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Die Gynäkologie
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Publiziert am: 30.12.2021

Kinder- und Jugendgynäkologie

Verfasst von: Anke Redlich
Die Kinder- und Jugendgynäkologie ist ein fächerübergreifendes Teilgebiet der Gynäkologie. Unter Berücksichtigung der Entwicklungsphysiologie des Mädchens führen zumeist Anamnese, Inspektion des Genitale und die Sonografie zur Diagnose. Während in der kindergynäkologischen Sprechstunde der Nachweis oder Ausschluss von Fehlbildungen des inneren und äußeren Genitale sowie entzündliche und nichtentzündliche Hautveränderungen des Genitale im Vordergrund stehen, sind in der jugendgynäkologischen Sprechstunde Störungen der Pubertätsentwicklung sowie Zyklus- und Blutungsstörungen der häufigste Vorstellungsgrund. Daneben nimmt in dieser Altersstufe die Beratung zur Kontrazeption und zur Prävention sexuell übertragbarer Erkrankungen einen breiten Raum ein. Ein weiterer Fokus wird in diesem Kapitel auf die Diagnostik bei Verdacht auf sexuelle Gewalt gelegt. Darüber hinaus widmet sich ein Abschnitt komplexen kinder- und jugendgynäkologischen Krankheitsbildern.
Die Kinder- und Jugendgynäkologie ist ein fächerübergreifendes Teilgebiet der Gynäkologie, in dem umfassende Kenntnisse der Entwicklungsphysiologie des Mädchens eine unabdingbare Voraussetzung sind, um Krankheitsbilder erkennen zu können.
Während in der kindergynäkologischen Sprechstunde der Nachweis oder Ausschluss von Fehlbildungen des inneren und äußeren Genitale im Vordergrund steht, sind in der jugendgynäkologischen Sprechstunde Störungen der Pubertätsentwicklung der häufigste Vorstellungsgrund. Daneben nimmt in dieser Altersstufe die Beratung zur Kontrazeption und zur Prävention von sexuell übertragbaren Erkrankungen einen breiten Raum ein. Hier haben sich spezielle Mädchensprechstunden bewährt. Mädchen jeden Alters werden darüber hinaus zum Ausschluss oder Nachweis sexueller Gewalt vorgestellt.

Die kindergynäkologische Sprechstunde

Besonderheiten

Zeit für Beratung und Aufklärung sowie Geduld und Einfühlungsvermögen in die kindliche Vorstellungswelt und die elterlichen Sorgen werden dem Arzt in der Sprechstunde abverlangt. Die Begleitperson des Mädchens (meist die Mutter) muss als Partner gewonnen und das Vertrauen des Mädchens erworben werden.
Es empfiehlt sich, die Sprechstunde in der Kindergynäkologie in kindgerechter Umgebung abzuhalten und das Mädchen aktiv einzubeziehen (altersgemäße Fragen und Erklärungen, Einsatz von Büchern, Teddys, Puppen).
Anamnese, Inspektion und Sonografie sind die wichtigsten diagnostischen Instrumente in der Kinder- und Jugendgynäkologie.
Die Untersuchung sollte in einer störungs- und angstfreien Atmosphäre stattfinden. Arzt und Hilfsperson müssen sicher, kompetent und ruhig auftreten.

Anamnese

Die Erhebung der Anamnese nimmt viel Zeit in Anspruch und sollte neben der Eigen- und Familienanamnese auch die Klärung der psychosozialen Situation des Mädchens beinhalten.
Besondere Aspekte der Anamneseerhebung in der Kinder- und Jugendgynäkologie
Eigenanamnese
  • Geburtsgewicht
  • Schwangerschaftsalter
  • Erkrankungen
  • Entwicklungsstörungen
Familienanamnese
  • Körpergröße der Eltern
  • Menarchealter von Mutter und Schwester(n)
Psychosoziale Anamnese
  • Verhaltensauffälligkeiten
  • Miktions- oder Defäkationsstörungen
  • Familienkonstellation, Geschwister
  • Sozialverhalten
  • Schule/Lernverhalten

Inspektion

Ganzkörperbetrachtung
Die Ganzkörperbetrachtung gibt Informationen zum körperlichen Entwicklungsstand des Mädchens und deckt Diskrepanzen zwischen Lebensalter, Körpergröße, -gewicht und Ausprägung der sekundären Geschlechtsmerkmale auf. Die Beurteilung der sekundären Geschlechtsmerkmale erfolgt mit Hilfe der Stadieneinteilung nach Marshall und Tanner.
Praxistipp
Werden die Untersuchungsdaten in Somatogramme eingetragen, so wird die Verlaufsbeobachtung erleichtert.
Inspektion des äußeren Genitale
Die Inspektion des äußeren Genitale (Vulva, Vestibulum, Hymenalsaum) nimmt eine zentrale Stellung in der Diagnostik ein und kann ohne aufwendige Hilfsmittel durchgeführt werden.
Bei kleinen oder ängstlichen Mädchen wird die Untersuchung auf dem Schoß der Mutter durchgeführt. Säuglinge und Kleinkinder werden in Abduktionsstellung der Beine auf dem Rücken liegend untersucht (Froschhaltung). Wichtig sind optimale Bedingungen, d. h. gute Lichtverhältnisse (Kolposkop), die richtige Lagerung des Mädchens und die Darstellung des Genitale durch die Separations-Traktions-Methode (Abb. 1).
Separations-Traktions-Methode
Bei der Separations-Traktions-Methode werden die großen und kleinen Labien vorsichtig separiert und zur Seite und anschließend dammwärts gezogen.
Die Methode erlaubt die Inspektion von Urethraöffnung, Paraurethralregion, Introitus vaginae, Hymen, distalem Vaginaldrittel, hinterer Kommissur und Analregion.
Durch tiefes Einatmen oder Aufblasen eines Luftballons werden der Hymenalring und die Hymenalöffnung optimal entfaltet.
Praxistipp
Mit einem Handspiegel kann das Mädchen angstfrei die Untersuchung beobachten.
In Abhängigkeit vom Alter des Mädchens finden sich bei der Inspektion folgende Normalbefunde:
  • Die Vulva des neugeborenen Mädchens ist durch die transplazentare Hormonwirkung östrogenisiert; Fluor ist ein Normalbefund und zeigt mukusproduzierende Zervixdrüsen und normale Abflussverhältnisse an und schließt eine Hymenalatresie aus.
  • In der hormonellen Ruhephase zwischen dem 1. und 8. Lebensjahr ist das Vulvaepithel dünn und vulnerabel, das Hymen ist straff und rigide.
  • Mit Einsetzen der Pubertät zeigt sich die zunehmende Östrogenwirkung am Genitale, das östrogenisierte Hymen ist weich, sukkulent und nachgiebig.
Hymenalbefund
Bei jeder Inspektion sollte der Hymenalbefund beurteilt werden:
  • nach dem Östrogenisierungsgrad, wobei beachtet werden muss, ob der Östrogenisierungsgrad zum Alter und Entwicklungsstand des Kindes passt,
  • nach der Form (Hymen anularis/semilunaris) und
  • ob der Abfluss gegeben ist (Hymenalseptum, -atresie).
Vor der Pubertät genügen in den meisten Fällen zur Diagnostik die Erhebung der Anamnese und die gründliche Inspektion des Genitale.

Invasive Untersuchung

Das nicht östrogenisierte präpubertäre Hymen ist sehr schmerzempfindlich.
Praxistipp
Ist eine Sondierung der Vagina aus diagnostischen Überlegungen unumgänglich, so sollte dies vorsichtig mit einem weichen, dünnen Blasenkatheter (8–14 Charr) erfolgen.
Auch die Entnahme eines Vaginalabstrichs (z. B. zur Funktionszytologie) ist mit einem Blasenkatheter möglich.
Eine invasive Diagnostik sollte nur im Ausnahmefall und möglichst in Narkose durchgeführt werden. Die Wahl des geeigneten Instruments (Vaginoskop mit eigener Lichtquelle oder kleinste Spekula) richtet sich nach den vorliegenden anatomischen Verhältnissen und dem Zweck der Untersuchung. So kann durch das Vaginoskop z. B. gleichzeitig eine Fremdkörperentfernung oder Biopsie erfolgen.
Indikationen zur Vaginoskopie
  • Genitale Blutungen in der hormonellen Ruhephase
  • Fremdkörperverdacht
  • Trauma, Unfall
  • Verdacht auf Fehlbildungen
  • Verdacht auf vaginale Tumoren
  • Rezidivierender, therapieresistenter Fluor/Vulvovaginitiden
  • Entwicklungsstörungen (Pubertas praecox/tarda)

Sonografie

Die sonografische Diagnostik ist zu einem unverzichtbaren Bestandteil der kindergynäkologischen Untersuchung geworden. Die Sonografie wird von abdominal und bei gefüllter Harnblase – um die gasgefüllten Darmschlingen aus dem kleinen Becken herauszudrängen – mit einem 5-MHz-Sektorschallkopf durchgeführt.
Praxistipp
Angewärmtes Ultraschallgel benutzen!
Bei sehr adipösen Mädchen kann mit einem Vaginalschallkopf eine Introitussonografie versucht werden. Mit Einsetzen der Pubertät ist oft die Vaginalsonografie mit schmaler Sonde möglich.
Durchführung der Ultraschalluntersuchung
Der Uterus sollte in jedem Lebensalter dargestellt werden können, sofern er vorhanden ist. Dabei imprimiert der Schallschatten des Uterus die Blasenhinterwand im Längs- und Querschnitt. Der Schallschatten des Uterus ist je nach Entwicklungsstadium
  • tubulär (Neugeborenes),
  • tropfenförmig (hormonelle Ruhephase) oder
  • birnenförmig (Pubertät) (Abb. 2).
Die sonografisch gemessene Größe des Uterus ist ein hervorragender Marker für das Maß der Östrogenisierung und als diagnostisches Instrument und Parameter zur Verlaufs- und Therapiekontrolle geeignet.
Ab dem 7. Lebensjahr nimmt die Uterusgröße kontinuierlich zu und hat bei der Menarche eine Länge von mehr als 55 mm erreicht.
Das Myometrium zeigt eine echoarme, gleichmäßig feine Schallstruktur. Mit Einsetzen der Östrogenwirkung wird das Endometrium im Sagittalschnitt als echoreiche Linie abgrenzbar und die Vagina als dreischichtige Struktur sichtbar.
Die Darstellung der Ovarien gelingt nicht immer, vor allem in der hormonellen Ruheperiode kann ihre Lage variabel sein. Die „Ovarialnische“ ist nach
  • ventral durch die Harnblase,
  • medial durch den Uterus,
  • lateral durch den M. obturatorius internus,
  • dorsal durch die Iliaca-interna-Gefäße eingegrenzt.
Die Binnenstruktur der Ovarien ist durch die Größe und Anzahl von Follikeln gekennzeichnet, wobei kleine Follikel auch in der hormonellen Ruhephase vorkommen.
Die Größe der Ovarien wird über das Volumen beschrieben und über eine vereinfachte Formel für ein Ellipsoid berechnet:
$$ \mathrm{V}=1/2\times \mathrm{L}\ddot{\mathrm{a}} \mathrm{nge}\times \mathrm{Breite}\times \mathrm{Dicke}. $$
Beim neugeborenen Mädchen haben die Ovarien ein Volumen von ca. 0,4 ml, welches sich bis zum 7. Lebensjahr verdoppelt. Postpubertär erreichen sie ein Volumen von 3–5 ml.
Die Sonografie der Nieren sollte bei anogenitalem Fehlbildungsverdacht erfolgen.

Spezielle Untersuchungsmethoden

Eine kernspintomografische Untersuchung (MRT) des kleinen Beckens und Abdomens mit oder ohne Kontrastmittelfüllung der Vagina kann bei unklarem klinischen Bild (Fehlbildungs- oder Tumorausschluss) indiziert sein.
Speziellen Fragestellungen bei Verdacht auf Entwicklungs- und Funktionsstörungen vorbehalten bleiben
  • Schädel-MRT zum Ausschluss hypophysärer Veränderungen,
  • Röntgenuntersuchung des linken Handgelenks zur Knochenalterbestimmung und
  • Karyotypisierung.

Kontrazeption in der Jugendgynäkologie

Den ersten Geschlechtsverkehr erleben junge Mädchen immer früher, häufig ungeschützt und ohne ausreichende Kenntnisse über die Zusammenhänge von Zyklus, Fruchtbarkeit und Schwangerschaft. Deshalb sind die Sexualberatung und Beratung zur individuellen Kontrazeption wesentliche Elemente der Mädchensprechstunde.
Beratung zur Kontrazeption
Die Beratung von Teenagern in der Mädchensprechstunde muss folgende Punkte umfassen:
  • Fertilität und Empfängnisverhütung
  • Sexuell übertragbare Erkrankungen (HPV, HIV, Hepatitis B, Chlamydien) und ihre Verhütung
  • Bedeutung von Risikofaktoren wie häufiger Partnerwechsel, Rauchen
  • Anleitung zum Kondomgebrauch trotz „Pille“
  • Postkoitale Kontrazeption
  • Präventive Angebote (HPV-Impfung)

Juristische Aspekte bei der Verordnung von Kontrazeptiva an Minderjährige

Bei der Verordnung von Kontrazeptiva an Teenager ist es notwendig, die derzeit gültige Rechtsprechung zu beachten und die Ausführungen der AG Medizinrecht der DGGG zur Verordnung von Kontrazeptiva an Minderjährige zu kennen.

Kontrazeptive Methoden in der Jugendgynäkologie

Die hormonelle Kontrazeption ist – nach Ausschluss von Kontraindikationen – generell die sicherste und praktikabelste Verhütungsmethode für Teenager. Hinsichtlich Wirkungsweise, Nebenwirkungsprofil und Kontraindikationen der hormonellen Kontrazeption wird auf das Kapitel „Kontrazeption und Familienplanung“ verwiesen.
Vorteile oraler Kontrazeptiva
  • Hohe Sicherheit
  • Gute Verträglichkeit
  • Gute Zykluskontrolle
  • Geringe Nebenwirkungen
  • Therapeutische Effekte (Akne, Seborrhö, Hirsutismus, Dysmenorrhö, Zyklusstörungen)

Einfluss auf den Knochenstoffwechsel

Die Datenlage zum Einfluss auf den Knochenstoffwechsel ist dürftig und durchaus kontrovers (Polatti et al. 1995; Nappi et al. 2005). Niedrig dosierte orale Kontrazeptiva mit einer täglichen Einnahme von 20 μg Ethinylöstradiol oder weniger, speziell in Kombination mit einem Gestagen, scheinen keine Wirkung auf das Erreichen der Peak Bone Mass und den Kochenstoffwechsel zu haben, zumal derzeit zwischen dem Beginn der Menstruation und dem Erreichen der endgültigen Größe eine relativ kurze Zeitspanne liegt (Nappi et al. 2003). Das einzige Kontrazeptivum, das nachweislich zu einer Abnahme der Knochendichte führt, ist das zur Langzeit-Empfängnisverhütung angewendete Medroxyprogesteronacetat (MPA, „Dreimonatsspritze“; Depo-Clinovir®, Sayana®) (Cromer 2003). Es sollte deshalb nur in Ausnahmefällen bei Jugendlichen zum Einsatz kommen.

Thromboembolierisiko

Das Risiko für ein thromboembolisches Ereignis unter Einnahme eines ethinylöstradiolhaltigen Kontrazeptivums ist altersabhängig. Daneben sind eigene oder familiäre thromboembolische Ereignisse oder thrombophile Störungen der höchste Risikofaktor. Die Eigen- und Familienanamnese muss in dieser Hinsicht exploriert werden. Bei belasteter Familienanamnese ist eine Thrombophiliediagnostik obligat, wobei es sich bewährt hat, zunächst den Faktor-V-Leiden-Polymorphismus (APC-Resistenz) zu bestimmen. Wird bei der Heranwachsenden eine homozygote Faktor-V-Leiden-Mutation diagnostiziert, so müssen ethinylöstradiolfreie Kontrazeptiva gewählt werden und eine entsprechende Aufklärung erfolgen.

Präparatewahl

Bei der Präparatewahl sollte auf eine möglichst niedrige Dosierung des Ethinylöstradiol-Anteils geachtet und ein Gestagen mit antiandrogener Wirkung bevorzugt werden. Die „Minipille“ („gestagen-only-pill“) sollte Jugendlichen wegen der sehr hohen Anforderungen an die Compliance (tägliche pünktliche Einnahme erforderlich) nicht verordnet werden. Bei mangelnder Compliance bieten sich zur hormonellen Kontrazeption auch vaginale und transdermale Applikationsformen an, ebenso die Langzyklusverordnung (cave: „off-label-use“) oder die Langzeitkontrazeption mit Gestagenen (Implanon®). Auch Levonorgestrel-Intrauterinsysteme mit einer lokalen intrauterinen Wirkung und mit hoher Verhütungssicherheit können erwogen werden (jaydess®).
Hormonelle Kontrazeption in Pubertät und Adoleszenz
  • Orale monophasische Ethinylöstradiol(EE)-Gestagen-Kombinationen
  • „Mikropille“ (EE-Gehalt 20 μg oder 30 μg EE)
  • „Therapeutische“ Gestagene
    • Chlormadinon 2 mg/Tag
    • Dienogest 2 mg/Tag
    • Drospirenon 3 mg/Tag
    • Cyproteronacetat 1–2 mg/Tag
  • Einnahme zyklisch oder im Langzyklus
  • Alternative Applikationsformen
    • Transdermal (Evra®-Pflaster)
    • Vaginal (NUVA® Ring)
    • Intrauterinsystem (jaydess®)
Im Langzyklus ist die kontrazeptive Sicherheit erhöht, da es in der einnahmefreien Zeit eines „Pillenzyklus“ zum Wegfall der ovariellen Suppression und zur Eizellreifung kommt. Der Langzyklus ist bei Compliance-Problemen deutlich zuverlässiger; Vorteile bestehen auch bei Mädchen mit Dysmenorrhö, Migräne in der „Pillenpause“, PMS, Endometriose, PCOS und hämorrhagischer Diathese (Sulak et al. 1997). Allerdings handelt es sich generell um einen „off-label use“, der eine dokumentierte Aufklärung der Jugendlichen und ggf. der Erziehungsberechtigten notwendig macht.

Postkoitale Kontrazeption/Notfallkontrazeption

Die Möglichkeit der postkoitalen Kontrazeption als einer „Notbremse“ nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr ist vielen Jugendlichen bekannt. Bei der postkoitalen Kontrazeption wird die Ovulation pharmakologisch gehemmt. Postkoitale Kontrazeptiva sind für die einmalige, kurze Anwendung in einem Zyklus gedacht. In Deutschland sind zu diesem Zweck Levonorgestrel und Ulipristalacetat zugelassen.
Die Einnahme von Levonorgestrel ist bis zu 72 h nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr möglich, allerdings ist die Effektivität umso größer, je früher die Einnahme erfolgt. Das Risiko einer Schwangerschaft wird am stärksten reduziert, wenn die Einnahme bis zu 12 h post coitum erfolgt. Das Thromboembolierisiko ist durch Levonorgestrel-haltige orale Kontrazeptiva leicht erhöht (Anamnese!).
Der selektive Progesteronrezeptormodulator Ulipristalacetat kann bis zu 120 h nach ungeschütztem Verkehr eingenommen werden. Ulipristalacetat kann die Ovulation um mehrere Tage hinausschieben. Dadurch können im Vergleich zum Levonorgestrel mehr Schwangerschaften verhindert werden. Ulipristalacetat ist das Notfallkontrazeptivum der 1. Wahl.
Präparate und Dosierung
  • PiDaNa®: 1500 μg Levonorgestrel
  • ellaOne®: 30 mg Ulipristalacetat
Seit Januar 2015 sind beide Präparate zur Notfallkontrazeption in der Selbstmedikation zugelassen (Apothekenpflicht).
Fortsetzen der oralen hormonellen Kontrazeption
Ist ein Vergessen der „Pille“ Grund für die postkoitale Kontrazeption, so sollte in den ersten beiden Einnahmewochen die Pilleneinnahme nach der Notfallkontrazeption fortgesetzt werden, beim Vergessen in der dritten Einnahmewoche sollte die Pilleneinnahme nach der postkoitalen Kontrazeption beendet werden.

Sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen

Die polizeiliche Kriminalstatistik 2019 weist für Deutschland 15.936 gemeldete Sexualdelikte gegen Kinder und Jugendliche aus (PKS Bundeskriminalamt 2019). Es wird eine hohe Dunkelziffer angenommen. Der größte Anteil sexueller Gewalt gegen Minderjährige findet im unmittelbaren familiären Umfeld statt.
Sexuelle Gewalt
Der Begriff der sexuellen Gewalt bezeichnet den aktiven oder passiven Einbezug von Kindern oder abhängigen Jugendlichen in sexuelle Handlungen; sexuelle Gewalt umfasst Formen mit Kontakt (Berührung, Penetration, Masturbation, Prostitution) als auch ohne Kontakt (Exhibitionismus, Pornografie) (nach F. Navratil 1995).
Hinweise auf sexuelle Gewalt geben
  • konkrete Aussagen,
  • maskierte Hinweise (Zeichnungen, Spiele),
  • somatische Hinweise (Blutungen, Fluor, Rötung, Schmerzen),
  • psychosomatische Symptome (Bauchschmerzen, Einnässen),
  • Verhaltensauffälligkeiten (Zwänge, Essstörungen, Isolation, Sprachstörungen, Leistungsänderung, Alkohol-/Drogen-/Medikamentenmissbrauch, Aggressionen, Selbstmutilation).
Die frauenärztliche Untersuchung dient
  • der Spurensicherung,
  • der Abklärung innerer Verletzungen,
  • der Infektionsvorbeugung,
  • der Verhinderung einer Schwangerschaft.
Eine Untersuchung darf nie erzwungen werden. Man hat immer genügend Zeit, das Mädchen auf die Untersuchung vorzubereiten. Hastiges, unüberlegtes, unprofessionelles Handeln, wiederholte Interviews oder wiederholte körperliche Untersuchungen müssen vermieden werden.

Untersuchungsablauf

Es sollte immer eine Allgemeinuntersuchung und Ganzkörperinspektion erfolgen, danach die Inspektion der Anogenitalregion und abschließend die gynäkologische Untersuchung.
Alle Befunde müssen umfassend dokumentiert werden.
Ganzkörperuntersuchung
Bei der Ganzkörperuntersuchung ist zu achten auf
  • Hämatome,
  • Würge- und Strangulationsmerkmale,
  • Untersuchung der Mundhöhle,
  • Auskämmen der Schamhaare (Täterhaare sichern).
Inspektion der Anogenitalregion
Die Untersuchung beim Mädchen erfolgt in Rückenlage und Froschhaltung, in Linksseitenlage und abschließend in Knie-Ellenbogen-Lage. Der Blickkontakt mit dem Kind muss stets gehalten werden.
Nur wenn man den Normalbefund des kindlichen Genitale und die Normvarianten kennt, ist es möglich, Auffälligkeiten und Pathologien zu entdecken.
Das Alter und das Entwicklungsstadium (Grad der Östrogenwirkung) sowie die Untersuchungstechnik (Separations-Traktions-Methode, Knie-Ellenbogen-Lage) und der Relaxationsgrad des Kindes beeinflussen die Morphologie des Genitale.
Ein Penetrationstrauma eindeutig beweisende Befunde (Adams et al. 2000)
  • Frischer Hymenaleinriss
  • Hymenalblutung
  • Konkavität des Hymen bis zur Basis reichend
  • Fehlen des dorsalen Hymenalsaums
  • Perianale Einrisse bis zum M. sphincter ani externus
  • Nachweis von Spermien
  • Falls nicht perinatal erworben: Gonokokken, Lues
  • Falls nicht perinatal oder durch Transfusion erworben: HIV
Alle morphologischen Befunde müssen auch in Knie-Ellenbogen-Lage nachweisbar sein.
Da jüngere Kinder häufig anal missbraucht werden, sollte der anale Dilatationsreflex überprüft werden. Bei positivem Dilatationsreflex öffnet sich der Anus nach dem Spreizen der Gesäßbacken spontan, und der Analkanal und die rektale Schleimhaut bleiben bis zu einer Minute lang sichtbar.
Gynäkologische Untersuchung und Abstrichentnahme
Fand der sexuelle Übergriff in den letzten 72 h statt, so sollte versucht werden, Material zu asservieren:
  • Kleider,
  • Sperma,
  • Saliva,
  • Hautschuppen,
  • Haare,
  • Abstriche vom Introitus/aus Vagina/Anus/evtl. Mundhöhle.
Die Entnahme von Material aus der Vagina kann in Abhängigkeit vom Alter des Mädchens ohne Instrumente mit einem angefeuchteten Watteträger erfolgen. Ergänzend können Abstriche auf Chlamydien, Gonokokken, Trichomonaden, HSV, HPV entnommen werden. Bei unbekanntem Täterstatus sollte eine Blutentnahme (HIV, Hepatitis B und C, Lues) die Untersuchung komplettieren. Der HIV-Test muss nach 3, 6 und 12 Monaten wiederholt werden. Bei Jugendlichen ist ein Schwangerschaftstest (β-hCG im Urin) notwendig..
Postexpositionsprophylaxe
Zur Postexpositionsprophylaxe gehören
  • postkoitale Kontrazeption,
  • antibiotische Abschirmung (Gonorrhö, Lues),
  • Überprüfung des Impfstatus auf Tetanus, Hepatitis B; ggf. Impfung,
  • HIV-Prophylaxe (bei unbekanntem Täterstatus).

Stellenwert der gynäkologischen Untersuchung

Es gibt viele Missbrauchsformen, die keine Spuren hinterlassen. Der Zeitfaktor zwischen Übergriff und Untersuchung ist sehr wichtig; frische, oberflächliche Verletzungen heilen schnell; nur bei ausgedehnten, tiefen Verletzungen entstehen Narben.
Ein normaler anogenitaler Befund schließt sexuelle Gewalt nicht aus. Bei über 90 % missbrauchter Kinder finden sich körperliche Normalbefunde (Heger et al. 2002).
Eine medizinische Untersuchung spielt deshalb keine zentrale Rolle für den Nachweis von sexueller Gewalt, kann aber gleichwohl Bedeutung erlangen und die Glaubwürdigkeit von (Zeugen)Aussagen untermauern
Bei jeder Abklärung sollte eine psychosoziale Betreuung des Kindes und seiner Umgebung sowie Intervention im multidisziplinären und -professionellen Kontext angestrebt werden (AWMF-Leitlinie Kinderschutz 2019).

Häufige Krankheitsbilder in der kindergynäkologischen Sprechstunde

Pubertas praecox

Pubertas praecox
Die Pubertas praecox ist definiert durch das Auftreten eines oder mehrerer Pubertätszeichen vor einem chronologischen Alter von 8 Jahren.
Man unterscheidet
  • die Pubertas praecox, die als zentrale Form durch eine vorzeitige Aktivierung der Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse ausgelöst wurde (Central Precocious Puberty, CPP),
  • die Pseudopubertas praecox, die durch eine autonome, periphere Sexualsteroidproduktion ohne zentrale Stimulation hervorgerufen wird (Peripheral Precocious Puberty, PPP) und
  • prämature Teilentwicklungen.

Prämature Teilentwicklungen

Partielle Reifeentwicklungen gehen ohne weitere Pubertätszeichen und mit dem chronologischen Alter entsprechenden Werten der Sexualsteroide einher. Sie verlaufen überwiegend blande und erfordern keine Therapie.
Prämature Thelarche
Prämature Thelarche
Brustdrüsenschwellung (Tanner-Stadium B2), die ohne weitere Pubertätszeichen vor dem 8. Lebensjahr auftritt.
Dieser zumeist harmlose Befund wird vor allem in den ersten zwei Lebensjahren beobachtet und bildet sich nach wenigen Monaten meist wieder zurück.
Die Vergrößerung der Brustwarzen und der Warzenhöfe bleibt meist aus. Eine Beschleunigung von Längenwachstum und Knochenentwicklung fehlt ebenso wie eine Uterusvergrößerung. Die Östradiolkonzentrationen im Plasma sind präpubertär und entsprechen dem chronologischen Alter. Als ursächlich wird eine gestörte Reifung der Hypothalamus-Hypophysen-Achse angenommen. Obwohl zumeist transient auftretend, kann eine prämature Thelarche in 10 % der Fälle in eine CPP übergehen, besonders bei Mädchen, die älter als 2 Jahre sind. Hier ist ein Follow-up angezeigt.
Im Allgemeinen erfordert die prämature Thelarche keine besonderen diagnostischen Maßnahmen oder Therapie.
Prämature Pubarche
Prämature Pubarche
Auftreten von Pubesbehaarung bei Mädchen vor dem 8. Geburtstag ohne andere Pubertätszeichen und ohne Zeichen der Virilisierung.
Ein niedriges Geburtsgewicht ist häufig assoziiert mit dem Auftreten einer prämaturen Pubarche (Ibanez et al. 2000b).
Ursache der vorzeitigen Pubesbehaarung ist eine prämature Adrenarche mit vorzeitiger Reifung der Zona reticularis der Nebenniere und Sekretion der adrenalen Androgene (DHEA, DHEAS, Androstendion) unabhängig von einem zentralen GnRH-Puls oder einer vermehrten ACTH-Ausschüttung. Die Gonadotropinwerte sind präpubertär, die adrenalen Androgene sind leicht erhöht.
Das Knochenalter kann geringgradig beschleunigt sein, hält sich aber im Verlauf konstant.
Therapeutische Maßnahmen müssen nicht ergriffen werden.
Die Mädchen sollten regelmäßig vorgestellt werden, da eine prämature Pubarche mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung von Hyperandrogenismus, PCO-Syndrom und Insulinresistenz einhergeht (Ibanez et al. 1999; Vuguin et al. 1999; Francois et de Zegher 1997).
Prämature Menarche
Prämature Menarche
Isoliertes Auftreten zyklischer vaginaler Blutungen bei Mädchen zwischen 1 und 8 Jahren ohne andere Zeichen einer Pubertätsentwicklung.
Eine prämature Menarche findet sich äußerst selten. Ihre Ursache ist in einer intermittierenden Östrogensekretion aus passageren Follikelzysten zu suchen. Von größter Bedeutung ist der Ausschluss einer anderen Ursache der Vaginalblutung (Fremdkörper, Tumoren).

Pubertas tarda

Pubertas tarda
Als Pubertas tarda wird eine verzögert einsetzende Geschlechtsentwicklung bezeichnet. Die Diagnostik ist bei ausbleibender Pubertätsentwicklung in einem Alter von ungefähr 13,5 Jahren angebracht, insbesondere wenn ein Bruststadium Tanner 1 nach dem 13. Geburtstag vorliegt.
Die Normvariante der konstitutionellen Entwicklungsverzögerung muss dabei von pathologischen und therapiebedürftigen Befunden abgegrenzt werden. Die verzögert einsetzende Pubertätsentwicklung kann bedingt sein

Konstitutionelle Entwicklungsverzögerung

Die konstitutionelle Entwicklungsverzögerung ist die häufigste Ursache der verzögert einsetzenden Geschlechtsentwicklung. Bei dieser familiär gehäuften Normvariante ist das Tempo von Wachstum und Pubertätsentwicklung verzögert, wobei die Synchronizität zwischen Knochenalter, Längenentwicklung, Pubertätswachstumsschub und Stadium der Pubertätsentwicklung erhalten ist. Die körperliche Entwicklung ist auf allen Ebenen gleichmäßig verzögert. Die Kinder wachsen perzentilenparallel, allerdings häufig auf einer Perzentile unterhalb der errechneten Zielgröße. Insgesamt ist die Pubertätsentwicklung auf ein höheres chronologisches Alter verschoben. Eine Therapie dieser transienten Störung ist nicht erforderlich.

Hypogonadotroper Hypogonadismus

Beim hypogonadotropen Hypogonadismus muss unbedingt an ZNS-Erkrankungen gedacht werden, die die Hypothalamus-Hypophysen-Achse stören und eine fehlende oder unzureichende Gonadotropinproduktion bedingen. Ein funktioneller Gonadotropinmangel liegt bei schweren Essstörungen und Sportarten mit extremer Ausdauerleistung vor. Genetische Ursachen werden für einige Formen des hypogonadotropen Hypogonadismus beschrieben.
Ursachen des hypogonadotropen Hypogonadismus
ZNS-Erkrankungen
Genetisch bedingter Gonadotropinmangel
Funktioneller Gonadotropinmangel
  • Anorexie
  • Ausdauersportarten
Schwere chronische Erkrankungen
Endokrinopathien
Syndrome

Hypergonadotroper Hypogonadismus

Beim primären Hypogonadismus liegt eine Funktionsstörung der Gonaden vor. Die Folgen sind einerseits ein Mangel an Sexualhormonen (hormonelle Insuffizienz), andererseits eine gestörte Fertilität. Das Fehlen des Feedbacks der Sexualsteroide auf das Gehirn bedingt eine vermehrte Ausschüttung von LH und FSH (hypergonadotroper Hypogonadismus).
Häufigste Ursache ist die Gonadendysgenesie, seltener führen chronische Erkrankungen oder Noxen zur Ovarialinsuffizienz.
Ursachen des hypergonadotropen Hypogonadismus
  • Gonadendysgenesien
    • Ullrich-Turner-Syndrom (45,X-Karyotyp)
    • Reine Gonadendysgenesie (46,XX- oder 46,XY-Karyotyp)
    • Gemischte Gonadendysgenesie (45,X-, 46,XY-Karyotyp oder andere Varianten)
  • Primäre ovarielle Insuffizienz bei chronischen Systemerkrankungen
  • Primäre ovarielle Insuffizienz durch Noxen: Bestrahlung, Chemotherapie
  • Inaktivierende FSH-Rezeptormutationen
    • Gonadotropin-resistente Ovarien („resistent ovary syndrome“)
  • Störungen der Östrogenbiosynthese
    • Aromatasemangel
  • Autoimmunerkrankungen
Die Gonadendysgenesien werden im Kapitel „Normale und gestörte Geschlechtsentwicklung“ ausführlich dargestellt.

Diagnostik der Pubertas tarda

Bei der Anamnese wird der Menarchetermin der Mutter ebenso erfasst wie die Angaben zum Essverhalten, Ernährungsgewohnheiten, Riechvermögen, körperlicher Betätigung, Ausdauersportarten und Vorerkrankungen. Bei der klinischen Untersuchung ist die Pubertätsentwicklung nach Tanner zu dokumentieren. Das Leitsymptom für eine Pubertas tarda ist das Ausbleiben sekundärer Geschlechtsmerkmale (Tanner B1, P1, A1, M0). Eine isoliert vorhandene Schambehaarung ist meist adrenalen Ursprungs. Die Basishormonanalyse (LH, FSH, Östradiol, TSH, fT4, Prolaktin) erlaubt die Unterscheidung zwischen Normvariante/zentraler Störung (LH und FSH präpubertär) und Gonadeninsuffizienz (LH und FSH erhöht). Bei der hypergonadotropen Form des Hypogonadismus muss zum Ausschluss von Anomalien eine Chromosomenanalyse erfolgen.
Bei vermindertem Riechvermögen und/oder Verdacht auf ein Kallmann-Syndrom ist der HNO-Arzt zu konsultieren. Zum Ausschluss einer ZNS-Läsion oder eines Tumors bei hypogonadotropem Hypogonadismus dient eine Magnetresonanztomografie des Schädels.

Therapie der Pubertas tarda

In der Therapie sind in erster Linie die zugrundeliegenden Krankheiten zu berücksichtigen und gegebenenfalls zu behandeln.
Unabhängig von der Grunderkrankung sollte bei einem permanenten Hypogonadismus eine hormonelle Ersatztherapie erfolgen, die sich den normalen Abläufen der Pubertät zeitlich, phänotypisch und funktionell annähert (Hormonal Development Therapy, HDT, Tab. 1).
Tab. 1
Hormonal Development Therapy bei Hypogonadismus
Zeitpunkt
Östrogenanteil
Gestagenanteil
Therapiebeginn 0.–6. Monat
0,2 mg Östradiolvalerat/Tag oder
 
0,3 mg konjugierte Östrogene/Tag
6.–12. Monat
0,5 mg Östradiolvalerat/Tag oder
 
0,6 mg konjugierte Östrogene/Tag
Ab 2. Therapiejahr
1,0–1,5 mg Östradiolvalerat/Tag oder
Gestagene Tag 1–12/Monat
und/oder Tanner B3
0,9 mg konjugierte Östrogene/Tag
z. B. Chlormadinon 2 mg/Tag
Ab 3. Jahr
2,0 mg Östradiolvalerat/Tag oder
Gestagene Tag 1–12/Monat
1,25 mg konjugierte Östrogene
 
Alternative Gestagene: Dydrogesteron 10 mg, mikronisiertes Progesteron 200 mg.
Therapiebeginn
Für den Beginn der Substitutionstherapie wird ein Knochenalter von 11–12 Jahren empfohlen.
Zum Ausgleich des Östrogendefizits werden zunächst nur Östrogene eingesetzt. Von den natürlichen Östrogenen haben das Östradiol und seine Derivate die größte praktische Bedeutung. Eine kontinuierliche Östrogengabe sollte vorgezogen werden.
Fortführung der Therapie
Ungefähr 2 Jahre nach Beginn der Östrogentherapie und frühestens bei Ausbildung der sekundären Geschlechtsmerkmale in einem Tanner-Stadium 3 wird die zyklische Zugabe eines Gestagens vom 1. bis einschließlich 12. Tag des jeweiligen Kalendermonats empfohlen. Als Gestagene eignen sich besonders solche ohne oder nur mit partieller androgener Restwirkung (Chlormadinon, Dydrogesteron, Progesteron).
Nur wenn eine unerwünschte Schwangerschaft eintreten könnte, sollten monophasische Kontrazeptiva zum Einsatz kommen. Hier müssen die Nebenwirkungen des Ethinylöstradiols auf Leberstoffwechsel und Blutgerinnung berücksichtigt werden.
Mädchen mit Hypogonadismus und Wachstumsstörungen (z. B. Turner-Syndrom) sollten gleichzeitig eine Therapie zur Wachstumsförderung mit Wachstumshormonen erhalten.

Entzündliche Erkrankungen des Genitale im Kindesalter

Entzündliche Erkrankungen des Genitale sind der häufigste Konsultationsgrund in der kindergynäkologischen Sprechstunde. Rund 30 % der Mädchen werden mit unspezifischen Beschwerden und/oder Fluor vorgestellt.

Unspezifische Vulvovaginitis

Ursachen
Aufgrund des Östrogenmangels zwischen dem 1. und 8. Lebensjahr ist das Epithel von Vulva und Vagina atrophisch, weshalb mechanische Reizungen (Sandkastenvulvitis), Hygienefehler (falsches Abwischen nach dem Toilettengang) und allergische Reaktionen zur Rötung des Epithels im Vulvabereich und gelegentlich auch zu Ausfluss führen können.
Überwiegend liegt eine primäre Vulvitis – eventuell mit sekundärer Beteiligung der Vagina – vor. Es handelt sich zumeist um unspezifische Vulvovaginitiden, die durch eine Vielzahl von Keimen der Haut- und Darmflora (Enterokokken, Proteus mirabilis, E. coli, vergrünende Streptokokken) bedingt sind.
Klinik
Die Beschwerden sind diskret. Am häufigsten treten Juckreiz, ein leichtes Brennen und Dysurie auf.
Diagnostik
Neben der Anamnese (kürzlich zurückliegende Infektionen, Hygiene, Sitzposition auf Toilette, Hauterkrankungen) genügt die Inspektion zur Diagnosestellung. Bei der Inspektion des Genitale findet sich zumeist eine scharf begrenzte, mäßige perivulväre und/oder perianale Rötung, eventuell tritt Fluor auf.
Eine Abstrichentnahme zur mikrobiologischen Keimdifferenzierung erübrigt sich.
Therapie
Die Therapie besteht in lokal desinfizierenden Maßnahmen und Aufklärung der Mutter über die richtige Anogenitalhygiene (mechanische Reinigung von vorn nach hinten, eigenes Handtuch, Vermeidung von synthetischen Höschen etc.). Geeignet sind tägliche Sitzbäder (mit Kaliumpermanganat, Tannolact®, Betaisodona®). Einmalig kann eine desinfizierende oder Östriol-haltige Creme intravaginal eingebracht werden (Xapro®, Leioderm-P®, Oekolp®-Creme). Bei Rezidiven empfiehlt sich eine kurzzeitige Lokaltherapie mit Östriol-haltiger Salbe.

Spezifische Vulvovaginitiden

Vulvitis durch β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A
Eine Vulvitis durch A-Streptokokken ist äußerst schmerzhaft und geht mit einer massiven Rötung der Vulva einher. Die Erkrankung muss oral antibiotisch mit Penicillin über 10 Tage behandelt werden.
Soorvulvitis
Pilzinfektionen sind im Kindesalter selten und am ehesten nach einer Antibiotikagabe oder nach schweren Allgemeininfektionen zu finden. Candida-Spezies suchen sich das östrogenisierte Milieu in der Neonatalperiode oder Pubertät. Die Beschwerden (Juckreiz, Dysurie, Fluor) gehen mit einer Rötung des äußeren Genitale und typischen Satellitenläsionen einher. Die Therapie erfolgt lokal antimykotisch mit Clotrimazol (Canesten®-Creme) oder Nystatin.
Condylomata acuminata
Im Kindesalter finden sich in erster Linie die HPV-Typen 2, 6 und 11. Nicht nur die horizontale Transmission durch engen Kontakt und inadäquate Hygiene muss angenommen werden, sondern auch die vertikale Übertragung über den Geburtskanal. Eine mögliche sexuelle Übertragung sollte berücksichtigt werden. Die Therapie erfolgt mittels Laservaporisation.

Entzündliche Genitalerkrankungen in der Adoleszenz

Je höher der Serumöstrogenspiegel, umso höher der befallende Genitalabschnitt, d. h. Infektionen des inneren Genitale werden erst mit der Pubertät relevant.
Chlamydieninfektion
Chlamydia trachomatis ist in Europa und den USA das häufigste sexuell übertragene Bakterium und der Hauptverursacher infektionsbedingter Sterilität. Bereits 10 % aller 17-jährigen Mädchen leiden an einer Chlamydieninfektion (Gille und Klapp 2007), die zumeist mit einer Zervizitis beginnt. Allen sexuell aktiven Mädchen und jungen Frauen bis zum abgeschlossenen 25. Lebensjahr sollte einmal jährlich ein PCR-Urin-Screening angeboten werden.
Die Behandlung der Infektion mit Erythromycin oder Doxycyclin kann die Chronifizierung und Folgen verhindern. Teenager müssen dringend über die Verhütung der Erkrankung durch Kondomgebrauch (trotz „Pille“) aufgeklärt werden.

Differenzialdiagnosen

Oxyuriasis
Der Befall mit Enterobius vermicularis verursacht einen nächtlichen, sehr starken Juckreiz. Die Diagnose ist durch einen morgendlichen analen Klebestreifentest möglich. Zur Therapie wird Mebendazol (Vermox®) oral verabreicht.
Intravaginale Fremdkörper
Je nach „Liegedauer“ des Fremdkörpers wird ein therapieresistenter, putrider, auch blutig-tingierter, übel riechender Fluor verursacht. Die Extraktion kann mittels Vaginoskopie erfolgen, oft gelingt auch ein rektales Ausstreichen des Fremdkörpers.

Hautveränderungen der Vulva im Kindesalter

Lichen sclerosus

Der Lichen sclerosus ist eine chronische, dystrophische Epithelveränderung, die hauptsächlich in Lebensphasen geringer Östrogenproduktion vorkommt. Eine genetische Prädisposition sowie auslösende Autoimmunfaktoren werden diskutiert. Der Häufigkeitsgipfel liegt im Kindesalter zwischen dem 1. und 8. Lebensjahr.
Klinik
Es besteht ein stärkster, sehr quälender Juckreiz und brennender Schmerz.
Diagnostik
Bei der Inspektion findet sich eine pergamentartige, dünne Haut in Konfiguration einer Acht um Vulva und Anus („typische Sanduhrform“); daneben subepitheliale Blutungen, Petechien, Rhagaden und Kratzeffekte.
Therapie
In der akuten Phase sollten hochpotente Kortikoide lokal 1- bis 2-mal täglich für 14 Tage verabreicht werden (Clobetasol®-Creme). Bei Persistenz oder Rezidiv können kurzzeitig topische Immunmodulatoren wie Tacrolimus hilfreich sein (Protopic®-Salbe 0,03 % 1- bis 2-mal tgl.). Zur Weiterbehandlung eignen sich Cremes aus ungesättigten Fettsäuren im Intervall.
Prognose
In der Pubertät kommt es meist zur Spontanremission.

Labiensynechie

Labiensynechie
Die Labiensynechie ist eine postpartal erworbene Verklebung der kleinen Labien in der Phase der hormonellen Ruhe.
Der Erkrankungsgipfel liegt zwischen dem zweiten und sechsten Lebensjahr.
Ätiologie
Durch die fehlende Östrogenisierung führen latente Infektionen im Genitalbereich leicht zu Erosionen der vulnerablen Epitheloberfläche mit anschließender Verklebung der kleinen Labien.
Diagnostik
Bei der Inspektion zeigt sich typischerweise eine feine weißliche Linie in der Mitte des Introitus. In vielen Fällen liegt eine subtotale Vulvasynechie vor, die den gesamten Introitus vaginae verschließt.
Klinik
Die wichtigste Folge des Verschlusses ist eine Miktionsstörung, die vom Nachträufeln durch ein Reservoir in der Vagina bis zum äußerst seltenen Harnverhalt reichen kann.
Therapie
Die Therapie besteht in der lokalen Anwendung von 0,1 %igen Östriol-Salben (Oekolp®-Creme) und der sorgfältigen Anleitung der Mutter beim Auftragen der Salbe. Wichtig ist die richtige Lagerung des Mädchens in der Froschhaltung. Die Salbe sollte unter leichtem Druck in die angespannte Verklebungsnaht bis zur Lösung der Verklebungsnaht 2-mal pro Tag einmassiert und für weitere 14 Tage einmal täglich angewandt werden.
Nach vier Wochen empfiehlt sich ein erster Lösungsversuch durch sanftes Auseinanderziehen der Labien.
Nach erfolgreicher Lösung sollte die Behandlung zur Rezidivprophylaxe noch weitere drei Wochen fortgeführt werden. Die Rezidivquote von 2 % wird gesenkt, wenn Verhaltensregeln zur Anogenitalhygiene befolgt werden (tägliches Duschen/Wannenbad ohne Zusätze, keine Feuchttücher, Cremes und Lotionen).

Zyklus- und Blutungsstörungen in der Adoleszenz

Anovulatorische Zyklen sind in den ersten zwei Jahren nach der Menarche häufig. Die mangelnde sekretorische Umwandlung des Endometriums führt zur zyklusunabhängigen Dauerblutung und Hypermenorrhö. Auch eine sekundäre Amenorrhö bis zu einer Dauer von 4–6 Monaten kann in diesem Entwicklungsabschnitt als physiologische Abweichung angesehen werden.

Amenorrhö

Primäre Amenorrhö
Die primäre Amenorrhö bezeichnet das Ausbleiben der Menarche nach einer bislang normal verlaufenden Pubertätsentwicklung (Tanner-Stadien B4–5, P4–5, M0).
Das durchschnittliche Menarchealter in der Bundesrepublik Deutschland beträgt aktuell 12,8 Jahre (Gohlke und Wölfle 2009), wobei die Menarche relativ konstant 2,2 Jahre nach der Thelarche eintritt. Mit der Diagnostik sollte begonnen werden, wenn 2,5 Jahre nach der Thelarche die Menarche ausbleibt.
Sekundäre Amenorrhö
Bei der sekundären Amenorrhö kommt es zum Ausbleiben der Regelblutung über mehr als 4 Monate nach bereits eingetretener Menarche, ohne dass eine Schwangerschaft besteht.
Ursachen
Die primäre Amenorrhö ist zumeist das Symptom einer anderen komplexen Grunderkrankung.
Nur bei regelrechter Pubertätsentwicklung und primärer Amenorrhö sind angeborene anatomische Fehlbildungen die häufigste Ursache (Hymenalatresie, Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom).
Die Ursachen der sekundären Amenorrhö sind überwiegend endokrinologisch-dysfunktionell. Unter Teenagern ist eine stressbedingte Unterdrückung der Ovarialfunktion durch Störung auf hypophysär-hypothalamischer Ebene sowie die ovarielle Funktionsstörung durch Absinken der Körperfettmasse unter 15 % des Gesamtkörpergewichts bei Essstörungen (Anorexia nervosa) und exzessivem körperlichen Training (Leistungssport, Ballett) in Betracht zu ziehen.
Pathophysiologische Ursachen der Amenorrhö
Störungen der Hypothalamus-Hypophysen-Achse
Ovarielle Ursachen
Andere endokrine Ursachen
Uterine/vaginale Fehlbildungen
  • Uterovaginale Agenesie (Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom)
Diagnostik
Die wichtigsten diagnostischen Maßnahmen sind Anamnese, klinische Untersuchung – einschließlich der gynäkologischen Untersuchung –, die Basis-Hormonanalyse (FSH, LH, Östradiol, Testosteron, Prolaktin, TSH, fT4) und die Ultraschalluntersuchung des inneren Genitale. Die weiterführende Diagnostik ist komplex und sollte möglichst individuell und gezielt erfolgen (Tab. 2)
Tab. 2
Erweiterte Diagnostik bei Amenorrhö
Diagnostische Maßnahme
Differenzialdiagnose
Gonadendysgenesie, Androgeninsensitivitätssyndrom
Erweiterte Hormondiagnostik
(DHEAS, SHBG, 17-OHP, Androstendion)
PCOS, CAH, androgenbildender Tumor
ACTH-Kurztest
CAH
Dexamethasonhemmtest
Androgenbildender Tumor (Ovar, Nebenniere)
Schädel-MRT
ZNS-Pathologie
(Kraniopharyngeom, Hypophysenadenom)
Sonografie der Nebennieren
Tumor
Sonografie der Nieren
MRKH-Syndroma
Knochenalterbestimmung
Konstitutionelle Entwicklungsverzögerung
17-OHP 17α-Hydroxyprogesteron, ACTH adrenokortikotropes Hormon, CAH kongenitale adrenale Hyperplasie, DHEAS Dehydroepiandrosteronsulfat, MRKH-Syndrom Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom, PCOS polyzystisches Ovarsyndrom, SHBG sexualhormonbindendes Globulin.
aNierenfehlbildungen bei 30 % der Betroffenen mit MRKH-Syndrom (Raybaud et al. 2001).
Therapie
Die Therapie wird von der Ursache bestimmt, die zur Amenorrhö führte. Tumoren (ZNS, Nebenniere, Ovar) müssen meist chirurgisch behandelt werden. Endokrinologische Störungen werden medikamentös ausgeglichen. Das Therapiekonzept beim juvenilen PCOS wird in Abschn. 5.1 dargestellt. Das Therapieziel beim MRKH-Syndrom ist die Bildung einer kohabitationsfähigen Neovagina. Die Therapie sollte erst bei vorhandener Partnerbeziehung und nicht vor dem 16. Lebensjahr erfolgen (Schrumpfungstendenz).
Bei proximal angelegtem Recessus vaginae kann durch eine konsequente, unblutige Dehnung eine Operation vermieden werden (Methode nach Frank).
Bei der Hymenalatresie wird zur sofortigen Entlastung des teerartigen Blutaufstaus und zur Verhinderung einer Verklebung eine zirkuläre Teilexzision des Hymen in Narkose vorgenommen.
Unabhängig von den auslösenden Ursachen sollte bei absolutem/relativem Östrogenmangel zur Einleitung der Pubertätsentwicklung eine hormonelle Therapie (HDT) erfolgen (Tab. 1). Ist ein Uterus vorhanden, kommen Kombinationspräparate von Östradiol und einem Gestagen zum Einsatz. Fehlt der Uterus (z. B. Androgen-Insensitivitäts-Syndrom) ist eine Monotherapie mit Östradiol ausreichend.

Juvenile Dauerblutung („dysfunctional uterine bleeding“)

Juvenile Dauerblutung
Die juvenile Dauerblutung ist eine zyklusunabhängige, mehr als 10 Tage anhaltende, oft überperiodenstarke Blutung.
Sie ist die häufigste dysfunktionelle Blutung in der Pubertät.
Pathophysiologie
Im anovulatorischen Zyklus führt die anhaltende östrogene Exposition des Endometriums zu einer ungehemmten Proliferation ohne sekretorische Transformation. Durch den relativen Östrogenmangel kommt es zur Durchbruchsblutung. Aufgrund der noch instabilen Hypothalamus-Hypophyse-Ovar-Funktionseinheit ist die LH-Produktion zu gering und stört die Ovulation sowie die Bildung und den Erhalt des Corpus luteum. Der Progesteronmangel führt zur Dauerblutung.
Diagnostik
Neben Anamnese und Inspektion erlaubt die Sonografie die Beurteilung der Endometriumhöhe.
Eine frühe, gestörte Schwangerschaft kann vergleichbare Blutungen bei einem Abortgeschehen auslösen. Bei Verdacht: β-hCG-Bestimmung im Urin!
Therapie
Zur Blutungsstillung wird ein zusätzliches Hormonangebot benötigt.
Bei sonografisch schmalem Endometrium werden Östrogen-Gestagen-Kombinationspräparate (zumeist monophasische orale Kontrazeptiva) mit mehr als 30 μg Ethinylöstradiol/Tag über 21 Tage verabreicht. Die Blutung sollte nach 48–72 h gestillt sein. Ist das Endometrium sonografisch hoch aufgebaut, eignen sich orale Gestagene vom 12.–24. Zyklustag.
Rezidivprophylaxe
Zur Rezidivprophylaxe können – bei guter eigener Östrogenisierung – Gestagene für 3 weitere Zyklen oder niedrig dosierte monophasische orale Kontrazeptiva eingesetzt werden.
Differenzialdiagnostik
Bei Rezidiven muss eine hämorrhagische Diathese ausgeschlossen werden.
Wichtigste Ursachen für eine hämorrhagische Diathese bei Mädchen und jungen Frauen
Dysmenorrhö
Dysmenorrhö
Die Dysmenorrhö ist das häufigste gynäkologische Problem bei Jugendlichen und bezeichnet Unterbauchschmerzen unterschiedlicher Stärke, die mit der Menstruation auftreten und von Kollapsneigung, Übelkeit und Erbrechen begleitet sein können.
Sie tritt zumeist als primäre oder funktionelle Dysmenorrhö ohne weitere Organpathologie auf. Eine familiäre Belastung ist häufig.
Pathophysiologie
Die Phospholipase A2 wird im Endometrium durch Östrogene stimuliert und synthetisiert Prostaglandin F, welches spastische Myometriumkontraktionen auslöst. Indem sekundär Prostaglandine in die Blutbahn gelangen, werden die Begleitsymptome verursacht.
Diagnostik
Neben der Anamnese dient die Abdominalsonografie zum Ausschluss von Organpathologien.
Therapie
Das Therapiekonzept ist multimodal mit den Säulen Aufklärung, physikalische Anwendung, naturheilkundliche Verfahren, medikamentöse und hormonelle Therapie.
Multimodales Therapiekonzept bei Dysmenorrhö
  • Aufklärung über die Ursachen
  • Physikalische und traditionelle Therapie
    • Entspannung
    • Akupunktur
  • Naturheilkunde: Vitex agnus castus
  • PG-Synthesehemmer
  • Hormonelle Therapie
    • Monophasische, Gestagen-betonte orale Kontrazeptiva
    • Gestagene (Progesteronreihe), kontinuierlich oder in der 2. Zyklushälfte
Differenzialdiagnostik
Ausgeschlossen werden müssen Ovarialzysten, Endometriose und eine Abflussbehinderung bei Hymenalatresie.

Raumfordernde Adnexprozesse im Kindes- und Jugendalter

Raumforderungen der Adnexe sind im Kindes- und Jugendalter selten und benötigen eine besonders sorgfältige Abklärung.
Hauptursachen einer Raumforderung der Adnexe sind benigne Ovarialtumoren inkl. funktioneller Zysten, entzündliche und postentzündliche Zustände, seltener eine ektope Schwangerschaft oder maligne Ovarialtumoren.

Ovarialzysten

Die Häufigkeit des Auftretens von Ovarialzysten ist altersabhängig. Sie treten aufgrund der hormonellen Situation vor allem in der Neugeborenenperiode und nach dem 7. Lebensjahr auf.
Ovarialzysten in der Fetal- und Neonatalperiode
Sie entstehen als Antwort der fetalen Ovarien auf den mütterlichen Hormonstimulus und bilden sich erst nach der 24. SSW aus. Da mit dem Wegfall der mütterlichen Hormone nach der Geburt fast immer eine spontane Rückbildung eintritt, bedürfen fetale oder neonatale Ovarialzysten im Allgemeinen keiner Therapie. Es empfiehlt sich die sonografische Kontrolle in vierwöchigen Abständen. Nur bei Stieldrehung oder Obstruktion des Darm- oder Harntraktes muss eine chirurgische Intervention erwogen werden.
Ovarialzysten in der Phase der ovariellen Funktionsruhe
Ovarialzysten in der hormonellen Ruheperiode sind Ausdruck einer passageren Eireifung und oft verbunden mit prämaturen Teilentwicklungen (meist Thelarche). Sie erfordern eine kurzfristige sonografische Kontrolle. Bleibt eine spontane Rückbildung innerhalb von 3 Monaten aus, so ist eine weitere Abklärung erforderlich. Generell gilt, dass in der hormonellen Ruheperiode jeder Adnexprozess bis zum Beweis des Gegenteils malignitätsverdächtig ist.
Ovarialzysten in Pubertät und Adoleszenz
In dieser Lebensphase handelt es sich am häufigsten um funktionelle Zysten, die durch ungehemmte Entwicklung aus Follikel- oder Corpus-luteum-Zysten entstehen. Sie sind oft symptomlos. Heftige, akute Schmerzen entstehen bei Einblutung, Ruptur oder Torsion.
Bei Beschwerdefreiheit und sonografischen Zeichen einer benignen, glatt begrenzten Ovarialzyste (unter 6 cm) ist ein exspektatives Vorgehen über 3 Monate mit sonografischen Kontrollen aller 4 Wochen gerechtfertigt. Gleichzeitig kann zur Prophylaxe weiterer Ovarialzysten der Versuch der Suppression der Hypothalamus-Hypophysen-Ovar-Achse durch ein monophasisches orales Kontrazeptivum unternommen werden. Die bereits bestehende Zyste wird dadurch nicht beeinflusst.
Ein operatives Vorgehen ist indiziert, wenn akute Symptome dazu zwingen, die Ovarialzysten persistieren oder Zysten größer als 6 cm vorliegen. Minimalinvasive endoskopische Verfahren sind zu bevorzugen.

Entzündliche und postentzündliche Zustände der Adnexe

Ursache entzündlicher Adnexerkrankungen sind zumeist aufsteigende Infektionen aus dem unteren Genitaltrakt durch Chlamydia trachomatis, Neisseria gonorrhoeae oder Anaerobier bei sexuell aktiven Mädchen nach der Menarche. Seltener sind die Adnexe in ein entzündliches Geschehen (z. B. perforierte Appendizitis, Abszess bei M. Crohn) einbezogen. Die klinische Symptomatik führt zur Diagnose, auffällige ultrasonografische Adnexbefunde stellen fortgeschrittene Erkrankungen oder Restbefunde (z. B. Hydrosaktosalpinx) dar.

Ovarialtumoren

Symptomatik
Ovarialtumoren werden in Kindheit und Pubertät fast immer erst dann entdeckt, wenn sie eine beachtliche Größe erreicht haben, zur Zunahme des Bauchumfangs und uncharakteristischen Bauchschmerzen führen oder durch Zeichen ihrer Hormonaktivität auffällig werden (Virilisierung, Pseudopubertas praecox, atypische genitale Blutung).
Ohne Berücksichtigung der funktionellen Zysten machen benigne Keimzelltumoren (Dermoide und Teratome) fast die Hälfte aller benignen Ovarialneubildungen aus. Auch unter den malignen Tumoren des Ovars sind Keimzelltumoren mit 60–90 % im Kindesalter am häufigsten (Dysgerminome, endodermaler Sinustumor). Weniger häufig finden sich Tumoren des ovariellen Stromas (vor allem östrogenbildende Granulosazelltumoren) und epitheliale Tumoren.
Zur Klassifikation der Ovarialtumoren anhand ihrer Histogenese wird auf die WHO-Einteilung verwiesen.
Dysgerminome sind in 5–10 % assoziiert mit genetischen Anomalien (Gonadendysgenesie 46,XY, Androgeninsensitivitätssyndrom, Mosaike).
Diagnostik
Neben Anamnese und klinischer Untersuchung sind bildgebende Verfahren die Domäne der Diagnostik, allen voran die Abdominalsonografie. Es gelten für die Dignitätsbeurteilung dieselben Kriterien wie für eine erwachsene Frau.
Klinische Chemie
Bei Zeichen hormoneller Aktivität werden 17β-Östradiol, FSH, LH (Pseudopubertas praecox) sowie Testosteron, DHEAS, SHBG (Hirsutismus oder Androgenisierung) bestimmt.
Zur Verlaufskontrolle eignen sich die Tumormarker LDH (Dysgerminom) AFP (embryonale Karzinome, endodermaler Sinustumor, unreife Teratome), β-hCG (Dysgerminom, Chorioncarcinom) und Inhibin B (Granulosazelltumor).
Therapie
Bei sonografisch suspekten oder malignitätsverdächtigen Tumoren muss das operative Vorgehen in einem Zentrum mit entsprechender Erfahrung erfolgen.
Jeglicher operativer Eingriff sollte fertilitätserhaltend durchgeführt werden.
Da maligne Ovarialtumoren bei Kindern und Jugendlichen eine hohe Chemosensibilität besitzen, können sie – im Gegensatz zur erwachsenen Frau – organ- und fertilitätserhaltend operiert werden. Eine adjuvante Chemotherapie schließt sich an. Jegliches therapeutische Vorgehen sollte sich an den zur Verfügung stehenden Protokollen orientieren.
Allgemeines Therapiekonzept für Ovarialtumoren in Kindheit und Adoleszenz
  • Operativ:
    • Vollständige Resektion des Primärtumors ohne Verletzung der Organkapsel
    • Inspektion des kontralateralen Ovars
    • Lymphonodektomie nur, wenn palpatorisch suspekte oder im MRT suspekte Areale bestehen
  • Adjuvante protokollgerechte Chemotherapie

Störungen der Brustentwicklung

Zwei Drittel der reifgeborenen Mädchen zeigen in den ersten Lebenstagen eine leichte Brustdrüsenhypertrophie, oft in Verbindung mit einem milchigen Ausfluss aus der Mamille (Hexenmilch). Hervorgerufen wird diese Stimulation des Brustdrüsengewebes durch plazentare Östrogene und Progesteron sowie kindliches Prolaktin. Die Schwellung und der milchige Ausfluss bilden sich bis zum 6. Lebensmonat vollständig zurück.
In der präpubertären Entwicklungsphase kommt es häufig zur einseitigen vorzeitigen Brustentwicklung (prämature Thelarche, Abschn. 4.1).
Der Beginn der Pubertät wird als Zeitpunkt definiert, zu dem erstmalig eine subareoläre Brustdrüsenknospe getastet werden kann (Tanner B2). Gelegentlich beginnt die Brustentwicklung nur einseitig. Bis zur Menarche ist im Normalfall die Symmetrie wiederhergestellt.
Auf Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen der Brust wird im Kapitel „Embryologie, Entwicklungsanomalien und Fehlbildungen des weiblichen Genitale und der Brust“ ausführlich eingegangen.

Genitale Fehlbildungen

Auch Fehlbildungen des weiblichen Genitale werden im o. g. Kapitel beschrieben.

Akzidentelle genitale Verletzungen

Unfälle beim Spielen mit stumpfer Gewalteinwirkung (Fahrradlenker, Geräteturnen) sind zumeist die Ursache genitaler Verletzungen.
Labienhämatome sind häufig und können eine erhebliche Größe annehmen. Seltener treten Scheidenverletzungen und Scheidenrisse durch Pfählungsverletzungen auf. Weitere Verletzungsmuster sind Labienabrisse oder Dammrisse.
Diagnostik
Die vorsichtige Inspektion des Genitale steht im Vordergrund. Zum Ausschluss einer Blasenverletzung sollte der Mittelstrahlurin untersucht werden oder eine Katheterisierung der Harnblase bzw. Zystoskopie (Narkose!) erfolgen. Zur Beurteilung des Verletzungsumfangs können eine Spekulumeinstellung/Vaginoskopie und die rektale Untersuchung in Narkose notwendig sein.
Therapie
Die Therapie ist abhängig vom Verletzungsmuster und dem Ausmaß der Verletzung. Bei Labienhämatomen kann primär eine konservative Therapie versucht werden (Kühlen, Antiphlogistika). Nimmt das Hämatom an Größe zu oder verursacht erhebliche Spannungsschmerzen, muss eine operative Hämatomausräumung in Narkose erfolgen. Auch bei Scheidenrissen, Labienabrissen und Dammrissen steht die operative Versorgung an erster Stelle.
Praxistipp
Der Tetanusimpfstatus muss überprüft und gegebenenfalls aufgefrischt werden.

Komplexe Krankheitsbilder in der kinder- und jugendgynäkologischen Sprechstunde

Hirsutismus

Hirsutismus
Hirsutismus ist ein abnormales Übermaß an terminalem Haarwuchs. Das pigmentierte Haar findet sich dabei an typisch männlichen Prädilektionsstellen wie Kinn, Wange, Oberlippe, vorderer Halspartie, Brust- und Sternalregion, im Bereich der medianen Schweißrinne und perimamillär. Die Pubesbehaarung ist nicht trigonal begrenzt und geht auf den Unterbauch und die proximalen Oberschenkel über.
Hirsutismus ist ein androgenetisches Symptom und tritt häufig mit anderen androgenetischen Veränderungen auf wie Akne, Alopezie oder Haarverlust im Scheitelbereich und Virilisierungszeichen (Klitorishypertrophie, Stimmveränderung).
Pathophysiologie
Der Androgenexzess kann ovariell (androgenproduzierender Tumor, PCOS) oder adrenal (Tumor, CAH, Cushing-Syndrom) bedingt sein. Idiopathischer Hirsutismus ist zwar eine verbreitete Diagnose, stellt jedoch eher den Ausnahmefall dar (z. B. familiärer idiopathischer Hirsutismus).
Diagnose
Mit dem Hirsutismus-Score nach Ferrimen und Gallwey (1961) oder der Einteilung nach Baron (1974) (Tab. 3) kann das Ausmaß der Behaarung dokumentiert und der Schweregrad für die Bestimmung des Therapieerfolges beurteilt werden. Laborchemisch sollten Gesamttestosteron, freies Testosteron und DHEAS bestimmt werden, bei Oligo- oder Amenorrhö zusätzlich auch FSH, TSH, HCG und Prolaktin. Erhöhte Level von 17-OH-Progesteron haben einen positiven prädiktiven Wert für eine CAH (Azziz und Zacur 1989). Zur weiteren Abklärung empfiehlt sich der ACTH-Kurztest. Besteht Tumorverdacht, kommen zusätzlich bildgebende Verfahren zum Einsatz (Ultraschall, MRT). Auf die Diagnostik eines PCOS wird nachfolgend eingegangen.
Tab. 3
Klinische Einteilung der Schweregrade des Hirsutismus nach Baron (1974)
Grad
Kennzeichen
Grad I (leichtgradig)
1
Vom Pubes dreieckig zum Nabel verlaufend
2
An der Oberlippe
3
Perimamillär
Grad II (mittelgradig)
 
Zusätzlich zu den Regionen 1–3
4
Am Kinn
5
An der Innenseite der Oberschenkel
Grad III (stark)
 
Zusätzlich zu den Regionen 1–5
6
Prästernal
7
Am Rücken
8
Am Gesäß
9
An den Schultern
Therapie
Therapieziel ist die Unterdrückung der Androgenproduktion und/oder Reduktion der Androgenwirkung in Kombination mit einer kosmetischen Behandlung.
Die therapeutischen Maßnahmen sind abhängig von der Ursache. Bei einem ovariellen Androgenexzess kommen am häufigsten orale monophasische Kontrazeptiva zum Einsatz, die neben Ethinylöstradiol ein antiandrogenes Gestagen enthalten. Durch diese Therapie werden die Gonadotropine supprimiert, die ovarielle Androgenproduktion gebremst und gleichzeitig die peripheren Androgenrezeptoren blockiert. Die Mädchen müssen aufgeklärt werden, dass diese Therapie primär der zukünftigen Haarentwicklung vorbeugt und das existierende Haar kosmetisch entfernt werden muss.
Zur Basistherapie werden 35 μg EE und 2 mg Cyproteronacetat (Diane 35®) verabreicht, bei starkem Hirsutismus kann die Dosierung der antiandrogenen Komponente noch erhöht werden (50–100 mg Cyproteronacetat [Androcur®] vom 5.–14.Zyklustag oder 300 mg Cyproteronacetat [Androcur-Depot®] parenteral). Generell ist bei 50–70 % der Mädchen mit dieser Behandlung eine Besserung erreichbar.
Die Behandlung einer kongenitalen adrenalen Hyperplasie (CAH) benötigt Dexamethason und wird vom Endokrinologen begleitet. Zur Therapie des PCOS wird auf den folgenden Abschnitt verwiesen.
Zusätzliche kosmetische Maßnahmen sind Rasur, Bleichen, Zupfen und vor allem die Epilation mit speziellen Lasern.

Juveniles PCO-Syndrom

Das polyzystische Ovarsyndrom (PCO-Syndrom, PCOS) ist die häufigste Endokrinopathie der Frau. Es hat eine Prävalenz von 2,5–8 % und weist eine multifaktorielle und polygenetische Ursache auf. Die Manifestation erfolgt bereits während der Adoleszenz (Franks et al. 2006).
PCO-Syndrom
Von den 3 kardinalen Merkmalen – Oligomenorrhö und/oder Anovulation, Hyperandrogenämie, polyzystische Ovarien – müssen wenigstens 2 Merkmale vorliegen, um von einem PCO-Syndrom zu sprechen (Rotterdam-Kriterien 2004).
Weitere Befunde sind Adipositas (70 %), Insulinresistenz (30 %) und erhöhte LH-Werte.
Pathomechanismus
Im Zentrum steht eine funktionelle, ovarielle Hyperandrogenämie (FOH), die durch Insulin und eine chronische LH-Stimulation unterhalten wird.
Diagnostik
45 % der Mädchen mit PCO hatten eine prämature Adrenarche und Pubarche. Daneben stellt ein niedriges Geburtsgewicht (SGA-Kinder) einen Risikofaktor für die Entwicklung eines PCOS dar (Ibanez et al. 2004).
Klinische Untersuchung mit Inspektion
Es lässt sich ein typischer Befund erheben mit vermehrter Körperbehaarung, Akne, ausgedünntem Kopfhaar, Übergewicht (BMI häufig >25) und viszeraler Körperfettverteilung (Taille-Hüft-Quotient >0,85).
Gynäkologische Untersuchung mit Sonografie
Das Ovar ist vergrößert mit einem Gesamtdurchmesser >30 mm, die Theca interna ist echodicht. Das Ovar zeigt ein typisches sonomorphologisches Bild mit mehr als 10 randständigen Follikeln mit einem Durchmesser unter 10 mm.
Hormonanalyse
Die Hormonanalyse erbringt eine Erhöhung von Testosteron, Androstendion und DHEAS bei vermindertem SHBG. Der LH/FSH-Quotient ist größer als 2. Die Diagnostik wird komplettiert durch einen 75-g-oralen Glukosetoleranztest und die Untersuchung des Fettstoffwechsels (LDL-, HDL-, Gesamtcholesterin, Triglyzeride). Zusätzlich zum oGTT lässt sich eine Insulinresistenz auch mit Hilfe des Homa-Index (Homeostasis Model Assessment Index) aus Nüchternglukose- und Nüchterninsulinwert diagnostizieren.
Therapie des juvenilen PCOS
Das PCO-Syndrom ist eine tiefgreifende metabolische Dysfunktion und erfordert eine mehrspurige Therapie.
Die wichtigsten Therapieziele beim PCOS sind eine Gewichtsreduktion, die Beseitigung der Hyperinsulinämie und Hyperandrogenämie sowie die Normalisierung des Fettstoffwechsels.
Die Gewichtsreduktion lässt sich nur durch eine Steigerung der körperlichen Aktivität (Ausdauersportarten) und Ernährungsumstellung erzielen. Bereits bei einer Abnahme des Körpergewichts um 5 % ist mit einer Zyklusnormalisierung und Minderung der Insulinresistenz zu rechnen.
Zusätzlich sollte zur Beseitigung der Hyperinsulinämie eine medikamentöse Therapie mit einem Insulin-Sensitizer wie Metformin (1- bis 3-mal 500 mg täglich, einschleichend dosieren) erfolgen. Cave: Der Einsatz des Metformins ist ein „off-label-use“. Durch die Therapie wird die Serumglukose gesenkt, die periphere Insulinwirkung verbessert und die Androgenproduktion in den Ovarien effektiv vermindert.
Hinsichtlich der Östrogen/Androgen-Imbalance und der LH-Dominanz sollte eine Suppression der Ovarien vorgenommen werden. Dazu eignen sich orale monophasische Kontrazeptiva mit einem niedrigen Ethinylöstradiolgehalt („Mikropille“) von 30 μg oder 20 μg sowie einem antiandrogen wirksamen Gestagen (Cyproteronacetat, Dienogest, Chlormadinon, Drospirenon), die im Langzyklus oder, besser noch als kontinuierliche Langzeiteinnahme verabreicht werden. Die zyklische Einnahme ist unzureichend, weil kein therapeutischer Einfluss auf das Ovarvolumen und auf die Zahl und Anordnung der Follikel besteht, da im einnahmefreien Intervall immer wieder die Androgensynthese in den Ovarien auflebt (Mulders et al. 2005). Ethinylöstradiol hebt das SHBG an, Progestagene mindern die ovarielle Aktivität und Hyperandrogenämie.
Die juvenile PCO-Patientin muss engmaschig betreut, therapeutisch begleitet und motiviert werden. Nur so lässt sich ein langfristiger Therapieerfolg in Hinblick auf Fertilität und Entwicklung eines metabolischen Syndroms erzielen.

Übergewichtige und adipöse Mädchen

Übermäßiges Körpergewicht ist die häufigste ernährungsabhängige Gesundheitsstörung bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland (S3-Leitlinie Therapie der Adipositas im Kindes- und Jugendalter (o. J.)).
Übergewicht und Adipositas
Zur Definition von Übergewicht und Adipositas wird der BMI herangezogen. Durch Wachstum und Pubertätsentwicklung unterliegt der BMI alters- und geschlechtsspezifischen Veränderungen, daher sollten alters- und geschlechtsbezogene BMI in Form von populationsspezifischen BMI-Perzentilen benutzt werden. Übergewicht liegt vor, wenn das 90. alters- und geschlechtsspezifische Perzentil überschritten wird; zur Definition der Adipositas dient das 97. Perzentil als Grenzwert.
Ursachen
Neben genetischen Faktoren werden insbesondere soziale und soziokulturelle Faktoren diskutiert, die einen starken Einfluss auf das Ess- und Bewegungsverhalten in der Familie ausüben. Beispiele dafür sind veränderte familiäre Strukturen, ethnische Zugehörigkeit oder ein niedriger sozialer Status. Sie alle führen zu ungünstiger Ernährungsweise und mangelnder körperlicher Bewegung. Kommt es zu einem Missverhältnis von aufgenommener zu verbrauchter Energie, mündet dies langfristig in einer vermehrten Ansammlung von Körperfett.
Folgen der juvenilen Adipositas
Die übermäßige Fettakkumulation insbesondere bei androider Fettverteilung (Taille/Hüft-Quotient >0,85) geht gehäuft mit Insulinresistenz, gestörter Glukosetoleranz und pathologischem Fettstoffwechsel einher. Adipositas führt zu einer erhöhten Rate an Oligo- und Amenorrhöen. Nahezu 1/5 aller adipösen Mädchen entwickeln ein juveniles PCO-Syndrom.
Überernährung verkürzt die Lebenserwartung und erhöht die Disposition für zahlreiche Erkrankungen: Glukoseintoleranz, Diabetes Typ 2, Insulin- und Leptinresistenz, Hypertonie, kardiovaskuläre Schäden, Dyslipidämien und Tumorerkrankungen (besonders Adenokarzinome).
Therapie
Wichtigste Therapieziele sind die Gewichtsreduktion durch regelmäßige körperliche (Ausdauer)Betätigung, die Umstellung der Ernährung und die Einbeziehung des familiären Umfeldes. In der Familie muss ein Problembewusstsein für Übergewicht und Adipositas geweckt werden. Eine interdisziplinäre Betreuung, Therapiebegleitung und Motivation kann die Rate des Therapieerfolges erhöhen.

Untergewichtige Mädchen

Untergewicht
Untergewicht liegt bei einem erniedrigten Körpergewicht mit einem BMI <19 vor.
Ursachen
Neben internistischen Erkrankungen (M. Crohn, Zöliakie) und konsumierenden Allgemeinerkrankungen führen bei den Heranwachsenden vor allem exzessiv betriebene Ausdauersportarten, Essstörungen (Anorexia nervosa, Bulimia), gezügeltes Essen und häufige Diäten zum Untergewicht. Essstörungen haben in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Medien, gesellschaftlicher Druck und ein allgemein akzeptiertes „schlankes Schönheitsideal“ treiben junge Mädchen zu einem übermäßig gesteigerten Interesse am eigenen Körper und übersteigerter Körperkritik. In der psychisch labilen Phase der Pubertätsentwicklung und Adoleszenz bilden sich dann entwicklungspsychiatrische Störungen wie Anorexia nervosa und Bulimie heraus.
Folgen des Untergewichts in Pubertät und Adoleszenz
Der ständige Kalorienverlust sowie die Reduktion des Leptins bei niedrigem Körpergewicht und gesteigerter körperlicher Leistung vermindert die GnRH-Pulsatilität. Zunächst kommt es zu Lutealphasendefekten, dann zu anovulatorischen Zyklen und später zur hypoöstrogenen, hypothalamischen Amenorrhö. Dauert die Amenorrhö mehr als ein halbes Jahr an, resultiert ein Verlust an Knochenmasse. Der Östrogenmangel beeinflusst auch Antrieb und Grundstimmung und führt zu Adynamie und Depressivität.
Therapie
Die Therapie von Essstörungen gehört in die Hand erfahrener Psychotherapeuten und Psychiater. Im multidisziplinären Kontext kann bei hypoöstrogener Amenorrhö eine hormonelle symptomatische Substitutionsbehandlung mit Östradiol und einem Progesteron oder Progestagen erfolgen.

Kleinwüchsige Mädchen

Die Beurteilung des Wachstums setzt aktuelle, möglichst regional erstellte Wachstumsnormdaten voraus.
Kleinwuchs
Ein Kleinwuchs liegt vor, wenn sich die Ist-Größe unter der 3. Perzentile der altersgemäßen Wachstumsverlaufskurve befindet bzw. wenn die Körperhöhe um mehr als 2 Standardabweichungen gegenüber der Altersnorm vermindert ist.
Ursachen
Primärer Kleinwuchs
Neben familiärem Kleinwuchs und primordialem Kleinwuchs gehen Skelettdysplasien und Chromosomenanomalien (Trisomie 21, Ullrich-Turner-Syndrom) mit Kleinwuchs einher. Mädchen mit Ullrich-Turner-Syndrom sind meist von Geburt an klein, und ein nennenswerter pubertärer Wachstumsschub tritt aufgrund der Gonadendysgenesie nicht ein. Unbehandelt liegt ihre Endgröße bei ca. 145 cm.
Sekundärer Kleinwuchs
Mangel- und Fehlernährung, chronische Organ- und Stoffwechselerkrankungen (M. Crohn, Zöliakie, Niereninsuffizienz, Mukoviszidose) bedingen eine Wachstumsverlangsamung. Auch Hormonmangelzustände wie eine erworbene Hypothyreose und Wachstumshormonmangel führen zu Kleinwuchs. Bei Pubertas praecox oder der CAH wird das Wachstum zwar zunächst beschleunigt, durch eine gleichzeitige Beschleunigung der Knochenreifung kommt es jedoch zum verfrühten Verschluss der Wachstumsfugen, sodass die zunächst hochwüchsigen Kinder klein bleiben.
Dagegen ist die konstitutionelle Entwicklungsverzögerung eine Tempovariante des Wachstums und die Endgröße ist im Allgemeinen normal.
Therapie
Die Therapie der Wachstumsstörungen liegt in der Hand des pädiatrischen Endokrinologen. Die Therapie bei Pubertas praecox wird in Abschn. 4.1 beschrieben. Zur Verbesserung des Wachstums und der Endgröße beim Ullrich-Turner-Syndrom wird spätestens ab dem 6.–8. Lebensjahr mit einer Wachstumshormontherapie begonnen, wodurch mit einem durchschnittlichen Größengewinn von 10 cm gerechnet werden kann. Quelle ändern: AWMF Leitlinie Kleinwuchs 2016
Praxistipp
Zu Beginn der späteren Pubertätsinduktion sollte eine Größe von 140–150 cm und optimal ein Knochenalter von 11–12 Jahren erreicht worden sein.
Neben der kontinuierlichen Gabe von Östradiol in ansteigender Dosierung eignen sich als Gestagene Chlormadinon, Dydrogesteron und Progesteron (Ranke und Dörr 2008).
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