Klinisches Management bei PPROM <22 SSW
Bei einem PPROM vor Erreichen der Lebensfähigkeit sollen die Gefahren der maternalen
Sepsis, der fetalen pulmonalen Hypoplasie und fetaler Skelettdeformitäten mit den werdenden Eltern erörtert werden (AWMF LL 015–025 (
2020) Prävention und Therapie der
Frühgeburt).
Die maternalen Komplikationen sind ähnlich wie bei einem späteren PPROM:
Triple I, Endomyometritis,
vorzeitige Plazentalösung etc. Bei 1 % der Patientinnen kann eine
Sepsis eingetreten, in deren Verlauf auch Todesfälle beschrieben wurden (Waters und Mercer
2009). Die Rate einer fetalen, pulmonalen Hypoplasie wird mit 10–20 % beziffert. Sie korreliert im Wesentlichen invers zum Schwangerschaftsalter und zur Menge des residualen Fruchtwassers (van Teeffelen et al.
2010). Die
Odds Ratio für eine pulmonale Hypoplasie bei PPROM sinkt um 46 % mit jeder Woche vor Erreichen der Lebensfähigkeit (Rotschild et al.
1990). Diagnostische Methoden zur Prädiktion einer Lungenhypoplasie, wie das Verhältnis aus Thorax- und Abdomenumfang oder andere, sind klinisch von sehr begrenzter Relevanz (van Teeffelen et al.
2012). Ein prolongiertes Oligohydramnion kann eine Potter-Fazies und Skelettdeformitäten induzieren. Letztere bilden sich aber mit zunehmendem postnatalen Wachstum und Physiotherapie meist zurück (Blott und Greenough
1988; Waters und Mercer
2009).
Eine Antibiotikatherapie bei Patientinnen mit PPROM vor Erreichen der Lebensfähigkeit kann erwogen werden (AWMF LL 015–025 (
2020) Prävention und Therapie der
Frühgeburt).
Da nahezu alle Studien zur Antibiotikatherapie bei Blasensprung nur Patientinnen nach 24+0 SSW rekrutiert haben, liegen keine belastbaren Daten zur Applikation vor Erreichen der Lebensfähigkeit vor. Aber alleine schon die Gefahr für die Patientin, infolge einer aszendierenden Infektion in eine
Sepsis zu geraten, lässt eine Antibiotikatherapie ratsam erscheinen (Obstetric-Care-Consensus
2017). Eingesetzt werden kann das gleiche Regime, das zum Vorgehen bei PPROM zwischen (22+0)24+0 und 33+6 SSW beschrieben wird.
Auf die Applikation antenataler Steroide, eine
Tokolyse oder eine Neuroprotektion mit
Magnesium soll bei PPROM vor Erreichen der Lebensfähigkeit verzichtet werden (AWMF LL 015–025 (
2020) Prävention und Therapie der
Frühgeburt).
Vor Erreichen der Lebensfähigkeit machen diese Interventionen klinisch keinen Sinn. Zeigt die Patientin nach einigen Tagen stationärer Beobachtung keine klinischen Zeichen einer aszendierenden Infektion, kann auch eine ambulante Betreuung bis zum Erreichen der Lebensfähigkeit des Kindes in Erwägung gezogen werden (Obstetric-Care-Consensus
2017).
Verschiedene Methoden, das Eihautleck zu verschließen, wurden bisher mit unterschiedlichem Erfolg getestet, z. B. Fibrinkleber, Gelatineschwamm, Amnion-Patch
(Devlieger et al.
2006). Eine Cochrane-Analyse aus dem Jahr 2016 kam zu dem Schluss, dass weder die Sicherheit noch die Effektivität dieser Verfahren bisher ausreichend geprüft wurde und aus diesem Grunde derzeit keine Empfehlung ausgesprochen werden kann (Crowley et al.
2016). Daran ändern auch neuere Publikationen zu diesem Thema nichts (Devaud et al.
2019; Maged et al.
2021).
Klinisches Management bei PPROM zwischen (22+0) 24+0 und 33+6 SSW
Bei einem PPROM zwischen 24+0 und 33+6 SSW oder zwischen 22+0 und 23+6 SSW, falls eine Maximaltherapie gewünscht wird, soll zunächst ein exspektatives Vorgehen erwogen werden, falls keine unmittelbare Gefahr für Mutter und Kind besteht (AWMF LL 015–025 (
2020) Prävention und Therapie der
Frühgeburt).
Bei einem PPROM zwischen 24+0 und 33+6 SSW oder zwischen 22+0 und 23+6 SSW, falls eine Maximaltherapie gewünscht wird, sind die Gefahren der aufsteigenden Infektion, der
vorzeitigen Plazentalösung oder des drohenden
Nabelschnurvorfalles gegen die neonatalen Risiken, die aus der
Frühgeburt resultieren können, abzuwägen. Eine aszendierende Infektion mit
Triple I, vorzeitige Plazentalösung, pathologisches
CTG oder ein hohes Risiko oder das Vorhandensein eines Nabelschnurvorfalls sind Indikationen für eine sofortige Entbindung.
Das Für und Wider eines exspektativen Vorgehens wurde in einer
Metaanalyse ausführlich erörtert. In 12 inkludierten Studien wurde das Befinden für 3617 Patientinnen mit PPROM bei geplanter früher Entbindung versus exspektativem Vorgehen zwischen 24 und 37 SSW verglichen. Die Schwangerschaftsdauer war bei geplanter früher Entbindung ca. eine halbe Woche („mean difference“ [MD] 0,48 Wochen, 95 % CI 0,57−0,39) und der stationäre Aufenthalt der Mutter knapp 2 Tage kürzer (MD 1,75 Tage, 95 % CI 2,45−1,05). Die weiteren Ergebnisse sind in Tab.
2 zusammengefasst (Bond et al.
2017).
Tab. 2
Geplante Entbindung vs. exspektatives Vorgehen bei PPROM zwischen 24 und 37 SSW. (Nach Bond et al.
2017)
| 0,93 | 0,66–1,30 |
| 1,24 | 0,70–2,21 |
RDS | 1,26 | 1,05–1,53 |
| 1,26 | 1,11–1,44 |
| 1,76 | 0,89–3,50 |
Intrauteriner Fruchttod | 0,45 | 0,13–1,57 |
Neonatale Mortalität | 2,55 | 1,17–5,56 |
| 1,27 | 1,02–1,58 |
Verlegung auf neonatale Intensivstation | 1,16 | 1,08–1,24 |
Chorioamnionitis | 0,50 | 0,26–0,95 |
Endomyometritis | 1,61 | 1,00–2,59 |
Weheninduktion | 2,18 | 2,01–2,36 |
Die Autoren schlussfolgern, dass im Falle eines PPROM vor 37 SSW ein exspektatives Vorgehen nach Ausschluss entsprechender Kontraindikationen das Befinden bei Mutter und Kind verbessert. Eine weitere
Metaanalyse kommt für Patientinnen zwischen 28 und 34 SSW zu ähnlichen Ergebnissen (Al-Mandeel et al.
2013).
Für Patientinnen vor 34 SSW ist ein exspektatives Vorgehen derzeit international Standard (ACOG-Practice-Bulletin
2020; Schmitz et al.
2019). Das Vorgehen zu Patientinnen mit PPROM zwischen 34 und 37 SSW wird separat erörtert.
Verlegung in eine Einrichtung mit geeigneter Versorgungsstufe
Die Schwangere wird in eine Einrichtung mit geeigneter Versorgungsstufe verlegt. Die Einteilung der Perinatalzentren variiert in den einzelnen Ländern. In Deutschland gilt das Stufenkonzept des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA
2021):
-
Perinatalzentrum LEVEL I: Schwangere mit einem erwarteten Frühgeborenen und einem geschätzten Geburtsgewicht von weniger als 1250 g oder einem Gestationsalter vor 29+0 SSW
-
Perinatalzentrum LEVEL II: Schwangere mit einem erwarteten Frühgeborenen und einem geschätzten Geburtsgewicht von 1250–1499 g oder einem Gestationsalter von 29+1 bis 31+6 SSW
-
Perinataler Schwerpunkt: Schwangere mit einem erwarteten Frühgeborenen und einem geschätzten Geburtsgewicht von mehr als 1500 g oder einem Gestationsalter von 32+0 bis 35+6 SSW
Applikation antenataler Steroide
Bei Patientinnen mit PPROM zwischen 24+0 und 33+6 SSW oder zwischen 22 und 23+6 SSW, falls eine Maximaltherapie gewünscht wird, soll die Applikation antenataler Steroide mit 2-mal 12 mg Betamethason i.m. im Abstand von 24 h erfolgen (alternativ Dexamethason, 4-mal 6 mg alle 12 h) (AWMF LL 015–025 (
2020) Prävention und Therapie der
Frühgeburt).
Da über die Hälfte aller Patientinnen mit PPROM innerhalb von einer Woche entbunden werden, ist die Applikation antenataler Steroide indiziert. Weitere Details s. Kap. „Frühgeburt“ Applikation antenataler Steroide.
Antibiotikatherapie
Bei Patientinnen mit PPROM zwischen 24+0 und 33+6 SSW oder zwischen 22 und 23+6 SSW, falls eine Maximaltherapie gewünscht wird, soll eine Antibiotikatherapie erfolgen (AWMF LL 015–025 (
2020) Prävention und Therapie der
Frühgeburt).
Wie eine
Metaanalyse, die 22 plazebokontrollierte randomisierte Studien mit 6872 Patientinnen einschloss, zeigt, wird durch eine Therapie mit
Antibiotika die maternale und neonatale Morbidität bei PPROM signifikant gesenkt (Tab.
3) (Kenyon et al.
2013).
Tab. 3
Effekt einer Therapie mit Antibiotika auf die maternale und neonatale Morbidität bei PPROM zwischen 24 und 37 SSW (Nach Kenyon et al.
2013)
Chorioamnionitis | 0,66 | 0,46–0,96 |
Geburt innerhalb von 48 h | 0,71 | 0,58–0,87 |
Geburt innerhalb von 7 Tagen | 0,79 | 0,71–0,89 |
Neonatale Infektion | 0,67 | 0,52–0,85 |
Surfactant-Applikation | 0,83 | 0,72–0,96 |
Neonatale Sauerstofftherapie | 0,88 | 0,81–0,96 |
Auffälliger zerebraler Ultraschall bei Entlassung | 0,81 | 0,68–0,98 |
Die Datenlage erlaubt keine Empfehlung eines bestimmten Therapieregimes. Eine Möglichkeit ist die i.v. Applikation von Ampicillin für 2 Tage, gefolgt von 5 Tagen Amoxicillin oral sowie eine orale Gabe von Azithromyzin zu Beginn. Die Kombination aus Amoxicillin und Clavulansäure soll vermieden werden (AWMF LL 015–025 (
2020) Prävention und Therapie der
Frühgeburt).
Die Datenlage erlaubt keine Empfehlung eines bestimmten Therapieregimes. Allerdings sollte die Kombination aus Amoxicillin und Clavulansäure vermieden werden, da hierunter eine erhöhte Rate an
nekrotisierender Enterokolitis beschrieben wurde (RR 4,72; 95 % CI 1,57–14,23) (Kenyon et al.
2013).
Das optimale Antibiotikaregime ist bisher nicht bekannt (ACOG-Practice-Bulletin
2020; Chatzakis et al.
2020). Ein bevorzugtes Regime für Schwangere, bei denen die Schwangerschaft für mindestens 7 Tage prolongiert werden soll, besteht aus einem Penicillin, z. B. Ampicillin (2 g i.v. alle 6–8 h über 48 h), gefolgt von Amoxicillin (3-mal 500 mg oder 2-mal 875 mg p.o. über 5 Tage). Zusätzlich sollte zu Beginn der Therapie auch ein Makrolid, z. B. Azithromycin (einmalig 1 g p.o.), verabreicht werden. Ampicillin ist besonders zur Behandlung von B-Streptokokken geeignet, es deckt aber auch zahlreiche aerobe gramnegative und auch einige anaerobe Keime ab. Auch Penicillin G (5 Mio I.E. i.v. als Initialdosis, gefolgt von 2,5 Mio I.E. i.v. alle 4 h) ist ein etabliertes Therapieschema, welches sich vor allem gegen
Streptokokken, aber weniger gegen gramnegative Erreger richtet. Makrolide (Erythromycin, Azithromycin) wirken gut gegen Chlamydien, die eine Hauptursache für neonatale Konjunktivitiden und
Pneumonien sind, und gegen genitale Mykoplasmen, die eine wichtige Ursache der Chorioamnionitis bei vorzeitigem Blasensprung darstellen. Ausweislich der Internetseite www.embryotox.de liegen ausreichende Daten zur Gabe von Azithromycin in der Schwangerschaft vor, um dieses Präparat indikationsgerecht einzusetzen (Embryotox
2020).
Dieses Schema ist dem des National Institute of Child Health and Human Development (NICHD) Maternal-Fetal-Medicine Units (MFM-U) Networks ähnlich und von diesem abgeleitet. Es führte nachgewiesenermaßen zu einer Senkung der perinatalen Morbidität nach frühem vorzeitigen Blasensprung: Ampicillin 2 g i.v. alle 6 h und Erythromycin 250 mg i.v. alle 6 h für 48 h, gefolgt von Amoxicillin 250 mg p.o. alle 8 h und Erythromycin 333 mg p.o. alle 8 h über 5 Tage (Mercer et al.
1997).
Bei einer Allergie gegen Penicilline kann auf Cephalosporine (z. B. Cefuroxim 3-mal 1,5 g i.v. über 48 h, gefolgt von Cefuroxim 3-mal 500 mg p.o. über 5 Tage, zusätzlich 1 g Azithromycin p.o.) oder auch auf eine Kombination aus Clindamycin und
Gentamicin ausgewichen werden. Eine kürzlich publizierte Studie lieferte Hinweise, dass die Gabe von Cefuroxim im Vergleich zu Ampicillin die Latenzphase sogar um etwas mehr als 2 Tage prolongiert, allerdings ohne Einfluss auf die neonatale Morbidität (Wolf et al.
2020).
Tokolyse
Der Einsatz einer
Tokolyse ist nicht mit einer signifikanten Verbesserung der perinatalen Morbidität und Mortalität bei PPROM assoziiert (AWMF LL 015–025 (
2020) Prävention und Therapie der
Frühgeburt).
Das primäre Ziel einer tokolytischen Therapie bei frühem vorzeitigem Blasensprung ist die Möglichkeit der Applikation antenataler Steroide. Grundsätzlich sollten Tokolytika möglichst nicht länger als 48 h angewendet werden. Besonders bei fortgeschrittenen Befunden (z. B. Muttermundseröffnung um >4 cm oder bei klinischem V. a.
Triple I) sollten sie nicht mehr zum Einsatz kommen, weil eine Schwangerschaftsverlängerung in diesen Fällen nicht sinnvoll und das Risiko für ein Triple I hoch ist.
Ein Cochrane-Review schloss 8 Studien mit 408 Schwangeren und frühem vorzeitigem Blasensprung (23–36 SSW) ein (Mackeen et al.
2014). Im Vergleich zu Plazebo ergab sich dabei eine Verlängerung der Latenzzeit um im Median 73 h und eine signifikante Verminderung der Rate an Geburten innerhalb von 48 h (RR 0,55; 95 % CI 0,32–0,95). Allerdings war die
Tokolyse vor 34 SSW mit einer signifikant erhöhten Rate an Chorioamnionitis assoziiert (RR 1,79; 95 % CI 1,02–3,14) und hatte keinen Einfluss auf die perinatale Morbidität oder Mortalität. Jedoch ist die Aussagekraft der
Metaanalyse durch den Einschluss relativ kleiner Studien und durch die Tatsache, dass nicht in allen Studien
Kortikosteroide zur Lungenreifeinduktion angewendet wurden, erheblich eingeschränkt.
Progesteron
Wie eine
Metaanalyse mit 4 Studien zeigt, verlängert 17-α-Hydroxyprogesteroncaproat die Schwangerschaftsdauer nicht bei Patientinnen mit PPROM im Vergleich zu Plazebo (MD 0,11 Tage; 95 % CI 3,30–3,53 Tage). Das Gleiche gilt für rektal appliziertes
Progesteron (Quist-Nelson et al.
2018a). Eine vaginale Progesterontherapie sollte im Falle eines PPROM gestoppt werden.
Neuroprotektion
Steht bei Patientinnen mit PPROM eine
Frühgeburt <32 SSW unmittelbar bevor, kann
Magnesium intravenös zur fetalen Neuroprotektion appliziert werden (AWMF LL 015–025 (
2020) Prävention und Therapie der Frühgeburt).
Siehe Kap. „Frühgeburt“
Fetale und maternale Überwachung
Patientinnen mit PPROM sollen mit Hinblick auf ein
Triple I überwacht werden. Klinische Anzeichen sind maternales
Fieber plus einer der folgenden Befunde: fetale Tachykardie (>160 Schläge/min) oder
Leukozyten >15000/μl oder purulenter
Fluor aus dem Muttermund (AWMF LL 015–025 (
2020) Prävention und Therapie der
Frühgeburt).
Schwangere mit frühem vorzeitigem Blasensprung sollten routinemäßig auf Infektionszeichen hin untersucht werden. Hierzu gehören die oben genannten klinischen Parameter, aber auch Symptome wie schmerzhafter Uterus, uterine Kontraktionen, mütterlicher Blutdruck und Herzfrequenz (Higgins et al.
2016). Darüber hinaus sollen Kontrollen des Blutbildes und des
C-reaktives Protein (CRP) erfolgen. Allerdings ist der Nutzen täglicher Laborkontrollen umstritten (Tita und Andrews
2010).
Auch jüngste Untersuchungen haben gezeigt, dass der prädiktive Wert dieser klinischen Parameter sehr begrenzt ist. Insbesondere ist dabei auch ein Anstieg der
Leukozyten nach antenataler Steroidgabe zu berücksichtigen. Eine Kombination aus maternalem
Fieber, CRP und Leukozyten erreicht zur Prädiktion eines FIRS eine „area under the curve“ (
AUC) von lediglich 0,66 (Kunze et al.
2016). Für einen CRP-Wert von 17,5 mg/l im maternalen
Serum zur Prädiktion einer intraamnialen Infektion oder Inflammation wird eine
Sensitivität von 47 %, eine
Spezifität von 96 %, ein positiver Vorhersagewert von 42 % und ein negativer Vorhersagewert von 96 % beschrieben (Musilova et al.
2017).
Das tägliche CTG-Monitoring bei Patientinnen mit PPROM ist übliche klinische Praxis. Allerdings steht derzeit keine fetale Überwachungsmethode zur Verfügung, die zuverlässig eine intrauterine Inflammation oder Infektion anzeigt. Weder das
CTG noch die Erweiterung zu einem biophysikalischen Profil (CTG plus fetale Atem- und sonstige Bewegungen, fetaler Tonus sowie
Fruchtwassermenge) sind geeignete Prädiktoren für eine intrauterine Infektion (CTG:
Sensitivität 39 %; biophysikalisches Profil: 25 %) (Lewis et al.
1999). Ebenso wenig sind regelmäßige Überwachungen der Fruchtwassermenge sinnvoll. Die Verminderung der Fruchtwassermenge steigert zwar das Risiko für eine Kompression der Nabelschnur und verkürzt nachweislich den Abstand bis zum Einsetzen der Geburtswehen, die prädiktiven Werte für ein negatives Outcome sind jedoch niedrig (Mercer et al.
2006). Die Dopplersonografie hat bei vorzeitigem Blasensprung keine nachgewiesenen Vorteile (Abramowicz et al.
1992; Carroll et al.
1995; Leo et al.
1992).
Der Einsatz einer Amniozentese zur Diagnose eines
Triple I ist nur in Ausnahmefällen sinnvoll, z. B. bei unklarem maternalem Infektionsherd (AWMF LL 015–025 (
2020) Prävention und Therapie der
Frühgeburt).
Die Durchführung einer Amniozentese
zum Infektionsausschluss ist nach wie vor umstritten (Dudley et al.
1991; Shinjo et al.
2012; Simhan und Canavan
2005). Zum einen ist sie bei klinisch asymptomatischen Frauen nicht sinnvoll, zum anderen sollte bei symptomatischen Schwangeren wenn möglich alleine aufgrund des klinischen Bildes die Schwangerschaft beendet werden. Für eine Amniozentese verbleibt also lediglich der kleine Teil der unsicheren Fälle, bei denen wiederum in etwa 50 % der Fälle kein Fruchtwasser gewonnen werden kann und dann letztlich wieder klinisch entschieden werden muss.
Auch ist nach wie vor unklar, welche biochemischen Parameter, die im Fruchtwasser analysiert werden, die beste Prädiktion für ein
Triple I haben. In den wenigen Kliniken, die eine Amniozentese zur Diagnose eines Triple I einsetzen, werden
Glukose,
Laktatdehydrogenase (LDH) und
Leukozyten gemessen, eine Gramfärbung durchgeführt und Bakterienkulturen angelegt. Bakterienkulturen sind allerdings für eine rasche Diagnosestellung ungeeignet. Auch ist die Interpretation der übrigen Parameter im Hinblick auf ein Triple I bisweilen schwierig (Higgins et al.
2016). Inzwischen wurden sogar Schnelltests (Bedside-Tests) zur Bestimmung des
Interleukin-6 (IL-6) aus dem durch Amniozentese gewonnenen Fruchtwasser entwickelt (Kacerovsky et al.
2014). Die klinische Relevanz muss allerdings erst in großen Studien geprüft werden.
Die Prädiktion eines
Triple I mittels im Vaginalsekret gemessener biochemischer Parameter ist nach heutigem Kenntnisstand nicht sinnvoll (AWMF LL 015–025 (
2020) Prävention und Therapie der
Frühgeburt).
Für eine Kombination aus klinischen Parametern und IL-6 bzw. Tumornekrosefaktor (TNF-α) wird eine
AUC von 0,92 bzw. 0,94 für das FIRS beschrieben (Kunze et al.
2016). Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine Studie, die bei Patientinnen mit PPROM die IL-6-Konzentration im Vaginalsekret mit der in der
Amnionflüssigkeit gewonnen durch Amniozentese verglich (Musilova et al.
2016). Allerdings reichen diese ersten Arbeiten noch nicht aus, um einen routinemäßigen, klinischen Einsatz zu rechtfertigen.
Amnioninfusion
Der Stellenwert einer
Amnioninfusion bei PPROM kann nach aktueller Datenlage nicht ausreichend beurteilt werden (AWMF LL 015–025 (
2020) Prävention und Therapie der
Frühgeburt).
Ein Cochrane-Review fand eine statistisch signifikante Reduktion der Raten an neonatalen Todesfällen,
Sepsis oder Infektion und Lungenhypoplasie nach
Amnioninfusion bei PPROM (Hofmeyr et al.
2014). Allerdings stammten diese Daten aus jeweils nur ein oder zwei sehr kleinen Studien, sodass bis zu einer grundsätzlichen Empfehlung der Amnioninfusion weitere randomisiert kontrollierte Studien notwendig sind.
Entbindung
Patientinnen mit PPROM zwischen 24+0 und 33+6 SSW oder zwischen 22 und 23+6 SSW, falls eine Maximaltherapie gewünscht wird, können ab 34+0 SSW entbunden werden. Indikationen für eine sofortige Entbindung sind ein
Triple I (V. a. oder bestätigt),
vorzeitige Plazentalösung, pathologisches
CTG oder ein hohes Risiko für bzw. das Vorhandensein eines
Nabelschnurvorfalls (AWMF LL 015–025 (
2020) Prävention und Therapie der
Frühgeburt).
Indikationen für die sofortige Beendigung der Schwangerschaft sind ein
Triple I (Verdacht auf oder bestätigt),
vorzeitige Plazentalösung, pathologisches
CTG oder ein hohes Risiko oder das Vorhandensein eines
Nabelschnurvorfalls. In all diesen Fällen ist eine Fortsetzung der Schwangerschaft mit einer Verschlechterung des fetalen Outcomes assoziiert und ist daher kontraindiziert.
Es gibt derzeit keinen Hinweis, dass bei Kindern von Patientinnen mit
Triple I, die eine Antibiotikatherapie erhalten, eine Korrelation zwischen der Dauer der Wehentätigkeit und dem neonatalen Outcome besteht (Gilstrap und Cox
1989; Rouse et al.
2004). Deshalb kann bei diesen Patientinnen zunächst ein vaginaler Entbindungsversuch unternommen werden. Die
Sectio caesarea sollte den üblichen Standardindikationen vorbehalten bleiben, da durch diese Intervention die Rate an
Wundheilungsstörungen, Endometritis und zusätzlich das Thromboserisiko erhöht wird.
Wenn die oben genannten Risikofaktoren nicht vorliegen, ist ein abwartendes Management bis 34+0 SSW international Standard (ACOG-Practice-Bulletin
2018; Schmitz et al.
2019). Wie eine Cochrane
Metaanalyse allerdings zeigt, ist das perinatale und maternale Outcome bei einem exspektativen Management versus geplanter früher Entbindung nicht wesentlich vom Zeitpunkt des PPROM abhängig (Bond et al.
2017) (Tab.
4). Im Gegensatz zu einem PPROM ≥34+0 SSW war bei einem PPROM <34 SSW die
Prävalenz der Endometritis bei geplanter früher Entbindung im Vergleich mit einem exspektativen Vorgehen erhöht, die des „respiratory distress syndrome“ (RDS) nicht erhöht und die der Chorioamnionitis nicht vermindert. Keine Unterschiede zeigten sich bei der neonatalen Infektion. Deshalb ist ein exspektatives Vorgehen bei einer Patientin, deren PPROM vor der SSW 34 eintrat, auch über 34+0 SSW hinaus vertretbar.
Tab. 4
Neonatale und maternale Morbidität bei geplanter Entbindung vs. exspektatives Vorgehen im Falle eines PPROM vor bzw. nach 34+0 SSW. (Nach Bond et al.
2017)
Neonatale Infektion | 1,61 | 0,74–3,50 | 0,71 | 0,47–1,07 |
Neonatale Infektion mit positiver Kultur bestätigt | 1,67 | 0,52–5,35 | 1,07 | 0,52–2,20 |
RDS | 1,09 | 0,84–1,43 | 1,45 | 1,10–1,90 |
| 1,46 | 1,08–1,96 | 1,22 | 1,05–1,42 |
Chorioamnionitis | 0,77 | 0,45–1,30 | 0,26 | 0,12–0,57 |
Endometritis | 2,23 | 1,29–3,84 | 0,37 | 0,10–1,40 |
Klinisches Management bei PPROM zwischen 34+0–36+6 SSW
Die
Prävalenz der späten
Frühgeburt (34+0 bis 36+6 SSW) liegt bei ca. 6 %. Etwa zwei Drittel aller frühgeborenen Kinder fallen in diese Kategorie. Auch wenn die perinatale Morbidität und Mortalität in diesem Gestationsalter deutlich geringer ist als bei Frühgeborenen vor 34+0 SSW oder bei extrem unreif geborenen Kindern, so liegt sie doch beträchtlich über der reifgeborener Kinder (Raju
2013). Alleine die respiratorische Morbidität spät frühgeborener Kinder beträgt ca. 10 % und ist damit über 30-mal höher als bei einer Termingeburt (Hibbard et al.
2010). Auch ist der Nahrungsaufbau bei spät frühgeborenen Kindern kompliziert. Das
Stillen ist zum Teil erheblich erschwert, die Kinder bedürfen in der Regel einer pädiatrischen Überwachung, die oftmals mit Konzepten der Bindungsförderung kollidiert, da nur in Ausnahmefällen eine räumliche Trennung von Mutter und Kind vermieden werden kann. Daher wäre es schon alleine aus praktischen Erwägungen wünschenswert, die Gruppe dieser Frühgeborenen so gering wie möglich zu halten.
Im Falle eines frühen vorzeitigen Blasensprunges zwischen 34+0 und 36+6 SSW kann alternativ zur zeitnahen Entbindung ein exspektatives Vorgehen erwogen werden mit dem Ziel, die Schwangerschaft bis 37+0 SSW zu prolongieren. Dies gilt nicht, wenn B-Streptokokken im Vaginalsekret nachgewiesen werden (AWMF LL 015–025 (
2020) Prävention und Therapie der
Frühgeburt).
Im PPROMT-Trial wurde das Wohlergehen von Frauen und deren Kinder untersucht, die zwischen 34+0 und 36+6 SSW einen vorzeitigen Blasensprung hatten (PPROM) (Morris et al.
2016). Verglichen wurde eine unmittelbare
Geburtseinleitung mit einem abwartenden (exspektativen) Management
. Bei letzterem Vorgehen konnte die Schwangerschaftsdauer signifikant verlängert werden. So kamen in dieser Gruppe 21 % der Kinder nach 37 SSW zur Welt, in der Kontrollgruppe lediglich 3 %. Die
Prävalenz der neonatalen
Sepsis war in beiden Gruppen gleich, allerdings trat ein RDS nach abwartendem Management signifikant seltener auf. Aufgrund des höheren Schwangerschaftsalters bei Geburt in der Gruppe mit abwartendem Vorgehen war auch das Geburtsgewicht der Kinder signifikant erhöht und damit die Aufenthaltsdauer auf der neonatalen Intensivstation bzw. im Krankenhaus kürzer. Hingegen trat bei den Müttern dieser Kinder erwartungsgemäß häufiger eine uterine Blutung vor oder während der Geburt sowie
Fieber unter der Geburt auf. Die Sectiorate war im Vergleich zur Geburtseinleitung signifikant niedriger (Morris et al.
2016).
Die Ergebnisse des Preterm Pre-labour Rupture Of the Membranes close to Term PPROMT-Trial werden durch den PPROM Expectant Management versus Induction of Labor (PPROMEXIL)-I-Trial und PPROMEXIL-II-Trial gestützt (van der Ham et al.
2012a,
b). Nach abwartendem Management lag hier die Rate an neonataler
Sepsis bei 4,1%, bei aktivem Vorgehen (
Geburtseinleitung) bei 2,6 % (RR 0,64; 95 % CI 0,25–1,63), die an RDS bei 6,3 % gegenüber 7,8 % (RR 1,25; 95 % CI 0,67–2,31). Die
Prävalenz der
Sectio caesarea betrug 14 bzw. 13 % (RR 0,98; 95 % CI 0,64–1,50). Wurde allerdings eine Kolonisation mit B-Streptokokken diagnostiziert, war die Prävalenz einer „early onset sepsis“ bei den betroffenen Kindern signifikant erhöht (15,2 vs. 1,8 %; p = 0,04) (Tajik et al.
2014). Eine
Metaanalyse, die 7 Studien einschloss, konnte keine Unterschiede in der Prävalenz einer neonatalen Sepsis und der Notwendigkeit einer Sectio caesarea zwischen den Gruppen unmittelbarer Geburtseinleitung und abwartendes Vorgehen finden (van der Ham et al.
2012b).
Mittlerweile liegt eine weitere
Metaanalyse zu dieser Thematik vor. Dabei wurden 5 zusätzliche Arbeiten eingeschlossen, sodass sich die aktuelle Auswertung nun auf 12 Studien bezieht. Weiterhin kann bei exspektativem Vorgehen keine erhöhte
Prävalenz der neonatalen
Sepsis beobachtet werden. Nach unmittelbarer
Geburtseinleitung war die Rate des RDS, der neonatalen Mortalität, der Notwendigkeit zur
Beatmung, der Endomyometritis und der
Sectio caesarea signifikant erhöht, während die Inzidenz der Chorioamnionitis erniedrigt war (Bond et al.
2017). Auch eine Patientenlevel-Metaanalyse kommt zu ähnlichen Ergebnissen (Quist-Nelson et al.
2018b).
Im PPROMEXIL-I- und -II-Trial
wurden die Patientinnen, die dem exspektativen Arm zugeordnet waren, bei 37+0 SSW eingeleitet (van der Ham et al.
2012a,
b). Im PPROMT-Trial
wurde auch nach 37+0 SSW weiter zugewartet (Morris et al.
2016). Beide Strategien haben ihre Berechtigung. Im ersten Falle gilt die
Geburtseinleitung der Risikoreduktion einer aszendierenden Infektion bei fast reifem Kind. Andererseits ist aber auch der Einwand berechtigt, wieso mit 37+0 SSW plötzlich eine Geburtseinleitung erfolgen soll, nachdem vorher möglicherweise über 3 Wochen hinweg bei PPROM in 34+0 SSW für Mutter und Kind eine stabile Situation bestand. Diese Fragen müssen in weiteren Studien geklärt werden.
Das exspektative Management bei Frauen mit PPROM zwischen 34+0 und 36+6 SSW ist mittlerweile in den internationalen Leitlinien fest etabliert (ACOG-Practice-Bulletin
2020; Schmitz et al.
2019; Thomson
2019).
Die klinische Überwachung und Antibiotikatherapie bei PPROM mit 34+0 bis 36+6 SSW soll so erfolgen wie für (22+0)24+0 bis 33+6 SSW. Die Applikation antenataler Steroide wird international widersprüchlich gesehen, auf eine
Tokolyse oder eine Neuroprotektion mit
Magnesium soll verzichtet werden.
Auch wenn die Ergebnisse des Antenatal Late Preterm Steroids (ALPS)-Trials, die eine Reduktion der respiratorischen Morbidität bei Applikation von
Kortikosteroiden zwischen 34+0 und 36+5 SSW beschreiben, vom American College of Obstetricians and Gynecologists als Empfehlung aufgenommen wurden (Committee-Opinion
2017), so ist bei dieser Maßnahme doch Vorsicht geboten, da noch keine Langzeituntersuchungen zu diesen Kindern vorliegen und somit der Einfluss der applizierten Kortikosteroide auf die weitere neurologische Entwicklung unklar bleibt. Aus diesem Grunde wird in Deutschland von der Applikation von Kortikosteroiden nach 34+0 SSW abgeraten.