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Die Augenheilkunde
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Publiziert am: 16.11.2024

Malignes Melanom der Uvea

Verfasst von: Nikolaos E. Bechrakis
Die Diagnose und Therapie des häufigsten primären malignen intraokularen Tumors beim Erwachsenen des uvealen Melanoms hat sich in den ersten Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts maßgeblich verändert. Moderne minimalinvasive bioptische molekulargenetische Methoden ergänzen die klinische Diagnostik und die Mehrzahl der betroffenen Augen kann mit modernen strahlentherapeutischen oder kombinierten strahlentherapeutisch-chirurgischen Methoden mit einer brauchbaren Funktion erhalten werden. Die Mortalität des uvealen Melanoms bleibt allerdings weiterhin unverändert, obwohl vielversprechende Therapien auf ihre Anwendung warten und ihre Effektivität zur Reduktion der Mortalität erst beweisen müssen.

Epidemiologie

Das maligne Melanom der Uvea ist der häufigste primäre maligne intraokulare Tumor beim Erwachsenen. Die Jahresinzidenz beträgt bei Kaukasiern circa 5 bis 8 Neuerkrankungen pro 1.000.000 Einwohner pro Jahr. Menschen mit heller Haut und Augenfarbe (blaue Iris) haben eine höhere Wahrscheinlichkeit zur Entstehung eines Aderhautmelanoms. In Europa besteht in der Inzidenzverteilung ein Nord-Süd-Gefälle, sodass in Nordeuropa (Irland/Skandinavien) eine Inzidenz von > 8 pro Million Einwohner und in Südeuropa (Spanien/Italien) die Inzidenz < 2 pro Million Einwohner beobachtet wird. Patienten mit Aderhautmelanomen haben auch eine erhöhte Häufigkeit von dysplastischen Nävi und kutanen Melanomen. Langfristig liegt die Metastasierungsrate je nach Tumorstadium und Genetik zwischen 10 und 70 %, im Mittel liegt tumorbezogene Mortalität nach 15 Jahren bei ca. 40–50 % (DeSimone et al. 2023; DeSimone et al. 2024; Jager et al. 2020; Kujala et al. 2013; Shields et al. 2019a; Shields et al. 2019b).

Risikofaktoren

Die Wahrscheinlichkeit zur Metastasierung ist determiniert durch klinische, morphologische und genetische Faktoren des Tumors, die zum Zeitpunkt der Diagnose schon bestehen. Die Wahl der Primärtherapie (insbesondere Enukleation vs. augenerhaltende Therapie) ändert die Prognose des Patienten nicht. Eine signifikante Verzögerung der Therapie und somit ein weiteres Tumorwachstum oder eine Behandlung, die ein Rezidiv zur Folge hat, begünstigen hingegen die Entstehung von Metastasen (Jager et al. 2020).
MERKE: Die Mortalität des malignen Melanoms der Uvea ist abhängig von klinischen, morphologischen und molekulargenetischen Risikofaktoren.
Zu den klinischen Risikofaktoren zählen:
  • Größe des Tumors (sowohl der größte Tumordurchmesser als auch die Dicke und das Volumen)
  • Beteiligung des Ziliarkörpers
  • Extraokulares Tumorwachstum
Zu den morphologischen und genetischen Risikofaktoren zählen:
  • Histologischer Differenzierungsgrad des Tumors
  • Anzahl von Mitosen
  • Vorhandensein von komplexen Mikrovaskularisationsmustern
  • Monosomie 3 (ist assoziiert mit der Inaktivierung von BAP1, das für BRCA1-assoziiertes Protein 1 kodiert)
  • Mehrere Kopien des Chromosoms 8q
Wenn Metastasen detektiert werden, sind diese in ca. 90 % der Fälle primär disseminiert hepatisch und treten ca. 2–3 Jahre nach Primärdiagnose auf.
Derzeit führt die Behandlung von Metastasen zu keiner wesentlichen Verlängerung des Gesamtüberlebens der Patienten, mit einzelnen Ausnahmen von aktuell entwickelten Behandlungskonzepten, die eine Verlängerung des mittleren Überlebens von ca. 6 Monaten haben zeigen können. Zur Reduktion der Metastasierung beim malignen Melanom der Uvea ist derzeit am wichtigsten die frühe Erkennung und möglichst frühe und effektive Behandlung des Tumors. Medikamentöse adjuvante Therapien zur Reduktion der Wahrscheinlichkeit der Entstehung einer Metastasierung bei Patienten mit Hochrisikomelanomen sind noch nicht etabliert, die Erforschung solcher Konzepte wird jedoch aktuell (2024–2029) geplant (Jager et al. 2020; Kujala et al. 2013; Middleton et al. 2020; Nathan et al. 2021; Rodriguez-Vidal et al. 2020).

Diagnostik, Früherkennung und Bestimmung von Risikofaktoren bei melanozytären Läsionen

Klinische Diagnostik

Die richtige Einschätzung, Früherkennung und Bestimmung von Risikofaktoren ist essenziell für die adäquate klinische Beratung und Therapie von Patienten mit melanozytären Läsionen.
Das von Shields im Jahr 2019 formulierte Akronym TFSOM-DIM ist besonders hilfreich bei der Identifikation von Risikofaktoren zum Größenwachstum von melanozytären Läsionen (Shields et al. 2019a):
To Find Small Ocular Melanoma – Doing IMaging“. Jedes Wort steht für einen der 6 folgenden Risikofaktoren:
• Thickness
Dicke > 2,0 mm
• Fluid
Vorhandensein von Flüssigkeit
• Symptoms
Vorhandensein von Symptomen mit einem Visusabfall von ≤ 0,4
• Orange Pigment
Vorhandensein von Orange Pigment/Lipofuszin-Ansammlungen
• Melanoma Hollowness
Niedrige echogene Reflektivität
• Diameter
Durchmesser von > 5,0 mm
Man beachte, dass es sich hier um Risikofaktoren zum Größenwachstum von melanozytären Aderhautläsionen handelt, die nur indirekt eine Aussage zur Malignität einer Läsion zulassen. Dennoch sind diese Faktoren für die Beurteilung, ob es sich um ein kleines Melanom oder einen Nävus handelt, sehr hilfreich (Abb. 1a und b sowie Abb. 2). Weitere Faktoren, die berücksichtigt werden können, sind die Dynamik einer beschriebenen Progression und das Alter der Patienten.
Bei der „TFSOM-DIM-Regel“ erhöht sich das Risiko für das Wachstum von melanozytären Läsionen mit jedem zunehmenden Risikofaktor um etwa 10 %. Die Risikofaktoren mit der höchsten Relevanz sind das Vorhandensein von orangenem Pigment, eine TU-Dicke von > 2,0 mm sowie das Vorhandensein von subretinaler Flüssigkeit, die mittels OCT oder auch Ultraschall (Abb. 3) nachgewiesen werden kann.
MERKE: Das Vorhandensein von Symptomen, Exsudation bzw. subretinaler Flüssigkeit (die in den OCT-Aufnahmen festgestellt werden kann), aber auch der Nachweis eines Wachstums sind Risikofaktoren für die Früherkennung eines malignen Melanoms der Uvea.

Biopsie beim uvealen Melanom

Im Gegensatz zu den meisten onkologischen Fachgebieten basiert die ophthalmologische Diagnostik bei intraokularen Tumoren meist auf nichtinvasiven diagnostischen Verfahren (siehe oben). Neben der Anamnese nimmt die indirekte Ophthalmoskopie eine zentrale Rolle ein. Ergänzt werden mehrere bildgebende Verfahren eingesetzt wie die Echografie (A, B-Scan), die Ultraschallbiomikroskopie sowie die OCT und jüngst die OCT-Angiografie, die Fundusautofluoreszenz als auch die Angiografie mittels Fluorescein oder Indozyanin-Grün. In manchen Fällen wird zusätzlich eine Kernspintomografie benutzt, auch mit der Möglichkeit einer dreidimensionalen Rekonstruktion des gesamten Bulbus. Mit diesen diagnostischen Methoden kann man annähernd in allen Fällen eine Diagnose von intraokularen Neoplasien stellen. In den wenigen Fällen, wo Unklarheiten bestehen, können diese nichtinvasiven Techniken durch eine Biopsie des Tumors ergänzt werden. Eine Biopsie kann entweder transskleral oder transretinal erfolgen. Bei der transskleralen Biopsie wird zunächst von außen durch Präparation eines Skleradeckels und fokaler Inzision mit einer Pinzette eine Biopsie aus der suspekten Region entnommen. Hier eignen sich mehr Tumore, die sich anterior des Äquators befinden. Anschließend wird diese Stelle entweder vernäht oder verklebt und eine lokale Strahlentherapie durchgeführt. Bei Tumoren, die sich hinter dem Äquator befinden, ist eine transretinale Biopsie zu bevorzugen. Hier wird meist durch eine 25-G-Vitrektomie transretinal mit dem Vitrektom mehrere kleine Proben entnommen, die sowohl für die zytologische als auch für die molekulargenetische Diagnose asserviert werden (Frizziero et al. 2019; Hussain et al. 2022).
Man unterscheidet zwischen einer diagnostischen Biopsie und einer prognostischen Biopsie:
Bei der diagnostischen Biopsie handelt es sich meist um die Differenzierung zwischen einem Nävus und einem Melanom, wenn bereits klar ist, dass es sich um eine uveale melanozytäre Läsion handelt. Andererseits kann in manchen Fällen eine Biopsie die Unterscheidung zwischen einem Melanom, einer Blutung oder einer peripheren exsudativen hämorrhagischen Chorioretinopathie (PEHCR) nützlich sein. Diagnostische Biopsien sind auch beim Verdacht von Metastasen bei klarem Primärtumor sinnvoll, aber auch bei dem Verdacht eines primären vitreoretinalen Lymphoms oder eines Aderhautlymphoms, das auf alle Fälle diagnostisch gesichert werden muss.
Bei der prognostischen Biopsie bei einem bekannten malignen Melanom der Uvea kann durch die Identifikation von molekulargenetischen Faktoren ein genaues prognostisches Profil des Tumors ermittelt werden.
Bei der Biopsie können potenziell Komplikationen entstehen, wie z. B. eine Glaskörperblutung, die sehr häufig in unterschiedlichen Ausmaßen am ehesten am ersten postoperativen Tag zu sehen sind (90 %), aber auch subretinale oder Aderhautblutungen können auftreten sowie eine postoperative Ablatio retinae. Hier sind Revisionsoperationen in 2 % der Fälle beschrieben. Grundsätzlich besteht die Gefahr einer Endophthalmitis, einer nicht informativen Biopsie sowie einer Tumorzellaussaat. Da Fälle mit einer Tumorzellaussaat in der Literatur beschrieben worden sind, ist es wichtig zu analysieren, ob eine Biopsie das langfristige Metastasierungsrisiko beeinflusst. Hierzu konnten Bagger und Mitarbeiter in einer retrospektiven Studie aus Dänemark von über 1700 Patienten mit malignen Melanomen der Uvea nachweisen, dass eine Biopsie keinen Einfluss auf das Überleben des Patienten hatte (Bagger et al. 2018).
Standardisiertes Vorgehen beim malignen Melanom der Uvea, sowohl im Bereich der Diagnostik als auch der Therapie (Bechrakis et al. 2021)
Im Rahmen einer konsentierten Absprache zwischen ophthalmoonkologischen Tumorzentren deutschlandweit ist ein standardisiertes Vorgehen formuliert und 2021 publiziert worden (Abb. 4).
Zum Staging des Patienten werden neben der Anamnese eine allgemeinmedizinische Untersuchung empfohlen, die von Allgemeinmedizinern oder Hausärzten durchgeführt werden sollten. Dazu gehören sowohl Routine-Blut- sowie Laboruntersuchungen als auch eine Bildgebung des Oberbauches (hier primär durch eine Sonografie). Wenn die Sonografie nicht ausreichend beurteilbar ist, sollte nach Empfehlung des Allgemeinmediziners eine weiterführende Bildgebung (am ehesten ein MRT) durchgeführt werden.
Nach dem Staging der Patienten und der optionalen Konsultation eines Tumorbordes werden metastasenfreie Patienten je nach Größe des Tumors stratifiziert.

Behandlung des uvealen Melanoms

Bei einer Tumorprominenz ≤ 7,0 mm ist eine alleinige Bestrahlungstherapie in aller Regel ausreichend. Die Bestrahlungstherapie kann entweder über eine Brachytherapie (Kontaktbestrahlung) oder durch eine Teletherapie (Projektionsbestrahlung) erfolgen (Jager et al. 2020; Bechrakis et al. 2021).
Wenn die Tumorprominenz > 7,0 mm ist, sollten kombinierte Behandlungsverfahren angewandt werden, wie eine Protonentherapie mit oder ohne adjuvante Resektion, stereotaktische Radiatio mit oder ohne adjuvante Resektion oder eine Brachytherapie mit einem entsprechenden Jod-Applikator. Bei kleineren Tumoren ≤ 7,0 mm werden die üblichen Verfahren der Brachytherapie oder Protonentherapie angewandt und dies abhängig von der Lage des Tumors.
Zur Nachsorge sollte zwischen Hoch- und Niedrigrisiko-Patienten unterschieden werden. Die augenärztlichen Untersuchungen erfordern zunächst in den ersten zwei Jahren häufigere Kontrollen (in der Regel alle drei bis sechs Monate) und bei Niedrigrisiko-Melanomen sollte ein Metastasen-Screening bei der Nachsorge alle sechs Monate stattfinden. Bei Patienten mit einem höheren Metastasierungsrisiko (siehe klinische, morphologische und genetische Risikofaktoren) bleiben die augenärztlichen Untersuchungsfrequenzen identisch, es wird jedoch empfohlen, dass das allgemeinmedizinische Metastasen-Screening alle drei Monate durchgeführt wird, um Metastasen möglichst frühzeitig entdecken zu können (Abb. 5a und b).
Ein standardisiertes Vorgehen in der Behandlung des malignen Melanoms der Uvea ermöglicht eine bessere Qualitätssicherung und Vereinheitlichung von Behandlungsempfehlungen. Diese Standards erfordern eine regelmäßige Überprüfung bezüglich ihrer Validität und Aktualität.

Primäre Therapie des uvealen Melanoms

Die ophthalmologische Therapie des uvealen Melanoms beruht primär auf der lokalen Destruktion des Tumors im Auge. Diese wird vorwiegend strahlentherapeutisch induziert. Ergänzend zur strahlentherapeutischen Behandlung können chirurgische Verfahren angewandt werden, um potenzielle Komplikationen, die durch den Zerfall des Tumors resultieren, zu minimieren (Prävention bzw. Behandlung eines toxischen Tumorsyndroms).
Die primäre Hyperthermie (transpupilläre Thermotherapie (TTT) mit einem 810 nm Infrarotlaser) bzw. Koagulation (Licht-/Laser-/Kryokoagulation) ist beim malignen Melanom der Uvea verlassen worden und obsolet, da im Langzeitverlauf häufiger Rezidive beobachtet werden. Allerdings kann die TTT als adjuvante Behandlung bei unzureichender Strahlennarbe oder relativer strahlentherapeutischer Unterdosierung einzelner Tumorareale gut ergänzend benutzt werden.
Zu den strahlentherapeutischen Verfahren gehören sowohl die Brachytherapie als auch die Teletherapie. Die Brachytherapie kann auch als Kontaktbestrahlung bezeichnet werden, bei der verschiedene Radioisotope zur Anwendung kommen können. In Europa und Deutschland werden vorwiegend Ruthenium-106-Applikatoren benutzt, die hochenergetische Betastrahlung emittieren und bis zu einer Behandlungstiefe von maximal 7 mm benutzt werden können. Zur Behandlung von größeren (prominenteren) Tumoren muss alternativ entweder eine Jod-125-Brachytherapie (niedrigenergetische Gammastrahlen) oder eine Teletherapie benutzt werden.

Brachytherapie

Zur Anwendung der Brachytherapie werden Applikatoren genutzt, die unterschiedliche Größen und Formen haben können. Bei der Ruthenium-106-Brachytherapie stehen Applikatoren kommerziell zwischen 11 und 25 mm Durchmesser zur Verfügung sowie einzelne Sondermodelle mit einer Kerbe zur Behandlung von juxtapapillären Tumoren mit Optikus-Aussparung oder auch von Tumoren des Ziliarkörpers (und der Bindehaut) mit Aussparungen für die Hornhaut. Die Brachytherapie erfolgt einzeitig über einen Zeitraum von ca. 5–10 Tagen und erfordert eine langfristige augenärztliche postoperative Kontrolle des Bestrahlungsergebnisses (Abb. 6a, b, c).

Teletherapie

Wenn eine Brachytherapie aufgrund der Größe oder der Lage des Tumors nicht möglich ist, können teletherapeutische Verfahren angewandt werden. Hierbei handelt es sich um Projektionsbestrahlungen, die entweder einzeitig oder auch fraktioniert (in mehreren Sitzungen) erfolgen können. Eine Fraktionierung bietet den strahlenbiologischen Vorteil, dass strahleninduzierte Nebenwirkungen auf das meist bradytrophe Normalgewebe geringer ausfallen. Ob und wie häufig fraktioniert wird, ist von der Art der genutzten Bestrahlung, des zu bestrahlenden Gewebes und von logistischen strahlentherapeutischen Faktoren abhängig. Zur Teletherapie hat sich die Protonentherapie seit Mitte der 70er-Jahre etabliert. Durch die Protonentherapie können lokale Tumorkontrollraten bis zu 98 % erzielt werden. Teletherapeutische Bestrahlungstechniken werden ergänzt durch Gammastrahlen (Gamma Knife) und durch Photonenstrahlen (stereotaktische LINAC (fraktioniert fSRT oder nichtfraktioniert SRS)) bzw. der Einstrahlung von verschiedenen Richtungen unterstützt durch einen industrialisierten Roboterarm (Cyberknife). Allerdings finden sich durch die letzteren Behandlungsmodalitäten höhere okuläre Nebenwirkungen und eine höhere lokale Rezidiv- sowie Enukleationsrate.

Chirurgische Behandlungsmethoden

Das maligne Melanom der Uvea kann auch chirurgisch lokal exzidiert werden. Dies kann entweder mittels einer transskleralen Resektion oder transretinal mittels einer Endoresektion über eine Pars-plana-Vitrektomie durchgeführt werden, allerdings sollten diese operativen Behandlungsmethoden möglichst bei zuvor adäquat (mit einer kurativen Dosis) vorbestrahlten Tumoren durchgeführt werden, um eine intraoperative Aussaat von vitalen Tumorzellen zu vermeiden. Vergleichende Studien konnten durch solche kombinierte operative Behandlungsmethoden eine Reduktion der okulären Morbidität und einen besseren Visus- und Augenerhalt belegen (Bechrakis und Foerster 2006; Bechrakis et al. 2004; Bechrakis et al. 2009; Blatsios et al. 2017; Fiorentzis und Bechrakis 2023; Gunduz und Bechrakis 2010).

Enukleation

Wenn der Visus eines Auges mit einem malignen Melanom der Uvea nicht erhalten werden kann bzw. die Infiltration des Tumors zu ausgedehnt ist, sollte eine Enukleation des gesamten Auges mit dem Patienten besprochen und durchgeführt werden. Dabei sollte stets ein Orbitaimplantat eingesetzt werden, um die kosmetische Rehabilitation möglichst optimal gewährleisten zu können. Eine Eviszeration des Auges ist grundsätzlich bei ophthalmoonkologischen Erkrankungen streng kontraindiziert, da dadurch vitale Tumorzellen in die Augenhöhle verschleppt werden.
Merke: Der Goldstandard der augenerhaltenden Behandlung des uvealen malignen Melanoms ist die lokale Brachytherapie, ergänzt durch die Protonentherapie für bestimmte Indikationen.

Vorgehen bei extraokularem Tumorwachstum eines uvealen Melanoms

Das Vorhandensein eines extraokularen Wachstums beim malignen Melanom der Uvea gilt als ungünstiger Prognoseparameter, sowohl für ein lokales Rezidiv in der Orbita als auch für eine systemische Metastasierung. Dabei stellt sich die Frage, ob eine postoperative Bestrahlung der Orbita den natürlichen Krankheitsverlauf positiv beeinflussen kann. Eine retrospektive Analyse (Moorfields Eye Hospital, London) fand, dass eine postoperative Bestrahlung keinen Einfluss auf das Überleben der Patienten hatte. Es ist selbstverständlich, dass stets eine komplette Resektion angestrebt werden sollte (R0-Resektion). Dies kann in manchen Fällen eine Exenteration der Orbita erforderlich machen. Grundsätzlich wird bei einem extraokularen Wachstum von < 5 mm keine Nachbestrahlung der Orbita empfohlen. Ob bei einer Enukleation mit einem extraokularen Wachstum von ≥ 5 mm eine adjuvante Bestrahlung der Orbita von Vorteil ist, ist aufgrund der Seltenheit der Fälle und der ungenügenden Datenlage nicht eindeutig geklärt. Hierzu ist es sinnvoll, eine multizentrische Studie zur Klärung der langfristigen Ergebnisse durchzuführen. Nach aktuellem Kenntnisstand ändert sich das Überleben der Patienten nach Enukleation mit extraokularem Wachstum durch eine Nachbestrahlung nicht. Bei der Entscheidung über eine Nachbestrahlung sollte in Erwägung gezogen werden, dass diese eine Schrumpfung des orbitalen Gewebes mit konsekutiven unbefriedigenden kosmetischen Ergebnissen zur Folge haben kann (Coupland et al. 2008).
Merke: Das Überleben der Patienten nach Enukleation mit extraokularem Wachstum eines malignen Melanoms der Uvea ändert sich nicht durch eine Nachbestrahlung der Orbita.

Systemische Therapiemöglichkeiten beim malignen Melanom der Uvea

Behandlung des metastasierten malignen Melanoms der Uvea

Die Behandlung des metastasierten malignen Melanoms der Uvea ist leider immer noch eine sehr frustrierende Angelegenheit, da das Überleben der Patienten nicht signifikant erhöht werden kann (1, 5). Es besteht eine Vielzahl systemischer bzw. lokoregionaler Behandlungsmöglichkeiten:
• Konventionelle Chemotherapie
(CHT)
• Hepatische intraarterielle Chemotherapie
(HIA)
• Transarterielle Chemoembolisation
(TACE/HAC)
• Selektive intrahepatische Radiotherapie
(SIRT)
• Isolierte Leberperfusion
(IHP)
(CPI)
• Proteinkinase-Inhibitor
 
• Immunoembolisation
(IE)
• Vakzinierung
 
• Laser-induzierte Thermotherapie
 
• Stereotaktische Radiofrequenzablation
 
• Chirurgische Metastasenresektion
 
Keine der oben genannten Behandlungsoptionen hat nachhaltig zeigen können, dass sie einen Vorteil gegenüber der anderen hat bzw. signifikant die Überlebenswahrscheinlichkeit erhöht.
Sowohl die konventionelle Chemotherapie als auch die Chemoimmuntherapie, aber auch die Therapie mit sogenannten MAP-Kinase-Inhibitoren haben keinen wesentlichen Unterschied in der Zeitachse des Patientenüberlebens zeigen können. Alle erwähnten Therapien weisen ein mittleres Überleben von ca. 15 Monaten auf. Als einzige Ausnahme findet sich ein verlängertes Überleben bei manchen Studien nach chirurgischer Metastasenresektion, mit einem Überleben von teilweise über zwei Jahren im Median. Allerdings könnte diese Beobachtung auf eine Selektion von Patienten, die zu einem früheren Stadium diagnostiziert wurden, zurückzuführen sein und somit die Ergebnisse durch einen sog. „lead time bias*“ positiv beeinflusst wurden.
*Bedeutung „lead time bias“: Durch eine frühere Detektion von Metastasen könnte der Eindruck erweckt werden, dass Patienten eine Tumorerkrankung länger überleben (vermeintlicher „Überlebensvorteil“), ohne dass dies wirklich der Fall ist, da die Zeitspanne der Überlebenskalkulation früher beginnen, aber nicht später enden könnte, das Gesamtüberleben aber seit Diagnosestellung des Primärtumors nicht beeinflusst wird.
Leider hat auch die in den letzten Jahren besonders in der Behandlung des metastasierten kutanen Melanoms hocheffektive Checkpoint-Inhibitorentherapie beim metastasierten malignen Melanom der Uvea keinerlei Wirkung gezeigt. In verschiedenen Studien, sowohl mit dem Anti-CTLA-4-Antikörper (Ipilimumab) als auch mit den Anti-PD1-Antikörpern (Pembrolizumab oder Nivolumab), aber auch in deren Kombination, konnte kein wesentlicher Überlebensvorteil gezeigt werden. Einzige Ausnahme bieten hierzu maligne Melanome der Uvea, die extrahepatische Metastasen aufweisen und einen speziellen konstitutionellen MDB-4-Typ haben.
In den letzten Jahren ist mit verhaltenem Optimismus über eine neue Therapieoption zur Behandlung des metastasierten Aderhautmelanoms berichtet worden. Es handelt sich um die Behandlung mit dem bispezifischen Fusionsprotein namens „Tebentafusp“ (früher auch IMCgp100 genannt). Bei Tebentafusp handelt es sich um ein Fusionsprotein der sog ImmTAC-Kategorie („immune-mobilizing monoclonal T-cell receptors against cancer“), welches das Andocken von zytotoxischen T-Zellen mit Zielzellen ermöglichen soll.
Tebentafusp ist ein Fusionsprotein, das auf der einen Seite an einer zytotoxischen Anti-CD3-T-Zelle andockt und auf der anderen Seite mit einem Melanom-spezifischen Antigen (gp100) bindet. Allerdings muss der Patient einen spezifischen HLA-Status besitzen, nämlich HLA-A*02:01-positiv, und das gilt leider nur für etwa 40–50 % aller Kaukasier.
Erstmalig konnte mit Tebentafusp ein Überlebensvorteil von 6 Monaten erzielt werden (Erhöhung des Überlebens von 16 Monate auf knapp 22 Monate) (Kujala et al. 2013; Middleton et al. 2020; Nathan et al. 2021; Rodriguez-Vidal et al. 2020).

Neoadjuvante und adjuvante medikamentöse Therapie beim uveale Melanom

Durch die Entwicklung effektiver medikamentöser Therapien beim metastasierten malignen Melanom der Uvea besteht grundsätzlich die Einführung eines neoadjuvanten Therapieansatzes, bei dem ein „downstaging“ des uvealen Melanoms angestrebt wird. Dies würde beispielsweise bei hochprominenten Melanomen den Einsatz einer niedriger dosierten Brachytherapie ermöglichen oder gar die Notwendigkeit einer primären Enukleation bei sehr großen Melanomen vermeiden, nachdem diese Tumore durch die neoadjuvante Behandlung verkleinert wurden. Eine weitere Entwicklung wäre ein adjuvanter systemischer Therapieeinsatz nach primärer okulärer Therapie des Aderhautmelanoms zur langfristigen Reduktion der Metastasierungswahrscheinlichkeit, insbesondere bei Hochrisikotumoren. Hierzu könnten sowohl die aktuellen Erkenntnisse von der Effektivität der ImmTAC-Therapie (Tebentafusp bei HLA-A*02:01-positiven Patienten) als auch Erkenntnisse der Effektivität einer PKC-Inhibitorentherapie (Darovarsertib) zur Planung entsprechender Studien genutzt werden.
Literatur
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