Die rhegmatogene Ablatio entsteht aufgrund eines durchgreifenden Netzhautdefektes. Verflüssigter Glaskörper (GK) kann somit durch diesen Defekt (Foramen/Loch/Riss) in den (virtuellen) subretinalen Raum eindringen und die Netzhaut von der Unterlage ablösen. Netzhautforamina entstehen meist mechanisch infolge vitreoretinaler Traktionen im Rahmen einer hinteren Glaskörperablösung
(Posterior Vitreous Detachment – PVD), meist in Netzhautbereichen, die entweder primär dünn oder sekundär verdünnt sind. Atrophe Rundlöcher schreiten wesentlich seltener zu einer Netzhautablösung fort (Ghazi und Green
2002). Der physiologische Prozess der Glaskörperabhebung stellt somit einen wesentlichen Risikofaktor für die Entstehung durchgreifender Netzhautdefekte dar. Typischerweise steigt die
Prävalenz einer hinteren Glaskörperabhebung mit dem Alter an. Am häufigsten tritt diese im Alter zwischen 45 und 65 Jahren auf, bei Myopie jedoch früher. Eine PVD vor dem 30. Lebensjahr ist selten, sofern keine okulären Begleiterkrankungen, wie eine hereditäre Vitreoretinopathie, ein vorangegangenes Trauma oder eine
Uveitis, vorliegen (Snead et al.
2008; Snead und Yates
1999).
Der PVD liegt ein natürlicher Alterungs- und Umbauprozess des Glaskörpers zugrunde, welcher zu einer Verflüssigung des Gels und zur Bildung von flüssigkeitsgefüllten Lakunen führt. Der Glaskörper ist ein gelartiges, transparentes Bindegewebe, das zu 99 % aus Wasser und Hyaluronsäure und knapp 1 % aus Kollagen besteht. Das Kollagengerüst des Glaskörpers besteht zu ca. 60–75 % aus Kollagenfasern Typ II, zu ca. 25 % aus Kollagenfasern Typ IX und ca. 10–25 % Kollagenfasern Typ V/XI. Mit zunehmendem Alter reduziert sich der Anteil an Kollagenfasern Typ IX, die für die Stabilität des Kollagenfasergerüstes und als Abstandshalter zwischen den einzelnen anderen Kollagenfasern zuständig sind. Dadurch kommt es zu einer zunehmenden Kondensation von Kollagenfaserbündeln, die mit einem Einstrom von Flüssigkeit zwischen den Bündeln einhergeht. Das hat eine zunehmende „Verflüssigung“ des Glaskörpers zur Folge, die gleichzeitig mit einer Schwächung der Adhäsion zwischen der hinteren GK-Grenzmembran und der ILM einhergeht (Sebag
1991). Tatsächlich besteht nach dem 60. Lebensjahr eine starke Korrelation zwischen dem Ausmaß der GK-Verflüssigung und der
Prävalenz der PVD (Johnson
2010; Sebag
2004). Demzufolge müsste das Risiko für eine Netzhautablösung mit zunehmendem Alter immer weiter ansteigen. Allerdings konnte durch Sebag und Mitarbeiter gezeigt werden, dass dieses Risiko vor allem bei einer inkompletten hinteren GK-Abhebung mit fokalen vitreoretinalen Adhärenzen und Traktionen besteht (Sebag
2004). Eine große Untersuchung aus Peking zeigte, dass eine solche inkomplette und nicht physiologische PVD besonders bei jüngeren Patienten auftrat, mit einer deutlich geringeren Prävalenz bei der älteren Bevölkerung zwischen dem 75. und 80. Lebensjahr (Shao et al.
2013). Das Risiko, einen durchgreifenden Netzhautdefekt im Rahmen einer symptomatischen PVD (mit der Symptomatik von Blitzen, Floaters, Schatten) zu entwickeln, wird mit knapp 8 % bis über 20 % angegeben (Coffee et al.
2007). Das Risiko, aus einem so entstandenen Netzhautdefekt eine Netzhautablösung zu entwickeln, wird bei asymptomatischen Defekten mit 5 % und bei symptomatischen Defekten mit 30 bis 50 % angegeben (Byer
1994; Davis
1974). In mehreren Arbeiten wurde ein deutlicher Zusammenhang zwischen höherem Alter und einer höheren Inzidenz an phaken, nicht traumatischen rhegmatogenen Ablationes nachgewiesen. Das größte Risiko findet sich im 6. und 7. Lebensjahrzehnt, wobei in der Gruppe der 60- bis 69-jährigen Inzidenzen von 19–27/100.000 publiziert wurden (Haimann et al.
1982; Li et al.
2003; Mowatt et al.
2003; Sasaki et al.
1995). In den Niederlanden fand man sogar eine noch höhere Inzidenz von 53 pro 100.000 in der Altersgruppe zwischen 55 und 59 Jahren (Van de Put et al.
2013). Es wird postuliert, dass das Risiko für eine rhegmatogene Netzhautablösung bei über 60-Jährigen gegenüber einer normalsichtigen Kohorte unter 30 Jahren bis zu 20-fach erhöht ist (Limeira-Soares et al.
2007; Tornquist et al.
1987). Einschränkend ist zu erwähnen, dass auch im Risikokollektiv der über 60-Jährigen deutliche geografische Unterschiede in den Inzidenzangaben bestehen (Mitry et al.
2010). In der Mitte der 8. Lebensdekade scheint das Risiko für eine rhegmatogene Netzhautablösung wieder abzusinken, möglicherweise, weil der Prozess der hinteren Glaskörperabhebung meist schon abgeschlossen ist und damit das Risiko für die Entstehung neuer Netzhautdefekte wieder absinkt. Vielleicht spielen auch andere Gesundheitsfaktoren eine Rolle, warum die Zahl der rhegmatogenen Ablationes im höheren Alter zurückgeht. So lag die mittlere Lebenserwartung in England im Jahr 2010 bei Männern bei 78,2 Jahren und bei Frauen bei 82,3 Jahren, was sicherlich die altersabhängigen Prävalenzzahlen beeinflusst (Chandra et al.
2015).