Kongenitale Augenbewegungsstörungen
Kongenitale Augenbewegungsstörungen sind angeborene Erkrankungen, die verschiedene Bereiche des okulomotorischen Systems betreffen können (Neugebauer et al. 2023). Sie machen ca. 1–2 % aller kindlichen Schielformen aus. Da diese angeborenen Fehlinnervationssyndrome nicht nur die Augenbewegungen, sondern auch andere Hirnnerven betreffen können, werden sie im englischsprachigen Raum als „congenital cranial dysinnervation disorders“ = CCDD bezeichnet. Durch die Fehlinnervation (Innervation eines Muskels durch ursprünglich nicht für ihn bestimmte Nervenfasern) kommt es zu Bewegungseinschränkungen. Gleichzeitig können Synkinesien, unwillkürliche Mitbewegungen eines Muskels bei der Bewegung eines anderen, auftreten. Aufgrund ihrer Seltenheit und manchmal nur subtilen klinischen Anzeichen werden sie häufig übersehen, mit häufigeren Formen von Strabismus verwechselt oder ernste neurologische Erkrankungen vermutet, wenn weitere Hirnnerven betroffen sind. Das Ziel des behandelnden Arztes sollte daher nicht nur darin bestehen, die Störung richtig zu diagnostizieren und entsprechende Maßnahmen einzuleiten, sondern auch den Patienten über seine Erkrankung aufzuklären. Die in diesem Artikel besprochenen Krankheitsbilder werden anhand von zwei Kriterien klassifiziert: dem Vorliegen eines Innervationsdefizits und dem Vorliegen einer Fehlinnervation. Das Innervationsdefizit führt zu Bewegungseinschränkungen, während die Fehlinnervation zu Synkinesien führt, was die gleichzeitige Bewegung mehrerer Muskeln bedeutet, die von verschiedenen Nerven oder Nervenästen versorgt werden. Sowohl das Innervationsdefizit als auch die Fehlinnervation können separat oder in Kombination auftreten. Die Klassifikation umfasst drei Gruppen von Fehlinnervationssyndromen:
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mit sowohl Bewegungseinschränkungen als auch Synkinesien (Innervationsdefizit mit Fehlinnervation)
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mit Bewegungseinschränkungen ohne Synkinesien (Innervationsdefizit ohne Fehlinnervation)
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ohne Bewegungseinschränkungen, aber mit abnormen Augenbewegungen aufgrund von Synkinesien (Fehlinnervation ohne Innervationsdefizit)