Es ist daher nicht auszuschließen, dass diese selbst bei engmaschigen klinischen Untersuchungen übersehen werden.
Die Pathogenese der Papillenrandblutung ist nicht bekannt, es wird jedoch ein ischämischer Mikroinfarkt an der Papille als ursächlich vermutet. Eine Papillenrandblutung ist ein Risikofaktor für Glaukomprogression. Schädigungen der Nervenfaserschicht können in der Folge häufig an der anatomischen Lokalisation der Blutung beobachtet werden.
Retinale Nervenfaserschicht (RNFS)
Bei Gesunden ist die RNFS vor allem temporal deutlich sichtbar, wo sie auch die größte Dicke aufweist (Abb. 5). Um die RNFS an der Spaltlampe zu untersuchen, wird die Pupille erweitert und der Fundus mittels einer Linse im rot-freien Licht dargestellt. Die Faserbündel stellen sich dabei als helle Streifen im Netzhautreflex dar. Die Netzhautgefäße folgen dem Verlauf der Nervenfasern.
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Die RNFS-Defekte können sowohl lokalisiert als auch diffus sein und treten in der Regel zuerst im temporalen unteren und oberen Sektor auf (Abb. 6). RNFS-Defekte sind in jenen Bereichen zu sehen, in denen der neuroretinale Randsaum verdünnt ist. Die Untersuchung der RNFS kann häufig frühe glaukomatöse Veränderungen bereits vor der Perimetrie erkennen, was als prä-perimetrisches Glaukom bezeichnet wird.
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Peripapilläre Atrophie
Peripapilläre Atrophie (Abb. 3) ist durch Veränderungen des retinalen Pigmentepithels, der Choriocapillaris, der Aderhaut und der Sklera direkt neben dem äußeren Rand der Papille charakterisiert und wird je nach anatomischer Lokalisation in Alpha-Zone, Beta-Zone, Gamma-Zone und Delta-Zone eingeteilt (Jonas et al. 2023). Die Alpha-Zone ist definiert durch unregelmäßige Pigmentierung aufgrund von Unregelmäßigkeiten des retinalen Pigmentepithels und peripherer Lage, die Beta-Zone durch vollständigen Verlust des retinalen Pigmentepithels bei vorhandener Bruch-Membran, die Gamma-Zone durch das Fehlen von Bruch-Membran und retinalem Pigmentepithel und die Delta-Zone durch teilweisen Verlust kleiner Aderhautgefäße innerhalb der Gamma-Zone. Veränderungen der Gamma- und der Delta-Zone sind mit Glaukom insbesondere bei hohem Myopiegrad assoziiert.
Klinische Untersuchung des Sehnervs
Spaltlampen-Biomikroskopie
Die Spaltlampen-Biomikroskopie ist eine wichtige Methode zur klinischen Untersuchung des Sehnervs. Durch die Verwendung verschiedener Linsen kann man den Sehnerv und die RNFS mit unterschiedlicher Vergrößerung betrachten.
Um die Größe des Sehnervs zu bestimmen, ist es wichtig, die Dioptrien-Stärke der Non-Kontakt-Linse zu kennen. Dabei wird die Höhe des Schlitzes so lange reduziert, bis sie mit der Größe der Papille übereinstimmt. Danach kann die Größe an der Messskala der Spaltlampe abgelesen werden, wobei die Vergrößerung der Linse berücksichtigt werden muss. Um die C/D-Ratio zu bestimmen, wird derselbe Vorgang wiederholt, wobei hier die Grenze der Vertiefung zum neuroretinalen Randsaum als Maß herangezogen wird.
Direkte und indirekte Ophthalmoskopie
Direkte und indirekte Ophthalmoskopie sind zwei verschiedene Methoden, um den Sehnerv und den Augenhintergrund zu untersuchen, wobei beide Techniken verschiedene Ansätze verwenden.
Direkte Ophthalmoskopie: Bei dieser Methode verwendet der Augenarzt ein direktes Ophthalmoskop, auch als Fundoskop bezeichnet. Es handelt sich um ein handgehaltenes Gerät mit einer Lichtquelle, einem Spiegel und einer Linse. Der Patient sitzt normalerweise in einem dunklen Raum und der Arzt lenkt das Licht des Ophthalmoskops in das Auge des Patienten, um den Augenhintergrund zu betrachten, einschließlich des Sehnervs, der Netzhaut und der Blutgefäße. Diese Methode ermöglicht eine direkte Sicht auf den Sehnervenkopf und andere Bereiche des Auges, erfordert jedoch eine Nähe zum Auge des Patienten.
Indirekte Ophthalmoskopie: Im Gegensatz zur direkten Methode verwendet die indirekte Ophthalmoskopie eine Lupe und eine Lichtquelle, um den Augenhintergrund zu betrachten. Der Augenarzt benutzt eine spezielle, schwächere Linse und eine Stirnlampe und betrachtet den Augenhintergrund des Patienten. Diese Methode ergibt einen größeren Ausschnitt des Augenhintergrunds im Vergleich zur direkten Ophthalmoskopie und kann bei Patienten mit kleineren Pupillen oder trüben Medien (wie bei Katarakten) besonders nützlich sein.
In beiden Fällen dienen diese Methoden dazu, auch den Sehnervenkopf zu untersuchen, um Anzeichen von Erkrankungen oder Veränderungen zu erkennen. Die Wahl zwischen direkter und indirekter Ophthalmoskopie hängt oft von den spezifischen Bedürfnissen des Patienten, der Klarheit des Medienmediums im Auge und den Vorlieben des Augenarztes ab.
Fundusfotografie in der Glaukombewertung
Fundusfotografie spielt eine entscheidende Rolle bei der Bewertung und Überwachung von Glaukomen. Die moderne Fundusfotografie verwendet ausschließlich digitale Kameras, was eine digitale Dokumentation erlaubt. Es existieren sowohl Systeme, die Aufnahmen unter Mydriasis machen, als auch Systeme, die bei enger Pupille angewendet werden können. Obwohl erstere in der Regel bessere Bilder erzielen, haben sich in der Praxis weitgehend Funduskameras durchgesetzt, die Aufnahmen bei enger Pupille erlauben, da der zeitliche Aufwand geringer und der Patientenkomfort größer ist. In den letzten Jahren ist eine Tendenz zu Weitwinkelfunduskameras zu beobachten. Standardkameras erlauben normalerweise ein Darstellung von 50 Grad, während Weitwinkelfunduskameras 100 Grad oder mehr abbilden können. Für die Beurteilung des Sehnervenkopfes ist es wichtig, dass die Bilder die originale Farbinformation beinhalten. Die Bedeutung der Fundusfotografie in der Glaukombewertung liegt in verschiedenen Aspekten:
Früherkennung von Glaukom: Fundusfotografie ermöglicht hochauflösende Bilder des Sehnervenkopfes und der Netzhaut. Das Fundusfoto erlaubt eine einfache Messung der C/D-Ratio und eine Darstellung der unter Punkt 2 erläuterten anatomischen Strukturen.
Verlaufskontrolle und Überwachung: Fundusfotografie ermöglicht es, Veränderungen im Sehnervenkopf im Laufe der Zeit zu dokumentieren. Dies ist entscheidend, um den Fortschritt der Erkrankung zu überwachen und die Wirksamkeit der Glaukombehandlung zu beurteilen. Durch den Vergleich von aufeinanderfolgenden Fundusaufnahmen kann die Progression des Glaukoms dokumentiert und die entsprechende Behandlung angepasst werden. Zudem ist die Fundusfotografie eine stabile Technik, die es im Gegensatz zu manch anderen Techniken voraussichtlich auch in vielen Dekaden noch geben wird.
Optische Kohärenztomografie (OCT) beim Glaukom
Die optische Kohärenztomografie (OCT) generiert hochauflösende Querschnittsbilder der Netzhaut, des Sehnervs und anderer Augenstrukturen. Diese nichtinvasive Technik nutzt Kurzkohärenzinterferometrie, um detaillierte Bilder zu erstellen, die für die Diagnose und Überwachung von Augenerkrankungen äußerst wertvoll sind. Die OCT-Technologie hat die Augenheilkunde revolutioniert, indem sie eine detaillierte und präzise dreidimensionale Darstellung der Augenstrukturen ermöglicht. Sie ist zu einem unverzichtbaren Werkzeug für die Diagnose und Überwachung verschiedener Augenerkrankungen geworden. Im Gegensatz zur Fundusfotografie werden mittels OCT tiefenaufgelöste Schichtbilder erstellt (B-Scans), die zu volumetrischen Bildern zusammengesetzt werden können. Dabei kann eine sehr hohe Auflösung erzielt werden, die axial etwa 5 μm und lateral etwa 20 μm beträgt. Diese Bilder zeigen die mikroskopische Struktur und Dicke der Gewebeschichten.
Die Technik spielt eine zentrale Rolle bei der Glaukomdiagnose und der Progressionsanalyse. OCT ermöglicht die Messung der retinalen Nervenfaserschichtdicke um den Sehnervenkopf herum, was für die Früherkennung und Überwachung von Glaukom äußerst wichtig ist. Die Quantifizierung basiert dabei auf dem Vergleich mit einer normativen Datenbank, wobei das Alter des Patienten in Betracht gezogen werden muss (Abb. 7). Typischerweise wird die RNFS-Dicke zirkulär um den Sehnerv in Sektoren (z. B. nasaler, temporaler, oberer, unterer Sektor) gemessen. Bei Patienten mit Glaukom wird die OCT wiederholt angewendet, um Veränderungen der retinalen Nervenfaserschichtdicke im Laufe der Zeit zu verfolgen. Dies hilft dabei, den Progressionsverlauf der Erkrankung zu überwachen und die Behandlung entsprechend anzupassen.
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Alternativ wurde die minimale Randbreite der Bruch-Membran-Öffnung (BMO-MRW) als Biomarker für das Glaukom vorgeschlagen. Der BMO-MRW misst den Mindestabstand von der Bruch-Membran-Öffnung zur inneren Grenzschicht (Chauhan et al. 2013).
Alternativ können modernere OCT-Systeme auch die Dicke der Ganglienzellschicht in Bildern der zentralen Netzhaut messen. Die Spezifität und Sensitivität der Ganglienzellschichtmessung ist etwa mit derjenigen der RNFS vergleichbar (Oddone et al. 2016). Generell gilt, dass die diagnostische Trennschärfe der OCT umso besser ist, je fortgeschrittener das Glaukomstadium ist (Wong et al. 2021). Diese kann weiter verbessert werden, falls anatomische Faktoren des Auges berücksichtigt werden (Chua et al. 2020; Chua et al. 2022) oder Künstliche Intelligenz eingesetzt wird (AlRyalat et al. 2023; Girard und Schmetterer 2020; Sreejith Kumar et al. 2022).
Die OCT hilft auch bei der Differenzialdiagnose des Glaukoms gegenüber anderen Erkrankungen, die den Sehnerv betreffen, wie Optikusatrophie, neurologische Erkrankungen oder Gefäßerkrankungen.
Praxistipp: Wie stelle ich im OCT-Progression fest?
Die OCT-Progressionsanalyse, die in den meisten OCT-Geräten also Software angeboten wird, beinhaltet die regelmäßige Überwachung der retinalen Schichtdicke und anderer Parameter mittels optischer Kohärenztomografie. Durch den Vergleich von aktuellen OCT-Scans mit früheren Aufnahmen können signifikante Veränderungen im Verlauf des Glaukoms identifiziert werden. Ein signifikanter Abfall des retinalen Parameters kann auf eine Progression hinweisen, es ist aber auch zu beachten, dass es eine altersbedingte Abnahme gibt.
Vergleichende Analyse der Bildgebungsverfahren
Verschiedene Bildgebungsverfahren dienen der Beurteilung des Sehnervs, wobei jede ihre eigenen Vor- und Nachteile hat. Hier ein Vergleich einiger Bildgebungsverfahren zur Beurteilung des Sehnervs:
Optische Kohärenztomografie (OCT):
Vorteile:
Hohe Auflösung: OCT bietet hochauflösende Querschnittsbilder der retinalen Nervenfaserschicht und des Sehnervenkopfes.
Präzise Messungen: ermöglicht genaue Messungen der retinalen Nervenfaserschichtdicke, Ganglienzellschicht und C/D-Ratio.
Echtzeit-Visualisierung: schnelle Bilderfassung und Darstellung der Augenstrukturen.
Wiederholbarkeit: ermöglicht eine gute Reproduzierbarkeit bei der Messung von Veränderungen über die Zeit hinweg.
Nachteile:
Relativ hohe Kosten: Die Anschaffung und Wartung von OCT-Geräten kann kostenintensiv sein.
Fundusfotografie:
Vorteile:
Weitwinkelansicht: bietet Weitwinkelaufnahmen des Augenhintergrunds, einschließlich des Sehnervs, was eine Gesamtansicht der betroffenen Strukturen ermöglicht.
Dokumentation: erlaubt die einfache Dokumentation und Verfolgung von Veränderungen im Laufe der Zeit.
Kosteneffizienz: Fundusfotografie kann im Vergleich zu anderen Bildgebungstechniken kostengünstiger sein.
Nachteile:
Begrenzte Details: kann weniger detaillierte Informationen über Gewebe und Schichtdicken liefern als die OCT, da keine dreidimensionale Bildgebung möglich ist.
Herausforderungen und zukünftige Entwicklungen
Aktuelle Grenzen bei der Bewertung des Sehnervs
Die Bewertung des Sehnervs ist entscheidend für die Diagnose und das Management von Augenerkrankungen wie Glaukom. Obwohl verschiedene Bildgebungstechniken wie optische Kohärenztomografie (OCT), Fundusfotografie und andere nützlich sind, gibt es einige aktuelle Herausforderungen und Grenzen in der Bewertung des Sehnervs:
Subjektive Interpretation: Einige Bildgebungsergebnisse erfordern eine subjektive Interpretation durch den Augenarzt. Dies kann zu Variabilität und Abhängigkeit von der Erfahrung des Arztes führen.
Limitierte Tiefendarstellung: Einige Techniken wie die OCT haben begrenzte Tiefenauflösung und können möglicherweise nicht alle Schichten und Details des Sehnervs vollständig darstellen. Dies gilt zum Beispiel für die Lamina cribrosa.
Kosten und Zugänglichkeit: Fortschrittliche Bildgebungstechniken wie OCT können kostspielig sein, was die Zugänglichkeit für einige Patienten, medizinische Einrichtungen oder ganze Länder einschränken kann.
Verfügbarkeit von Referenzdaten: Die Interpretation von Bildgebungsergebnissen erfordert Vergleichsdaten aus bevölkerungsbasierten Studien oder Normdaten für verschiedene Altersgruppen und ethnische Gruppen, was manchmal begrenzt sein kann.
Zukünftige Entwicklungen und Lösungsansätze
Weiterentwicklung der Bildgebungstechnologien: Fortschritte in der Bildgebungstechnologie könnten die Auflösung, Tiefendarstellung und Vielseitigkeit verbessern, um detailliertere und präzisere Bilder des Sehnervs zu liefern.
Künstliche Intelligenz (KI) und Automatisierung: Die Integration von KI-Algorithmen in die Bildanalyse könnte die Genauigkeit, Reproduzierbarkeit und Objektivität verbessern, indem sie automatisierte Messungen und diagnostische Unterstützung ermöglicht.
Standardisierung von Protokollen und Referenzdaten: Die Etablierung einheitlicher Protokolle, Normwerte und Referenzdaten für Bildgebungstechniken kann helfen, Vergleichbarkeit und Interpretation von Ergebnissen zu verbessern.
Kostensenkung und verbesserte Zugänglichkeit: Fortschritte in der Technologie könnten dazu beitragen, die Kosten für Bildgebungssysteme zu senken und die Zugänglichkeit in verschiedenen medizinischen Einrichtungen zu verbessern.
Multimodale Bildgebung: Die Kombination mehrerer Bildgebungstechniken könnte ein umfassenderes Bild des Sehnervs liefern und so eine genauere Diagnose und Überwachung ermöglichen.
Neue Technologien und Fortschritte
In den letzten Jahren haben sich in der Bildgebung des Sehnervs bedeutende Fortschritte und neue Technologien entwickelt, die dazu beitragen, präzisere Diagnosen, eine bessere Überwachung und eine verbesserte Behandlung von Augenerkrankungen zu ermöglichen. Hier einige der neuen Technologien und Fortschritte:
Fortschritte in der optischen Kohärenztomografie (OCT):
Verbesserte Auflösung und Geschwindigkeit: Neue Generationen von OCT-Geräten bieten eine höhere Auflösung und eine schnellere Bilderfassung, was zu detaillierteren und präziseren Bildern des Sehnervs und der retinalen Nervenfaserschicht führt sowie zu höherem Patientenkomfort.
Adaptive Optik:
Adaptive Optik-Bildgebung: Diese Technik verbessert die Auflösung und erlaubt die Darstellung von mikroskopischen Details des Sehnervs und der Netzhaut auf zellulärer Ebene. Die Implementierung in den klinischen Alltag ist wegen des zurzeit noch enorm hohen Aufwands jedoch schwierig.
Künstliche Intelligenz (KI) in der Bildgebung:
Automatisierung und Analyse: KI-Algorithmen werden zur automatisierten Analyse von OCT-Bildern eingesetzt, um Parameter wie retinale Nervenfaserschichtdicke, C/D-Ratio und andere Indikatoren für Glaukom zu quantifizieren. KI wird für die Unterstützung bei der Diagnosestellung von Augenerkrankungen eingesetzt, indem sie bei der Erkennung von Anomalien und der Interpretation von Bildgebungsergebnissen hilft.
Multimodale Bildgebung:
Kombination verschiedener Bildgebungstechniken: Die Kombination von OCT mit anderen Bildgebungstechniken wie adaptive Optik-Bildgebung, funktioneller Bildgebung oder anderen Modalitäten ermöglicht eine umfassendere Beurteilung des Sehnervs und seiner Umgebung.
Die optische Kohärenztomografie-Angiografie (OCT-A) ist eine erweiterte Form der OCT, die nicht nur hochauflösende Querschnittsbilder der retinalen Schichten liefert, sondern auch die retinale Mikrozirkulation bildlich darstellen kann, und zwar ohne die Notwendigkeit von intravenösen Farbstoffinjektionen wie bei der herkömmlichen Fluoreszein-Angiografie (FFA). Die OCT-A nutzt die Bewegung des Blutes als „Kontrastmittel“, um die Durchblutung der retinalen Gefäße sichtbar zu machen. Im Zusammenhang mit Glaukom bietet die OCT-A einige Vorteile und Anwendungen:
Beurteilung der retinalen Mikrozirkulation: OCT-A ermöglicht die Visualisierung der retinalen Gefäßstruktur und -perfusion. Durch die Beurteilung von Veränderungen in der Gefäßdichte und des Gefäßmusters können potenzielle Ischämiebereiche oder Durchblutungsstörungen, die mit Glaukom assoziiert sein könnten, erkannt werden.
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