Jede intraabdominelle Infektion ist therapiepflichtig, und zwar a) konservativ (nur medikamentös antimikrobiell), b) interventionell (zusätzliche sonografisch/CT-gesteuerte Drainage-Anlage), c) chirurgisch (zusätzliche Laparoskopie/Laparotomie). Die antimikrobielle Therapie muss spätestens zum Zeitpunkt der Diagnosestellung oder der Feststellung der Wahrscheinlichkeit einer Peritonitis beginnen. Im Rahmen der primären Intervention muss entzündliches abdominelles Sekret zur mikrobiologischen Untersuchung konserviert werden. Im Verlauf sind die regelmäßige mikrobiologische Untersuchung des abdominellen Sekretes (Wechsel des Keimspektrums oder des Resistenzmusters?) und die Überprüfung der klinischen Effizienz der antimikrobiellen Therapie unerlässlich. Die örtliche und zeitliche Effizienz der Fokussanierung („source control“) ist die zentrale Determinante der Letalität und der im Überlebensfalle zu erwartenden dauerhaften Morbidität (kognitive, muskuloskeletale und pulmonale Defizite).
Intraabdominelle Infektionen stellen – besonders, wenn sie mit einem Organversagen vergesellschaftet sind – für die nationalen Gesundheitssysteme eine große Herausforderung dar. In Deutschland entwickeln jährlich etwa 30 000 Patienten eine schwere Peritonitis, wobei ein Drittel der Fälle postoperativ als Folge einer spezifischen Komplikation auftritt. 2/3 dieser postoperativen Peritonitiden beruhen auf einer Anastomoseninsuffizienz. Die Letalität stagniert dabei trotz mittlerweile hoher Standards in der Behandlungsqualität seit vielen Jahren auf hohem Niveau (Diener und Büchler 2017; Knaebel et al. 2005; Sartelli et al. 2013).
Definitionen
Intraabdominelle Infektionen werden entsprechend der International Sepsis Forum Consensus Conference definiert. Generell versteht man unter einer intrabdominellen Infektion die Infektion eines beliebigen intraabdominellen Organs, mit oder (selten) ohne Beteiligung des darüber liegenden Peritoneums. Eine komplizierte intraabdominelle Infektion liegt dann vor, wenn die Infektion die anatomische Grenze des Hohlorgans überschritten und auf die Peritonealhöhle übergegriffen hat. In einem solchen Fall kann entweder ein intraabdomineller Abszess oder eine Peritonitis resultieren (Bartels 2009; Sartelli et al. 2013, 2014; Calandra und Cohen 2005).
Eine Einteilung der Peritonitis ist entsprechend ihrer Ursache möglich. Unterschieden werden dabei ambulant erworbene von nosokomialen Peritonitiden (z. B. Peritonitis auf der Basis einer Ulkus-Perforation bzw. einer postoperativen Anastomoseninsuffizienz), ferner bakterielle, chemisch-toxische sowie radiogene Peritonitiden, sowie primäre, sekundäre sowie tertiäre Peritonitiden (Tab. 1) (Sartelli et al. 2014).
Eine primäre Peritonitis entsteht nicht durch eine makro-anatomische Störung im Gastrointestinaltrakt, sondern durch molekularbiologische Mechanismen (intestinale Translokation von Mikroorganismen, hämatogene Streuung aus anderen extraabdominellen Infektherden, „sterile“ Pseudoperitonitis bei Diabetes mellitus oder Lupus Erythematodes). Häufigste Ursache ist die alkoholischer Leberzirrhose (ca. 70 %), eine reduzierte Abwehrlage aus anderer Ursache (ca. 30 %) und in Einzelfällen juvenile Sonderformen.
Eine sekundäre Peritonitis entsteht aus einer anatomischen Störung im Gastrointestinaltrakt und ist durch eine Keim-Kontamination der Bauchhöhle gekennzeichnet (beispielsweise aus einer Perforation, Anastomoseninsuffizienz, penetrierenden Verletzung oder ischämischen Nekrose). Die sekundäre Peritonitis stellt die häufigste Form der Peritonitis dar (80–90 % der Fälle), und ist bei etwa 25 % der septischen Patienten die Ursache der Infektion. Unterschieden wird dabei die ambulant erworbene (Ulkusperforation) von der nosokomialen (Anastomoseninsuffizienz) sekundären Peritonitis (Pieracci und Barie 2007; Sartelli et al. 2014; Hartl et al. 2011).
Bei einer tertiären Peritonitis handelt sich um eine chronische intraabdominelle Infektion, bei der kein umschriebener intraabdominelle Fokus mehr vorliegt. In der Regel finden sich dann sekundäre Infektionen mit multiresistenten Keimen wie Pseudomonas aeruginosa, Enterococcus faecium, bzw. mit opportunistischen Mikroorgansimen (Pilzen), und die tertiäre Peritonitis ist auch immer Ausdruck einer gestörten immunologischen Abwehr.
Eine Einteilung der Peritonitiden ist auch durch die Art des vorherrschenden Exsudats (fibrinös, eitrig, gallig, kotig) und durch die Ausdehnung (Ober-/Unterbauch; Ein-/Mehrquadrantenperitonitis, diffus, abszedierend) möglich.
Die häufigste Quelle einer intraabdominellen Infektion ist das Kolon, gefolgt vom Magen, der Bauchspeicheldrüse, dem Dünndarm und der Appendix. Ambulant erworbene intraabdominelle Infektionen gehen am häufigsten von Appendix, Kolon und Magen aus (Tab. 2), bei nosokomialen intraabdominellen Infektionen ist meistens eine insuffiziente Anastomose nach resezierenden gastrointestinalen Eingriffen die Ursache. Möglich sind jedoch auch spontane komplizierte Infektionen bei Patienten aus anderen Fachgebieten. 5 – 10 % der intestinalen Anastomosen sind durch eine postoperative Dehiszenz kompliziert, die dann zur Peritonitis führt. Im Vergleich zu ambulant erworbenen Infektionen sind nosokomiale intraabdominelle Infektionen signifikant öfter mit Keimen assoziiert, die gegen konventionelle Antibiotika resistent sind.
Tab. 2
Ursachen der Peritonitis (nach Stocker et al. 2020)
Ursprung der Peritonitis
Weltweit
(68 Zentren)
Deutschland, Österreich, Schweiz
(18 Zentren)
Appendix
33 %
21 %
andere
19 %
9 %
Gallenblase
15 %
5 %
Magen und Duodenum
13 %
27 %
Dickdarm
12 %
25 %
Dünndarm
8 %
13 %
Erscheinungsbild
Klinisch äußert sich eine Peritonitis als akutes Abdomen, welches vier Komponenten aufweist: a) Abdominalschmerz (reichend vom Druckschmerz nur bei tiefer Palpation bis hin zum Schmerz nur bei leichtem Beklopfen der Bauchdecke), b) Abwehrspannung (im Frühstadium nur bei Palpation, im Spätstadium als Dauerzustand einer reflektorischen muskulären Kontraktion an der Bauchdecke („bretthartes Abdomen“), c) körperliche Schonhaltung und d) paralytischer Ileus (diffus oder mit Hauptbefall im Kolon („Ogilvie-Syndrom“)) mit abgeschwächten Darmgeräuschen, abdomineller Distension, tympanitischem Klopfschall, Erbrechen und Stuhlverhalt (Bartels 2009; Stocker et al. 2020).
Molekularbiologisch ist die Peritonitis in der Akutphase durch eine Aktivierung des unspezifischen Immunsystems gekennzeichnet, welche auf einfachem Weg physikalisch (Körpertemperatur) und laborchemisch (serologische Konzentration von Interleukin-6, Leukozyten, Granulozyten, C-reaktivem Protein (CRP)) fassbar ist. Die Konzentration der serologischen Marker ist dabei durch eine spezifische zeitliche Dynamik gekennzeichnet, wobei Veränderungen der Interleukin-6-Konzentration am schnellsten, und der CRP-Konzentration am langsamsten in Erscheinung treten.
Aus therapeutischer Sicht außerordentlich wichtig ist die Erfassung von sekundären, inflammatorisch bedingten Organfunktionsstörungen (Enzaphalopathie im Sinne von Somnolenz oder Verwirrtheit/Aggression, Oxygenierungsstörung, Kreislaufschock, akutem Nierenversagen).
An erster Stelle steht eine gründliche Erhebung der Anamnese, die bereits bei vielen Peritonitis-Bildern einen eindeutigen Hinweis auf die wahrscheinlichste Ursache, und damit auf die Therapie geben kann (z. B. enger zeitlicher Abstand zur Anlage einer intestinalen Anastomose). Parallel dazu erfolgt die sorgfältige körperliche Untersuchung des Abdomens und der spezifischen Organfunktionen. Laborchemische/physikalische Untersuchungen schließen sich an, wobei zum einen die Dokumentation des allgemeinen Inflammationsausmaßes erfolgt, zum anderen auch differenzialdiagnostisch relevante Parameter (Pankreas-/Gallengangs-/Darmfunktion) bestimmt werden.
An zweiter Stelle steht der Einsatz von einfachen bildgebenden Verfahren. Sonografisch können unspezifische, jedoch deutlich pathologische Befunde (freie intraabdominelle Flüssigkeit), aber auch spezifische pathologische Befunde an der Galleblase, Gallengängen, Pankreas und am Urogenital-System mit hoher Treffsicherheit identifiziert werden. Bei Nachweis von ausreichend freier intraabdomineller Flüssigkeit sollte eine sonografisch gesteuerte Punktion erfolgen mit dem Ziel, morphologisch abnormale Flüssigkeit (Darminhalt) oder biochemisch abnormale Flüssigkeit notfallmäßig nachzuweisen (entzündlichem Exsudat mit Nachweis einer erhöhter Granulozytenkonzentration, Kontamination durch Darminhalt mit Nachweis von pathologischer Amylase-/Lipasekonzentration, Kontamination durch Galleflüssigkeit mit Nachweis von pathologischer Bilirubinkonzentration, Kontamination durch Urin mit Nachweis von pathologischer Harnstoff-/Kreatininkonzentration). Ferner kann so eine frühzeitige mikrobiologische Diagnostik erfolgen. Durch radiologische Untersuchungen kann ein Luftaustritt aus Hohlorganen oder ein Ileus-Bild (Abdomen-Leeraufnahme im Stehen oder in Linksseitenlage) dokumentiert werden. Ein Dickdarmileus/Kolonüberblähung (Abb. 1) kann auch bei nicht-stehfähigen Patienten dokumentiert werden (Abdomen-Leeraufnahme im Liegen in anterior-posterior Technik).
×
An dritter Stelle steht (in der Regel nur indiziert bei weiterhin bestehender diagnostischer Unsicherheit) die erweiterte radiologische Diagnostik (abdominelle Computer-Tomographie mit Kontrastmittel bzw. abdominelle CT-Angiografie, z. B. zum Ausschluss einer Abszess-Bildung oder schweren intestinalen Perfusionsstörung (Abb. 2a, b)) sowie in speziellen Fällen (Dickdarm-Ileus) die endoskopische Diagnostik (z. B. zum Ausschluss einer Tumor-Obstruktion).
×
Bei unklarem Krankheitsbild müssen neben dem Viszeralchirurgen weitere Spezialisten (Gynäkologe, Urologe, Kardiologe) hinzugezogen werden, um Differenzialdiagnosen in den einzelnen Fachgebieten (Hinterwandinfarkt, basale Pneumonie, Erkrankungen des Ovars oder der Harnwege) sicher nachzuweisen oder ausschließen zu können.
Einen Sonderfall stellt die Diagnostik der Peritonitis beim bereits intensivmedizinisch therapierten Patienten dar. Im Gegensatz zum nicht-intensivpflichtigen Patienten kann hier die körperliche Untersuchung nur bedingt aussagekräftig sein (Analgosedierung, Relaxierung), und auch die spezifische inflammatorische Diagnostik kann durch zeitgleiche entzündliche Prozesse in anderen Kompartimenten (nosokomiale Pneumonie) überlagert sein.
Unter diesen Bedingungen kommt der mikrobiologischen, operativen und intensivmedizinischen Anamnese (Ausmaß und Entwicklung des Organversagens), und der Schnittbildgebung eine zentrale Bedeutung zur Diagnosefindung und Indikationsstellung zu. Eine enge Kommunikation zwischen dem operativen Spezialisten (Viszeralchirurg, Urologe, Gynäkologe) und dem Intensivmediziner ist dabei unerlässlich, um zu einer richtigen Diagnose zu gelangen.
Können in der Diagnostik keine eindeutigen richtungsweisenden Befunde erhoben werden (vor allem im Hinblick auf den sicheren Ausschluss eines intraabdomiellen entzündlichen Prozesses), so ist vom Vorliegen einer Peritonitis auszugehen und eine entsprechende Therapie zu initiieren.
Therapie
Jede intraabdominelle Infektion ist therapiepflichtig. Konzeptionell stehen drei Verfahren zur Auswahl: a) konservativ (nur medikamentös antimikrobiell), b) interventionell (medikamentös antimikrobiell + sonografisch/CT-gesteuerte Drainage-Anlage), c) chirurgisch (medikamentös antimikrobiell + Laparoskopie/Laparotomie) (Hartl und Kuppinger 2015). Ziel der Therapie ist die Sanierung der Infektionsquelle (Fokussanierung) und Beseitigung bzw. effektive Ableitung des entzündlichen Exsudats. Die Auswahl des therapeutischen Konzeptes hängt ab von der Lokalisation des die Peritonitis auslösenden Fokus, dem Ausmaß der systemischen inflammatorischen Reaktion, und dem Ausmaß und der Entwicklung des Organversagens. Zwei Grundsätze sind zu berücksichtigen: a) je größer das Ausmaß des Organversagens ist, desto aggressiver sollte die Therapie sein, b) je schneller die Therapie eingeleitet wird, umso geringer sind die konsekutive Morbidität und Letalität (akut, aber auch im Langzeitverlauf).
Antimikrobielle Therapie
Erregerspektrum
Die Wahl der initialen antimikrobiellen Therapie orientiert sich ganz wesentlich an der zu erwartenden mikrobiellen Flora, die den Infekt auslöst (Kramer et al. 2017). Die Zusammensetzung der mikrobiologischen Flora im Gastrointestinaltrakt ist je nach Abschnitt unterschiedlich. Im Nasen-Rachen-Raum sind hauptsächlich Streptokokken und andere gram-positive Keime zu finden, Magen und Duodenum sind dagegen weitgehend steril. Den restlichen Intestinaltrakt, also distaler Dünndarm, Kolon und Rektum, besiedeln vorherrschend enterische aerobe Gram-negative und Gram-positive Keime (Enterokokken oder E.coli) und anaerobe Gram-negative Mikroorganismen. Letztere nehmen prozentual vom proximalen Dünndarm zum Kolon hin in ihrer Häufigkeit zu, und sind im Kolon die dominanten Keime. Interessanterweise entspricht das Keimspektrum, welches in infizierten Pankreasnekrosen vorherrscht, dem des Dickdarms. Eine mögliche Erklärung dafür ist das Phänomen der intestinalen Translokation, durch das Keime aus dem Intestinaltrakt in das Retroperitoneum inklusive Pankreas eindringen können.
Die meisten intraabdominellen Infektionen sind polymikrobisch, dabei sind enterische Gram-negative Bakterien am häufigsten an der Infektion beteiligt. Die Empfindlichkeit dieser Mikroroganismen gegenüber gängigen Antibiotika (Fluorchinolone und β-Lactam-Antibiotika) nimmt derzeit weltweit ab, wobei jedoch gleichzeitig die Prävalenz etablierter multiresistenter Gram-negativer Keime (Pseudomonas aeruginosa oder Acinetobacter baumannii) zunimmt. 2017 waren durchschnittlich 9,5 % der Patienten bei Aufnahme in ein Krankenhaus mit multiresistente gram-negativen Bakterien (vor allem 3MRGN) kolonisiert. Mit dem Auftreten von Carbapenemasen – insbesondere bei Klebsiella pneumoniae – werden in Deutschland vermehrt auch 4-MRGN-Enterobakterien nachgewiesen (Hamprecht et al. 2016; Kaase et al. 2016).
Bei etwa 10 % der intraabdominellen Infektionen können anaerobe Bakterien wie Bacteroides spp. und Clostridium spp. isoliert werden, die als eindeutig pathogen anzusehen sind. Meistens finden sich Anaerobier im distalen Dünndarm und im Kolon, sie können teilweise aber auch aus den proximaleren Abschnitten des Gastrointestinaltrakts isoliert werden. Die Kultivierung dieser Keime ist dabei jedoch zum einen technisch schwierig, zum anderen kommt es häufig zu Kontaminationen bei der Probengewinnung oder zur Exposition gegenüber atmosphärischem Sauerstoff, sodass die Rolle der Anaerobier als Auslöser der Infektion oft fälschlicherweise unterschätzt wird.
Gram-positive Bakterien sind die Ursache von etwa 10 – 20 % der intraabdominellen Infektionen, häufiger bei nosokomialen Fällen. Zu dieser Erregergruppe gehören unter anderem Staphylokokken und Enterokokken, wobei die Bedeutung der Enterokokken als Infekt-auslösendes Agens kontinuierlich zunimmt. Auch hier ist eine Zunahme der Häufigkeit multiresistenter Mikroorganismen zu beobachten. 2020 waren durchschnittlich 1 % der Patienten bei Aufnahme in ein Krankenhaus mit multiresistenten Enterokokken (VRE) kolonisiert (Bui et al. 2021).
Pilze sind bei immunkompetenten Patienten selten die Ursache einer intraabdominellen Infektion, auch wenn bei bis zu 20 % der Patienten mit akuter gastrointestinaler Perforation Candida spp. in der peritonealen Flüssigkeit angezüchtet werden kann. Bestimmte Ausgangspunkte einer Infektion (oberer Gastrointestinaltrakt, Pankreasnekrose) sind überproportional häufig mit einem Nachweis von Candida spp assoziiert. Fest steht, dass bei Patienten mit nosokomialen intraabdominellen Infektionen die Isolierung von Pilzen ein prognostisch ungünstiges Zeichen ist. Die Letalität von intensivpflichtigen Patienten mit Peritonitis und Nachweis von Candida spp. überschreitet 50 %. Auch bei Candida ssp- scheint eine Verschiebung weg von empfIndlichen (C. albicans) hin zu resistenteren (Nicht-Candida-albicans-spp.) Mikroorganismen stattzufinden (Zunahme der Azol- und Echinocandinresistenz), und Pilze scheinen (möglicherweise bedingt durch die zunehmende Komorbidität der Patienten) auch zunehmend Auslöser peritonealer Infektionen zu sein (Bassetti et al. 2017).
In etwa einem Viertel der Fälle mit sekundärer Peritonitis wird der intraabdominelle Erreger auch im Blut gefunden. Bakteriämien erhöhen die Letalität signifikant. Bei Bakteriämie besteht die unbedingte Indikation zur resistenzgerechten antimikrobiellen Therapie, da über diesen Ausbreitungsweg sekundäre nosokomiale Infekte (Harnwegsinfekte, Pneumonien) entstehen können. Derartige Sekundärinfekte sind dann auch mit erhöhter Wahrscheinlichkeit durch multiresistente Keime bedingt, wodurch sich Morbidität und Letalität weiter verschlechtern.
Empirische antimikrobielle Therapie
Die antimikrobielle Therapie muss spätestens zum Zeitpunkt der Diagnosestellung oder der Feststellung der Wahrscheinlichkeit einer Peritonitis (d. h., u. U. bereits in der Notaufnahme) beginnen (Sablotzki et al. 2011). In der Regel ist zu diesem Zeitpunkt die Art der Infekt-auslösenden Keime noch nicht bekannt. Die Auswahl der Medikamente zur empirischen antimikrobiellen Therapie bei Peritonitis muss sich deswegen zunächst am zu erwartenden spezifischen Keimspektrum einer individuellen Klinik orientieren, und kann nur in Zusammenarbeit mit dem Mikrobiologen und Operateur erfolgen. Speziell zu berücksichtigen ist auch das individuelle Risikoprofil eines Patienten (Tab. 3). Die Auswahl des geeigneten Medikamentes richtet sich nach der individuellen Konstellation. Die üblicherweise zu erwartende Wirksamkeit der in Frage kommenden Präparate findet sich in Abhängigkeit von der Art der Peritonitis in den Tab. 4, 5, 6 und 7 (Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie 2018).
Tab. 3
Risikofaktoren für das Vorhandensein multiresistenter Erreger (MRE = 3MRGN, 4MRGN, MRSA, VRE) bei Bauchrauminfektionen (nach Empfehlungen der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e.V. (PEG))
Postoperative Peritonitis
Tertiäre Peritonitis
Antibiotikavortherapie anderer Erkrankungen (z. B. infizierter diabetischer Fuß)
Verlegung aus Land/Region mit hoher Prävalenz resistenter Erreger
Patienten mit häufigen Auslandsreisen in Länder mit hoher MRE-Prävalenz
Therapieempfehlungen zur Initialtherapie der verschiedenen Formen der primären Peritonitis (nach Empfehlungen der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e.V. (PEG))
Empfehlungen zur Initialtherapie der verschiedenen Formen der sekundären und tertiären Peritonitis (nach Empfehlungen der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e.V. (PEG))
Diagnose
Häufige Erreger
Therapieempfehlung
Tagesdosis
Therapiedauer
Ambulant erworben, keine Perforation, minimale Peritonitis, kreislaufstabil, kein MRE-Risiko (Bsp.: phlegmonöse Appendizitis)
Aufladungsdosis erforderlich, keine Monotherapie im septischen Schock
Tab. 6
Kalkulierte Antibiotika-Therapie bei nekrotisierender Pankreatitis und intraabdominellen Mykosen (nach Empfehlungen der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e.V. (PEG))
1Aufladungsdosis erforderlich, keine Monotherapie im septischen Schock
2Aufladungsdosis erforderlich
Tab. 7
Kalkulierte Antibiotika-Therapie bei intraabdomineller Infektion mit Verdacht auf multiresistente Erreger (nach Empfehlungen der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e.V. (PEG))
+ Kombination mit Antibiotikum zur Erfassung gramnegativer und anaerober Spezies erforderlich
1keine Monotherapie
2Einsatz nur sinnvoll bei lokalen Empfindlichkeitsraten >90 %
Bei der ambulant erworbenen Peritonitis müssen resistente Spezies nur bei ambulant mit Antibiotika vorbehandelten Patienten und beim Vorliegen anderer spezieller Risikofaktoren (siehe Tab. 3 und 5) berücksichtigt werden. Der (einmalige) Nachweis von Candida spp. im intraoperativ gewonnenen Material bedarf in Abwesenheit einer relevanten Organdysfunktion und eines immunologischen Defizits keiner antimykotischen Therapie. Substanzen oder Kombinationen mit einem breiten Wirkungsspektrum sollten nur zur Therapie einer bereits mehr als 2–4 Stunden andauernden, diffusen Peritonitis eingesetzt werden.
Eine Sonderform der nosokomial erworbenen sekundären Peritonitis ist die postoperative Peritonitis (z. B. Anastomoseninsuffizienz nach anteriorer Rektumresektion). Viele Patienten sind zum Zeitpunkt der Erkrankung bereits antimikrobiell vorbehandelt. Daher ist bei der postoperativen Peritonitis mit einem selektionierten Erregerspektrum zu rechnen (inklusive VRE, ESBL-Bildnern und Pilzen. Pseudomonas spp. und Carbapenemase-Bildner sind (bisher) initial noch selten nachzuweisen.
Die tertiäre Peritonitis weist aufgrund der antimikrobiellen Vorbehandlung ein ähnliches Erregerspektrum auf wie die sekundäre postoperative Peritonitis. Allerdings sind Pseudomonas spp. und Candida spp. bei einer tertiären Peritonitis etwas häufiger nachzuweisen. In Grundsätzen entspricht die antimikrobielle Therapie der der nosokomialen Peritonitis (Tab. 5). Ist eine intraabdominelle invasive Mykose bei nosokomialer sekundärer/tertiärer Peritonitis gesichert, so besteht die Indikation zur gezielten Therapie (Tab. 6).
Eine weitere Sonderform der nosokomial erworbenen sekundären Peritonitis ist die nekrotisierende Pankreatitis, bei er es im Verlauf durch Translokation von Erregern aus dem Kolon in das peripankreatische Gewebe zur sekundären Infektion kommen kann. Eine generelle Gabe von Antibiotika wird aktuell nicht empfohlen, da dadurch eher resistente Erreger und Candida spp. selektioniert werden. Eine sichere Indikation für eine Antibiotikaherapie besteht jedoch bei dokumentiertem Keimnachweis. Die wichtigsten Erreger bei infizierten Pankreasnekrosen sind Enterobacteriaceae, Enterokokken, Staphylokokken, Anaerobier und Candida spp., wobei bei der Auswahl geeigneter Antibiotika speziell die Pankreasgängigkeit der Medikamente zu berücksichtigen ist (Tab. 6).
Zielgerichtete antimikrobielle Therapie
Im Rahmen der primären Intervention muss entzündliches abdominelles Sekret zur mikrobiologischen Untersuchung konserviert werden. Entsprechende Keim-Nachweise und Empfindlichkeiten sind trotz modernster Technik jedoch nicht vor Ablauf von 24 bis 48h, teilweise auch deutlich später verfügbar. Es ist davon auszugehen, dass die vorbestehende empirische antimikrobielle Therapie bei ungefähr 20–30 % der Patienten dann nicht adäquat ist. In der Regel ist eine inadäquate empirische antibiotische Therapie mit einer erhöhten Letalität assoziiert, wobei jedoch nicht zwangsläufig eine kausale Beziehung zwischen einer unzulänglichen empirischen antibiotischen Therapie und einer erhöhten Letalität bestehen muss. Ein typischer Kandidat für solch eine Assoziation wäre Candida spp., dessen Nachweis eher ein vorbestehendes Immundefizit anzeigt.
Aktuelle Leitlinien empfehlen, die empirische Therapie dem im Verlauf tatsächlich nachgewiesenen Keimspektrum anzupassen (durch Austausch der Medikamente bei Resistenz, oder durch Absetzen bei fehlendem Keimnachweis) (Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie 2018). Im Verlauf sind zwei weitere Maßnahmen unerlässlich: a) die regelmäßige mikrobiologische Untersuchung des abdominellen Sekretes (Wechsel des Keimspektrums oder des Resistenzmusters?) und b) die Überprüfung der klinischen Effizienz der antimikrobiellen Therapie. Bei Infektpersistenz (> 5–6 Tage) ist – trotz mikrobiologisch nachgewiesener Keimempfindlichkeit – von einer klinischen Unwirksamkeit der antimikrobiellen Therapie auszugehen. In einer solchen Situation sollte die Therapie modifiziert werden (Wechsel der verwendeten Medikamenten-Klasse). In Extremfällen (z. B. Infektpersistenz bei gleichzeitig fehlendem Keimnachweis) kann auch ein temporärer kompletter Therapieverzicht bis zum Erhalt neuer, spezifischer Befunde angezeigt sein.
Anatomische Therapie (Hartl und Kuppinger 2015; Bartels 2009; Strobel et al. 2011)
Nicht-invasive Therapie
Domaine der nicht-invasiven Therapie ist die primäre Peritonitis. Auch spezifische chirurgische Krankheitsbilder wie die akute Appendizitis im Erwachsenenalter bzw. die Ulkusperforation können konservativ behandelt werden, falls lokale Komplikationen (Abszess, freie Flüssigkeit), ein Organversagen, und eine (speziell immunsuppressive) Komorbidität fehlen.
Interventionelle Therapie
Domaine der interventionellen Therapie ist der isolierte umschriebene intraabdominelle Abszess. Wenn anatomische Defekte therapiert werden müssen oder wenn eine entsprechende Drainage nicht möglich ist (z. B. aufgrund vieler kleiner Abszesse) oder anatomisch nicht durchführbar ist (z. B. darüberliegender Darm), dann besteht eine Kontraindikation für ein perkutanes Verfahren.
Chirurgische Therapie in der Akutphase
Fokussanierung („source control“) ist seit Jahrtausenden ein etabliertes chirurgisches Prinzip („ubi pus, ibi evacua“), für das aufgrund der Effektstärke keine Beweisführung im Sinne der evidenzbasierten Medizin nötig ist (vergleichbar dem Fallschirm beim Sprung aus dem Flugzeug). Neuere Studien suggerieren jedoch, dass in vielen Fällen eine Antibiotikatherapie eine Operation zunächst vermeiden kann, jedoch – im Gegensatz zum operativen Vorgehen – oft nicht definitiv, und dann mit der Gefahr eines Rezidivs und dem Risiko des Entstehens einer jetzt schweren, und dann auch lebensbedrohlichen Infektion. Somit bleibt bis heute die Indikation zur Operation bestehen, wenn keine interventionellen Therapieoptionen bestehen, und wenn anatomisch auf diesem Weg eine Sanierbarkeit möglich erscheint. Die Antibiotikatherapie kann keine generelle Alternative zur chirurgischen Fokussanierung darstellen. Fast 90 % aller intraabdominellen Infektionen bedürfen primär einer chirurgischen Herdsanierung.
Eine laparoskopische Fokussanierung ist Standard bei der unkomplizierten Cholezystitis und Appendizitis, kann befundabhängig aber auch bei perforiertem Magenulkus oder perforierter Sigmadivertikulitis erfolgen. Ist die Fokuslokalisation unklar, und bestehen keine massiven morphologischen entzündlichen Veränderungen in der Bildgebung, dann kannprimär eine explorative Laparoskopie durchgeführt werden und das weitere Vorgehen dann abhängig vom Befund erfolgen. Eckpfeiler bei der Therapie der diffusen Peritonitis (speziell bei Hohlorganperforation) ist jedoch weiterhin die Laparotomie (Sablotzki et al. 2011; Sartelli et al. 2013).
Operatives Ziel bei der Behandlung der Peritonitis ist die Behebung der vorhandenen und Verhinderung einer weiteren Kontamination der Bauschhöhle. Die möglichst definitive Sanierung der Infektquelle durch eine möglichst umschriebene Operation steht dabei im Vordergrund. Die Lokalisation und Art des entzündlichen Fokus bestimmt die Wahl des chirurgischen Verfahrens. Auch hier gilt, dass die chirurgische Therapie umso aggressiver (bzw. sicherer) sein muss, je ausgeprägter das Risikoprofil des Patienten ist.
Speziell bei Perforationen kommt in Abhängigkeit vom Krankheitsschweregrad (Ausmaß der Komorbidität, des intraabdominellen Lokalbefundes und des Organversagens) ein Stufenschema zur Anwendung: a) Übernähung des Lecks oder Resektion des betroffenen Darmabschnittes mit Anlage einer Anastomose, b) wie bei a), jedoch zusätzlich Anlage eines vorgeschalteten doppelläufigen Anus präter, c) Diskontinuitäts – Resektion (Anlage eines endständigen Stomas mit Blindverschluss des distalen Darmendes, sog. Operation nach Hartmann), d) optimale parafokale Drainageanlage mit dem Ziel einer Fistelbildung. Bei Anastomosen-Insuffizienzen existieren ähnliche Eskalationsstrategien.
Bei gleichzeitiger diffuser Infektion sind vier zusätzliche Maßnahmen intraoperativ erforderlich. Dazu gehört a) die ausgiebige Spülung der Bauchhöhle mit dem Ziel, die Bauchhöhle von makroskopischen Rückständen des Kontaminats (Stuhl, Mageninhalt, Eiter, Galle etc.) und des entzündlichen Exsudats zu reinigen, und gleichzeitig eine Keimverdünnung herbeizuführen. Der Nutzen von antimikrobiellen Zusätzen ist dabei umstritten. Ferner sollte b) ein ausreichendes Debridement bzw. Nekrosektomie von abgestorbenem, infiziertem Gewebe (mesenteriales oder retroperitoneales Fettgewebe) erfolgen. Darüber hinaus müssen c) ableitende Drainagen (z. B. Easy-Flow-Drainagen) eingelegt werden, die speziell nach Anastomosenanlagen/Übernähungen auch das frühzeitige Erkennen von Insuffizienzen ermöglichen. Bei den chirurgisch nur sehr schwierig zu beherrschenden Leckagen an den Gallengängen bzw. am Pankreas sollte – unter der Voraussetzung einer genauen Platzierung dieser Drainagen – eine kontinuierliche intraabdominelle Dauerspülung erfolgen (mit dem Ziel einer kontinuierlichen Keim- und Enzymverdünnung). Bei der Anwendung derartiger Spülbehandlungen sind eine Reihe von Grundsätzen zu beachten:
Bei frischen Anastomosen/Übernähungen von Insuffizienzen sind Spülbehandlungen kontraindiziert, da sie die Verklebung im Wundbereich und damit die Abheilung behindern.
Vor Beginn der Spülung ist durch das sequenzielle manuelle Anspülen aller Drainage mit jeweils etwa 50cc zu prüfen, über welche Drainagen die instillierte Flüssigkeit am effektivsten abgeleitet wird (promptes Erscheinen der über eine Drainage instillierten Flüssigkeit in einer (oder mehreren) anderen Drainagen. Entsprechend dieser Ablauf-Effizienz werden zuführende und ableitende Drainagen festgelegt.
Bei korrekt platzierten Drainagen sollten so viele wie möglich an der Spülung teilnehmen (viele Zuläufe, ein Ablauf)
Als Einstiegsmenge sollte eine Flüssigkeitszufuhr von etwa 200 cc pro Stunde und Drainage gewählt werden.
Die genaue 8-stündige Dokumentation der Spülbilanz (Einfuhr minus Ausfuhr) ist unerlässlich, um eine „Nachlassen“ der Spülung rechtzeitig zu erkennen, und um bei positiver Spülbilanz die Ausbildung von Flüssigkeits-Verhalten zu verhindern. Bei einer negativen Spülbilanz kann die Flüssigkeitszufuhr auf bis zu 500 cc pro Stunde und Drainage gesteigert werden.
Die Menge der gesamten, über einen definierten Zeitraum zugeführten Spülflüssigkeit sollte immer etwa 10 % unter der Menge der über den gleichen Zeitraum abgeleiteten Flüssigkeit liegen.
Liegt die Menge der abgeleiteten Flüssigkeit unter 50 cc pro Stunde und Drainage, so sollte diese Drainage aus dem Spülkreislauf genommen werden (oder die Spülung ganz terminiert werden). Im Anschluss sollte der Wechsel auf eine Drainage-bezogene manuelle Intervall-Spültherapie erfolgen. Dazu muss geprüft werden, welche Flüssigkeitsmenge nach manueller Instillation von 30 cc über eine Drainage sofort wieder über die gleiche Drainage aspiriert werden kann. Die genaue Menge der im Verlauf zu applizierenden Flüssigkeitsmenge richtet sich dann nach der Menge der zu aspirierenden Flüssigkeit. Die manuelle Intervall-Spültherapie sollte drei Mal täglich mit jeweils fünf Aspirations-Zyklen durchgeführt werden, und sollte bei Aspirations-Volumina < 10 ml terminiert werden.
Bei mehrfach dokumentierter Keimfreiheit oder fehlendem Nachweis von Pankreas-Sekret bzw. Bilirubin in der abgeleiteten Flüssigkeit wird die Spültherapie beendet.
Werden Infektionen durch Mikroorganismen behandelt, die zur Biofilmbildung neigen (Pseudomonas), so sollte bei Infektpersistenz alle 2–3 Wochen ein perkutaner Drainagewechsel erfolgen. Dieser sollte idealerweise durch den Operateur unter Verwendung spezieller Katheter (Tiemann-Katheter) erfolgen, die – zeitlich in engem Abstand zur Ziehen der alten Drainage – ohne Narkose stumpf über den alten Drainage-Kanal an den Zielort der Spülung eingebracht werden können.
Bestehen Hinweise für ein abdominelles Kompartmentsyndrom, so sollte schließlich d) eine Dekompression („open abdomen“) durchgeführt werden. Das Abdomen sollte dabei jedoch immer verschlossen werden (Implantation eines resorbierbaren Kunststoffnetzes).
Am Ende des Eingriffs muss vom Operateur das weitere Vorgehen im Hinblick auf die chirurgische Therapie festgelegt werden. In Abhängigkeit vom intraoperativen Befund und vom Risikoprofil des Patienten stehen dabei zwei Konzepte zur Auswahl: a) die geplante Revision nach zwei bis drei Tagen, oder b) die Revision „on demand“. Eine geplante Relaparotomie kommt in der Regel nur bei hohem Risikopotenzial (Leberzirrhose, pharmakologische Immunsuppression, Pilzperitonitis) und/oder ausgeprägtem intraabdominellen Befund (stuhlige 4-Quadrantenperitonitis, inkomplette Nekrosektomie) zur Anwendung. Dabei müssen jedoch die Vorteile der programmierten Peritoneal-Lavage (wirksamere Infektkontrolle) gegen die möglichen Nachteile (erneutes operatives Trauma mit Entwicklung einer zusätzlichen inflammatorischen Reaktion, erneutes Blutungsrisiko, erneute Gefahr einer Organverletzung) abgewogen werden. Eine geplante Revision beinhaltet auch eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für Dünndarmfisteln und für entzündliche Defekte der Bauchdecken. In letzterem Fall gelingt der sekundäre Verschluss nicht immer, und es werden zum Teil komplizierte Rekonstruktionen nötig.
Das Konzept der „on demand“ Relaparotomie setzt wiederum eine enge Kommunikation zwischen dem Operateur und dem Intensivmediziner voraus, da die Entwicklung der Organfunktionen und der systemischen Infektparameter (bei gleichzeitigem Ausschluss anderer Foci) maßgeblich für die Indikationsstellung ist. Der bedeutendste nicht-chirurgische Faktor ist dabei der Schweregrad des Organversagens im zeitlichen Verlauf (fehlende Besserung oder Verschlechterung). Eine durch den Primäreingriff wahrscheinliche Fokuskontrolle und eine adäquate antimikrobielle Therapie schließen einen Revisionseingriff nie aus. Bei umstrittener Indikation sollte eine hoch empfindliche Bildgebung (multi slice Abdomen-CT) erfolgen. Falls CT-morphologisch und klinisch (körperliche Untersuchung) kein relevanter abdomineller Befund zu erheben ist, und falls sich der Patient bei mutmaßlich adäquater antibiotischer Therapie klinisch verschlechtert, dann sollte zuerst eine andere Infektionsquelle ausgeschlossen werden, bevor die Indikation zu einem Re-Eingriff gestellt wird.
Chirurgische Therapie in der chronischen Phase
In der chronischen Phase (tertiäre Peritonitis), also jenseits einer Zeitspanne von etwa 14 Tagen nach dem Initialeingriff, sind Relaparotomien in der Regel nicht mehr indiziert (außer bei eindeutigen, anatomisch fassbaren Pathologien wie z. B. erneuten Leckage g). In dieser Phase behindern fast immer intraabdominelle Verwachsungen/Verklebungen ein effektives operatives Vorgehen. Es ist dabei Aufgabe des Operateurs, festzulegen, ab wann weitere operative Maßnahmen aufgrund der anatomischen Situation nicht mehr sinnvoll sind. Der therapeutische Schwerpunkt liegt in solchen Situationen dann eher auf der interventionellen Therapie (z. B. CT gesteuerte, gezielte Drainageanlage bei umschriebenem Fokus), ev. in Verbindung mit einer intraabdominellen Dauerspülung.
Die Effizienz der chirurgischen Therapie ist eine zentrale Determinante der Letalität (Rüttinger et al. 2012). Eine unzulängliche Fokuskontrolle zur Zeit der initialen Operation erhöht – auch bei adäquater antimikrobieller Therapie und Organunterstützung – die Letalität bereits signifikant. Nachdem die Diagnose einer intraabdominellen Infektion gestellt wurde, sollte somit jede Anstrengung unternommen werden, um eine Herdkontrolle möglichst frühzeitig zu erreichen. Werden bei Patienten mit Peritonitis-induziertem Organversagen weitere Revisionseingriffe nötig (und verlängert sich dadurch die Dauer der entzündlichen Erkrankung), so steigt die Letalität mit jedem weiteren Eingriff deutlich an (Abb. 3). Nach im Mittel etwa drei Wochen nach Therapiebeginn wird dann jedoch ein Plateau hinsichtlich des Risikos, an der Peritonitis zu sterben, erreicht. Eine chirurgisch nahezu infauste Situation ist schließlich etwa acht Wochen nach Therapiebeginn zu beobachten, wobei dann – falls weitere Maßnahmen nötig werden sollten – mit einem weiteren deutlichen Anstieg der Letalität zu rechnen ist. Somit sollten spätestens ab diesem Zeitpunkt Überlegungen bezüglich der Sinnhaftigkeit weiterer chirurgischer Maßnahmen einsetzen. Besteht gleichzeitig weiter ein intensivpflichtiges septisches Multiorganversagen, so sollte zusätzlich die Gesamtprognose des Patienten evaluiert und ein Fortführen der supportiven Therapie überdacht werden.
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Prognose und Verlauf
Überleben
Intraabdominelle Infektionen können bei etwa 10 % der Patienten durch ein Organversagen kompliziert werden, bei der Sonderform der sekundären Peritonitis ist der Prozentsatz höher (30 % der Fälle entwickeln eine intensivpflichtige Multiorgandysfunktion). Diese Patienten benötigen in der Regel eine intensivmedizinische Therapie, um das Überleben zu sichern. Bei Patienten mit sekundärer (durch Perforation eines Hohlorgans) erworbener Peritonitis besteht eine durchschnittliche Sterblichkeit von etwa 30 %, falls gleichzeitig eine ausgeprägte Organdysfunktion vorliegt. Eine Vielzahl prognostischer Determinanten führt jedoch zu einer ausgeprägten Variation bei der Letalität, die zwischen 0 und 100 % liegen kann) (Sartelli et al. 2014).
Kommt es speziell auf der Basis einer nosokomialen Peritonitis zu einem Organversagen, so ist die Prognose besonders schlecht (30-Tages-Sterblichkeit etwa 40 %, kumulative 120-Tages-Sterblichkeit nach der Aufnahme auf die Intensivstation etwa 70 %, kumulative 1-Jahres-Sterblichkeit nach der Aufnahme auf die Intensivstation etwa 80 %). Von den Patienten, die mehr als vier Monate überleben, versterben in den nächsten 8 Monaten (in der Regel nach Verlegung aus der Intensivstation bzw. nach Entlassung aus der primär therapierenden Institution) immer noch 15–20 % (Rüttinger et al. 2012).
Die allgemeine Prognose von Patienten mit intensivpflichtiger Peritonitis hängt – neben der Effizienz der chirurgischen und antimikrobiellen Therapie – ganz zentral von fünf weiteren Variablen ab: der anatomischen Region in der die Peritonitis entstanden ist, dem Ort an dem die Peritonitis erworben wurde, dem Alter, der Grunderkrankung (speziell malignes bzw. nicht-malignes Grundleiden), und dem Ausmaß der Organfunktionsstörungen in der Akutphase (Apache II Score). So ist im Vergleich zu anderen Lokalisationen die Sterblichkeit einer Peritonitis dann am niedrigsten, wenn sie auf der Basis einer Appendizitis entsteht, und am höchsten, wenn eine Pankreatitis der Auslöser ist. Erleiden nicht-chirurgische Patienten, die wegen einer extraabdominellen Erkrankung in Behandlung sind, eine nosokomiale Peritonitis, so bedeutet dies eine besonders schlechte Prognose.
Eine prognostische Besonderheit findet sich bei Patienten mit ambulant erworbener Peritonitis, die einer Intensivtherapie bedürfen. Hier findet sich im Vergleich zu Patienten mit nosokomialer Peritonitis eine signifikant schlechtere Akutprognose. Patienten mit ambulant erworbener Peritonitis, bei denen ein schweres intensivpflichtiges Organversagen auftritt, repräsentieren wahrscheinlich eine spezielle Untergruppe (negative Selektion), die besondere Risikofaktoren aufweist (Rüttinger et al. 2012).
Lebensqualität
Nach erfolgreicher, jedoch prolongierter Therapie einer schweren intensivpflichtigen Peritonitis ist sehr oft mit einer dauerhaften Einschränkung der Lebensqualität zu rechnen (Rousseau et al. 2021; Rengel et al. 2019; Iwashyna et al. 2010; Herridge et al. 2011). Dies betrifft speziell ältere Patienten, die bereits vor Krankheitsbeginn körperliche sowie kognitive Defizite aufweisen, und die nach Sanierung der Infektion in der Regel nicht mehr ihren präoperativen Allgemeinzustand erreichen. So erhöht sich die Prävalenz schwerer kognitiver Störungen im Langzeitverlauf um das dreifache. Auch hinsichtlich der körperlichen Leistungsfähigkeit sind pro Jahr zunehmend neue Einschränkungen des täglichen Lebens zu erwarten. Auch nach 5 Jahren zeigt sich dabei noch eine Limitierung der körperlichen Leistungsfähigkeit (z. B. etwa auf 75 % der Norm in Bezug auf eine standardisierte Gehstrecke).
Eine Normalisierung aller körperlichen Funktionen ist nach protrahierter schwerer Sepsis auf der Basis einer Peritonitis praktisch bei keinem Patienten festzustellen. Als Ursache dieser Veränderungen sind zwei Pathomechanismen zu diskutieren: Im Hinblick auf die körperlichen Limitierungen steht ganz wesentlich die Critical Illness Polyneuropathie im Vordergrund. Letztere ist wird durch systemische inflammatorische Prozessen ausgelöst und führt bei einem Großteil der Patienten – auch lange nach überstandener schwerer Sepsis – zu permanenten körperlichen Einschränkungen auf der Basis eines persistierend geschädigten peripheren Nervensystems bzw. muskuloskelettalen Systems. Die parallel dazu vermehrte Inzidenz kognitiver Einschränkungen kann sehr wahrscheinlich ebenfalls durch den inflammatorischen Prozess erklärt werden. So werden heute informatorische Mechanismen bei der Pathogenese der vaskulären Demenz bzw. des Morbus Alzheimer diskutiert. Auch sepsisassoziierte delirante Zustände spielen dabei eine Rolle.
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