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Enzyklopädie der Schlafmedizin
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Publiziert am: 18.01.2020

Aufwachen und Hirnaktivierung

Verfasst von: Thomas Penzel und Jörg Hermann Peter
Die biologischen Funktionen von Schlafen und Wachen sind eingebettet in die zirkadiane Rhythmik. Das morgendliche Erwachen kann nach ausreichendem und erholsamem Schlaf spontan erfolgen. Dass die Weckschwelle zu Beginn des Nachtschlafs höchste Werte und gegen Morgen niedrigste Werte hat, ist schon im 19. Jahrhundert untersucht worden. Mit der Auswertung der Polysomnographie lässt sich der Zeitpunkt des erlebten Aufwachens nachvollziehen. Es hat sich aber gezeigt, dass es während der Schlafperiode minutenlange Phasen zentralnervöser Aktiviertheit gibt, die trotz einer Dauer von mehr als 15 s nicht zum erlebten Aufwachen führen, die aber den EEG-Kriterien des Stadiums Wach mit Alpharhythmus entsprechen und die über die Zeichen der EEG-Aktivierung hinaus auch mit Steigerungen in den autonomen Parametern von Kreislauf und Atmung und der Motorik einhergehen. Derartige Wachphasen sind meist an REM-Phasen assoziiert, und sie werden auch als Wake After Sleep Onset (WASO) bezeichnet. Daneben gibt es zentralnervöse Aktivierungsvorgänge, die als Arousal bezeichnet werden.

Synonyme

Englischer Begriff

Awakening and activation of the brain

Definition

Die biologischen Funktionen von Schlafen und Wachen sind eingebettet in die zirkadiane Rhythmik. Das morgendliche Erwachen kann nach ausreichendem und erholsamem Schlaf spontan erfolgen. Dass die Weckschwelle zu Beginn des Nachtschlafs höchste Werte und gegen Morgen niedrigste Werte hat, ist schon im 19. Jahrhundert untersucht worden. Mit der Auswertung der Polysomnographie lässt sich der Zeitpunkt des erlebten Aufwachens nachvollziehen. Es hat sich aber gezeigt, dass es während der Schlafperiode minutenlange Phasen zentralnervöser Aktiviertheit gibt, die trotz einer Dauer von mehr als 15 s nicht zum erlebten Aufwachen führen, die aber den EEG-Kriterien des Stadiums Wach mit Alpharhythmus entsprechen und die über die Zeichen der EEG-Aktivierung hinaus auch mit Steigerungen in den autonomen Parametern von Kreislauf und Atmung und der Motorik einhergehen (siehe auch „Autonomes Nervensystem“). Demnach verbringen junge Erwachsene bis zu 5 % der Schlafzeit im Wachzustand, ohne dass dies am Morgen erinnert wird. Derartige Wachphasen sind meist an REM-Phasen assoziiert, und sie werden auch als Wake After Sleep Onset (WASO) bezeichnet.
Daneben gibt es zentralnervöse Aktivierungsvorgänge, die ebenfalls in der Kardiorespiratorischen Polysomnographie (KRPSG) fassbar sind und die als „Arousal“ bezeichnet werden. Die Arousal gehen mit kurzdauernder Alphaaktivität (3–15 s Dauer) und mit Aktivierung der autonomen Parameter einher. Arousals aus dem NREM-Schlaf heraus müssen nicht mit einer signifikanten Aktivierung des Muskeltonus einhergehen, für Arousals aus dem REM-Schlaf heraus ist das aber gemäß den Auswertungskriterien der American Academy of Sleep Medicine (AASM) gefordert (Berry et al. 2015). Die Arousals führen aber nur selten zum Übergang ins Stadium Wach. Vielmehr sind sie entweder mit Übergängen vom REM-Schlaf oder vom Tiefschlaf in den Leichtschlaf verbunden oder sie führen innerhalb von 15 s wieder in das Stadium zurück, aus dem sie entstanden sind. Die Arousals ohne Stadienwechsel werden als transiente Arousals bezeichnet. Bis zu 15 spontan und stochastisch auftretende Arousals je Stunde Schlafzeit bei jungen Erwachsenen und 20 bei älteren können als Bestandteil des gesunden Schlafs auftreten und beeinträchtigen nicht den Erholungswert des Schlafs (siehe Tab. 1).
Tab. 1
Anzahl der Arousals pro Stunde Schlafzeit (Arousal-Index) für verschiedene Lebensalter (nach Redline et al. 2004)
Altersgruppe
Arousal-Index
37- bis 54-Jährige
16 ± 8,2/h
55- bis 61-Jährige
18,4 ± 10/h
62- bis 70-Jährige
20,3 ± 10,5/h
über 70-Jährige
21 ± 11,6/h
Arousals können auch durch pathologische respiratorische Ereignisse wie pharyngeale Obstruktion ausgelöst werden oder durch pathologische Aktivierungen der Motorik im Schlaf wie bei den periodischen Extremitätenbewegungen im Schlaf (PLMS). Treten sie regelhaft mit einer Frequenz von fünf oder mehr je Stunde Schlafzeit auf, beeinträchtigen sie den Erholungswert des Schlafs. Neben dem Mangel an Tiefschlaf oder REM-Schlaf und einem relativen Überwiegen von Leichtschlaf sind auch die transienten Arousals ein wesentliches Korrelat der Schlaffragmentierung (siehe „Gestörter Schlaf, seine Muster in der Kardiorespiratorischen Polysomnographie“). Für den praktischen Gebrauch im Schlaflabor hat die American Sleep Disorders Association (ASDA) eine Kodierungsempfehlung für Arousals erarbeitet, die auch weiterhin gültig ist (ASDA 1992).
Zu den Charakteristika der einzelnen Schlafstadien siehe auch
  • „Polysomnographie und Hypnogramm“
  • „Einschlafen, charakteristische Veränderungen in der Kardiorespiratorischen Polysomnographie“
  • „Leichtschlaf, charakteristische Veränderungen in der Kardiorespiratorischen Polysomnographie“
  • „Tiefschlaf, charakteristische Veränderungen in der Kardiorespiratorischen Polysomnographie“
  • „REM-Schlaf, charakteristische Veränderungen in der Kardiorespiratorischen Polysomnographie“

Grundlagen

Aufwachen

Eine Hirnaktivierung von mehr als 15 s kann aus jedem Schlafstadium heraus erfolgen und führt zum Beenden des Schlafs. Zu etwa 30–40 % der Fälle erfolgt das Aufwachen aus dem REM-Schlaf heraus und zu etwa 60 % der Fälle aus dem Leichtschlaf. Nur selten findet sich ein spontanes Aufwachen aus dem Tiefschlaf heraus.
Das Aufwachen wird bei jeder Polysomnographie bewertet. Die Auswertung des Aufwachens und das Festlegen des Übergangs von einem Schlafstadium zum Stadium Wach erfolgt nach den Regeln von Rechtschaffen und Kales. Bewertet wird in Epochen von 30 s Dauer. Die Bewertung ist unproblematisch, da die Hirnaktivierungen gemäß den in Tab. 2 zusammengestellten Kriterien für die Klassifikation von Arousals deutlich vom Schlafzustand abzugrenzen sind. Im Schlaf-EEG zeigt sich beim Aufwachen eine abrupte Beschleunigung der EEG-Frequenzen. In der Kardiorespiratorischen Polysomnographie findet man eine Erhöhung des Muskeltonus bei Arousals aus dem REM-Schlaf, einen Anstieg der Herzfrequenz und eine Vergrößerung des Atemminutenvolumens. Die Abb. 1, 2 und 3 zeigen je ein Registrierbeispiel für Aufwachvorgänge. Eine komprimierte Darstellung findet sich in Abb. 4.
Tab. 2
Wichtige Kriterien zur Klassifizierung von Arousals
1
Arousals im NREM-Schlaf können mit oder ohne Anstieg der Amplitude des Elektromyogramms (EMG) auftreten.
2
Im REM-Schlaf werden sie nur mit Anstieg der Amplitude des Elektromyogramms des Musculus submentalis gewertet.
3
Alleinige Veränderung der EMG-Amplitude des Musculus submentalis wird nicht als Arousal gewertet.
4
Artefakte, K-Komplexe oder auch Deltawellen ohne Änderung der EEG-Aktivität werden nicht als Arousal definiert, wenn sie den Veränderungen im Elektroenzephalogramm vorausgehen.
5
Alphaaktivität wird nur als Arousal gewertet, wenn sie mindestens 3 s und 10 s vorher definitiv nicht registriert wurde.
6
Schlafstadienwechsel werden nur dann als Arousal gewertet, wenn sie die oben genannten Kriterien erfüllen.

Arousal

Arousals sind ursprünglich definiert als kortikal, mittels Polysomnographie messbare zentralnervöse Aktivierungen, die aus dem Schlaf heraus auftreten. Sie führen gelegentlich bis zum Stadium Wach, meistens aber zum Leichtschlaf, oder bei transienten Arousals zur Fortsetzung des Schlafstadiums, aus dem sie entstanden sind. Kurzdauerndes Eintreten ins Stadium Wach während der Schlafzeit (Wake After Sleep Onset) wird auch als WASO bezeichnet und ist in der Regel nicht erinnerlich.
Bei Gesunden sind die meisten Arousals nicht Übergänge nach Wach, sondern sie sind transiente Ereignisse aus dem REM-Schlaf oder einem Tiefschlafstadium heraus, das sie für nur wenige Sekunden unterbrechen (Conradt et al. 1994). Arousals jeder Art gehen in der Kardiorespiratorischen Polysomnographie mit Aktivierungsreaktionen in der Motorik und im autonomen System einher. Die Trigger für Arousals können externe Stimuli sein wie Geräusche, Licht oder taktile Reize oder propriozeptive Stimuli bei Veränderungen der Blutgase, bei Dehnungs- oder Schmerzreizen oder bei anderen internen Ursachen oder psychodynamische Prozesse wie Angstreaktionen bei Alpträumen. Im klinischen Sprachgebrauch wird der Begriff Arousal meist für die transienten Aktivierungsvorgänge gebraucht.
Kortikale Arousals und damit einhergehende motorische und autonome Aktivierungen
Abhängig von der Intensität des Stimulus kann die Aktivierung den Kortex erreichen und wird dann in der Polysomnographie (PSG) erkennbar. Mit den kortikalen Aktivierungen gehen nicht nur die in der Polysomnographie ebenfalls erkennbaren Aktivierungen der Motorik einher, sondern auch die in der Kardiorespiratorischen Polysomnographie erkennbaren Aktivierungsprozesse in den autonomen Parametern (siehe Abb. 2). Außerhalb des Aufwachens sind durch Arousal verursachte Veränderungen beim Schlafenden in der Videometrie in der Regel nicht zu erkennen. Anders ist dies bei Patienten mit primären schlafmedizinischen Erkrankungen wie „Parasomnien“, „Schlafbezogene Atmungsstörungen“ und Schlafbezogene Bewegungsstörungen wie „Periodic Limb Movement Disorder“ (PLMD) oder „Bruxismus“.
Gelegentlich wird der Begriff Mikroarousal verwendet. Dieser Begriff ist nicht klar definiert. Einige Autoren benutzen für das Aufwachen den Begriff Arousal und dann für die transienten Aktivierungen den Begriff Mikroarousal. Andere Autoren verstehen unter Mikroarousal Hirnaktivierungen, die kürzer als 3 s und damit nicht unter die im Folgenden dargestellte Definition fallen. Aufgrund der damit verbundenen Begriffsunklarheiten ist der Terminus Mikroarousal obsolet.
Arousals sind nicht nur Ausdruck der Beendigung oder der Unterbrechung des Schlafs, sondern sie sind beim Gesunden Teil der physiologischen Abläufe im Schlaf. Sie kommen in allen Altersgruppen vor, ab dem vierten Lebensjahrzehnt nimmt ihre Häufigkeit mit dem Alterungsprozess signifikant zu. Männer weisen mehr Arousals auf als Frauen (Bliwise 2011). Die Altersabhängigkeit der Entwicklung der Arousal-Frequenz je Stunde Schlafzeit ist in Tab. 1 dargestellt.
Bewertung
Das Auftreten und die Häufigkeit der Arousals außerhalb von Aufwachen und Stadienwechsel wird bei der Polysomnographie gesondert ausgewertet. Im klinischen Sprachgebrauch werden die zwischen 3–15 s dauernden Phasen der Aktivierung als transiente Arousals bezeichnet. Die Regeln der Schlafauswertung der American Academy of Sleep Medicine (AASM), die seit 2007 eingesetzt werden, haben hierfür keine neue Bewertung eingeführt, sondern die Regeln einer Task Force der American Sleep Disorders Association 1992 für die Auswertung des Schlaf-EEGs im Hinblick auf Arousal übernommen (ASDA 1992). Die Regeln für deren Registrierung und Auswertung werden im Folgenden genannt.
Regeln für die Ableitepunkte
Alphaaktivität sollte immer von den Ableitepunkten bestimmt werden, über denen sie am deutlichsten ausgeprägt ist. Sie ist im Schlaf meist 2 Hz langsamer als im Wachzustand und über den frontalen Hirnabschnitten deutlicher ausgeprägt. Ein kortikales Arousal zeichnet sich durch eine abrupte Änderung der EEG-Frequenzen aus, die Theta- und Alphafrequenzen sowie Frequenzen über 16 Hz umfassen kann, jedoch keine Schlafspindeln umfasst. Das Arousal kann entweder von den zentralen oder okzipitalen EEG-Ableitepunkten bestimmt werden. Die Tab. 2 nennt sechs wichtige Kriterien für die Bestimmung von Arousals.
Die Kriterien zur Bestimmung der Arousals können problematisch sein, wie beispielsweise beim massierten Auftreten von Theta- oder Deltaaktivität in Ausbrüchen, die auch als Bursts bezeichnet werden und die vor allem bei Schlafwandlern oder Kindern auftreten. Hierzu existieren keine verbindlichen Bewertungsregeln.
Die kortikalen Arousals werden visuell nach den Regeln der American Sleep Disorders Association gescort, und daher ist es von Interesse, die Übereinstimmung der Bewertung durch verschiedene Auswerter festzustellen (Berry et al. 2015). In einer systematischen Untersuchung mit 14 Experten verschiedener Schlaflabore wurde eine moderate Übereinstimmung zwischen den Auswertern gefunden (Kappa = 0,47 gemäß der Kappa-Statistik für den Vergleich der Auswertung mehrerer Experten). Werden die Regeln um eine Bewertung der EMG-Aktivierung erweitert, so ist es möglich, eine bessere Übereinstimmung zwischen Auswertern von bis zu 0,84 für den Intraclass-Korrelationskoeffizienten zu erzielen.
Arousals können auch eine pathophysiologische Bedeutung haben. Das ist immer der Fall, wenn sie durch motorisch oder autonom vermittelte Prozesse getriggert werden. Ihr Auftreten ist bei der Diagnostik im Schlaflabor vor allem bei Patienten mit primären schlafmedizinischen Erkrankungen bedeutsam. Bei Patienten mit Schlafbezogenen Atmungsstörungen (SBAS) und PLMD können Arousal-Indizes von über 60 pro Stunde Schlafzeit erreicht werden. Aber schon mit einer Frequenz von fünf und mehr pathologisch getriggerten Arousals je Stunde Schlafzeit werden sie in der Kardiorespiratorischen Polysomnographie zu einem bestimmenden morphologischen Substrat, das den Verlust der Erholungsfunktion des Schlafs anzeigt. Die Arousals sind neben dem Verlust an Tiefschlaf und der Alterierung der Schlafzyklen ein wesentlicher pathophysiologischer Mechanismus der Schlaffragmentierung. Als solche werden sie in einem gesonderten Beitrag dargestellt (siehe „Gestörter Schlaf, seine Muster in der Kardiorespiratorischen Polysomnographie“).
Literatur
ASDA Report (1992) EEG arousals: scoring rules and examples. Sleep 15(2):173–184CrossRef
Berry RB, Brooks R, Gamaldo CE, Harding SM, Lloyd RM, Marcus CL, Vaughn BV (2015) for the American Academy of Sleep Medicine. The AASM manual for the scoring of sleep and associated events: rules, terminology and technical specifications, version 2.2. American Academy of Sleep Medicine, Darien. www.​aasmnet.​org
Bliwise DL (2011) Normal aging. In: Kryger MH, Roth T, Dement WC (Hrsg) Principles and practice of sleep medicine, 5. Aufl. Elsevier, St. Louis, S 27–41CrossRef
Conradt R, Penzel T, Schneider H, Peter JH (1994) Einfluß der kardiorespiratorischen Polysomnographie auf Schlafstruktur und Schlafqualität bei jungen gesunden Probanden. Ztschr EEG – EMG 25:244–248
Redline S, Kirchner HL, Quan SF et al (2004) The effects of age, sex, ethnicity, and sleep-disordered breathing on sleep architecture. Arch Intern Med 164:406–418CrossRef