In diesem Abschnitt wird anhand einiger Erkrankungen exemplarisch auf wichtige Aspekte der präkonzeptionellen Beratung bei mütterlichen Erkrankungen eingegangen. Zu weiteren anderen Erkrankungen verweisen wir auf die Spezialkapitel dieses Buches.
Beratung von transplantierten Patientinnen vor der Konzeption
Mit allen Frauen im gebärfähigen Alter, die eine Transplantation erwarten, sollen Familienplanung und Schwangerschaft, einschließlich individueller mütterlicher und fetaler Risiken, und möglicher Zeitpunkt einer Schwangerschaft besprochen werden.
Die American Society of Transplantation (AST) hat empfohlen, diese Gespräche mit den Patienten schon vor der Aufnahme in die Warteliste und auch kontinuierlich während der Nachsorge zu führen (McKay et al.
2005). Transplantatempfängerinnen sollten über die Risiken für sich selbst und ihre potenziellen Kinder informiert und über Alternativen aufgeklärt werden.
Die Beratung bezieht sich auch auf eventuell genetische Risiken, z. B. bei angeborenen Erkrankungen wie
zystische Fibrose,
Kardiomyopathien oder α-1-Antitrypsindefizienz.
Die meisten Experten empfehlen, dass Empfängerinnen von Transplantaten eine Schwangerschaft während der ersten 2 Jahre nach der Transplantation vermeiden sollten. In dieser Phase ist das Risiko einer Abstoßung am höchsten und die immunsuppressive Therapie besonders intensiv, außerdem besteht ein erhöhtes Infektionsrisiko. Empfängnisverhütung nach Transplantation ist von Bedeutung, da die Fertilität durch immunsuppressive Medikamente nicht beeinträchtigt wird.
Östrogen-Gestagen-Kontrazeptiva sind eine wirksame Option, sollten aber bei Patientinnen mit Kontraindikationen für eine Östrogentherapie vermieden werden (z. B. erhöhtes Risiko für venöse oder arterielle Thrombosen, unkontrollierter Bluthochdruck). Die Blutspiegel von
Immunsuppressiva sollten bei Beginn einer Östrogen-Gestagen-Kontrazeption aufgrund der Hemmung des
Cytochrom P450 3A4-Signalwegs sorgfältig überwacht werden.
Der AST-Konsensus
empfiehlt folgende Kriterien für den Zeitpunkt der Schwangerschaft (McKay et al.
2005):
-
Keine Abstoßung im letzten Jahr
-
Adäquate und stabile Transplantatfunktion
-
Keine akuten Infektionen, die den Fetus beeinträchtigen könnten
-
Erhaltung der Immunsuppression bei stabiler Dosierung
Die International Society of Heart and Lung Transplantation (ISHLT) rät von einer Schwangerschaft bei Empfängerinnen einer thorakalen Transplantation ab, wenn eine Transplantatdysfunktion oder gar ein chronisches Versagen nach Transplantation thorakaler Organe besteht (Costanzo et al.
2010). Ein multidisziplinäres Team aus Gynäkologen und Geburtshelfern, Psychologen, Transplantationsspezialisten und Anästhesiologen, sollte während der gesamten Schwangerschaft und in der postpartalen Periode für die Beratung und Betreuung der Frau zur Verfügung stehen. Auch Krankenpflegende, Genetiker, Neonatologen und Sozialdienstmitarbeitende können mit eingebunden werden (McKay et al.
2005). Eine nicht multidisziplinär abgestimmte Planung einer Schwangerschaft nach Transplantation wird grundsätzlich nicht empfohlen.
Vor der geplanten Empfängnis sollte eine Basisuntersuchung durchgeführt werden (Costanzo et al.
2010):
-
Überprüfung der Nierenfunktion (z. B. Serumkreatinin,
Kreatinin-Clearance und Proteinausscheidung)
-
Beurteilung der Funktion des transplantierten Organs (z. B. Herz: Echokardiogramm, Lunge: Lungenfunktionsuntersuchung) inklusive Ausschluss einer subklinischen Abstoßung, in der Regel bioptisch
-
-
Oberbauchsonografie und Leberfunktionstests
In den meisten Zentren wird gefordert, dass eine langjährig stabile Partnerschaft für die erfolgreiche Planung einer Schwangerschaft nach Transplantation Grundvoraussetzung ist und die meisten Zentren empfehlen, nach thorakaler Transplantation eine Schwangerschaft nicht vor Ablauf von mindestens 1–2 Jahren nach Transplantation zu planen.
Medikamente sollten vor der Empfängnis auf ihr teratogenes Risiko überprüft werden, und Risiken und Nutzen jedes Medikaments sollten abgewogen werden.
Präkonzeptionelle Beratung von Frauen mit Herzinsuffizienz bzw. erhöhtem Risiko für eine Herzinsuffizienz
Bei allen Frauen mit bekannten kardialen Vorerkrankungen
bzw. mit erhöhtem Risiko, eine solche Erkrankung während der Schwangerschaft zu entwickeln, empfiehlt sich eine präkonzeptionelle Beratung zur Klärung, ob eine Schwangerschaft ohne erhöhtes Risiko bzw. mit erhöhtem Risiko möglich ist, oder von vornherein wegen eines inakzeptabel hohen Risikos unbedingt vermieden werden muss (Regitz-Zagrosek et al.
2019). Außerdem ist zu klären, ob eine vorbestehende medikamentöse Therapie abgesetzt werden kann bzw. modifiziert werden muss.
Bei Frauen mit angeborenem Herzfehler
(EMAH) ist eine präkonzeptionelle Beratung essenziell (Baumgartner und De Backer
2020), um diejenigen mit erhöhtem Risiko zu identifizieren bzw. eine adäquate Kontrazeption einzuleiten, insbesondere für die Patientinnen, bei denen eine Schwangerschaft mit einem unvertretbar hohen Risiko verbunden wäre.
Nach der modifizierten Klassifikation (m) der WHO besteht ein intermediär erhöhtes Risiko für maternale Mortalität bzw. eine moderate oder schwere Erhöhung der Morbidität (mWHO II–III) z. B. bei Patienten mit milder Einschränkung der linksventrikulären (LV) Funktion (Ejektionsfraktion, EF, >45 %),
hypertropher Kardiomyopathie, milder
Mitralstenose, moderater Aortenstenose oder atrioventrikulärem Septumdefekt. Diese Patientinnen können schwanger werden, sollten aber während der Schwangerschaft alle 2 Monate kardiologisch gesehen werden.
Die mWHO-Klasse III umfasst Patienten mit einem signifikant erhöhten Risiko für maternale Mortalität oder schwere Morbidität (geschätzte maternale Herz-Event-Rate von 19–27 %). Zu den Patienten, welche als mWHO III klassifiziert werden (Tab.
2), gehören Patientinnen mit moderater LV Funktionseinschränkung (EF 30–45 %), nach vorheriger peripartaler
Kardiomyopathie (PPCM) mit komplett erholter LV-Funktion, mit mechanischer Herzklappe jeder Art, mit systemischem rechten Ventrikel mit guter oder nur mild eingeschränkter Funktion, mit unkomplizierter Fontan-Zirkulation, mit nichtkorrigierten zyanotischen Herzvitien bzw. anderen komplexen Herzfehlern sowie die mittelschwere
Mitralstenose oder schwere asymptomatischer Aortenstenose. Diese Patienten benötigen eine spezifische Beratung durch ein Schwangerschafts-Herzteam an einem Zentrum mit entsprechender Expertise und sollten dort während der Schwangerschaft monatlich oder 2-monatlich gesehen werden.
Tab. 2
Angeborene Herzfehler mit hohem (mWHO-Klasse III) und extrem hohem (mWHO-Klasse IV) Risiko bei einer Schwangerschaft, nach der modifizierten (m)WHO-Klassifikation. (Mod. nach Baumgartner und De Backer 2020, übersetzt von den Autoren)
Unbehandelte zyanotische Herzfehler | |
Moderate LV-Dysfunktion (EF 30–45 %) | Schwere LV-Dysfunktion (EF <30 % oder NYHA-Klasse III–IV) |
Systemischer RV mit guter oder leicht herabgesetzter Ventrikelfunktion | Systemischer RV mit moderat oder schwer herabgesetzter Ventrikelfunktion |
Fontan-Zirkulation bei gutem Zustand der Patientin und bisher unkompliziertem Verlauf | Fontan-Zirkulation mit jeglicher Komplikation |
Schwere asymptomatische AS | Schwere symptomatische AS |
Mittelschwere Mitralstenose | Schwere Mitralstenose |
| Schwere Aortendilatation (>45 mm bei Marfan-Syndrom oder anderem HTAD, >50 mm bei BAV, >25 mm/m2 bei Turner-Syndrom) |
Mechanische Klappenprothese | Schwere (Re-)Koarktation |
Eine Schwangerschaft sollte definitiv vermieden werden bei Patienten, die in die mWHO-Klasse IV eingestuft werden (Tab.
2); falls dennoch eine Schwangerschaft eintritt, muss ein Abbruch diskutiert werden, da diese Patientinnen einem besonders hohen Risiko (40–100 %) für maternale Mortalität oder schwere Morbidität ausgesetzt sind. Die mWHO-Klasse IV umfasst Patienten mit pulmonal-arterieller
Hypertonie (PAH), schwerer LV-Dysfunktion (LVEF <30 %, NYHA Klasse III–IV), vorheriger PPCM mit verbleibender LV-Funktionseinschränkung, systemischem rechten Ventrikel mit moderat oder schwer reduzierter Funktion, Fontan-Patienten mit vorherigen Komplikationen, schwerer
Mitralstenose, schwerer symptomatischer Aortenstenose sowie Koarktation der Aorta.
Bei Patienten mit bekannter chronischer
Herzinsuffizienz sind Standardmedikamente wie
ACE-Hemmer, Angiotensinrezeptorblocker (ARB, Sartane), Angiotensinrezeptor-Neprilysininhibitor (ARNI), Ivabradin und SGLT-2 (Sodium-Glukose-Transporter 2)-Inhibitoren kontraindiziert während der Schwangerschaft, da sie mit einem hohen Risiko fetaler Schädigungen in allen Trimestern verbunden sind. Diese Medikamente sollten vor der Konzeption beendet werden, wobei ein sukzessives Absetzen mit enger klinischer und echokardiographischer Kontrolle zu empfehlen ist. Wenn die Ejektionsfraktion sich vermindert, sollte eine erneute Diskussion mit der Patientin bezüglich der Sicherheit einer geplanten Schwangerschaft erfolgen.
Eine besondere Gruppe von Patienten, die vor einer Schwangerschaft eine spezielle Beratung benötigt, sind Frauen, welche eine maligne Erkrankung überlebt haben.
Empfehlungen für das Management einer Schwangerschaft bei diesen Patientinnen sind publiziert (Sliwa et al.
2021). Alle Frauen, die aufgrund einer überlebten Krebserkrankung ein hohes Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen haben, sollen durch ein multidiziplinäres Schwangerschafts-Herzteam behandelt werden, welches in der Behandlung von Hochrisikoschwangerschaften spezialisiert ist. Außerdem sollen alle Frauen, die aufgrund ihrer malignen Erkrankung mit Anthrazyklinen oder thorakaler Bestrahlung behandelt wurden, über die möglichen Risiken einer Schwangerschaft beraten werden und vor einer geplanten Schwangerschaft eine kardiologische Abklärung mit Echokardiografie und Risikoabschätzung erhalten.
Präkonzeptionelle Beratung nach einer peripartalen Kardiomyopathie (PPCM)
Wird nach einer Schwangerschaft, welche durch eine PPCM kompliziert war, eine erneute Schwangerschaft angestrebt, sollte dies mit einem für dieses Krankheitsbild erfahrenen Kardiologen vorab besprochen werden. Es sollte dabei die aktuelle Ejektionsfraktion durch Echokardiografie bestimmt werden und bei nicht vollständiger Erholung der LV-Funktion von einer weiteren Schwangerschaft zunächst abgeraten werden, da andernfalls in etwa 50 % eine weitere PPCM zu erwarten wäre mit einer dann hohen Mortalität (Elkayam
2014; Hilfiker-Kleiner et al.
2017). Jedoch auch bei vollständiger Erholung stellt eine weitere Schwangerschaft ein Risiko dar.
Eine Folgeschwangerschaft nach einer PPCM sollte auf jeden Fall engmaschig von einem Expertenteam („Pregnancy Heart Team“ aus Gynäkologen/Geburtshelfern und Kardiologen) begleitet werden, zu dem zur Entbindungsplanung bei Bedarf Neonatologen, Anästhesisten und weitere hinzugezogen werden. Es sollten dazu die Guidelines für kardiovaskuläre Erkrankungen in der Schwangerschaft hinzugezogen werden (Regitz-Zagrosek et al.
2019). Zu beachten ist, dass auch ein spontaner oder induzierter Abort in einer Folgeschwangerschaft eine PPCM eventuell nicht verhindert und auf jeden Fall auch kardiologisch mitbetreut werden sollte.
Bei Erstdiagnose einer PPCM scheint die frühzeitige Therapie mit Bromocriptin, Herzinsuffizienzmedikation und Antikoagulation das Risiko für ein PPCM-Rezidiv für eine Folgeschwangerschaft zu verringern (Hilfiker-Kleiner et al.
2017).