Früh- und Mangelgeburt
Frühgeborene
sind aufgrund ihrer Organunreife prädisponiert für eine Maladaptation mit Folgeschäden. Gelingt die Verlegung der Schwangeren vor der Geburt in ein adäquates Perinatalzentrum nicht rechtzeitig, müssen beim unreifen Kind
Hypoxie, Azidose, Unterkühlung und
Hypoglykämie vermieden werden. Untergewichtige Neugeborene müssen wegen ihrer Neigung zu Trinkschwäche, Hypoglykämie,
Hypokalzämie,
Hypothermie, verstärkter Gewichtsabnahme und erhöhtem Infektionsrisiko besonders gut überwacht werden.
Anhand von gestationsalterbezogenen
Normalverteilungen ist genau zu ersehen, ob das Gewicht des Kindes zwischen der 10. und 90. Perzentile liegt und das Kind damit als normgewichtig („appropriate for gestational age“, AGA) einzustufen ist. Die Kinder, deren Gewicht unter der 10. Perzentile liegt, werden als für das Gestationsalter zu leicht („small for gestational age“, SGA) bezeichnet und die, deren Gewicht über der 90. Perzentile liegt, als zu groß für das Gestationsalter („large for gestational age“, LGA). Das Geburtsgewicht kann nicht zur Reifebestimmung herangezogen werden.
Als Frühgeborene werden unabhängig vom Gewicht alle Kinder bezeichnet, die nach einer Tragzeit von weniger als 37 abgeschlossenen SSW bzw. mit weniger als 259 Tagen geboren werden. Rund 8 % aller Neugeborenen werden vor 37 + 0 SSW geboren. Die Bezeichnung Frühgeborenes betrifft das frühgeborene Kind, die Bezeichnung
Frühgeburt den Vorgang der zu frühen Geburt.
Eine sehr kurze Tragzeit unter 32 + 0 SSW bzw. unter 224 Tagen wird in einer Häufigkeit von etwa 1 % aller Geburten beobachtet und die extrem kurze Tragzeit unter 28 + 0 SSW bzw. unter 196 Tagen bei rund 0,3 % aller Geburten.
Anhand des innerhalb der ersten Lebensstunde erhobenen Geburtsgewichts lässt sich unabhängig von der Tragzeit Folgendes definieren:
Zwischen <2499–1500 g spricht man vom niedrigen Geburtsgewicht (low birthweight, LBW); zwischen <1499–1000 g vom sehr niedrigen Geburtsgewicht (very low birth weight, VLBW) und bei einem Geburtsgweicht <999 g vom extrem niedrigen Geburtsgewicht (extremely low birthweight, ELBW).
Wegen der speziellen Risiken Surfactant-Mangel und Atemnotsyndrom, Asphyxie,
Hypoxie und Azidose,
Kreislaufinsuffizienz, Hirnblutung, Infektion,
Hypoglykämie und
Hypothermie sollte eine Schwangere mit drohender
Frühgeburt vor 35 SSW unbedingt, ggf. nach begonnener Lungenreifebehandlung, antepartal in ein adäquates Perinatalzentrum verlegt und alle geburtshilflichen Anstrengungen unternommen werden, um die Schwangerschaft zu erhalten.
Kommt es unerwartet und notfallmäßig zur Entbindung eines Frühgeborenen in einer geburtshilflichen Abteilung ohne angeschlossene Kinderklinik, wird nach der Geburt bis zum Eintreffen des neonatologischen Teams symptomatisch vorgegangen. Eine notfallmedizinische Kollegin oder ein notfallmedizinischer Kollege wird hinzugezogen. Das Kind wird nach Möglichkeit erst nach 1 min abgenabelt und vorher vorsichtig abgetrocknet. Wegen der zarten und verletzlichen Haut wird es schonend stimuliert und die Atemwege eröffnet.
Nach Lagerung unter der Wärmelampe, Anlage eines Pulsoxymetrie-Sensors am rechten Handgelenk, Abdecken sowie Offenhalten der Atemwege wird bei unzureichender
Atmung mit Tachydyspnoe mit einer passenden kleinen
Maske über einen Handbeutel, besser ein T-Stück PEEP zur Eröffnung der Alveolen verabreicht. Dabei ist der PEEP auf 5 mbar eingestellt und die Sauerstoffzufuhr auf 21 % bzw. 30 % (bei Frühgeburtlichkeit unter 28 SSW) eingestellt.
Bei weiterhin unzureichender
Atmung und ansteigendem Sauerstoffbedarf wird handbeatmet. Dabei wird der Inspirationsdruck auf 25 mbar begrenzt, der PEEP bleibt bei 5 mbar und die Sauerstoffzufuhr wird entsprechend der
Sauerstoffsättigung eingestellt.
Bei Bradykardie <60/min und schwerer Tachydyspone mit hohen Sauerstoffbedarf wird die
nichtinvasive Beatmung durch Legen eines nasopharyngealen Tubus eskaliert. Unter Rachentubusbeatmung auf das Neugeborenennotarztteam gewartet. Bis zum Eintreffen des neonatologischen Teams kann ein Frühgeborenes darüber meist ausreichend beatmet werden.
Gelingt es, gemäß der Schritte „A“ und „B“ die äußeren und inneren Atemwege zu eröffnen und ein Ansteigen von Herzfrequenz und
Sauerstoffsättigung zu erreichen, ist eine Herzdruckmassage nur in extrem wenigen Fällen erforderlich.
Ein i.v. Zugang über einen NVK oder notfalls eine in die Nabelschnur vorgeschobene Venenverweilkanüle wird etabliert und 10 %ige Glukoselösung in einer Laufgeschwindigkeit von 3 ml/kg Schätzgewicht/h über eine Spitzenpumpe parenteral verabreicht. Höchste Zurückhaltung ist wegen der Hirnblutungsgefahr bei rascher Volumenverabreichung geboten.
Bei allen Maßnahmen ist ausreichende Wärmezufuhr von größter Bedeutung, da eine Körpertemperatur <36,5 °C zu erhöhtem Sauerstoffverbrauch, metabolischer Azidose und damit zu erhöhtem Hirnblutungsrisiko und erhöhter Sterblichkeit führt.
Bei allen Frühgeborenen (Gestationsalter <37 Wochen) sollte unabhängig vom Gewicht eine Neonatologin bzw. ein Neonatologe hinzugezogen werden.
Zeigt ein Kind mit einem Gestationsalter von mindestens 35 SSW und einem Gewicht von mehr als 2000 g eine ausreichende kardiorespiratorische Anpassung, hat es im Normbereich liegende Blutzuckerwerte, kann es ausreichend trinken – sei es an der Brust oder aus der Flasche – und reicht die körpereigene Wärmeproduktion aus, so kann es unter intensiver Beobachtung und pädiatrischer Betreuung im Neugeborenenzimmer bleiben. Andernfalls wird es je nach Zustand auf eine Frühgeborenen-Überwachungsstation oder Frühgeborenen-Intensivstation verlegt.
Untergewichtige reife Neugeborene
Als untergewichtiges oder hypotrophes oder SGA Neugeborenes („small for gestational age“; SGA) wird ein Neugeborenes bezeichnet, dessen Gewicht unter der 10. Perzentile seines gestationsalterbezogenen Geburtgewichts liegt
Konstitutionell niedriges Gewicht kann der pathologischen intrauterinen Wachstumsrestriktion gegenübergestellt werden, die auf plazentaren Funktionseinschränkungen, etwa bei mütterlichen Erkrankungen wie Präeklampsie oder Hypertonus, auf intrauterinen Infektionen oder Nikotin-, Alkohol- bzw. Drogenkonsum oder auf Chromosomenaberrationen und Syndromen beruhen kann. Für den Wachstumsrückstand verantwortliche Ursachen sollten abgeklärt werden.
Liegen der intrauterinen Mangelentwicklung beim reifen untergewichtigen Neugeborenen keine schweren Fehlbildungen oder chromosomalen Störungen zugrunde, ist die Prognose im Allgemeinen gut.
Das Hirnblutungsrisiko ist gering. Bei langer und ausgeprägter intrauteriner Mangelernährung nicht sicher auszuschließende neurologische Spätfolgen werden durch die gezielten kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchungen erkannt.
Bei der Geburt eines hypotrophen Neugeborenen sollte eine neonatologisch versierte Kinderärztin bzw. ein Kinderarzt anwesend sein, da ein höheres Risiko postnataler
Anpassungsstörungen besteht. In diesem Fall erfolgt die Erstversorgung anhand der A-B-C-D-Regel.
Unmittelbar postnatal und in den ersten Lebenstagen besteht ein erhöhtes Risiko für
Hypoglykämie,
Hypothermie,
Polyglobulie oder Elektrolytentgleisung. Eine Frühfütterung nach Anlegen mit Blutzuckerkontrollen bereits im Kreißsaal sowie ausreichende Wärmezufuhr sind zu empfehlen.
Kann das Kind eine ausreichende Milchmenge – gestillt oder nachgefüttert – zu sich nehmen, hat es eine ausreichende Blutzucker- und
Thermoregulation, so kann es unter kinderärztlicher Betreuung auf der Neugeborenenstation bleiben.
Liegt das Gewicht des Kindes unter der 3. Perzentile, ist es trinkschwach oder hypoglykämisch, ist eine Verlegung in eine Kinderklinik nicht zu umgehen
Amnioninfektionssyndrom
Gelangen vor der Geburt
Bakterien ins Fruchtwasser, können sich diese dort ungestört vermehren. Sie lösen beim Feten eine Kreislaufreaktion mit Kapillarleck, Zentralisierung und Tachykardie aus. Da sich das kolonisierte Fruchtwasser vor der Geburt auch in den Lungen befindet, kommt das Kind mit einer konnatalen
Pneumonie auf die Welt. Es besteht deshalb gleichzeitig eine respiratorische Symptomatik mit „Knorksen“, also expiratorischem Stöhnen, Tachydyspnoe und evtl. Zyanose oder Blässe und eine Kreislaufzentralisierung. Bei einer solchen Symptomatik ist ein rasches pädiatrisches Konsil und eine Verlegung des Neugeborenen auf eine Neugeborenenüberwachungs- bzw. -intensivstation indiziert.
Zu den abzunehmenden Laborparametern gehört eine
Blutkultur, obwohl sich nur in den seltensten Fällen
Bakterien in der Blutkultur nachweisen lassen, sowie Infektparameter und Blutgase. Ein
Abstrich aus dem äußeren Gehörgang liefert wertvolle Hinweise auf die bakterielle Besiedlung des Fruchtwassers. Typische Erreger sind
Streptokokken der Gruppe B und gramnegative Enterobacteriaceen (E. coli,
Klebsiella, Enterobacter).
Die empirische antibiotische Therapie muss diesem Erregerspektrum Rechnung tragen. Oft wird ein Aminoglykosid mit einem Aminopenicillin, ggf. mit ß-Laktamase-Hemmer kombiniert. Entscheidend ist, dass sie früh eingeleitet wird. Deshalb sollen Neugeborene mit entsprechenden Risikofaktoren wie
Fieber der Mutter sub partu, vorzeitigem Blasensprung, Besiedlung der Mutter mit B-Streptokokken in den ersten 24(–48) h nach der Geburt klinisch im 4-stündlichen Intervall gut überwacht werden (Puls,
Atmung, Temperatur, Trinkfreude). Eine Kinderärztin oder ein Kinderarzt wird hinzugezogen, um frühzeitig weitere Diagnostik und ggf. eine Verlegung zu veranlassen.
Geburt aus dick-grünem Fruchtwasser
Ist infolge
Hypoxie vor oder unter der Geburt der gastrointestinale Blutfluss reduziert, kommt es zu verstärkter fetaler Darmperistaltik. Wird nur wenig Mekonium
in das Fruchtwasser abgesetzt, ist das Fruchtwasser grünlich verfärbt, bei größeren Mengen bekommt es eine erbsbreiähnliche Konsistenz. Das Auftreten von mekoniumhaltigem Fruchtwasser wird bei bis zu 10 % aller Geburten, insbesondere bei Terminüberschreitung beobachtet. Nur der seltene Fall (unter 0,1 % der Geburten), dass dickere Mekoniumbrocken in die Bronchien gelangen, führt zu einem sog. Mekonium-Aspirations-Syndrom. Der Name suggeriert, dass das Kind die Mekoniumbrocken „eingeatmet“ habe, tatsächlich sind Letztere meist schon vor der Geburt in die Bronchien gelangt. Die Mekoniumbrocken führen zu Obstruktion der kleinen Luftwege. Eingeatmete Blutkoagel können zu gleichen Problemen führen. Die Folge sind überblähte und atelektatische Zonen sowie eine Pneumonitis. Begünstigt durch Hypoxie, Azidose und pulmonale Vasokonstriktion ist die Entwicklung einer persistierenden pulmonalen
Hypertension möglich. In kritischen Fällen liegt oft zusätzlich eine bakterielle Besiedlung des Fruchtwassers vor im Sinne eines Amnioninfektionssyndroms. Der intensivneonatologische Einsatz von
Hochfrequenzbeatmung, inhalativem Stickstoffoxid und extrakorporaler Membranoxygenierung kann notwendig werden.
Wird ein Abgang von dick-grünem Fruchtwasser beobachtet, muss rechtzeitig vor der Geburt eine neonatologisch versierte Ärztin bzw. Arzt hinzugezogen werden, da möglicherweise eine schwere Anpassungsstörung droht. Das routinemäßige Absaugen des grünen Materials am Damm vor dem ersten Atemzug reduziert nicht die Häufigkeit eines Mekoniumaspirationsyndroms. Bei einem reanimationspflichtigen Kind ist nach raschem Abnabeln, Abtrocknen, Eröffnen der Atemwege, Stimulation und Lagern auf der vorgewärmten Reanimationseinheit unverzüglich mit der
Maskenbeatmung zu beginnen. Beim nichtreanimationspflichtigen Kind kann – je nach Setting – mit den ersten Maßnahmen noch vor dem Abnabeln begonnen werden.
Nur bei eindeutiger Verlegung der äußeren Atemwege durch sehr zähflüssiges obstruierendes Mekonium wird mit dem Laryngoskop die Stimmritze eingestellt und mit dem flexiblen Absaugkatheter unter Sicht der Rachen abgesaugt. Bei schwerer kindlicher Depression und Bradykardie wird jeweils nur kurz abgesaugt, um die notwendige Sauerstoffzufuhr und
Beatmung nicht einzuschränken. Bei massiv blutigem Fruchtwasser mit Koageln oder Sekretbrocken wird ebenso wie bei dickflüssigem Mekonium nur bei eindeutiger Obstruktion und unter Sicht abgesaugt.
Therapeutische Hypothermie nach Geburtsasphyxie
Eine gut belegte und empfohlene neuroprotektive Maßnahme nach Asphyxie mit neonataler Asphyxie ist die therapeutische
Hypothermie. Reife und nahezu reife Neugeborene >36 SSW bzw. einem Geburtsgewicht >1800 g mit Asphyxie plus moderater bis schwerer Enzephalopathie werden für 72 h auf 33–34 °C gekühlt, um die Prognose bezüglich des Überlebens ohne Behinderung zu verbessern. Die Indikation ist gegeben, wenn mindestens ein Asphyxie-Kriterium zusammen mit einer Enzephalopathie vorliegt:
-
Klinische Depression mit einem 5-min-Apgar-Wert ≤ 5
-
pH-Wert <7,0, sei es aus Nabelschnur- oder kindlichem Venen- bzw. Arterien- bzw. kapillärem Blut innerhalb der ersten Lebensstunde
-
Base excess (BE) unter –16 mmol/l
-
Respiratorisches Versagen mit Beatmungsnotwendigkeit >10 min
Zur Diagnostik der Enzephalopathie dienen klinische Parameter, die in entsprechende Scores (Sarnat, Thompson; siehe Tab.
2 und
3) Eingang gefunden haben:
-
-
Muskuläre Hypotonie
-
Abnorme Reflexe
-
Fehlender Saugreflex
-
Krampfanfälle
Mit der
Hypothermie soll so bald wie möglich begonnen werden, später als 6 h nach der Geburt ist nicht mehr mit einem therapeutischen Effekt zu rechnen. Die Kühlung mit Absenkung der Körperkerntemperatur auf 33–34 °C für 72 h bei Ganzkörperkühlung erfolgt nach einem intensivmedizinischen Behandlungsprotokoll mit Überwachung und Therapie von
Atmung, Kreislauf, Ausscheidung, Neurologie, amplitudenintegriertem
Elektroenzephalogramm (aEEG) sowie Laboruntersuchung mit Gerinnung.
Zu den bekannten Nebenwirkungen einer therapeutischen Kühlung gehören
Thrombozytopenie, Bradykardie und lokale Durchblutungsstörungen des Unterhautfettgewebes, die zu einem Sklerem oder einer subkutanen Fettgewebsnekrose führen können.
Geburtstraumatische Verletzungen
Ein Kephalhämatom ist ein tastbarer, unter den palpierenden Fingern fluktuierender Bluterguss, der durch die Periostgrenzen des darunterliegenden Knochens limitiert wird. Kephalhämatome sind häufig und bedürfen keiner weiteren Therapie, insbesondere sollten keine Versuche einer Punktion unternommen werden. Der Abbau des gefangenen Blutes kann zu einem beschleunigten Bilirubinanstieg führern (Resorptionsikterus). Vom Kephalhämatom ist die Geburtsgeschwulst (caput succedaneum) abzugrenzen, eine weiche, nicht fluktuierende Schwellung, die meist nicht den Geburtsverletzungen zugerechnet wird.
Ein subgaleales Hämatom ist selten, heimtückisch und lebensgefährlich. Die Blutung kann sich gleichmäßig unter der gesamten Aponeurose ausbreiten und macht sich dadurch nicht lokal bemerkbar. Führend sind die Allgemeinsymptome des zunehmenden hämorrhagischen Schocks (Tachykardie, Blässe, metabolische Azidose), der eine prompte Transfusion erforderlich macht.
Eine
Klavikulafraktur kann ggf. schon unmittelbar nach der Geburt durch Abtasten der Klavikula erkannt werden, kann sich aber auch erst nach einigen Tagen durch den sich entwickelnden
Kallus zeigen. Eine chirurgissche Intervention ist nicht erforderlich.
Hämatome im Bereich des M. sternocleidomastoideus sind meist erst nach einigen Tagen als schmerzhafte Schwellung im Bereich des betreffenden Muskels zu tasten.
Plexusparesen sind seltene Ereignisse, die nach einer Geburt mit schwerer Schulterentwicklung auftreten können, vor allem bei makrosomen Kindern. Das Neugeborene lässt den betreffenden Arm schlaff hängen. Bei der oberen oder Erb’schen Lähmung (C5, C6) ist der Arm adduziert und innenrotiert, der Arm kann nicht über die Horizontale angehoben werden (prüfbar im Seitenvergleich mithilfe des Moro-Reflexes), die Handfunktion ist erhalten. Bei der unteren oder Klumpke’schen Lähmung (C7, C8) ist der Handgreifreflex nicht auslösbar. In den ersten beiden Lebenswochen wird schonend gelagert, im Weiteren erfolgen physiotherapeutische Übungen. Die obere Plexuslähmung hat meist eine gute Prognose (meist nur Nervenzerrung), während die untere Plexuslähmung (oft Wurzelausriss) meist mit bleibenden Schäden einhergeht. Wenn sich die Lähmungen nicht zurückbilden, kann durch mikrochirurgische Rekonstruktionen und Muskeltranspositionen eine funktionelle Verbesserung angestrebt werden.
Fehlbildungen
Bei einer Geburt eines Kindes außerhalb eines adäquaten Perinatalzentrums mit kooperierender Kinderchirurgie, einer vorgeburtlich nicht erkannten
Meningomyelozele oder eines „offenen Bauches“, einer
Omphalozele oder
Gastroschisis wird sofort nach Geburt ein steriler Plastiksack angelegt und oberhalb des Defektes verschlossen. Kinder mit einer Meningomyelozele können nach Beginn einer intravenösen antibiotischen Prophylaxe in ein spezialisiertes Zentrum gebracht und dort 2–3 Tage später operiert werden. Bei einer
Gastroschisis ist hingegen Eile geboten, ein operativer Verschluss oder eine sog. Shuster-Plastik als Überbrückungsmaßnahme sollte innerhalb weniger Stunden nach der Geburt erfolgen, da im Gegensatz zur
Omphalozele die intestinale Serosa freiliegt.
Ein Zwerchfelldefekt (kongenitale Zwerchfellhernie) tritt mit einer Häufigkeit von rund 1:3000 auf und sollte pränatal erkannt werden, sodass die Entbindung in einem Perinatalzentrum mit angeschlossener Kinderchirurgie geplant und durchgeführt werden kann.
Nach der Geburt eines Kindes mit nicht bekanntem Zwerchfelldefekt stellt sich in unterschiedlichen Schweregraden eine kardiorespiratorische Anpassungsstörung oder Asphyxie mit Ateminsuffizienz, Bradykardie und Hautblässe dar. Hinweisende Symptome sind eingefallener Bauch, ipsilateral fehlendes Atemgeräusch und ggf. auskultierbare Darmgeräusche und beim häufiger linkseitigen Defekt rechts auskultierbare Herztöne.
Ein solches Kind sollte nicht per
Maske beatmet werden, sondern nach Möglichkeit zügig intubiert, schonend beatmet und notfallmäßig zur neonatologischen und kinderchirurgischen Behandlung verlegt werden. Die Prognose ist vom Grad der ipsilateralen Lungenhypoplasie, der Ausbildung eines pulmonalen Hochdrucks und den Folgen etwaiger
Hypoxie und Azidose, von Begleitfehlbildungen und dem präoperativen Zustand des Kindes abhängig.
Gesichtsasymmetrien oder Haltungsanomalien des Kopfes oder Fehlhaltung der Füße im Sinne von Sichel-, Knick- und Hackenfüßen können eine Fehlbildung darstellen, häufig sind sie aber Folge einer intrauterinen Zwangshaltung. Diese Kinder sollten pädiatrisch und/oder kinderorthopädisch untersucht werden und bei Bedarf physiotherapeutische Übungen veranlasst werden.
Bei jedem Neugeborenen sollte mit einem Finger der Gaumen abgetastet sowie Gaumen und Lippen zum Ausschluss einer
Spaltbildung inspiziert werden. Zu unterscheiden sind ein- oder beidseitige
Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten, die mehr oder weniger unmittelbar ins Auge springen und erst mit der Aufnahme von Nahrung Probleme bereiten, von hinteren medianen Gaumenspalten im Rachen (fehlendes Zäpfchen). In voller Ausprägung ergibt sich dadurch eine
Pierre-Robin-Sequenz, gekennzeichnet durch eine hintere mediane Gaumenspalte, Retrognathie und Retrogenie. In Rückenlage gleitet bei Neugeborenen mit dieser Fehlbildung der Zungengrund hinten in die Spalte und verlegt dadurch die Atemwege. Bauchlage und Druck hinter beiden Kieferwinkeln, um den Unterkiefer nach vorne zu bringen (Esmarch’scher Handgriff bzw. jaw-lift-Manöver) verschaffen meist rasche Abhilfe. Ansonsten empfiehlt sich der Einsatz eines Güdeltubus, einer
Larynxmaske oder eines Rachentubus, um die Atemwegsverlegung zu überbrücken. Die Gefahr einer akuten Atemwegsobstruktion erfordert die Verlegung auf eine Neugeborenen-Überwachungsstation. Aufgrund der anatomischen Besonderheiten ist eine
endotracheale Intubation unter Sicht in der Regel nicht möglich.
Bei klinischem Verdacht mit rezidivierenden Desaturationen, Verschlucken und verlegter Nasenatmung auf Choanalatresie wird die Nase mit einem weichen Absaugkatheter schonend sondiert. Ist dies nicht möglich, sollte das Neugeborene kinderärztlich vorgestellt werden.
Pränatale Verdachtsmomente für eine Ösophagusatresie können sich bereits aus einer fehlenden Magenblase und Polyhydramnion ergeben, postnatal kann vermehrtes Speicheln oder Atemstörungen mit wiederkehrender oder anhaltender Zyanose durch Aspiration auffallen. In solchem Fall muss der Ösophagus sondiert werden, während dies bei einem unauffälligen Neugeborenen nicht zwingend notwendig ist. Wegen einer möglichen vagusinduzierten Bradykardie ist die Sondierung frühestens nach 5 min und spätestens vor der ersten Mahlzeit vorzunehmen.
Eine Analatresie wird durch Inspektion und vorsichtige Messung der rektalen Temperatur mit einem digitalen Thermometer ausgeschlossen. Das operative Vorgehen hängt vom Abstand zwischen Blindsack und Analgrübchen ab.
Über Befunde aus der pränatalen ultrasonografischen Diagnostik wie fetale Harntransportstörungen oder Hydrozephalus sind Pädiaterinnen und Pädiater unbedingt rechtzeitig zu informieren, damit weitere kinderärztliche Untersuchungen eingeleitet werden können.
Ein Klumpfuß oder Pes equinovarus erfordert eine zeitnahe kinderorthopädische Vorstellung und Behandlungsplanung.