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Die Augenheilkunde
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Publiziert am: 28.12.2024

Künstliche Intelligenz in der Augenheilkunde

Verfasst von: Maximilian Pfau
Die Integration von künstlicher Intelligenz (KI) in das Gesundheitswesen verspricht bahnbrechende Fortschritte. Die Augenheilkunde eignet sich für den Einsatz von KI im besonderen Maße, da viele Subdisziplinen bereits seit Jahrzehnten quantitative Daten und Bildgebungsdaten generieren (Pfau et al. 2020c). Dies schließt umfangreiche biometrische Messungen in der Kataraktchirurgie ein sowie Augeninnendruckmessung und Gesichtsfelder in der Glaukomdiagnostik und Netzhautbildgebung in der Retinologie. In augenheilkundlichen Studien haben KI-Algorithmen bereits bemerkenswerte Fähigkeiten bei der Früherkennung von Krankheiten, der präzisen Diagnostik, der personalisierten Behandlungsplanung, der chirurgischen Unterstützung und der prädiktiven Analytik bewiesen.

Technischer Hintergrund

Maschinelles Lernen (ML) und Deep Learning (DL) sind Teilbereiche der KI, bei denen Modelle trainiert werden, um Vorhersagen zu treffen oder Aufgaben auf der Grundlage von Daten auszuführen (Hastie et al. 2009; Kuhn und Johnson 2013). Obwohl sie miteinander verwandt sind, gibt es einige wichtige Unterschiede zwischen den beiden Ansätzen.

Maschinelles Lernen

Beim ML geht es um die Entwicklung von Algorithmen und Modellen, die Muster und Beziehungen in Daten erkennen und lernen können, ohne explizit programmiert zu werden (Hastie et al. 2009; Kuhn und Johnson 2013). Der Schwerpunkt liegt auf dem Training von Modellen, die auf der Grundlage von Eingangsmerkmalen (bereits annotierte Trainingsdaten) Vorhersagen oder Klassifizierungen vornehmen. Algorithmen für ML können durch Lernen aus den bereitgestellten Daten aussagekräftige Erkenntnisse gewinnen und genaue Vorhersagen treffen (Hastie et al. 2009; Kuhn und Johnson 2013).
Beim traditionellen ML spielt das Feature-Engineering eine entscheidende Rolle, bei dem Fachleute manuell relevante Merkmale aus den Eingabedaten extrahieren und auswählen (Kuhn und Johnson 2019). Beispielsweise müssten für die Vorhersage von der Progression von altersabhängiger Makuladegeneration vorab Merkmale selektiert werden (z. B. Drusen, Hyperpigmentierung), die dann in das Modell einfließen können. Diese Merkmale dienen als Eingabe für das maschinelle Lernmodell, das dann aus den markierten Beispielen lernt, um Vorhersagen für neue, ungesehene Daten zu treffen. Ein großer Vorteil dieser Vorauswahl ist, dass die resultierenden Modelle in der Regel interpretierbar sind (beispielsweise „Vorhandensein intermediärer Drusen erhöht das Progressionsrisiko“). Nachteilig ist, dass mit diesem Ansatz keine neuen – bislang unbekannte – Merkmale entdeckt werden, die eventuell relevant für die Vorhersage gewesen wären. Zu den gängigen Algorithmen für maschinelles Lernen gehören lineare Regression, logistische Regression, Random Forest Regression, Support-Vektor-Maschinen und der Naive Bayes-Klassifikator (Hastie et al. 2009; Kuhn und Johnson 2013).

Deep Learning

Deep Learning (DL) ist ein Teilbereich des ML, der sich speziell auf das Training von tiefen neuronalen Netzen konzentriert (Goodfellow et al. 2016). DL-Algorithmen zielen darauf ab, durch diese tiefen neuronalen Netze automatisch hierarchische Darstellungen von Daten zu erlernen und zu extrahieren. Die Modelle bestehen aus mehreren Schichten, darunter Eingabe-, versteckte und Ausgabeschichten, wobei jede Schicht zunehmend abstraktere Darstellungen der Daten lernt. Dies ermöglicht die Entdeckung komplexer Muster und Merkmale in wiederum komplexen Datensätzen ohne vorhergehende Merkmalsextraktion (Goodfellow et al. 2016). DL-Modelle sind somit in der Lage, automatisch relevante Merkmale aus den rohen Eingabedaten zu lernen. Dies hat den großen Vorteil, dass auf diesem Weg Merkmale entdeckt werden können, die zuvor nicht bekannt waren. Oftmals ist jedoch die Arbeitsweise von DL-Modellen schwerer interpretierbar (Goodfellow et al. 2016).
Ein konkretes Beispiel für das Entdecken neuer Merkmale ist die Vorhersage des Geschlechts anhand von Farbfundusfotos. Während dies für Augenärzte zunächst „unmöglich“ erscheint, ist diese Differenzierung für DL-Modelle gut möglich. Im Nachgang ließ sich zeigen, dass diese Differenzierung maßgeblich auf dem Winkel der Gefäße nasal des Sehnervens basierte.
Für die Augenheilkunde sind vor allem die Convolutional Neural Networks (CNNs) beliebte DL-Architekturen, da diese sich zur Verarbeitung von Bilddaten eignen.

Überwachtes und unüberwachtes Lernen

Beim ML sind das überwachte und unüberwachte Lernen als zwei grundlegende Ansätze zu unterscheiden, die es Computern ermöglichen, zu lernen und Vorhersagen zu treffen (Hastie et al. 2009; Kuhn und Johnson 2013).

Überwachtes Lernen

Beim überwachten Lernen wird ein ML- oder DL-Algorithmus auf einem markierten Datensatz trainiert, wobei die gewünschte Ausgabe (Zielvariable) für jeden Eingabedatenpunkt angegeben wird (Hastie et al. 2009; Kuhn und Johnson 2013). Das Modell lernt, aus den markierten Beispielen zu verallgemeinern und Vorhersagen oder Klassifizierungen für ungesehene Daten zu treffen. Es lassen sich zwei Arten von Zielvariablen unterschieden: Regressionsprobleme (Vorhersage einer stetigen Zielvariable) und Klassifikationsprobleme (Vorhersage einer diskreten Zielvariable).
Ein klassisches Beispiel in der Augenheilkunde für überwachtes Lernen mit einer stetigen Zielvariable (Regressionsproblem) ist die Berechnung der optimalen Linsenstärke vor Katarakt-Operation. Hierzu kann ein Trainingsdatensatz mit Merkmalen wie der Achsenlänge und Hornhautbrechkraft sowie der Zielvariable (emmetropisierende Linsenstärke) herangezogen werden, um ein Regressionsmodell anzupassen, welches für zukünftige Patienten die emmetropisierende Linsenstärke vorhersagen kann (Prinzip der SRK-Formel) (Sanders und Retzlaff 1983).
Ein Beispiel für überwachtes Lernen mit einer diskreten Zielvariable (Klassifikationsproblem) wäre die Vorhersage der Diagnose mittels CNNs anhand eines optischen Kohärenztomografie (OCT)-Volumenscans (De Fauw et al. 2018).

Unüberwachtes Lernen

Beim unüberwachten Lernen werden Muster oder Beziehungen in einem Datensatz entdeckt, ohne dass markierte Daten oder spezifische Zielvariablen vorhanden sind (Hastie et al. 2009; Kuhn und Johnson 2013). Das Ziel besteht darin, die Daten zu erforschen, die zugrunde liegenden Strukturen zu erkennen und daraus sinnvolle Erkenntnisse oder Gruppierungen zu gewinnen.
Clustering ist eine Technik, die dazu dient, ähnliche Datenpunkte auf der Grundlage ihrer intrinsischen Merkmale oder Ähnlichkeiten zusammenzufassen (Hastie et al. 2009; Kuhn und Johnson 2013). Ziel ist es, natürliche Cluster oder Untergruppen innerhalb der Daten zu identifizieren. Die daraus resultierenden Cluster können Aufschluss über unterschiedliche Gruppen, Ähnlichkeiten oder Beziehungen in den Daten geben. Zu den gängigen Clustering-Algorithmen gehören k-Means-Clustering und hierarchisches Clustering (Hastie et al. 2009; Kuhn und Johnson 2013).
Diese Verfahren spielen vor allem bei der Analysis von hochdimensionalen „Omics-Daten“ eine wichtige Rolle. Cameron S. Cowan und Mitarbeiter haben beispielsweise Clustering-Techniken angewandt, um riesige Genexpressionsdaten von Netzhautzellen zu gruppieren und somit einzelne Zellgruppen zu identifizieren (Cowan et al. 2020). Cluster-Analysen wurden aber auch bereits angewandt, um Subgruppen innerhalb von altersabhängiger Makuladegeneration zu identifizieren (Biarnés et al. 2020).
Bei der Dimensionalitätsreduzierung hingegen geht es darum, die Anzahl der Merkmale in einem Datensatz zu reduzieren, wobei wichtige Informationen erhalten bleiben. Sie zielt darauf ab, die Datendarstellung zu vereinfachen und die Rechenkomplexität der nachfolgenden Analyseaufgaben zu verringern (Hastie et al. 2009; Kuhn und Johnson 2013).
Dies macht Sinn, da medizinische Daten oftmals redundant sind. Im Beispiel von AMD bildet das Drusenvolumen in der OCT und die Drusenfläche in Farbfundusfotos den gleichen zugrunde liegenden biologischen Prozess ab.
Algorithmen zur Dimensionalitätsreduzierung, wie die Hauptkomponentenanalyse (PCA) und t-SNE (t-Distributed Stochastic Neighbor Embedding), kodieren die ursprünglichen Merkmale in einen neuen Satz von Merkmalen oder Komponenten um (Hastie et al. 2009; Kuhn und Johnson 2013). Diese neuen Merkmale erfassen die wichtigsten Informationen und erklären die maximale Varianz in den Daten. Durch die Verringerung der Dimensionalität der Daten werden diese überschaubarer und interpretierbar und eignen sich besser für nachfolgende Analyse- oder Visualisierungsaufgaben.

Wichtige Kennzahlen

Die Güte eines ML-Modell lässt sich mit Hilfe von zuvor ungesehenen („hold-out“) Testdaten erheben. Für stetige und diskrete Zielvariablen gibt es verschiedene Kennzahlen zur Bewertung (Hastie et al. 2009; Kuhn und Johnson 2013). Die häufigsten vier sind:

Mittlerer absoluter Fehler (Mean Absolute Error, MAE)

Der MAE ist eine Kennzahl für stetige Zielvariablen, die die durchschnittliche absolute Abweichung zwischen den vorhergesagten Werten eines Modells und den tatsächlichen Werten misst. Je niedriger der MAE, desto genauer ist das Modell (Hastie et al. 2009; Kuhn und Johnson 2013). Der MAE gibt einen Anhaltspunkt dafür, wie weit die Vorhersagen des Modells im Durchschnitt von den tatsächlichen Werten entfernt sind. Der MAE ist vor allem zur Bewertung der Modellgüte dienlich, wenn die Einheit der Zielvariable für Experten geläufig ist (beispielsweise. MAE der Vorhersage der IOL-Stärke in Dioptrien).

Determinationskoeffizient (R2)

Der Determinationskoeffizient für stetige Zielvariablen, auch R2-Wert genannt, gibt an, wie gut die Vorhersagen des Modells die Variabilität der abhängigen Variable erklären (Hastie et al. 2009; Kuhn und Johnson 2013). Er liegt zwischen 0 und 1, wobei ein Wert von 1 darauf hinweist, dass das Modell die vollständige Variabilität der abhängigen Variable erklärt, während ein Wert von 0 darauf hinweist, dass das Modell keine Vorhersagekraft hat. Ein höherer R2-Wert deutet auf eine bessere Anpassung des Modells hin.

Korrektklassifikationsrate

Die Korrektklassifikationsrate wird bei diskreten Klassifikationsproblemen verwendet. Sie gibt den Prozentsatz der korrekt klassifizierten Instanzen im Vergleich zur Gesamtzahl der Instanzen an (Hastie et al. 2009; Kuhn und Johnson 2013). Eine höhere Korrektklassifikationsrate zeigt an, dass das Modell eine bessere Fähigkeit hat, die Klassen richtig zuzuordnen. Die Korrektklassifikationsrate ist schwierig zu interpretieren, wenn die betrachteten Klassen ungleich verteilt sind.
Beispielsweise wäre selbst für ein unnützes KI-Modell zur Glaukom-Identifikation, welches stets „kein Glaukom“ als Ausgabe liefert, die Korrektklassifikationsrate scheinbar gut, da Augen ohne Glaukom in der Bevölkerung überwiegen.

Receiver Operating Characteristic Area Under the Curve

Die ROC-AUC (Receiver Operating Characteristic Area Under the Curve) ist ebenfalls eine Bewertungsmetrik für diskrete Klassifikationsmodelle (Hastie et al. 2009; Kuhn und Johnson 2013). Die ROC-Kurve ist eine grafische Darstellung der Leistung eines Modells, wenn sich der Schwellenwert für die Klassifikation ändert (mit 1-Spezifität auf der x-Achse und der Sensitivität auf der y-Achse). Die ROC-AUC gibt die Fläche unter der ROC-Kurve an und misst die Fähigkeit des Modells, zwischen den beiden Klassen zu unterscheiden. Ein Wert von 1 zeigt an, dass das Modell perfekt unterscheiden kann, während ein Wert von 0,5 darauf hindeutet, dass das Modell keine Unterscheidungskraft hat. Gerade in Szenarien, in denen eine Gewichtung in Richtung hohe Sensitivität (Screening-Kontext) oder hohe Spezifität (fachärztlicher Kontext) von Bedeutung ist, erlaubt die ROC-Kurve die Bewertung eines Modells hinsichtlich dieser unterschiedlichen Settings.

Anwendungen in der Augenheilkunde

KI-basierte Verfahren bereichern zunehmend sämtliche Subdisziplinen der Augenheilkunde. Die im Folgenden gelisteten beispielhaften Anwendungen gliedern sich von populationsfokussierten Anwendungen (außerhalb des fachärztlichen Kontexts) hin zu fachärztlichen Anwendungen.

Früherkennung und Screening von Augenkrankheiten

Die häufigsten Ursachen für Erblindung weltweit sind neben unkorrigierten refraktiven Fehlern, die Katarakt, das Glaukom, die altersabhängige Makuladegeneration sowie die diabetische Retinopathie (Bourne et al. 2021). Auf Grund der Relevanz dieser Erkrankungen beschäftigen sich zahlreiche Studien mit der Früherkennung dieser Erkrankungen. Verschiedene Studien konnten zeigen, dass KI-basierte Systeme AMD sowie AMD-Unterformen anhand von Farbfundusfotos vergleichbar präzise, wie ausgebildete Ärzte, diagnostizieren können. (Dong et al. 2021; Grassmann et al. 2018; Keenan et al. 2019) Ebenso lässt sich anhand von Farbfundusfotos auch eine diabetische Retinopathie (Gulshan et al. 2016) oder ein Glaukom diagnostizieren (Li et al. 2018; Medeiros et al. 2019). Interessanterweise lassen sich aus Farbfundusfotos eine Vielzahl von kardiovaskulären Risikofaktoren bestimmen sowie das Alter (mittlerer Fehler von 3.26 Jahren) und Geschlecht (Poplin et al. 2018). Die Erkennbarkeit des Geschlechts sorgte zunächst für Verwunderung. Inzwischen ließ sich zeigen, dass das Geschlecht vor allem anhand der Winkel der Gefäße ausgehend von der Papille erkennbar ist (Dieck et al. 2020; Yamashita et al. 2020).

Automatisierte Segmentierung und Interpretation von Netzhaut-Bilddaten

Als Anwendung im augenheilkundlichen Kontext oder in der Optometrie wurden zahlreiche Algorithmen entwickelt, die es ermöglichen, OCT-Bilddaten zu segmentieren und zu klassifizieren (beispielsweise Diagnose und Dringlichkeit einer Überweisung) (De Fauw et al. 2017).
Besonders hervorzuheben ist die Moorfields-Eye-Hospital(MEH)-DeepMind-Kollaboration. In einem groß angelegten Projekt konnten Jeffrey De Fauw und Koautoren zeigen, dass ein KI-basiertes System, welches zunächst OCT-Daten segmentiert und anschließend klassifiziert (Dringlichkeit einer Überweisung sowie Diagnose) ähnlich präzise arbeitet wie Optometristen und Augenärzte (De Fauw et al. 2017).

Personalisierte Therapie

Das klassische Beispiel für eine KI-gestützte personalisierte Therapie in der Augenheilkunde sind moderne Daten-basierte Modelle zur Berechnung der optimalen Linsenstärke. Bereits die SRK-Formel als Regressionsmodell – in Abgrenzung zu theoretischen Modellen – stellt im weitesten Sinn ein KI-Modell dar. Inzwischen werden deutlich komplexere Daten-basierte Modelle angewandt wie die Hill-RBF(Radial Basis Function)-Methode (Kenny et al. 2023).
Ein weiteres Beispiel für die Vorhersage des Anti-VEGF-Therapiebedarfs für den Langzeitverlauf. Derzeitige Therapieschemata gehen entweder mit einer hohen Anzahl an Visiten einher (fixe Therapie und pro re nata) oder erfordern eine kurzfristige Planung jedes einzelnen Termins (Treat-and-Extend). Erste Studien konnten zeigen, dass es mit KI möglich ist, bereits frühzeitig den zukünftigen Therapiebedarf abzuschätzen (Bogunović et al. 2017; Pfau et al. 2021). Dieser Ansatz könnte zukünftig auch bei der Entscheidung helfen, zu einem der neueren Anti-VEGF-Präparate zu wechseln. Prospektive Studien zu diesen Vorhersagemodellen fehlen jedoch bislang.

Vorhersage von Sehfunktion und Lebensqualität

Ein weiteres Anwendungsfeld ist die Vorhersage der bestkorrigierten Sehschärfe, des Gesichtsfelds sowie der sehbezogenen Lebensqualität von Patienten anhand von Bilddaten. Im Vergleich zur standardisierten und schnellen OCT-Bildgebung unterliegen Sehfunktionstests sowie Fragebögen zur sehbezogenen Lebensqualität einer hohen Test-Retest-Variabilität und nehmen vergleichsweise viel Zeit in Anspruch (Pfau et al. 2020b). Basierend auf der hohen Korrelation der Netzhautstruktur mit ihrer Funktion gibt es nun erste Arbeiten, die zeigen, dass es möglich ist, präzise die Sehfunktion und sehbezogene Lebensqualität von Patienten anhand von Bilddaten vorherzusagen (von der Emde et al. 2019; Hess et al. 2020; Kihara et al. 2019; Künzel et al. 2020; Pfau et al. 2020a).

Vorhersage von Progression

Vor allem für Erkrankungen, bei denen eine Verlangsamung des Fortschreitens das primäre Therapieziel ist (keine Besserung der Befunde zu erwarten), ist es essenziell, Patienten den Therapieeffekt zu veranschaulich. Dies gilt insbesondere für das Glaukom sowie die geografische Atrophie. KI-gestützte Verfahren erlauben es nun beispielsweise bei geografischer Atrophie, den natürlichen Verlauf vorherzusagen (Anegondi et al. 2023; Pfau et al. 2018), sodass Patienten veranschaulicht werden kann, wie der Verlauf ohne Therapie gewesen wäre.

Zusammenfassung

  • Es werden zunehmend mehr KI-gestützte Verfahren in die Augenheilkunde drängen. Dies umfasst Farbfundusfoto-basierte Verfahren, die vor allem für Screening-Anwendungen auf Bevölkerungsebene oder im Optometrie-Setting gedacht sind, sowie quantitative Vorhersagemodelle für den fachärztlichen Einsatz.
  • Die Ergebnisse im Forschungskontext sind bereits heute sehr vielversprechend. Die Güte der Modelle im Routinekontext und die Anfälligkeit für Fehler muss sich in den nächsten Jahren zeigen.
  • Um die Güte dieser KI-Systeme einschätzen zu können, sollten sich Ärzte mit den wichtigsten Kennzahlen zur Bewertung der Anpassungsgüte vertraut machen.
  • Voraussichtlich werden KI-basierte Systeme mittel- bis langfristig heute übliche fachärztliche Tätigkeiten vereinfachen und zum Teil ersetzen – vergleichbar wie die OCT-Bildgebung, die eine zeitaufwendige binokulare Makulauntersuchung mit Kontaktglas weitgehend obsolet gemacht hat.
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