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Die Geburtshilfe
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Publiziert am: 15.12.2023

Präkonzeptionelle Beratung (Genetik, Transplantation, Herzinsuffizienz)

Verfasst von: Isabel Filges, Peter Miny, Jens Gottlieb, Johann Bauersachs, Denise Hilfiker-Kleiner und Constantin S. von Kaisenberg
Der elektive Charakter von Vorsorgeuntersuchungen in der Schwangerschaft, orientiert an den Prinzipen einer prädiktiven, personalisierten, präventiven und partizipatorischen Medizin (P4), ermöglicht heute Schwangeren eine aktive Beteiligung an Entscheidungen für oder gegen Untersuchungen zur Risikoabschätzung und/oder diagnostische Untersuchungen. Diese werden durch die zunehmenden Kenntnisse und die Weiterentwicklung der technischen Möglichkeiten wie der Nutzung von Multiparameter-Biomarkern, hochauflösendem Ultraschall und genetischen bzw. genomischen Screening- und Diagnostikverfahren immer komplexer. Idealerweise sollte daher eine Beratung ohne Zeitdruck bereits präkonzeptionell stattfinden, damit die Frau sich, in ärztlicher Begleitung, auf anstehende Entscheidungen vorbereiten kann. Das Kapitel soll die wichtigsten Methoden zur Erfassung der Risiken und deren Konsequenzen für das weitere individualisierte Vorgehen der Betreuung einer zukünftigen Schwangerschaft darstellen.

Einleitung

Der elektive Charakter von Vorsorgeuntersuchungen in der Schwangerschaft, orientiert an den Prinzipien einer prädiktiven, personalisierten, präventiven und partizipatorischen Medizin (P4), ermöglicht heute Schwangeren eine aktive Beteiligung an Entscheidungen für oder gegen Untersuchungen zur Risikoabschätzung und/oder diagnostische Untersuchungen. Diese werden auch durch die zunehmenden Kenntnisse und die Weiterentwicklung der technischen Möglichkeiten wie der Nutzung von Multi-Parameter-Biomarkern, hochauflösendem Ultraschall und genetischen bzw. genomischen Screening- und Diagnostikverfahren immer komplexer. Daher erfordert die individualisierte Medizin heute von der Schwangeren auch eine vertiefte Auseinandersetzung mit den biologischen Zusammenhängen einerseits und den eigenen Überzeugungen, Werten und Wünschen andererseits. Idealerweise sollte daher eine Beratung ohne Zeitdruck bereits präkonzeptionell stattfinden, damit die Frau sich, in ärztlicher Begleitung, auf anstehende Entscheidungen vorbereiten kann. Die präkonzeptionelle Beratung dient dabei vor allem der Risikostratifizierung in ein Basisrisiko oder in ein erhöhtes bzw. spezifisches Risiko. Die Identifizierung gegebenenfalls erhöhter Risiken für die Gesundheit der Frau und des zukünftigen Kindes gilt dem Ziel, diese, soweit möglich, zu vermeiden oder geeignete Untersuchungen zur weiteren Risikospezifizierung und -minimierung sowie diagnostische Maßnahmen vor und in der Schwangerschaft zu diskutieren. Das Kapitel soll die wichtigsten Methoden zur Erfassung der Risiken und deren Konsequenzen für das weitere individualisierte Vorgehen der Betreuung einer zukünftigen Schwangerschaft darstellen.

Erhebung der Eigen- und Familienanamnese

Am Anfang steht die strukturierte Erhebung der Eigen- und Familienanamnese, die auch heute noch als wichtigstes Screeningwerkzeug zur Erfassung von möglichen persönlichen und familiären Risikokonstellationen gilt, die eine Bedeutung für die Frau selbst oder das zukünftige Kind haben könnten. In der Realität wird die idealerweise präkonzeptionell durchgeführte Beratung aus vielerlei Gründen erst früher oder später in der Schwangerschaft stattfindenden können. Dann sind die Daten zur Schwangerschaftsanamnese zu ergänzen. Dazu zählen insbesondere Medikamenteneinnahmen, Infektionen und Komplikationen während der Frühschwangerschaft. Auch die Erfassung von durchgeführten reproduktionsmedizinischen Maßnahmen ist von Bedeutung.
Fragen zur Eigenanamnese
  • Bestehen oder bestanden Fehlbildungen, Entwicklungsanomalien oder Vorerkrankungen und manifeste gesundheitliche Probleme beider Partner?
  • Medikamenteneinnahme und/oder Konsum psychotroper Substanzen/Drogen beider Partner?
  • Aborte, Totgeburten, perinatale Todesfälle?
  • Reproduktionsmedizinische Verfahren?
  • Ethnische Herkunft beider Partner?
  • Konsanguinität der Partner?
Familienanamnese und Stammbaumerhebung
Die Familienanamnese sollte mindestens 3 Generationen umfassen und wird am besten in Form eines Stammbaums dokumentiert. Dabei interessieren vor allem Fehlbildungen, Entwicklungsanomalien oder Vorerkrankungen und manifeste gesundheitliche Probleme bei den Eltern und Geschwistern beider Partner, darüber hinaus auch Aborte, Totgeburten und perinatale Todesfälle in diesem Personenkreis, insbesondere wenn sie wiederholt aufgetreten sind. Ist bereits ein Kind des Paares bzw. der Frau oder des Partners erkrankt, muss auch dieser Information besondere Bedeutung beigemessen werden. Bei auffälligen anamnestischen Angaben sollte die Stammbaumerhebung im betroffenen Familienteil ausgedehnt werden.
Es empfiehlt sich dringend, alle Angaben zu dokumentieren und die Vollständigkeit der Anamneseerhebung beispielsweise durch Abarbeiten einer eigenen Checkliste zu sichern.
Auffällige oder unklare anamnestische Angaben erfordern eine Abklärung (s. auch Abschnitt 4 dieses Kapitels), die sich nicht selten als kompliziert erweist, wenn Angehörige betroffen sind. Sinnvolle diagnostische Maßnahmen sind allerdings nur dann möglich, wenn eine Diagnose beim Indexpatienten bestätigt ist. In der Familie überlieferte vermutliche Diagnosen sind beispielsweise keine geeignete Grundlage, Überträgerschaft bei einem gesunden ratsuchenden Paar auszuschließen. Die oft irritierende Frage nach der ethnischen Herkunft dient allein der Abschätzung des Überträgerschaftsrisikos für rezessiv erbliche Erkrankungen oder Stoffwechselstörungen (Lehrbuchbeispiel Hämoglobinopathien). Auch Konsanguinität, manchmal komplexerer Natur, kommt in einigen Bevölkerungen gehäuft vor. Hier sollte besondere Sorgfalt auf die Erhebung der Familienanamnese verwandt werden (Kap. ***).

Beratung zur Schwangerschaftsvorsorge bei a priori normalem allgemeinen Basis- und altersentsprechendem Risiko

Auch bei unauffälligen anamnestischen Befunden muss zur Vermeidung unrealistischer Erwartungen möglichst einfühlsam daran erinnert werden, dass selbst eine optimale prä- und perinatale Betreuung kein gesundes Kind garantieren kann. Ein unvermeidliches Basisrisiko muss akzeptiert werden, auch wenn optimale äußere Bedingungen bei der Realisierung des Kinderwunsches sichergestellt sind. Dieses Basisrisiko dürfte bei 1–2 % für schwere Erkrankungen des Kindes liegen und bei 3–5 %, wenn man Entwicklungsanomalien einschließt, die heute oft gut behandelbar sind. Ein Großteil der physischen Anomalien kann durch Ultraschalluntersuchungen in spezialisierten Zentren diagnostiziert werden. Andere Probleme, wie Minderbegabungen oder isolierte Intelligenzminderungen, aber auch seltene, oft schwere, angeborene stoffwechselbedingte oder neurologische Erkrankungen ohne Präsenz struktureller Anomalien während der fetalen Entwicklungsperiode können durch Ultraschall nicht erfasst werden.

Bedeutung des mütterlichen Alters

In Abwesenheit anderer spezifischer Hinweise in der Eigen-oder Familienanamnese ist die wichtigste Risikodeterminante für genetische Erkrankungen des zukünftigen Kindes das elterliche Alter. Schon lange ist ein zahlenmäßig ins Gewicht fallender Einfluss des mütterlichen Alters auf die Neumutationsrate für numerische Chromosomenanomalien bekannt. Dieses sog. mütterliche Altersrisiko war zunächst Anlass, Schwangeren meist ab dem 35. Lebensjahr eine Amniozentese anzubieten, um diese Aneuploidien durch eine mikroskopische Chromosomenuntersuchung sicher auszuschließen. Zwischenzeitlich haben andere Parameter wie mütterliche Serummarker, Messung der Nackentransparenz und der nichtinvasive Pränataltest (NIPT) mittels zellfreier plazentarer DNA im mütterlichen Blut, die Aussagekraft des sog. Risikoscreenings für Aneuploidien revolutioniert. Das mütterliche Alter findet, als Basisrisiko, in den Algorithmen zur individuellen Risikoabschätzung allerdings nach wie vor Berücksichtigung (Kap. ***). Bemerkenswert ist die anhaltende Zunahme des durchschnittlichen mütterlichen Alters in den letzten Jahrzehnten in den entwickelten Ländern (Abb. 1), die zu einer deutlichen Zunahme der Häufigkeit von numerischen Chromosomenanomalien bei Geburt führen müsste. Ihr Ausbleiben dürfte eine Konsequenz des formalisierten Risikoscreeningangebotes für alle Schwangerschaften sein, in Kombination auch mit einer erhöhten Fehlgeburtsrate bei aneuploiden Schwangerschaften.
Untersuchungen zur Risikopräzisierung für die häufigsten Aneuploidien und einige schwere Fehlbildungen des Kindes bei a priori normalem Basisrisiko werden im deutschsprachigen Raum allen Schwangeren unabhängig vom elterlichen Alter angeboten, allerdings nur teilweise von den öffentlichen Gesundheitssystemen getragen. Dazu zählen das (kombinierte) Ersttrimesterscreening, der nichtinvasive genetische Test an der zellfreien DNA im mütterlichen Blut (NIPT) sowie Ultraschalluntersuchungen. Zu Details dürfen wir hier auf die respektiven Kapitel verweisen. Eine ausführliche Beratung über die Testperformance, Limitationen und mögliche Konsequenzen dieser Untersuchungen ist verpflichtend. Die Rahmenbedingungen sind in den deutschsprachigen Ländern gesetzlich geregelt, zum Ablauf existieren Empfehlungen der involvierten professionellen Organisationen (Kozlowski et al. 2019). Eine bereits präkonzeptionelle Diskussion der teilweise sehr komplexen Zusammenhänge sollte, wann immer möglich, angestrebt werden, damit eventuelle Entscheidungen für oder gegen Untersuchungen zur Risikobestimmung und gegebenenfalls weitere pränatale genetische Tests wohlüberlegt getroffen werden können.

Bedeutung des väterlichen Alters

Der Einfluss des Vateralters ist für dominante Neumutationen (De-novo-Mutationen) in einer Reihe von Genen belegt (z. B. FGFR2, FGFR3, RET, PTPN11), fällt jedoch nach aktueller Kenntnis zahlenmäßig mit einer Risikozunahme von schätzungsweise maximal 0,5 % weniger ins Gewicht als die Zunahme des Aneuploidierisikos mit dem mütterlichen Alter. Zudem existiert aktuell kein sinnvoller Screeningansatz, da Neumutationen potenziell in allen der mehr als 20.000 Gene vorkommen können. Ein erhöhtes Alter des Großvaters mütterlicherseits wurde auch bei einigen X-gekoppelt rezessiven Erkrankungen gefunden, die erstmals in einer Familie vorkamen, wie beispielsweise der Muskeldystrophie Duchenne oder der Hämophilie A. Der Einfluss des väterlichen Alters auf die Häufigkeit von Schizophrenie oder Erkrankungen aus dem Autismusspektrum und einige andere ist vermutlich komplex.

Carrier-Screening, Untersuchungen der Überträgerschaft für rezessive genetische Erkrankungen

Im deutschsprachigen Raum sind Untersuchungen zur Überträgerschaft für rezessiv erbliche Erkrankungen, genannt „Carrier-Screening“, in der Vergangenheit praktisch nur dann durchgeführt worden, wenn aufgrund der ethnischen Herkunft von einem erhöhten Risiko für eine Trägerschaft auszugehen war. Bei einem autosomal-rezessiven Erbgang beträgt, wenn eine heterozygote Trägerschaft beider Eltern nachgewiesen wird, das Erkrankungsrisiko für jedes zukünftige Kind 25 %. Dieses Carrier-Screening betraf in erster Linie Paare aus Ländern mit einer erhöhten Inzidenz für Hämoglobinopathien wie β-Thalassämien in Mittelmeeranrainerstaaten, α-Thalassämien in Südostasien sowie Sichelzellanämien in Bevölkerungen mit Herkunft aus den Subsaharagebieten Afrikas. Ein Blutbild mit Erythrozytenindizes und eine Hb (Hämoglobin)-Elektrophorese (meist als HPLC (High Performance Liquid Chromatography als Elekrophoreseform)) entdecken Überträgerschaften zuverlässig und kostengünstig und sind weiterhin indiziert. Die Erhebung der Herkunft in der Eigen-und Familienanamnese ist daher essenziell, um diese Untersuchungen zielführend veranlassen zu können. In der aschkenasim-jüdischen Bevölkerung ist ein Carrier-Screening für autosomal-rezessive Erkrankungen, die hier gehäuft auftreten (z. B. Tay-Sachs-Krankheit und einige andere), traditionell populär und wird von den Paaren häufig aktiv nachgefragt. Aus dem deutschsprachigen Raum sind uns keine Empfehlungen der Gesundheitsadministration oder von Fachgesellschaften zum Carrier-Screening bekannt. Leitlinien in anderen Ländern empfehlen es für einige Erkrankungen mit häufigerer Trägerschaft (Tab. 1).
Tab. 1
Empfehlungen zum Carrier-Screening von Erkrankungen mit erhöhter Heterozygotenfrequenz (Trägerschaften)
Erkrankung
Gene
ACOG
ACMG
SOGC-CCMG
CFTR
X
X
(X)a
Spinale Muskelatrophie
SMN1
X
X
 
Fragiles X
FMR1
(X)a
 
(X)a
Hämoglobinopathien
HBA1, HBA2, HBB
X
(X)a
(X)a
SOGC Society of Obstetricians and Gynaecologists of Canada; CCMG Canadian College of Medical Geneticists (Wilson et al. 2016); ACOG American Congress of Obstetricians and Gynecologists (ACOG 2017); ACMG American College of Medical Genetics and Genomics 2013 (Gregg et al. 2021)
()a nur in Risikopopulationen
Die Hochdurchsatzsequenzierung hat die technische Möglichkeit eröffnet, ein Carrier-Screening allen Paaren, die dies wünschen, für eine beliebige Anzahl bekannter Gene anzubieten. Dies wird auch als „expanded carrier screening“ bezeichnet. Entsprechend unterschiedlich sind die Angebote der Laboratorien, die teilweise sogar per Internet als direct-to-consumer testing ohne ärztliche Verordnung buchbar sind (ACOG 2021). Das American College of Medical Genetics and Genomics (Gregg et al. 2021) hat existierende Empfehlungen analysiert, schlägt Maßnahmen für eine Standardisierung vor, benennt Bedingungen für ein Angebot an alle Paare und fasst wesentliche Beratungsaspekte zusammen.
Die generelle Option eines mehr oder weniger umfassenden Carrier-Screenings unabhängig von der ethnischen Herkunft muss heute in der präkonzeptionellen Beratung angesprochen werden. Dabei muss darauf hingewiesen werden, dass eine solche Untersuchung niemals alle Überträgerschaften erkennen kann, dass Sequenzvarianten unklarer Signifikanz nicht selten vorkommen, und dass eine Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung im Einzelfall abzuklären ist. In der Schweiz beispielsweise ist diese aufgrund der gesetzlichen Bedingungen ausgeschlossen. Daher ist sehr genau zu prüfen, welche Testverfahren im Einzelnen durch die Labore angeboten werden und wo deren Grenzen liegen, um das Paar entsprechend zu beraten. Praktisch ergibt sich auch aus finanziellen Erwägungen häufiger die Frage, ob nicht die Untersuchung zunächst der Partnerin ausreicht. Bei aktuellem Kinderwunsch oder einer bereits bestehenden Schwangerschaft richtet sich das Angebot ausdrücklich an beide Partner.

Polygenic Risk Scores

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt lehnt das ACMG eine seit kurzem verfügbare Verwendung von sog. „polygenic risk scores“ im Rahmen eines präkonzeptionellen Screenings der Eltern oder bei der Untersuchung des Embryos im Rahmen einer Präimplantationsdiagnostik klar ab (ACMG 2021). Polygenic Risk Scores versuchen das Risiko für einige häufige Erkrankungen mit komplexer genetischer Komponente auf der Basis von assoziierten Polymorphismen zu quantifizieren. Oft handelt es sich dabei um Erkrankungen des Erwachsenenalters ohne Konsequenz für eine Schwangerschaft.

Präimplantationsaneuploidiescreening

Immer häufiger wird bei reproduktionsmedizinischen Verfahren ein Aneuploidiescreening der Blastozyste (PGT-A, „preimplantation genetic testing for aneuploidies“) angewendet, das a priori basierend auf biologisch-theoretischen Überlegungen die Implantationsrate transferierter Embryos erhöhen soll. Hier ist zu erfragen, ob allenfalls ein Embryo mit Mosaikbefund implantiert wurde, und die Dokumentation einzuholen.
Obwohl die bisherigen, allerdings beschränkten Daten, eher nicht darauf hinweisen, dass dies bei einer intakten und im Ultraschall unauffälligen Schwangerschaft zu einem erhöhten Risiko für ein von einer Chromosomenanomalie betroffenes Kind hinweist, ist nach aktuellen Empfehlungen ein gängiges Screening nicht ausreichend und eine Amniozentese indiziert. Bei Transfer eines im PGT-A euploiden Embryos gelten die üblichen Indikationen und Optionen für Screening- und diagnostische Untersuchungen von Chromosomenanomalien wie in jeder anderen Schwangerschaft. Die Implantation eines im PGT-A euploiden Embryos schließt eine Chromosomenanomalie beim Feten nicht aus.

Beratung zur Schwangerschaftsvorsorge bei a priori erhöhtem Risiko für genetische Erkrankungen

Werden in der Eigen-und/oder Familienanamnese Erkrankungen des Paares oder von Familienangehörigen der beiden Partner identifiziert, gilt es, diese weiter zu explorieren, da ein erhöhtes Wiederholungsrisiko für zukünftige Kinder des Paares bestehen kann. Ist die Frau selbst erkrankt, können abhängig von der Grunderkrankung spezifische mütterliche und kindliche Risiken für die Gesundheit bestehen, denen im Schwangerschaftsmanagement Rechnung getragen werden muss. Letzteres wird im Abschn. 6 exemplarisch für einige Erkrankungen und in den jeweiligen Kapiteln dieses Buches im Detail abgehandelt.
Die Erfassung familiärer Erkrankungen, Entwicklungsstörungen und Fehlbildungen ist deshalb von so großer Bedeutung, weil – je nach familiärer Konstellation – ein individuelles Vorgehen der weiteren Diagnostik in der Schwangerschaft notwendig wird, und die üblichen Risikoabschätzungs- und Screeningverfahren nicht oder nur eingeschränkt von Nutzen sind. Späte oder gar verpasste Diagnosen können so vermieden werden.
Manche Studien schätzen den Anteil der so übersehenen Indikationen für individuell spezifische Abklärungen in der Schwangerschaft auf bis zu 30 % (McClatchey et al. 2018). Nicht selten kann eine detaillierte Auseinandersetzung mit der familiären Pathologie auch zur Entwarnung und eine Rückeinordnung in das Basisrisiko führen, da Klarheit über die Zusammenhänge geschaffen und Missverständnisse oder falsche Vorstellungen aus dem Weg geräumt werden können.
Wird in der Eigen – und/oder Familienanamnese eine Erkrankung, Entwicklungsstörung oder Fehlbildung identifiziert, sind folgende Aspekte weiter zu verfolgen und die Dokumentation dazu sicherzustellen:
  • Verwandtschaftsverhältnis zum/zu den Betroffenen
  • Bezeichnung bzw. genaue Diagnose der Erkrankung
  • Symptome, Manifestationsalter und klinischer Verlauf der Erkrankung, einschließlich der Erfassung der intrafamiliären Variabilität
  • Bisher durchgeführte klinische und genetische Diagnostik beim Indexpatienten
  • Bisher durchgeführte Trägerschaftsabklärung bei der Frau und/oder dem Partner
Die Verifizierung und Dokumentation der genauen Diagnose und der bisherigen diagnostischen Untersuchungen ist deshalb so wichtig, weil sie entscheidend für die Einordnung des Risikos für zukünftige Kinder und die Möglichkeiten weiterer Untersuchungen vor und in der Schwangerschaft sein kann.
Allenfalls sollte das Paar zu einem Facharzt für Humangenetik oder Medizinische Genetik überwiesen werden, der die Befunde im Detail beurteilen oder eine weitere familiäre Abklärung in die Wege leiten kann.
Die Erfahrung zeigt, dass nicht selten die laborgenetische Untersuchung des Indexpatienten und/oder die Trägerschaftsabklärung der zukünftigen Eltern fehlen. Bei erhöhtem Wiederholungsrisiko müssen die familiäre Chromosomenanomalie oder pathogene Sequenzvariante zwingend bekannt sein, um eine gezielte Pränataldiagnostik zu ermöglichen. Besteht bereits eine Schwangerschaft, ist der dann präsente Zeitdruck für alle Beteiligten eine zusätzliche Belastung. Manche Paare werden sich, je nach Krankheitsbild und persönlichen Erfahrungen, eventuell auch für eine Präimplantationsdiagnostik entscheiden, die nur durch ein vorausschauendes präkonzeptionelles Erfassen und Abklären von Paaren mit primär erhöhtem familiärem Risiko möglich ist.
In manchen Situationen bleiben dennoch Fragen offen, weil Indexpatienten nicht (mehr) zugänglich sind oder sich Diagnosen und deren Ätiologie beim Indexpatienten nicht weiter verifizieren lassen. Eine gezielte Pränataldiagnostik oder Präimplantationsdiagnostik ist dann meist nicht möglich. Aufgrund von formalgenetischen Überlegungen kann aber häufig zumindest eine approximative Einschätzung des Wiederholungsrisikos abgegeben werden. Hierbei muss auch besprochen werden, ob und wie sicher eine Erkrankung mit Ultraschall oder biochemischen Untersuchungen des Fruchtwassers diagnostiziert werden kann, und wo die spezifischen Grenzen dieser Verfahren liegen.

Familiäre genetische Erkrankungen

Chromosomenanomalien

Chromosomenstörungen machen bis zu 25 % der Ursachen von Entwicklungsstörungen aus. Dazu gehören neben den klassischen numerischen Chromosomenstörungen wie Trisomie 21 (Down-Syndrom) oder Monosomie X (Turner-Syndrom) auch strukturelle Chromosomenanomalien, einschließlich solcher submikroskopischer Größe, den sog. Kopienzahlvarianten („copy number variants“, CNV). Etwa 1/150 der Neugeborenen hat eine numerische oder grobstrukturelle Chromosomenaberration, etwa 1/63 eine krankheitsrelevante CNV (Verma und Puri 2015; Gjorgioski et al. 2020). Im Folgenden werden unter dem Begriff Chromosomenaberration oder -anomalie alle zusammengefasst.
Ist bereits ein Kind eines Paares von einer Entwicklungsstörung bei nachgewiesener ursächlicher Chromosomenaberration betroffen, kann diese neu (de novo) entstanden sein oder, insbesondere bei strukturellen Chromosomenanomalien, familiär bedingt sein, wenn ein Elternteil Träger einer balancierten strukturellen Anomalie ist, die in der Regel keine gesundheitlichen Konsequenzen für den Träger selbst hat. Ein Beispiel ist in Abb. 2 gezeigt. Hier ergibt sich für eine Folgeschwangerschaft ein deutlich erhöhtes Wiederholungsrisiko in der Regel im 2-stelligen Prozentbereich liegt, jedoch höher oder niedriger in Abhängigkeit von der spezifischen Chromosomennomalie sein kann. Wurden die Eltern bislang noch nicht untersucht, besteht dafür eine klare Indikation, um das Wiederholungsrisiko zur präzisieren. Zu berücksichtigen ist auch, dass ein Elternteil selbst von einer Chromosomenaberration betroffen sein kann und nur milde Symptome, wie zum Beispiel eine Lernbehinderung oder neuropsychiatrische Symptome, oder auch gar keine klinisch apparenten Beeinträchtigungen aufweist. Dies kann insbesondere bei CNV der Fall sein, wie etwa der Duplikation 15q11.2, der Deletion oder Duplikation 16p11.2, oder auch der Deletion 22q11, die mit einer Prävalenz von 1/4000 als häufigste Mikrodeletion gilt. Man bezeichnet diese auch als CNV variabler Expressivität und Penetranz. Eltern mit Trägerschaft haben hier bei jeder Schwangerschaft ein Risiko von 50 % ihre CNV zu vererben. Die Beratung bezüglich einer Pränataldiagnostik ist wegen der hohen phänotypischen Variabilität sehr anspruchsvoll. Auch bei einer nachgewiesenen De-novo-Chromosomenaberration ist das Wiederholungsrisiko über das Basisrisiko erhöht, da prinzipiell ein Keimzellmosaik bei einem Elternteil in Betracht gezogen werden muss, der durch keine Untersuchung ausgeschlossen werden kann. Das Wiederholungsrisiko liegt dann empirisch bei etwa <1 %. Auch hier haben die Eltern die Möglichkeit einer diagnostischen Punktion zum Nachweis oder Ausschluss der vorangegangenen Chromosomenaberration, wenn sie dies wünschen sollten. Die üblichen Risikoermittlungsverfahren, wie das Ersttrimesterscreening oder der NIPT für die häufigen Aneuploidien für Paare mit Basisrisiko, sind in solch speziellen Situationen primär nicht ausreichend.

Monogene Erkrankungen und genetische Erkrankungen mit nicht klassischen Mendel-Erbgängen

Liegen in einer Familie Hinweise auf eine monogene oder andere genetische Erkrankung vor, gilt es auch hier den Indexpatienten genetisch zu untersuchen, wenn dies bisher nicht erfolgt ist, den Erbgang zu klären und eventuell die zu beratenden Eltern auf Trägerschaft der familiären Varianten abzuklären. Durch die neuen Verfahren der Hochdurchsatzsequenzierung werden immer mehr monogene Ursachen von Entwicklungsstörungen und Erkrankungen identifiziert.
Zum Teil wurden ätiologische Abklärungen von heute erwachsenen Patienten über Jahre nicht weiterverfolgt, oft ein „Problem bei der Geburt“ in Ermangelung anderer Kenntnisse verantwortlich gemacht.
Die Abklärung nach heutigen Standards kann oft langjährig bestehende Fragen nach Ursachen aber auch Wiederholungsrisiken in Familien beantworten. Typische Mendel-Erbgänge sowie mögliche Wiederholungsrisiken sind in Abb. 3 gezeigt. Andere Erkrankungen können mitochondrialen Erbgängen folgen oder einem genomischen Imprinting unterliegen. Hier muss der Stammbaum sehr differenziert betrachtet werden.

Konsanguinität

Blutsverwandtschaft der Eltern ist in den Industrieländern selten geworden, jedoch bei Paaren mit Migrationshintergrund und Wurzeln in den ländlichen Gebieten Kleinasiens und Nordafrikas nach wie vor verbreitet. Teilweise werden Eheschließungen innerhalb der Familie auch heute noch aktiv gefördert. Diese Tradition deutet auf einen sozialen, kulturellen oder wirtschaftlichen Nutzen hin, der die Verbreitung der Konsanguinität über die Jahrhunderte gefördert hat. Heute kann die Konfrontation mit dieser Tradition bei Betroffenen zu Schuld- und Schamgefühlen führen, insbesondere nachdem ein Kind mit einer genetischen Erkrankung geboren wurde. Ein einfühlsames Vorgehen bei der Erhebung der Familienanamnese und Diskussion der biologischen Zusammenhänge ist daher essenziell. Zu achten ist außerdem auf komplexere verwandtschaftliche Beziehungen, die zu unerwarteten Risikosituationen führen können (Abb. 4).
Formal führt Konsanguinität zu einem erhöhten Risiko für autosomal-rezessive erbliche Erkrankungen infolge Homozygotie durch Abstammung („homozygosity by descent“). Diese kann darüber hinaus auch balancierte Chromosomenanomalien betreffen.
Bei der weitaus häufigsten Konstellation einer Partnerschaft zwischen Cousine und Cousin geht man für praktische Entscheidungen von einer Verdopplung des Basisrisikos aus.
Angeborene Fehlbildungen, Intelligenzminderung oder ungeklärte Todesfälle zur Unzeit in der Familienanamnese sollten Anlass sein, eine diagnostische Abklärung bei Indexpatienten zu initiieren. Die oft verlangten Untersuchungen beider Partner, manchmal bei schon fortgeschrittenem Schwangerschaftsalter können keine Sicherheit bieten. Nur wenn Indexpatienten nicht zur Verfügung stehen, kann je nach Befunden eine mikroskopische Chromosomenuntersuchung des Paares oder ein erweitertes Carrier-Screening per Hochdurchsatzsequenzierung in Betracht kommen.
Schwangerschaften bei Konsanguinität der Eltern sind Risikoschwangerschaften, eine formalisierte genetische Beratung und sonografische Kontrollen in einem Zentrum sind grundsätzlich indiziert.

Fehlbildungen

Werden anamnestisch Fehlbildungen in der Familie identifiziert, gilt es diese Information weiter zu explorieren. Sie können im Kontext einer globaleren Entwicklungsstörung vorliegen und damit auf eine chromosomale oder monogene Ätiologie hinweisen, die der oben genannten Klärung bedarf. Im Zweifel sollte der Betroffene angesehen und untersucht werden. Bei einer isolierten Fehlbildung ist in der Regel eher eine multifaktorielle Ätiologie wahrscheinlich, bei der je nach Verwandtschaftsgrad zum Betroffenen ein Wiederholungsrisiko sehr stark variieren kann. Als Faustregel liegt das Wiederholungsrisiko zwischen 4–10 % für Verwandte ersten Grades, sollte aber spezifisch im familiären Kontext angesehen werden.

Teratogenexposition

Die präkonzeptionelle Beratung ist die geeignete Gelegenheit, Maßnahmen zur Vermeidung teratogener Risiken zu diskutieren. Dies betrifft das Management mütterlicher Erkrankungen wie beispielsweise Diabetes mellitus, Epilepsie oder Phenylketonurie, aber auch die Aktualisierung des Impfstatus bzw. die Vermeidung von Infektionen. Zu Einzelheiten wird auf die Spezialkapitel dieses Buches verwiesen.
Konservative Schätzungen gehen von jährlich ca. 13 Mio. Schwangerschaften mit mütterlichem Alkoholkonsum weltweit aus (Popova et al. 2021). Rund 1 Mio. Kinder werden mit Symptomen der fetalen Alkoholspektrumstörung geboren. Diese sind bei schwerem Alkoholabusus offensichtlich, bleiben in der Mehrzahl vermutlich jedoch undiagnostiziert, da sie subtil sein können. Eine sicher harmlose Alkoholdosis in der Schwangerschaft kann nicht definiert werden. Die Konsequenzen von anderweitigem Substanzmissbrauch in der Schwangerschaft sind komplex und vermutlich häufig auch durch allgemeine soziale Umstände geprägt.
Im Hinblick auf medikamentöse Therapien in der Schwangerschaft gilt es sicherzustellen, dass notwendige Medikamenteneinnahme nicht aufgrund übertriebener Befürchtungen abgebrochen wird und Schäden für Mutter und Kind resultieren. Anpassungen der Therapie durch Wechsel auf lange bekannte Präparate oder Reduzierung der Präparateanzahl, wie beispielsweise bei der Behandlung mütterlicher Epilepsien oder Depressionen sollten vor Beginn der Schwangerschaft abgeschlossen und wirksam sein. Andererseits sollten in der Schwangerschaft strengere Kriterien für die Notwendigkeit einer Medikamenteneinnahme gelten und insbesondere eine unkritische Selbstdispensation mehrerer vermeintlich harmloser Mittel verhindert werden. Weiterführende Informationen finden sich auf den Internetseiten von Embryotox, dem (o. J.) und des Swiss Teratogen Information Service (STIS).

Genetische Beratung

Für pränatale Untersuchungen besteht in Deutschland, Österreich und der Schweiz eine gesetzlich verankerte Beratungspflicht, deren Befolgung eine spezielle Weiterbildung erfordert (Facharztvorbehalt, Humangenetik bzw. Medizinische Genetik oder Gynäkologie und Geburtshilfe mit Zusatzqualifikation).
Diese Beratung soll die Kriterien einer genetischen Beratung erfüllen, die zu den Kernkompetenzen des spezifischen Weiterbildungstitels zählt. Definition und praktische Umsetzung sind über Jahrzehnte von Harper’s Practical Genetic Counselling geprägt worden, einem Buch, welches jetzt in der 8. Auflage vorliegt (Clarke 2020) und eine zeitgemäße Beschreibung der Kernkompetenz liefert.
Als maßgeblich wird die Definition der amerikanischen National Society of Genetic Counselors (NSGC) übernommen (Resta et al. 2006). Genetische Beratung ist darin als Hilfestellung für Menschen definiert, die medizinischen, psychologischen und familiären Auswirkungen des genetischen Beitrags von Krankheitsursachen zu verstehen und damit umzugehen. Dieser Prozess integriert:
  • Die Interpretation der Familien- und Eigenanamnese, um die Wahrscheinlichkeit oder das Wiederholungsrisiko für eine Erkrankung abzuschätzen
  • Die Aufklärung über Erblichkeit, Testmöglichkeiten, Management, Prävention und Forschung
  • Die Beratung, um informierte Entscheidungen zu ermöglichen und mit dem Risiko oder der Erkrankung umzugehen (Übersetzung durch die Autoren)
In der praktischen Umsetzung ergeben sich folgende Schlüsselelemente einer genetischen Beratung (Clarke 2020):
  • Fragen und Sorgen anhören und Aufbau einer empathischen Beziehung zur Patientin und/oder Angehörigen
  • Ansprechen der diagnostischen und klinischen Aspekte, Eigen- und Familienanamnesen
  • Erkennen von Vererbungsweise und Risikoschätzung
  • Kommunikation der Information an die Anwesenden und Beantwortung ihrer Fragen
  • Unterstützung zum Verständnis und beim Umgang mit der Situation
  • Information zu medizinischen Aspekten und Reproduktion
  • Unterstützung bei der Entscheidungsfindung und der Umsetzung bereits getroffener Entscheidungen (Modifikation und Übersetzung durch die Autoren)

Präexistente mütterliche Erkrankungen – Transplantation und Herzinsuffizienz

In diesem Abschnitt wird anhand einiger Erkrankungen exemplarisch auf wichtige Aspekte der präkonzeptionellen Beratung bei mütterlichen Erkrankungen eingegangen. Zu weiteren anderen Erkrankungen verweisen wir auf die Spezialkapitel dieses Buches.

Beratung von transplantierten Patientinnen vor der Konzeption

Mit allen Frauen im gebärfähigen Alter, die eine Transplantation erwarten, sollen Familienplanung und Schwangerschaft, einschließlich individueller mütterlicher und fetaler Risiken, und möglicher Zeitpunkt einer Schwangerschaft besprochen werden.
Die American Society of Transplantation (AST) hat empfohlen, diese Gespräche mit den Patienten schon vor der Aufnahme in die Warteliste und auch kontinuierlich während der Nachsorge zu führen (McKay et al. 2005). Transplantatempfängerinnen sollten über die Risiken für sich selbst und ihre potenziellen Kinder informiert und über Alternativen aufgeklärt werden.
Die Beratung bezieht sich auch auf eventuell genetische Risiken, z. B. bei angeborenen Erkrankungen wie zystische Fibrose, Kardiomyopathien oder α-1-Antitrypsindefizienz.
Die meisten Experten empfehlen, dass Empfängerinnen von Transplantaten eine Schwangerschaft während der ersten 2 Jahre nach der Transplantation vermeiden sollten. In dieser Phase ist das Risiko einer Abstoßung am höchsten und die immunsuppressive Therapie besonders intensiv, außerdem besteht ein erhöhtes Infektionsrisiko. Empfängnisverhütung nach Transplantation ist von Bedeutung, da die Fertilität durch immunsuppressive Medikamente nicht beeinträchtigt wird.
Östrogen-Gestagen-Kontrazeptiva sind eine wirksame Option, sollten aber bei Patientinnen mit Kontraindikationen für eine Östrogentherapie vermieden werden (z. B. erhöhtes Risiko für venöse oder arterielle Thrombosen, unkontrollierter Bluthochdruck). Die Blutspiegel von Immunsuppressiva sollten bei Beginn einer Östrogen-Gestagen-Kontrazeption aufgrund der Hemmung des Cytochrom P450 3A4-Signalwegs sorgfältig überwacht werden.
Der AST-Konsensus empfiehlt folgende Kriterien für den Zeitpunkt der Schwangerschaft (McKay et al. 2005):
  • Keine Abstoßung im letzten Jahr
  • Adäquate und stabile Transplantatfunktion
  • Keine akuten Infektionen, die den Fetus beeinträchtigen könnten
  • Erhaltung der Immunsuppression bei stabiler Dosierung
Die International Society of Heart and Lung Transplantation (ISHLT) rät von einer Schwangerschaft bei Empfängerinnen einer thorakalen Transplantation ab, wenn eine Transplantatdysfunktion oder gar ein chronisches Versagen nach Transplantation thorakaler Organe besteht (Costanzo et al. 2010). Ein multidisziplinäres Team aus Gynäkologen und Geburtshelfern, Psychologen, Transplantationsspezialisten und Anästhesiologen, sollte während der gesamten Schwangerschaft und in der postpartalen Periode für die Beratung und Betreuung der Frau zur Verfügung stehen. Auch Krankenpflegende, Genetiker, Neonatologen und Sozialdienstmitarbeitende können mit eingebunden werden (McKay et al. 2005). Eine nicht multidisziplinär abgestimmte Planung einer Schwangerschaft nach Transplantation wird grundsätzlich nicht empfohlen.
Vor der geplanten Empfängnis sollte eine Basisuntersuchung durchgeführt werden (Costanzo et al. 2010):
  • Überprüfung der Nierenfunktion (z. B. Serumkreatinin, Kreatinin-Clearance und Proteinausscheidung)
  • Beurteilung der Funktion des transplantierten Organs (z. B. Herz: Echokardiogramm, Lunge: Lungenfunktionsuntersuchung) inklusive Ausschluss einer subklinischen Abstoßung, in der Regel bioptisch
  • Bestimmung von HLA-Antikörpern
  • Oberbauchsonografie und Leberfunktionstests
In den meisten Zentren wird gefordert, dass eine langjährig stabile Partnerschaft für die erfolgreiche Planung einer Schwangerschaft nach Transplantation Grundvoraussetzung ist und die meisten Zentren empfehlen, nach thorakaler Transplantation eine Schwangerschaft nicht vor Ablauf von mindestens 1–2 Jahren nach Transplantation zu planen.
Medikamente sollten vor der Empfängnis auf ihr teratogenes Risiko überprüft werden, und Risiken und Nutzen jedes Medikaments sollten abgewogen werden.
Impfungen
Die Patienten sollten vor einer geplanten Schwangerschaft gegen Influenza (auch Haushaltsangehörige), Pneumokokken, Varizella-Zoster-Subunit, SARS-2 (auch Haushaltsangehörige), Hepatitis A/B, Diphterie, Polio, Pertussis und Tetanus, fakultativ gegen Meningokokken und humane Papillomaviren geimpft werden (Danziger-Isakov et al. 2019).

Präkonzeptionelle Beratung von Frauen mit Herzinsuffizienz bzw. erhöhtem Risiko für eine Herzinsuffizienz

Bei allen Frauen mit bekannten kardialen Vorerkrankungen bzw. mit erhöhtem Risiko, eine solche Erkrankung während der Schwangerschaft zu entwickeln, empfiehlt sich eine präkonzeptionelle Beratung zur Klärung, ob eine Schwangerschaft ohne erhöhtes Risiko bzw. mit erhöhtem Risiko möglich ist, oder von vornherein wegen eines inakzeptabel hohen Risikos unbedingt vermieden werden muss (Regitz-Zagrosek et al. 2019). Außerdem ist zu klären, ob eine vorbestehende medikamentöse Therapie abgesetzt werden kann bzw. modifiziert werden muss.
Bei Frauen mit angeborenem Herzfehler (EMAH) ist eine präkonzeptionelle Beratung essenziell (Baumgartner und De Backer 2020), um diejenigen mit erhöhtem Risiko zu identifizieren bzw. eine adäquate Kontrazeption einzuleiten, insbesondere für die Patientinnen, bei denen eine Schwangerschaft mit einem unvertretbar hohen Risiko verbunden wäre.
Nach der modifizierten Klassifikation (m) der WHO besteht ein intermediär erhöhtes Risiko für maternale Mortalität bzw. eine moderate oder schwere Erhöhung der Morbidität (mWHO II–III) z. B. bei Patienten mit milder Einschränkung der linksventrikulären (LV) Funktion (Ejektionsfraktion, EF, >45 %), hypertropher Kardiomyopathie, milder Mitralstenose, moderater Aortenstenose oder atrioventrikulärem Septumdefekt. Diese Patientinnen können schwanger werden, sollten aber während der Schwangerschaft alle 2 Monate kardiologisch gesehen werden.
Die mWHO-Klasse III umfasst Patienten mit einem signifikant erhöhten Risiko für maternale Mortalität oder schwere Morbidität (geschätzte maternale Herz-Event-Rate von 19–27 %). Zu den Patienten, welche als mWHO III klassifiziert werden (Tab. 2), gehören Patientinnen mit moderater LV Funktionseinschränkung (EF 30–45 %), nach vorheriger peripartaler Kardiomyopathie (PPCM) mit komplett erholter LV-Funktion, mit mechanischer Herzklappe jeder Art, mit systemischem rechten Ventrikel mit guter oder nur mild eingeschränkter Funktion, mit unkomplizierter Fontan-Zirkulation, mit nichtkorrigierten zyanotischen Herzvitien bzw. anderen komplexen Herzfehlern sowie die mittelschwere Mitralstenose oder schwere asymptomatischer Aortenstenose. Diese Patienten benötigen eine spezifische Beratung durch ein Schwangerschafts-Herzteam an einem Zentrum mit entsprechender Expertise und sollten dort während der Schwangerschaft monatlich oder 2-monatlich gesehen werden.
Tab. 2
Angeborene Herzfehler mit hohem (mWHO-Klasse III) und extrem hohem (mWHO-Klasse IV) Risiko bei einer Schwangerschaft, nach der modifizierten (m)WHO-Klassifikation. (Mod. nach Baumgartner und De Backer 2020, übersetzt von den Autoren)
Signifikant erhöhtes Risiko für mütterliche Mortalität oder schwere Morbidität (mWHO-Klasse III) (kardiale Ereignis-Häufigkeit 19–27 %)
Extrem hohes Risiko für maternale Mortalität oder schwere Morbidität (mWHO-Klasse IV) (kardiale Ereignis-Häufigkeit 40–100 %)
Unbehandelte zyanotische Herzfehler
Pulmonal-arterielle Hypertonie
Moderate LV-Dysfunktion (EF 30–45 %)
Schwere LV-Dysfunktion (EF <30 % oder NYHA-Klasse III–IV)
Systemischer RV mit guter oder leicht herabgesetzter Ventrikelfunktion
Systemischer RV mit moderat oder schwer herabgesetzter Ventrikelfunktion
Fontan-Zirkulation bei gutem Zustand der Patientin und bisher unkompliziertem Verlauf
Fontan-Zirkulation mit jeglicher Komplikation
Schwere asymptomatische AS
Schwere symptomatische AS
Mittelschwere Mitralstenose
Schwere Mitralstenose
Moderate Aortendilatation (40–45 mm bei Marfan-Syndrom oder anderem HTAD; 45-50 mm bei BAV, 20–25 mm/m2 bei Turner-Syndrom)
Schwere Aortendilatation (>45 mm bei Marfan-Syndrom oder anderem HTAD, >50 mm bei BAV, >25 mm/m2 bei Turner-Syndrom)
Mechanische Klappenprothese
Schwere (Re-)Koarktation
AS Aortenstenose; ASI „aortic size index“; BAV bikuspide Aortenklappe; EF Ejektionsfraktion; HTAD angeborene thorakale Aortenerkrankung; LV linker Ventrikel/linksventrikulär; mWHO modifizierte World Health Organization; NYHA New York Heart Association; RV rechter Ventrikel/rechtsventrikulär
Eine Schwangerschaft sollte definitiv vermieden werden bei Patienten, die in die mWHO-Klasse IV eingestuft werden (Tab. 2); falls dennoch eine Schwangerschaft eintritt, muss ein Abbruch diskutiert werden, da diese Patientinnen einem besonders hohen Risiko (40–100 %) für maternale Mortalität oder schwere Morbidität ausgesetzt sind. Die mWHO-Klasse IV umfasst Patienten mit pulmonal-arterieller Hypertonie (PAH), schwerer LV-Dysfunktion (LVEF <30 %, NYHA Klasse III–IV), vorheriger PPCM mit verbleibender LV-Funktionseinschränkung, systemischem rechten Ventrikel mit moderat oder schwer reduzierter Funktion, Fontan-Patienten mit vorherigen Komplikationen, schwerer Mitralstenose, schwerer symptomatischer Aortenstenose sowie Koarktation der Aorta.
Bei Patienten mit bekannter chronischer Herzinsuffizienz sind Standardmedikamente wie ACE-Hemmer, Angiotensinrezeptorblocker (ARB, Sartane), Angiotensinrezeptor-Neprilysininhibitor (ARNI), Ivabradin und SGLT-2 (Sodium-Glukose-Transporter 2)-Inhibitoren kontraindiziert während der Schwangerschaft, da sie mit einem hohen Risiko fetaler Schädigungen in allen Trimestern verbunden sind. Diese Medikamente sollten vor der Konzeption beendet werden, wobei ein sukzessives Absetzen mit enger klinischer und echokardiographischer Kontrolle zu empfehlen ist. Wenn die Ejektionsfraktion sich vermindert, sollte eine erneute Diskussion mit der Patientin bezüglich der Sicherheit einer geplanten Schwangerschaft erfolgen.
Eine besondere Gruppe von Patienten, die vor einer Schwangerschaft eine spezielle Beratung benötigt, sind Frauen, welche eine maligne Erkrankung überlebt haben.
Empfehlungen für das Management einer Schwangerschaft bei diesen Patientinnen sind publiziert (Sliwa et al. 2021). Alle Frauen, die aufgrund einer überlebten Krebserkrankung ein hohes Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen haben, sollen durch ein multidiziplinäres Schwangerschafts-Herzteam behandelt werden, welches in der Behandlung von Hochrisikoschwangerschaften spezialisiert ist. Außerdem sollen alle Frauen, die aufgrund ihrer malignen Erkrankung mit Anthrazyklinen oder thorakaler Bestrahlung behandelt wurden, über die möglichen Risiken einer Schwangerschaft beraten werden und vor einer geplanten Schwangerschaft eine kardiologische Abklärung mit Echokardiografie und Risikoabschätzung erhalten.

Präkonzeptionelle Beratung nach einer peripartalen Kardiomyopathie (PPCM)

Wird nach einer Schwangerschaft, welche durch eine PPCM kompliziert war, eine erneute Schwangerschaft angestrebt, sollte dies mit einem für dieses Krankheitsbild erfahrenen Kardiologen vorab besprochen werden. Es sollte dabei die aktuelle Ejektionsfraktion durch Echokardiografie bestimmt werden und bei nicht vollständiger Erholung der LV-Funktion von einer weiteren Schwangerschaft zunächst abgeraten werden, da andernfalls in etwa 50 % eine weitere PPCM zu erwarten wäre mit einer dann hohen Mortalität (Elkayam 2014; Hilfiker-Kleiner et al. 2017). Jedoch auch bei vollständiger Erholung stellt eine weitere Schwangerschaft ein Risiko dar.
Eine Folgeschwangerschaft nach einer PPCM sollte auf jeden Fall engmaschig von einem Expertenteam („Pregnancy Heart Team“ aus Gynäkologen/Geburtshelfern und Kardiologen) begleitet werden, zu dem zur Entbindungsplanung bei Bedarf Neonatologen, Anästhesisten und weitere hinzugezogen werden. Es sollten dazu die Guidelines für kardiovaskuläre Erkrankungen in der Schwangerschaft hinzugezogen werden (Regitz-Zagrosek et al. 2019). Zu beachten ist, dass auch ein spontaner oder induzierter Abort in einer Folgeschwangerschaft eine PPCM eventuell nicht verhindert und auf jeden Fall auch kardiologisch mitbetreut werden sollte.
Bei Erstdiagnose einer PPCM scheint die frühzeitige Therapie mit Bromocriptin, Herzinsuffizienzmedikation und Antikoagulation das Risiko für ein PPCM-Rezidiv für eine Folgeschwangerschaft zu verringern (Hilfiker-Kleiner et al. 2017).
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