Skip to main content
Die Urologie
Info
Publiziert am: 30.09.2022

Aufklärung in der Tumortherapie

Verfasst von: Elmar Heinrich und A. Strauß
Eine Chemotherapie – in welcher Form sie auch immer appliziert wird – gilt aufgrund ihrer vielseitigen und teils erheblichen kurz- und langfristigen Nebenwirkungen als „invasive“ Therapie und ist daher aufklärungspflichtig. Neben dem juristischen Aspekt dient die idealerweise parallel zur schriftlich geführten, ausführliche mündliche Aufklärung des Patienten auch der Information über seine Krankheitssituation, Therapiemöglichkeiten sowie Prognose. Die rechtlichen Grundlagen sind im Bürgerlichen Gesetzbuch (Patientenrechtegesetz) verankert.

Rechtliche Grundlagen

Die Chemotherapie, ob intravenös, topisch oder oral, ist eine „invasive Therapie“ mit zum Teil erheblichen Nebenwirkungen und ist daher aufklärungspflichtig. Die schriftliche Aufklärung muss in einem Aufklärungsgespräch vom behandelnden Arzt erfolgen. Die Regelungen zur therapeutischen Aufklärung und zur umfassenden Patienteninformation werden in § 630c BGB, die Vorgaben zur Risikoaufklärung in § 630e BGB (Patientenrechtegesetz) geregelt und sind seit 2013 in Kraft (Übersicht). Eine Neuerung im Hinblick auf die Patientenaufklärung ist, dass dem Patienten Abschriften von Unterlagen, die er im Zusammenhang mit der Aufklärung und Einwilligung unterzeichnet hat, auszuhändigen sind.
Auszug aus dem Patientenrechtegesetz
§ 630e Aufklärungspflichten
1.
Der Behandelnde ist verpflichtet, den Patienten über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären. Dazu gehören insbesondere Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie. Bei der Aufklärung ist auch auf Alternativen zur Maßnahme hinzuweisen, wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können.
 
2.
Die Aufklärung muss
1.
mündlich durch den Behandelnden oder durch eine Person erfolgen, die über die zur Durchführung der Maßnahme notwendige Ausbildung verfügt; ergänzend kann auch auf Unterlagen Bezug genommen werden, die der Patient in Textform erhält,
 
2.
so rechtzeitig erfolgen, dass der Patient seine Entscheidung über die Einwilligung wohlüberlegt treffen kann,
 
3.
für den Patienten verständlich sein.
Dem Patienten sind Abschriften von Unterlagen, die er im Zusammenhang mit der Aufklärung oder Einwilligung unterzeichnet hat, auszuhändigen.
 
 
3.
Der Aufklärung des Patienten bedarf es nicht, soweit diese ausnahmsweise aufgrund besonderer Umstände entbehrlich ist, insbesondere wenn die Maßnahme unaufschiebbar ist oder der Patient auf die Aufklärung ausdrücklich verzichtet hat.
 
4.
Ist nach § 630d Absatz 1 Satz 2 die Einwilligung eines hierzu Berechtigten einzuholen, ist dieser nach Maßgabe der Absätze 1 bis 3 aufzuklären.
 
5.
Im Fall des § 630d Absatz 1 Satz 2 sind die wesentlichen Umstände nach Absatz 1 auch dem Patienten entsprechend seinem Verständnis zu erläutern, soweit dieser aufgrund seines Entwicklungsstandes und seiner Verständnismöglichkeiten in der Lage ist, die Erläuterung aufzunehmen, und soweit dies seinem Wohl nicht zuwiderläuft.
 

Art und Umfang der Aufklärung

Abseits der rechtlichen Pflicht dient die persönliche Aufklärung dem Ziel, dem Patienten eine umfassende Information über die Diagnose, den aktuellen Stand, die zu erwartende Prognose sowie der Behandlungsmöglichkeiten seiner Erkrankung zu geben und die weiteren notwendigen Schritte zu erläutern. In den vergangenen Jahrzenten war es noch üblich, den Patienten aus psychologischem Schutz über seine Diagnose oder Prognose im Unklaren zu lassen. Heute ist es in Europa und vielen anderen Ländern eine gesetzliche Pflicht, dem Patienten seine Diagnose mitzuteilen. Neben den medizinischen und ethischen Grundsätzen beeinflussen Kultur und regionale Tradition, Alter des Arztes sowie des Patienten den Umfang und die Art der Aufklärung. Aufgrund des Rechts auf Selbstbestimmung des Patienten muss dieser jedoch voll aufgeklärt werden. Aufgabe des Arztes ist es dabei, zu prüfen, wie viel Information der Patient erhalten will und wie viel ihm zuzumuten ist. Eine Absprache mit engen Angehörigen ist in den meisten Fällen sehr hilfreich, um den Patienten vor psychologischer Überforderung und Hoffnungslosigkeit zu schützen.
Im Rahmen der Aufklärung über schwerwiegende Erkrankungen können beim Patienten sog. Dissoziationsphänomene auftreten. Der Patient ist in der Aufklärungssituation kognitiv überfordert und es kommt zur Verdrängung bzw. zum Ausblenden der Erkrankung (Faller 1998). Die Aufklärung des Patienten ist daher in solchen schwierigen Situationen nicht in einem einzelnen Gespräch zu bewältigen, sondern bedarf eines andauernden wechselseitigen Prozesses.

Zusammenfassung

  • Chemotherapie ist eine invasive Therapie, unterliegt der schriftlichen Aufklärungspflicht.
  • Rechtliche Grundlage: Patientenrechtegesetz.
  • Anforderungen: Aufklärung muss Art, Umfang, Durchführung, Folgen und Risiken, Notwendigkeit, Dringlichkeit der Therapie, Eignung und Erfolgsaussichten, Alternativen und deren unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen, verständlich und rechtzeitig erklärt beinhalten.
  • Patient muss Abschrift der Aufklärungsunterlagen erhalten.
Literatur
Faller H (1998) Krankheitsverarbeitung bei Krebskranken. Hogrefe, Göttingen