Infektionen der Orbitabereiche: Lid- und Orbitaphlegmone
Verfasst von: Tim Bleul
Aufgrund ihrer engen anatomischen Beziehung zu intrakraniellen Strukturen sind orbitale und periorbitale Infektionen potenziell lebensbedrohlich. Klinisch muss die präseptale Lidphlegmone von der postseptalen Orbitaphlegmone unterschieden werden. Dabei ist die häufigste Ursache der Orbitaphlegmone eine Sinusitis. Infolge der sinugenen Infektionsausbreitung kann leicht das Periost vom Knochen abgehoben werden und ein subperiostaler Abszess als häufigste Komplikation entstehen. Beim Management der Orbitaphlegmone und dessen Komplikationen spielt das Alter der Patienten und damit einhergehend das zu erwartende unterschiedliche Keimspektrum eine wichtige Rolle.
Orbitale und periorbitale Infektionen stellen potenziell nicht nur visus- sondern auch lebensbedrohliche Erkrankungen dar. Das Ziel der Behandlung ist daher das Vermeiden schwerwiegender Komplikationen wie einer Sinusvenenthrombose, zerebraler Abszesse oder eines Verlusts der Sehkraft. Ein erfolgreiches Management erfordert ein rasches interdisziplinäres Vorgehen, das neben der Augenheilkunde insbesondere Hals-Nasen-Ohren-Ärzte und die Radiologie einschließt. Eine konsequente antibiotische und chirurgische Behandlung konnte die Letalität orbitaler Infektionen, die vor der Einführung der Antibiotika bei einem von fünf Patienten lag, erheblich senken. Obwohl orbitale und periorbitale Infektionen in jedem Alter auftreten können, sind Kinder am häufigsten betroffen.
Pathophysiologie
Das orbitale Septum begrenzt die Orbita nach anterior und stellt eine Barriere dar, die die Ausbreitung von Infektionen nach posterior erschwert. Als Lidphlegmone werden Infektionen bezeichnet, die primär auf die Augenlider begrenzt sind und daher vor dem orbitalen Septum (präseptal) liegen. Orbitale Strukturen sind daher definitionsgemäß bei einer Lidphlegmone nicht betroffen. Bei Orbitaphlegmonen hingegen betrifft die Entzündung postseptale Strukturen. Aufgrund der engen anatomischen Beziehung der Orbita zu den Nasennebenhöhlen, bei der 60 % der Fläche der Orbitawände an die Nasennebenhöhlen angrenzen, geht sie am häufigsten von einer Sinusitis aus (Welkoborsky et al. 2022). Eine orbitale Ausbreitung sinugener Infektionen ist besonders leicht aus den Ethmoidalzellen möglich, da diese nur durch die dünne Lamina papyracea von der Orbita getrennt sind. Hierbei kann das Periost vom Knochen abgehoben werden, was zur Bildung eines subperiostalen Abszesses führt. Bei Geburt ist lediglich der Sinus ethmoidalis angelegt. Der Sinus frontalis und maxillaris entwickelt sich erst im Kindesalter. Trotz der mit zunehmendem Alter größer werdenden Nebenhöhlen nimmt die Größe der Ostien kaum zu, sodass sich das Keimspektrum der Nasennebenhöhlen und damit auch das Keimspektrum orbitaler Infektionen zwischen Kleinkindern und Erwachsenen erheblich unterscheidet (Harris 1993).
Die Drainage der Augenlider, der Orbita und der Nasennebenhöhlen erfolgt über das klappenlose venöse System der Orbita, das in den Sinus cavernosus mündet. Die Venen bilden dabei Leitschienen der Infektionsausbreitung zwischen den unterschiedlichen Kompartimenten. Sowohl präseptale als auch postseptale Infektionen können daher zu einer lebensbedrohlichen Sinus-cavernosus-Thrombose führen, und auch die Infektionsausbreitung aus den Nasennebenhöhlen in die Orbita ist erleichtert. Da die Venen klappenlos sind, kann bereits eine Erhöhung des venösen Druckes durch eine Sinusitis zu einer periorbitalen Schwellung führen.
Epidemiologie
Die präseptale Lidphlegmone ist ein wesentlich häufigeres Krankheitsbild als eine Orbitaphlegmone. Bei periorbitalen/orbitalen Infektionen im Kindesalter liegen in etwa 85 % Lidphlegmonen und nur in etwa 15 % der Fälle Orbitaphlegmonen vor (Uzcátegui et al. 1998). Dabei ist die Orbitaphlegmone im Kindesalter wesentlich häufiger als im Erwachsenenalter. Bei Kindern beträgt die Inzidenz etwa 1,5 pro 100.000 und bei Erwachsenen 0,1 pro 100.000 (Murphy et al. 2014). Beide Geschlechter sind etwa gleich häufig betroffen. Jahreszeitliche Schwankungen der Inzidenz konnten nachgewiesen werden mit einem Häufigkeitsgipfel in den späten Wintermonaten (Tsirouki et al. 2018).
Lidphlegmone
Bei der Lidphlegmone erstreckt sich die bakterielle Entzündung auf die präseptalen Strukturen der Augenlider. Klinische Zeichen einer Lidphlegmone sind eine Lidschwellung sowie eine Rötung und Überwärmung der Haut. Das klinische Bild kann dabei von wenig ausgeprägten lokalisierten Befunden bis zu einer generalisierten Ober- und Unterlidbeteiligung reichen, die eine Beurteilung des Bulbus erheblich erschweren können. Insbesondere bei ausgeprägten Befunden entwickeln die Patienten häufig Fieber und ein allgemeines Krankheitsgefühl. Das klinische Bild variiert auch entsprechend dem beteiligten Keim. Bei einer Infektion mit Streptokokken zeigt sich meist eine scharfe Demarkationslinie der starken Rötung und Überwärmung. Staphylokokken führen häufig zu Infektionen mit eitrigem Ausfluss. Infektionen mit Haemophilus gehen meist mit einem charakteristisch verfärbten bläulich-violetten Hautkolorit einher (Weiss et al. 1983). Seit Einführung der Impfung gegen Haemophilus influenzae Typ B 1985 sind Infektionen mit diesem Keim erheblich seltener geworden (Ambati et al. 2000).
Ursachen einer Lidphlegmone können Infektionen der Haut und des Lids sein (Hordeola, Impetigo contagiosa, Herpes simplex, Dakryozystitis, Insektenstiche usw.). Auch Traumata können zu einer Lidphlegmone führen, indem sie die Hautbarriere verletzen. Bei der Untersuchung muss daher sorgfältig auf mögliche Eintrittspforten geachtet werden. Im betroffenen Bereich sollte sorgfältig palpiert werden, um Hordeola und eine Dakryozystitis als Ursache zu erkennen und behandlungsbedürftige Abszessformationen nicht zu übersehen.
Auch bei präseptal gelegenen Lidphlegmonen ist eine Sinusitis als Ursache häufig (Georgakopoulos et al. 2010). Diese Patienten sind meist Kinder, die sich in den Wintermonaten mit einem vorangehenden grippalen Infekt vorstellen. Wichtig ist die Unterscheidung von anderen Ursachen eines reaktiven Lidödems. Häufig ist dabei die Verwechslung einer Lidphlegmone mit einer Konjunktivitis. In einer retrospektiven Arbeit konnte gezeigt werden, dass 16 % aller primär als Lidphlegmone interpretierten Befunde lediglich eine Konjunktivitis als Ursache des Lidödems hatten (Ruttum und Ogawa 1996). Die reaktive Lidschwellung bei Konjunktivitis geht jedoch im Gegensatz zur Lidphlegmone nicht mit einer ausgeprägten Rötung und Überwärmung einher und ist zudem nicht druckschmerzhaft. Zudem ist bei einer rein präseptalen Lidphlegmone in der Regel die Konjunktiva nicht injiziert.
Eine sorgfältige Suche nach Anzeichen einer orbitalen Infektion ist wichtig, um eine Lidphlegmone von der potenziell gefährlicheren Orbitaphlegmone zu unterscheiden (siehe Tab. 1). Hierbei sollte insbesondere auf eine Motilitätseinschränkung oder Schmerzen bei Augenbewegungen geachtet werden. In der Regel führt eine rein präseptale Entzündung nicht zu einer Bindehautinjektion oder Chemosis. Sofern keine Infektion der Bindehaut vorliegt, muss daher eine Bindehautinjektion oder Chemosis als Zeichen einer orbitalen Entzündung gedeutet werden. Auch sollte auf das Vorliegen eines Exophthalmus geachtet werden und ggf. die Diagnose einer rein präseptalen Entzündung verworfen werden.
Tab. 1
Symptome der prä- oder postseptalen Entzündung fehlt
Klinisches Symptom
Präseptale Entzündung
Postseptale Entzündung
Lidschwellung/Rötung
+
+
Exophthalmus
−
−/+
Motilitätseinschränkung
−
−/+
Schmerzen bei Augenbewegung
−
−/+
Chemosis/Bindehautinjektion
−
−/+
Visusminderung
−
−/+
RAPD
−
−/+
Aufgrund der Lidschwellung ist die Exophthalmometrie erschwert und eine genaue Messung mittels eines Herthel-Exophthalmometers häufig unmöglich. Hilfreich ist in dieser Situation von oben über die Stirn des Patienten zu peilen und im Seitenvergleich die Lage des Hornhautscheitels zu beurteilen.
Ggf. sollte eine Blutentnahme mit Bestimmung der Entzündungsparameter erfolgen. In einer multivariablen Regressionsanalyse bei Patienten mit Orbita- und Lidphlegmone konnte gezeigt werden, dass ein CRP-Wert > 116,5 mg/L das Vorliegen einer Orbitaphlegmone vorhersagt (Yalçınkaya et al. 2023).
Eine präzise klinische Unterscheidung zwischen präseptaler und postseptaler Infektion ist jedoch nicht immer möglich. Bei Unsicherheit und insbesondere wenn eine Beurteilung des Auges und der Motilität aufgrund der starken Schwellung nicht möglich ist, kann eine Bildgebung indiziert sein.
Zur Antibiotikatherapie liegen keine randomisierten kontrollierten Studien vor. Bei wenig ausgeprägten Befunden kann ein orales Breitspektrum-Antibiotikum wie beispielsweise Amoxicillin/Clavulansäure (Erwachsene: 2 × tgl. 1 g p.o., Kinder: 50–100 mg/kg KG/Tag p.o.) oder Cefuroxim (Erwachsene: 2 × 500 mg p.o. Kinder: 150 mg/kg KG/Tag p.o.) ausreichen. Bei ausgeprägten Befunden sollten eine engmaschige stationäre Überwachung und eine intravenöse Therapie erfolgen. Wenn eine spezifische Ursache der Lidphlegmone vorliegt wie z. B. eine Dakryozystitis, muss diese entsprechend spezifisch behandelt werden. Bei einer Lidverletzung durch einen Tierbiss oder organisches Material sollte die antibiotische Abdeckung Anaerobier beinhalten (z. B. Metronidazol). Um das Therapieansprechen im Verlauf besser beurteilen zu können, hat sich das Anzeichnen der Ränder der Phlegmone bewährt. Ein Lidabszess oder verbliebene Fremdkörper müssen chirurgisch behandelt werden. Selten kann es durch betahämolysierende Streptokokken zu einer nekrotisierenden Fasziitis kommen. Bei schweren, schnell fortschreitenden Befunden mit unscharfer Begrenzung und violetter Hautverfärbung sollte daran gedacht werden. Bei Verdacht müssen unmittelbar hochdosierte Penicilline oder Cephalosporine der dritten Generation in Kombination mit Clindamycin verabreicht werden. Bei unzureichendem Ansprechen muss rasch ein chirurgisches Debridement in Erwägung gezogen werden.
Orbitaphlegmone
Bei der Orbitaphlegmone handelt es sich um eine visus- und lebensbedrohliche Erkrankung. Vor der Einführung der Antibiotika führte sie bei einem von fünf Patienten zum Tod und bei den Überlebenden in einem Drittel der Fälle zu einer Erblindung (Duke-Elder 1952). Eine rasche, korrekte Diagnose und eine entschlossene konservative und chirurgische Therapie sind daher essenziell. Ursache einer Orbitaphlegmone ist in etwa 90 % der Fälle eine Sinusitis (Weiss et al. 1983). Weniger häufige Ursachen sind Traumata/Operationen, dentale Infektionen, hämatogene bakterielle Aussaat und Tränenwegsinfektionen. Bei einer Orbitaphlegmone kann mitunter die Lidschwellung weniger ausgeprägt sein als bei einer rein präseptalen Entzündung. Diagnostisch entscheidend ist die klinische Abgrenzung von der präseptalen Lidphlegmone durch das Vorliegen orbitaler Zeichen. Diese Zeichen können jedoch bei orbitalen Infektionen gering ausgeprägt oder selten gar nicht vorhanden sein, sodass eine sorgfältige gezielte klinische Untersuchung essenziell ist. Das Vorliegen eines Exophthalmus muss wenn möglich durch ein Herthel-Exophthalmometer im Seitenvergleich überprüft werden. Des Weiteren muss auf eine freie Motilität in allen Blickrichtungen auch bei Extremblick geachtet werden. Besonderes Augenmerkt sollte dabei auf Einschränkungen der Adduktion liegen, da Subperiostalabszesse aufgrund der dünnen Lamina papyracea am häufigsten medial liegen und dadurch zu einer Einschränkung der Adduktion führen können. Bei einer eingeschränkten Motilität muss aufgrund der Gefahr einer Sinusvenenthrombose beurteilt werden, ob das Inkomitanzmuster einer Hirnnervenparese zuzuordnen ist oder eine mechanische Einschränkung wahrscheinlich ist. Der Patient sollte gezielt nach Schmerzen bei Augenbewegungen befragt werden, da auch dies auf eine postseptale Beteiligung hindeutet. Da eine präseptale Lidphlegmone in der Regel nicht zu einer Bindehautinjektion oder Chemosis führt, sollte dies, sofern sich keine andere Ursache des Bindehautbefundes zeigt, als Zeichen einer postseptalen Beteiligung gewertet werden.
Eine Vielzahl an Differenzialdiagnosen kann ein der Orbitaphlegmone ähnliches klinisches Bild zeigen (siehe Tab. 2).
Tab. 2
Differentialdiagnosen bei periorbitaler/orbitaler Inflammation
Differenzialdiagnosen bei periorbitaler/orbitaler Inflammation
Der rasche einseitige Symptombeginn mit Schmerzen, Fieber und Unwohlsein unterscheidet die Orbitaphlegmone jedoch in der Regel von anderen Orbitaerkrankungen. Im Akutfall darf der Therapiebeginn keinesfalls durch differenzialdiagnostische Abwägungen verzögert werden.
Bei Kindern ist wichtig, dass sich Tumoren selten mit Zeichen einer orbitalen Inflammation erstmanifestieren können. So konnte in einer Arbeit gezeigt werden, dass bei 14 von 260 Retinoblastom-Fällen Zeichen einer orbitalen Inflammation vorlagen (Agarwal et al. 2004). Sollte eine Funduskopie bei Kindern aufgrund der Schwellung nicht möglich sein, sollte daher eine Sonografie durchgeführt werden. Bei Erwachsenen kann die Abgrenzung zu einer idiopathischen orbitalen Inflammation, die sich meist auch einseitig und subakut manifestiert, mitunter schwierig sein. Meist sind jedoch die Schmerzen wesentlich weniger ausgeprägt als bei einer Orbitaphlegmone und es liegt auch kein allgemeines Krankheitsgefühl vor. Lymphome als häufigster maligner Tumor der Orbita bei Erwachsenen zeigen meist einen schleichenden Symptombeginn, keine Schmerzen und wenige Entzündungszeichen, sodass klinisch eine Abgrenzung zur Orbitaphlegmone meist möglich ist.
Aufgrund der meist sinugenen Genese spiegelt das Keimspektrum der Orbitaphlegmone das Keimspektrum der Sinusitis wider. Dieses Keimspektrum ändert sich mit zunehmender Entwicklung der Nasennebenhöhlen erheblich.
Bei kleinen Kindern finden sich meist mikrobiologisch wenig komplexe Infektionen mit Staphylokokken oder Streptokokken. Bei älteren Kindern und Erwachsenen zeigen sich meist komplexere polymikrobielle Infektionen und es finden sich häufig neben den o. g. Keimen gramnegative Erreger und Anaerobier (Harris 1993). Haemophilus influenzae Typ B war bis zur Einführung der Impfung 1985 ein häufiger und aufgrund der häufigen ZNS-Komplikationen gefürchteter Auslöser einer Orbitaphlegmone. Es konnte gezeigt werden, dass vor der Einführung der Impfung etwa 12 % der Orbitaphlegmonen im Kindesalter durch Haemophilus influenzae Typ B ausgelöst wurden. Nach Einführung der Impfung reduzierte sich die Häufigkeit auf etwa 3 % (Ambati et al. 2000). Infektionen mit Methicillin-resistentem Staphylococcus aureus nehmen insgesamt zu. Die in Studien angegebene Häufigkeit schwankt jedoch erheblich zwischen 73 % und 1 % aller Orbitaphlegmonen, die durch Staphylococcus aureus ausgelöst wurden (Jain und Rubin 2001; Seltz et al. 2011; McKinley et al. 2007). Die Daten verdeutlichen die Wichtigkeit einer an die lokalen Gegebenheiten angepassten Therapie. Infektionen mit Pilzen und hierbei insbesondere die durch die Gattung des Pilzes Mucorales ausgelöste Mukormykose sind selten. Sie müssen jedoch insbesondere bei immunsupprimierten Patienten und schlecht eingestellten Diabetikern aufgrund ihres schweren Verlaufs in Betracht gezogen werden. Die Mortalitätsrate liegt bei 50–80 % (Craig et al. 2019). Die Mukormykose manifestiert sich dabei als fulminant verlaufende Pilzinfektion mit Invasion vaskulärer und neuronaler Strukturen, sodass es zu Nekrosen kommt. Bei Verdacht muss eine umgehende bioptische Sicherung erfolgen (Ryu et al. 2022).
Randomisierte kontrollierte Studien zur Antibiotikatherapie bei Orbitaphlegmonen liegen nicht vor. Die antibiotische Behandlung erfolgt intravenös und in höchstmöglicher Dosierung und sollte sich an den lokalen Gegebenheiten sowie an der Resistenzlage orientieren.
Als Erstlinientherapie können Penicillinase-resistente Penicilline (z. B. Ampicillin/Sulbactam; Erwachsene: 3 × tgl. 3 g i.v.; Kinder: 150 mg/kg KG Tag in 3 Dosen) verwendet werden. Hierbei werden die häufigsten Keime im grampositiven und -negativen Bereich sowie Anaerobier abgedeckt. Auch eine Therapie mit Cephalosporinen und dabei aufgrund ihrer guten ZNS-Gängigkeit insbesondere mit Cephalosporinen der dritten Generation (z. B. Ceftriaxon; Erwachsenen 2 × tgl. 2 g i.v.; Kinder: 100 mg/kg KG/Tag, Maximaldosis 2 g/Tag, in Ausnahmefällen 4 g/Tag) wird häufig befürwortet. Hierbei besteht jedoch keine Wirksamkeit gegen Anaerobier, sodass die Therapie bei Verdacht auf eine Anaerobier-Infektion oder fehlendes Ansprechen mit einer in diesem Bereich wirksamen Antibiose ergänzt werden sollte (z. B. Metronidazol; Erwachsene: 3 × tgl. 400 mg i.v.; Kinder: 20–30 mg/kg KG/Tag maximal 2 g/Tag). Bei Verdacht auf eine Infektion mit Methicillin-resistentem Staphylokokkus aureus muss mit Vancomycin (Erwachsene: 2 × tgl. 1 g i.v.; Kinder: Spiegelbestimmung Ziel-Talspiegel 10–15 mg/L) behandelt werden. Bei V. a. auf Mukormykose erfolgt eine hoch dosierte i.v.-Therapie mit liposomalem Amphotericin B (5–10 mg/kg KG/Tag). Der Einsatz von Steroiden bei der Behandlung der Orbitaphlegmone ist umstritten.
Das Management der Orbitaphlegmone erfolgt stationär und interdisziplinär. Da eine Sinusitis die häufigste Ursache einer Orbitaphlegmone ist, ist eine HNO-ärztliche Vorstellung obligat. Bei Vorliegen einer Sinusitis muss diese adäquat ggf. chirurgisch behandelt werden. Neben der bei einer Orbitaphlegmone ohnehin obligaten intravenösen Antibiotikatherapie wird die Sinusitis konservativ durch die Gabe von abschwellendem 0,1 % Xylometazolinhydrochlorid-haltigem Nasenspray, -tropfen oder -gel 3× tgl. behandelt. Ggf. kann auch eine Einlage eines abschwellenden Streifens in den mittleren Nasengang, die „hohe Einlage“, erfolgen. Ergänzend sollte eine regelmäßige Inhalation oder Spülung mit physiologischer Kochsalzlösung erfolgen. Eine endoskopische endonasale Nasennebenhöhlenoperation dient der Fokussanierung und ggf. der Abszessentlastung oder Dekompression der Orbita unter Wegnahme von Anteilen der Lamina papyracea und Schlitzung der Periorbita. Das alleinige Vorliegen einer sinugenen Orbitaphlegmone ist keine zwingende Indikation zur Nasennebenhöhlenoperation. Vielmehr kann das Therapieansprechen auf die konservative Therapie binnen 24 h evaluiert werden (Graß et al. 2018).
Eine Bildgebung ist bei fehlenden klinischen Hinweisen auf eine Optikuskompression, Abszessbildung (z. B. durch Verlagerung des Bulbus und mechanische Motilitätseinschränkung) und ZNS-Beteiligung bei gutem Therapieansprechen nicht zwingend erforderlich. Die Indikation zur Bildgebung sollte jedoch, da sich schwerwiegende chirurgisch behandlungsbedürftige Komplikationen klinisch nicht sicher ausschließen lassen, großzügig gestellt werden. In der Akutsituation ist die Computertomografie die Bildgebung der Wahl. Sie ist in der Regel rasch verfügbar und kann das Ausmaß der Sinusitis, eine intrakranielle Beteiligung und das Vorliegen von subperiostalen oder Orbitabszessen darstellen (Abb. 1). Vorteile der Magnetresonanztomografie dagegen sind die fehlende Strahlenbelastung sowie der sensitivere Nachweis intrakranieller Komplikationen wie z. B. einer Sinusvenenthrombose und die genauere Einordnung seltener Differenzialdiagnosen.
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Bei etwa 10 % aller Orbitaphlegmonen findet sich ein Abszess in der Orbita (Hornblass et al. 1984). Hierbei werden Subperiostalabszesse von frei in der Orbita liegenden Orbitaabszessen unterschieden.
Eine Abszessbildung ist am häufigsten bei einer sinugenen Orbitaphlegmone zu beobachten. Diese Abszesse liegen dann meist subperiostal und gehen häufig von den Ethmoidalzellen aus. Klinische Zeichen eines solchen medial gelegenen Abszesses können ein nach lateral dislozierter Bulbus sowie eine Adduktionseinschränkung sein.
Im Gegensatz zu subperiostalen Abszessen sollten freie orbitale Abszesse in der Regel chirurgisch behandelt werden. Das Management von Subperiostalabszessen ist umstritten, da sie sich unter antibiotischer Therapie auflösen können. Es konnte gezeigt werden, dass bei Kindern, die jünger als 9 Jahre sind, das Ansprechen auf eine rein konservative Therapie erheblich besser ist als bei älteren Patienten (Harris 1993). Für Kinder, die jünger als 9 Jahre sind, wurden daher Kriterien, die ein rein konservatives Vorgehen rechtfertigen, überprüft. Dabei wurde eine rein konservative Therapie eingeleitet, wenn die folgenden Punkte nicht vorlagen: Sinusitis frontalis (aufgrund der höheren Wahrscheinlichkeit intrakranieller Komplikationen), ein nicht medial gelegener Abszess, große Abszesse, V. a. Anaerobier-Infektion (z. B. bei Gaseinschlüssen im CT), chronische Sinusitis, Optikuskompression, V. a. dentogenen Ursprung der Orbitaphlegmone. Unter Anwendung der oben genannten Kriterien konnte der Subperiostalabszess dabei bei 27 von 29 Kindern erfolgreich konservativ behandelt werden (Garcia und Harris 2000). Insbesondere bei Kindern unter 9 Jahren ohne Visusminderung oder intrakranielle Beteiligung und mit kleinen Subperiostalabszessen scheint ein konservativer Therapieversuch daher initial angemessen.
Sollte eine chirurgische Entlastung des Subperiostalabszesses angestrebt werden, ist das chirurgische Vorgehen abhängig von der Lage des Abszesses. Die meisten Subperiostalabszesse entstehen medial unter Durchwanderung der Lamina papyracea, sodass sie gut endonasal endoskopisch erreichbar sind. Sollte der Subperiostalabszess endonasal endoskopisch nicht erreichbar sein, muss das chirurgische Vorgehen interdisziplinär diskutiert werden. Häufig können die Subperiostalabszesse durch eine offene Orbitotomie und unter strenger Präparation zwischen Knochen und Periost gut erreicht werden und chirurgische orbitale Komplikationen vermieden werden.
Im Vergleich zur präantibiotischen Zeit ist eine Sinusvenenthrombose, verursacht durch eine Orbitaphlegmone, selten geworden. Hinweise auf eine Sinusvenenthrombose können eine ggf. kombinierte Hirnnervenparese und dadurch verursachte Motilitätseinschränkungen sein. Auch auf eine Hyperalgesie im Trigeminusbereich sollte geachtet werden. Bei einer venösen Stase oder Stauungspapillen muss eine Sinusvenenthrombose zwingend ausgeschlossen werden.
Zusammenfassung
Orbitale und periorbitale Infektionen stellen potenziell lebensbedrohliche Erkrankungen dar. Rasches und entschiedenes Handeln ist erforderlich.
Die präseptale Lidphlegmone muss von der postseptalen Orbitaphlegmone klinisch durch das Vorliegen orbitaler Zeichen unterschieden werden.
Die häufigste Ursache der Orbitaphlegmone ist eine Sinusitis.
Der Subperiostalabszess ist die häufigste Komplikation insbesondere sinugener Orbitaphlegmonen.
Beim Management der Orbitaphlegmone und dessen Komplikationen spielt das Alter der Patienten und damit einhergehend das zu erwartende unterschiedliche Keimspektrum eine wichtige Rolle.
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