Einleitung
Mit zunehmendem Lebensalter steigt die Wahrscheinlichkeit einer Kataraktbildung. Dies trifft sowohl Patienten ohne weitere Augenerkrankungen als auch Patienten, bei denen zusätzlich eine Glaukomerkrankung vorliegt, Letztere verstärkt. Eine zunehmende Veränderung der Linse kann dabei das bestehende Glaukom, insbesondere bei einer Engwinkelsituation, negativ beeinflussen.
Schätzungen gehen davon aus, dass zwischen 10–20 % der Kataraktpatienten über 65 Jahre gleichzeitig ein Glaukom haben (DOG
2023; Junglass
2022; McCann et al.
2020).
Der allgemein akzeptierte Therapiestandard in der Behandlung einer Katarakt ist die Phakoemulsifikation mit Implantation einer intraokularen Linse (IOL).
Im Unterschied zur Kataraktoperation ist die Behandlung des Glaukoms dagegen vielfältig. Allen bis dato anerkannten Therapieoptionen gemeinsam ist das Therapieziel, die Senkung des
Augeninnendruckes als einzig nachweislich modifizierbaren Risikofaktor für die Entwicklung einer glaukomatösen Optikusschädigung. Die verschiedenen Therapieansätze umfassen dabei medikamentöse Behandlungen, Lasertherapien oder unterschiedliche operative Verfahren.
Tritt bei einem Glaukompatienten eine Kataraktbildung auf und besteht damit die Indikation zu einem augeneröffnenden Eingriff, kann und sollte der Ansatz der Glaukomtherapie überdacht werden. Ein Beispiel hierfür ist ein Patient mit einem primären Winkelblockglaukom (PACG), welches bis dahin medikamentös therapiert wurde. Hier kann eine frühe Linsenextraktion nach Kataraktbildung gleichzeitig eine wirksame Behandlung des PACG sein (Azuara-Blanco et al.
2016).
Die überwiegende Mehrheit der Glaukome in Europa stellen jedoch die primär chronischen Offenwinkelglaukome (POAG), gefolgt vom
Pseudoexfoliationsglaukom (PEX) dar (Quigley und Broman
2006). Hier erfolgt zumeist eine lokale medikamentöse Therapie oder eine
Laserbehandlung (SLT/ALT) als First-Line-Therapie (EGS
2020). Bei beiden Ansätzen handelt es sich um nichtinzisionale Therapien, bei denen eine Eröffnung des Auges vermieden wird.
Da bei einer Kataraktoperation das Auge notwendigerweise eröffnet wird, kann die Frage gestellt werden, ob es vertretbar und/oder sinnvoll oder sogar notwendig ist, die anstehende Operation mit einer inzisionellen Glaukomtherapie zu kombinieren. Dadurch können die Nachteile lokaler Medikation wie lokale und/oder systemische Nebenwirkungen, schlechte Adhärenz oder eingeschränkte Wirksamkeit oder auch die Wirkdauer der Lasertherapie positiv beeinflusst werden.
Mit der Einführung der
Minimalinvasiven Glaukomchirurgie (MIGS) traten in der Diskussion um eine kombinierte Katarakt-Glaukom-Operation neue Fragestellungen auf:
1.
Ist die alleinige Kataraktoperation zur Erreichung eines Zieldruckwertes ausreichend?
2.
Wann sollte bei einer geplanten Katarakt- eine kombinierte Glaukomoperation erfolgen?
3.
Welche Glaukomoperation eignet sich bei einem kombinierten Eingriff am besten?
4.
Welche operative Behandlungsreihenfolge ist bei Katarakt mit gleichzeitigem Glaukom sinnvoll – erst Katarakt, erst Glaukom oder beides kombiniert?
Im Folgenden wird ein Überblick über mögliche Therapieansätze gegeben und dabei auch auf Ergebnisse, Besonderheiten, Risiken und Komplikationen eingegangen.
Zusammenfassung
Ziel einer Glaukomtherapie ist eine Verlangsamung der Progression der Erkrankung durch eine Senkung des
IOD. Der Zieldruck kann durch eine Reihe unterschiedlicher Verfahren oder Medikamente erreicht werden.
Bei gleichzeitig vorliegender Katarakt besteht die Möglichkeit eines kombinierten Eingriffs. Nahezu alle Verfahren zeigen hierbei eine Nicht-Unterlegenheit gegenüber einer einfachen Phakoemulsifikation auf. Daher sollte jeder Glaukomspezialist bei anstehender Kataraktoperation bei einem Glaukompatienten mit klinisch relevantem Glaukom eine gleichzeitige zieldruckorientierte chirurgische Glaukomoperation in Betracht ziehen, da die Vorteile die Nachteile in der Regel überwiegen.
Durch eine kombinierte Katarakt-Glaukom-Operation können in der Regel sowohl eine deutlich bessere und gleichmäßigere Augeninnendrucksenkung über den Tages- und Nachtverlauf (24/7 Kontrolle) als auch ein verminderter Bedarf an Lokaltherapie erreicht werden. Dies kann zu einer spürbar verbesserten
Lebensqualität der Patienten beitragen. Letzteres betrifft insbesondere ältere Menschen, die Probleme bei der Applikation von Augentropfen haben. Zusätzlich zeigen Untersuchungen, dass weitere Folgebehandlungen reduziert werden, wodurch sich auch soziökonomische Vorteile ergeben.
Eine Einschränkung ist bei der Indikation einer filtrierenden
Glaukomchirurgie in der Kombination mit einer Kataraktoperation gegeben, da hier eine kombinierte Operation mit einem höheren Vernarbungsrisiko verbunden ist und somit ein sequenzieller Ansatz, möglichst beginnend mit der Kataraktextraktion, bevorzugt werden sollte.