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Enzyklopädie der Schlafmedizin
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Publiziert am: 22.02.2020

Chronobiologie

Verfasst von: Andrea Rodenbeck
Die Chronobiologie ist die Lehre vom zeitlichen Rhythmus biologischer Prozesse. Dies umfasst sowohl Jahres-, Monats- und Wochenrhythmen wie auch zirkadiane, etwa 24-stündige, und ultradiane Rhythmen mit einer kürzeren Periodenlänge. Die Chronobiologie in der Schlafmedizin versucht vor allem zu erklären, wie die Anpassung biologischer Prozesse einerseits an den äußeren Hell-Dunkel-Wechsel und andererseits untereinander gelingt, wie es zu Verschiebungen der Schlaf-Wach-Rhythmik kommt und wie diese zirkadianen Störungen therapierbar sind.

Englischer Begriff

chronobiology

Definition

Die Chronobiologie ist die Lehre vom zeitlichen Rhythmus biologischer Prozesse. Dies umfasst sowohl Jahres-, Monats- und Wochenrhythmen wie auch zirkadiane, etwa 24-stündige, und ultradiane Rhythmen mit einer kürzeren Periodenlänge. Die Chronobiologie in der Schlafmedizin versucht vor allem zu erklären, wie die Anpassung biologischer Prozesse einerseits an den äußeren Hell-Dunkel-Wechsel und andererseits untereinander gelingt, wie es zu Verschiebungen der Schlaf-Wach-Rhythmik kommt und wie diese zirkadianen Störungen therapierbar sind.

Grundlagen

Praktisch alle biologischen Prozesse verlaufen in einem 24-stündigen Rhythmus und sind unter physiologischen Bedingungen zudem eng an Wachen und Schlafen und/oder den äußeren Hell-Dunkel-Wechsel gekoppelt. Sofern diese Rhythmen genau einmal pro 24 Stunden ein Maximum und Minimum haben oder nur einmal pro Tag auftreten, spricht man von monophasischen, ansonsten von polyphasischen Rhythmen (siehe auch „Lebensalter“; „Kindesalter“). Neben der Schlaf-Wach-Rhythmik sind die Köperkerntemperatur, die Produktion vieler Hormone, die Schmerzempfindlichkeit, der Blutdruck und die Leistungsfähigkeit die bekanntesten Beispiele für eine zirkadiane Rhythmik (siehe auch „Endokrinium“, „Schmerz“, „Wachheit und Schlaf“). Dabei können durchaus ultradiane Rhythmen gleichzeitig vorhanden sein. Beispielsweise kommt es sowohl in der Rhythmik des Blutdrucks als auch der Leistungsfähigkeit neben dem absoluten Minimum in den späten Nachtstunden zu einem weiteren Abfall am frühen Nachmittag.
Bereits Einzeller weisen deutliche zirkadiane Rhythmen auf und gewährleisten somit die Anpassung biologischer Prozesse an den äußeren Hell-Dunkel-Wechsel. Wie das Nebeneinander von tag-, dämmerungs- und nachtaktiven Arten eindrucksvoll zeigt, wird damit auch die Anpassung der Art in deren jeweiliger ökologischer Nische vereinfacht. Damit stellt sich für die Chronobiologie die grundlegende Frage, wie eine solche Anpassung erreicht wird. Zwar entstand schon vor gut 200 Jahren das Konzept einer „Inneren Uhr“, jedoch weiß man heute, dass mehrere solcher Uhren existieren, die allerdings von einem „Master-Zeitgeber“ oder „Schrittmacher“ miteinander synchronisiert werden. Daher sollten Begriffe wie zirkadiane Systeme oder Rhythmusoszillatoren vorgezogen werden.

Synchronisierung zirkadianer Systeme mit dem Hell-Dunkel-Wechsel

Die innere Zeitgebung von Säugetieren beruht auf
1.
einem endogenen Schrittmacher, der selbst einen zirkadianen Rhythmus erzeugt,
 
2.
Photorezeptoren zur Synchronisation dieses Schrittmachers mit dem Hell-Dunkel-Wechsel und
 
3.
Efferenzen zur zeitlichen Steuerung der verschiedenen biologischen Prozesse.
 
Der oberhalb des optischen Chiasmas lokalisierte Nucleus suprachiasmaticus (SCN) gilt als Schrittmacher oder Master-Zeitgeber bei Säugern (Abb. 1). Er besteht aus mehreren Tausend Einzelzellen, die jede für sich bereits einen zirkadianen Rhythmus aufweisen. Deren Synchronisation mit dem Hell-Dunkel-Wechsel erfolgt beim Menschen durch kurzwelliges blaues Licht über den retinohypothalamischen Trakt (RHT), wobei die entsprechenden non-visuellen Rezeptoren in der unteren Ganglienschicht der Retina liegen. Im SCN spielen neben exzitatorischen Aminosäuren vor allem sogenannte „immediate early genes“ eine Rolle („Genetik“). Während diese Afferenzen im ventrolateralen Eingangsbereich des SCN enden und durch die „Neurotransmitter“ VIP (Vasoactive Intestinal Polypeptide) und NPY (Neuropeptid Y) charakterisiert sind, finden sich im dorsomedialen Ausgangsbereich des SCN vor allem Vasopressinneuronen. Von hier aus ziehen Axone zu verschiedenen anderen Arealen des Hypothalamus und anderen zentralen Hirnstrukturen und synchronisieren damit untergeordnete zirkadiane Systeme. Zusätzlich erfolgen serotonerge Afferenzen von den Raphe-Kernen und GABAerge Afferenzen über den genikulohypothalamischen Trakt (GHT). Rückkopplungen auf den Nucleus suprachiasmaticus erfolgen außerdem sowohl durch die Epiphyse als auch – über noch nicht geklärte Mechanismen – durch körperliche und geistige Aktivität beziehungsweise durch sozialen Faktoren.
Siehe auch „Schlafregulation“; „Neuropeptide“; „Entrainment“.
Dadurch kann eine zirkadiane Rhythmik auch ohne direkte Lichtinformation aufrechterhalten werden, wie dies auch bei vielen vollständig Blinden der Fall ist („Blindheit“). Unter zeitgeberfreien Bedingungen stellt sich ein freilaufender Rhythmus mit einer Periodendauer von etwa 25 Stunden ein, was dem intrinsischen Rhythmus der Mehrzahl der Zellen des SCN entspricht. Dabei bleibt zunächst die Synchronisation der untergeordneten zirkadianen Systeme mit dem Master-Zeitgeber erhalten, erst nach einigen Wochen kann auch diese Minimalsynchronisation nicht mehr aufrechterhalten werden, und es kommt zu einer fortschreitenden Dissoziation zwischen der Rhythmik des SCN und den anderen Rhythmusoszillatoren, die in einer Desynchronisation endet. Dies betrifft sowohl die Desynchronisation der untergeordneten zirkadianen Systeme vom SCN als auch untereinander, sodass auch die Schlaf-Wach-Rhythmik von der Rhythmik der „Körperkerntemperatur“ entkoppelt wird. Dabei bleibt das Verhältnis von Wachen und Schlafen unabhängig von der objektiven Länge der zirkadianen Schlaf-Wach-Rhythmik jedoch stets in einer 2:1-Beziehung bestehen. Interessanterweise zeigten die Andechser Experimente zur freilaufenden Rhythmik auch, dass die Dissoziation und Desynchronisierung unter zeitgeberfreien Bedingungen nicht eintrat, wenn ein Mittagsschlaf erlaubt war.
Die Gesamtheit der Ergebnisse der Untersuchungen unter zeitgeberfreien Bedingungen stellt ganz klar heraus, dass unser intrinsischer Rhythmus deutlich länger als 24 Stunden ist und er jeden Tag neu verkürzt werden muss, um die Anpassung an den äußeren Hell-Dunkel-Wechsel zu gewährleisten. Neben dem Licht spielen dabei beim Menschen soziale Faktoren wie Arbeitszeiten, Mahlzeiten und Aktivität eine entscheidende Rolle.
Obwohl bei der Fruchtfliege und vor allem bei Mäusen mittlerweile zahlreiche Gene isoliert worden sind, auf die die intrazellulären Synchronisationsprozesse zurückzuführen sind, besteht doch die Schwierigkeit, dass sich zum einen das Zusammenspiel dieser Gene bei Fliege und Maus deutlich unterscheidet, zum anderen, dass es bisher nicht gelungen ist, Normvarianten der zirkadianen Schlaf-Wach-Rhythmik – wie zum Beispiel beim Morgen- oder Abendtypus – sicher auf bestimmte Genotypen zurückzuführen. Dagegen weisen erste Befunde auf die Rolle bestimmter genetischer Varianten der sogenannten Rhythmusgene, aber auch der Melatoninsynthese hin, zumindest bei einigen pathologischen zirkadianen Störungen.

Chronobiologische Prozesse und Schlaf

Ein besonders enger Zusammenhang zwischen zirkadianen Rhythmen und dem Schlaf-Wach-Zyklus zeigt sich in der Sekretion von Hormonen wie Kortisol, ACTH, Melatonin oder „Wachstumshormon“ und im Verlauf von Körperkerntemperatur und Blutdruck, deren zirkadiane Parameter unter physiologischen Bedingungen eng mit der Schlafdauer, dem (erwarteten) Schlafende und der Schlafphasenlage verbunden sind, teilweise auch mit dem Tiefschlaf und dem REM-Schlaf. So finden sich die absoluten Minima der Körperkerntemperatur- und Blutdruckrhythmen etwa gegen 3 Uhr nachts, bei etwa gleichzeitigem Maximum der Melatoninausschüttung (siehe auch „Melatonin und zirkadianer Rhythmus“). Die Sekretion von Wachstumshormon ist ganz überwiegend auf den Tiefschlaf beschränkt, der bei den meisten Menschen im ersten Nachtdrittels stattfindet, während die Produktion von Kortisol hier minimal ist, um anschließend anzusteigen und unmittelbar mit dem Erwachen ihr Maximum zu erreichen. Wie die Arbeitsgruppe von Horst Fehm bereits vor vielen Jahren zeigen konnte, werden die zirkadianen Rhythmen von Kortisol und REM-Schlaf am Ende des zweiten NREM/REM-Schlaf-Zyklus miteinander gekoppelt („Endokrinium“, „Bluthochdruck“, „Thermoregulation“, „Metabolismus“). Das Auftreten des REM-Schlafs ist nicht ausschließlich durch die ultradiane 90-minütige NREM-REM-Rhythmik, sondern auch zirkadian bestimmt. In experimentellen Untersuchungen zeigte sich ein vermehrtes Auftreten von REM-Schlaf bei Schlaf in den Morgen- und Vormittagsstunden, unabhängig von der vorausgehenden Schlaf- oder Wachdauer. Dies ist ein Grund, warum die Nacht vor der Durchführung von Multiplen Schlaflatenztests (MSLT) polysomnographisch überwacht werden muss, denn nur auf die Weise kann ein im Multiplen Schlaflatenztest (MSLT) auftretender REM-Rebound sicher als solcher bewertet werden („Multipler Schlaflatenztest und Multipler Wachbleibetest“). Das Auftreten des Schlafs selbst ist nicht nur durch den homöostatischen Prozess S, sondern auch an zirkadiane Prozesse C gebunden, wie das 2-Prozess-Modell zur „Schlafregulation“ eindrucksvoll zeigt. Die experimentellen Untersuchungen konnten zum Beispiel ein schnelleres Einschlafen belegen, wenn sich der Zeitpunkt des Zubettgehens in zeitlicher Nähe zum Minimum der Temperaturrhythmik befand („Thermoregulation“).
Eine besondere Bedeutung sowohl für die Chronobiologie als auch für die Schlafmedizin hat das Melatonin erlangt, das ausschließlich während der Dunkelheit produziert wird. Die zirkadianen Parameter der Melatoninsekretion wie auch der Temperaturrhythmik werden zur Diagnostik und Therapiekontrolle bei Störungen des zirkadianen Rhythmus eingesetzt. Sie haben auch zur Klärung grundlegender Pathomechanismen dieser Störungen beigetragen und erklären vor allem die phasenverschiebende Wirkung von Tageslicht (>2500 Lux) oder kurzwelligem Licht und chronobiotisch wirksamer Medikamente. Die Wirkung von Licht wie auch von Medikamenten einschließlich Melatonin ist dabei vom Zeitpunkt ihres Einsatzes relativ zum Melatoninmaximum respektive Temperaturminimum abhängig. Die entstehende Phasenverschiebung zirkadianer Rhythmen wird in sogenannten Phasen-Antwort-Kurven („phase response curves“) festgehalten: Je nachdem ob vor oder nach dem Melatoninmaximum respektive Temperaturminimum chronobiotisch wirksame Substanzen oder Licht mit Tageslichtspektrum eingesetzt werden, werden zirkadiane Rhythmen einschließlich des Schlaf-Wach-Rhythmus vor- oder rückverlagert, wobei diese Verschiebung umso stärker ausfällt, je näher die Gabe an dem chronobiotisch wichtigen Zeitpunkt liegt.
Neben diesen zirkadianen Prozessen sind aber auch zirkaannuale und ultradiane Rhythmen in der Schlafmedizin von Bedeutung. Viele der zirkadianen Rhythmen weisen gleichzeitig auch eine ultradiane Struktur auf. Als Beispiele seien hier nur der, wenn auch nicht das absolute Minimum erreichende, Abfall des Blutdrucks und der Leistungsfähigkeit am frühen Nachmittag genannt. In diesem Zusammenhang wird auch die Bedeutung der Mahlzeiten als Zeitgeber zirkadianer Systeme deutlich: So steigt die Kortisolproduktion mittags an, um nach der Nahrungszufuhr wieder abzufallen. Auch der regelmäßige Wechsel zwischen NREM- und REM-Schlaf ist selbst ein ultradianer Rhythmus. Das komplexe Zusammenspiel zwischen den verschiedenen zirkaannualen, zirkadianen und ultradianen Rhythmen in Beziehung zum Hell-Dunkel-Wechsel kann entsprechend Störungen der Schlaf-Wach-Rhythmik bedingen.
Siehe auch „Saisonale affektive Störung (SAD)“.

Varianten und Störungen der zirkadianen Rhythmik

Varianten

Die Erfassung der Varianten und Störungen des zirkadianen Systems beruhen zum einen auf der Veränderung der „Schlafdauer“, wobei für Erwachsene im Allgemeinen eine Dauer von 6–9 oder 10 Stunden als „normal“ gilt. Zum anderen wird die Beziehung der Schlafphasenlage, das heißt des Auftretens der Hauptschlafperiode, zum Hell-Dunkel-Wechsel berücksichtigt. Bei der Erfassung der individuellen Schlafdauer muss zudem ein möglicher Mittagsschlaf und ein gegebenenfalls deutlicher Unterschied zwischen werk- und arbeitsfreien Tagen berücksichtigt werden, sodass die tatsächliche Schlafdauer unter Umständen nur bedingt mit der gewünschten Schlafzeit übereinstimmt. Auch bestehen zirkaannuale Einflüsse auf die Schlafdauer. So ist in Gebieten mit ausgeprägten Jahreszeiten die Schlafdauer im Winter nicht nur bis zu 2 Stunden pro Tag länger, sondern der Schlaf ist auch tiefer.
Kurz- und Langschläfer unterscheiden sich nicht nur in ihrer prinzipiellen Einstellung zum Schlafen, sondern möglicherweise auch in ihren zirkadianen neuroendokrinen Rhythmen. Zudem tolerieren Kurzschläfer einen höheren homöostatischen „Schlafdruck“ während des Wachens. Als weitere Varianten werden sogenannte Morgen- und Abendtypen auch als „Eulen“ und „Lerchen“ bezeichnet, die sich in ihrer Schlafphasenlage mit frühen beziehungsweise späten Bett- und Aufstehzeiten unterscheiden, ohne dass bereits eine Behandlungsbedürftigkeit vorliegt. Hier findet sich zwar in der Gesamtbevölkerung der Morgentypus doppelt so häufig wie der Abendtypus, jedoch unterstreichen zahlreiche Befunde den Einfluss des Lebensalters (siehe „Lebensalter“) auf das zirkadiane System. So tritt mit zunehmendem Alter der Morgentypus häufiger auf, während Jugendliche und Adoleszente überdurchschnittlich häufig dem Abendtypus zuzuordnen sind. Mit fortschreitendem Lebensalter kommt es somit offensichtlich zu einer Verkürzung und/oder Vorverlagerung der zirkadianen Rhythmik. Unter Einbeziehung des 2-Prozess-Modells wird damit auch die Schlafdauer beeinflusst: Bei einer Vorverlagerung der zirkadianen Rhythmik ist ein früheres Einschlafen möglich und bei vorgegebenen morgendlichen Aufstehzeiten kann so die gewünschte Schlafdauer eher erreicht werden. Ähnliches gilt für Unterschiede der Schlafdauer an Werktagen im Vergleich zu Wochenenden. Bei mindestens einem Drittel der jüngeren Bevölkerung muss von relativ kurzen Schlafzeiten mit einem sich aufsummierenden, kumulativen Schlafdefizit an Werktagen und einem kompensatorisch längeren Schlaf an Wochenenden ausgegangen werden, während Ältere offensichtlich kein Schlafdefizit während der Woche haben. Besonders deutlich ist der Unterschied bei Jugendlichen, wobei neben der Schlafdauer häufig auch die Schlafphasenlage betroffen ist.

Störungen des zirkadianen Rhythmus

Das Auftreten von ausgesprochenen Morgen- beziehungsweise Abendtypen sowie der beschriebene Unterschied zwischen Werk- und arbeitsfreien Tagen macht deutlich, dass der Übergang zu zirkadianen Störungen der Schlaf-Wach-Rhythmik fließend ist. Hierbei wird zwischen vorübergehenden (transienten) Störungen wie Schlafstörungen nach Schichtarbeit oder Zeitzonensprüngen und chronischen Störungen unterschieden („Zirkadiane Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen“). Gemeinsam ist diesen Störungen die bestehende Diskrepanz zwischen der intrinsischen Schlaf-Wach-Rhythmik und dem äußeren Hell-Dunkel-Wechsel. Dabei ist stets die zeitliche Verteilung des Schlafens und Wachens innerhalb des 24-Stunden-Tages betroffen. Der Schlaf selbst ist jedoch ungestört und erholsam, sofern der intrinsischen Schlaf-Wach-Rhythmik gefolgt werden kann. Obwohl Schlafstörungen nach Zeitzonenwechsel („Jetlag“) oder bei „Nachtarbeit und Schichtarbeit“ ausschließlich durch extrinsische Faktoren ausgelöst werden, während den chronischen Störungen wie Unregelmäßiges Schlaf-Wach-Muster, Syndrome der verzögerten oder vorverlagerten Schlafphasen oder Abweichungen vom 24-Stunden-Rhythmus hauptsächlich intrinsische Veränderungen zugrunde liegen, treten bei allen Störungen bei Nichtbefolgen der inneren Schlaf-Wach-Rhythmik sowohl insomnische als auch hypersomnische Beschwerden, eine verminderte Leistungsfähigkeit am Tage und vegetative Symptome auf.
Das Syndrom der verzögerten Schlafphase tritt am häufigsten auf, gefolgt von der Abweichung vom 24-Stunden-Rhythmus und einem unregelmäßigen Schlaf-Wach-Muster. Patienten mit chronischen Schlaf-Wach-Rhythmus-Störungen weisen neben der Entkopplung vom äußeren Hell-Dunkel-Wechsel zudem eine Dissoziation zwischen zirkadianer Rhythmik und dem Schlaf-Wach-Zyklus auf. So besteht eine verlängerte Zeitspanne zwischen dem Zeitpunkt der maximalen nächtlichen Melatoninausschüttung beziehungsweise der minimalen Körperkerntemperatur und dem morgendlichen Aufwachzeitpunkt. Damit fällt die Lichtmenge nach dem Erwachen nur noch zu einem kleinen Teil in die „phase response curve“, die für die notwendige regelmäßige Verkürzung der zirkadianen Systeme auf 24 Stunden und die Synchronisation der Schlaf-Wach-Rhythmik mit dem 24-stündigen Hell-Dunkel-Wechsel zuständig ist. Somit kann ein freilaufender Rhythmus gerade noch verhindert werden, eine weitere Vorverlagerung ist aber nicht mehr möglich. Bei Gesunden heben sich die Phasen vor- und rückverlagernden Effekte auf. Eine Phasenverschiebung findet somit nicht statt.

Therapeutische Konsequenzen

Die geschilderten grundsätzlichen Erkenntnisse der Chronobiologie haben auch Eingang in die Therapie der zirkadianen Störungen der Schlaf-Wach-Rhythmik gefunden. So ist die Gabe von hellem Licht mit Tageslichtspektrum als „Lichttherapie“ eines der wichtigsten Verfahren in der dauerhaften Behandlung von Patienten mit chronisch verschobenen oder irregulären Rhythmen. Ebenso konnte bereits Anfang der 1990er-Jahre gezeigt werden, dass helles Licht am Morgen nach einer Nachtschicht zu einer weiteren Rhythmusverschiebung führt. Entsprechend wurden Sonnenbrillen für die Heimfahrt nach einer Nachtschicht, aber auch helles Licht am Nachtschichtarbeitsplatz zur besseren Umstellung der Rhythmik empfohlen. Die wenigen derzeit vorhandenen Studien an Schichtarbeitern zur Wirkung von Licht sind jedoch von ihrer Methodik zu uneinheitlich, als dass tatsächlich eine allgemeingültige Empfehlung ausgesprochen werden kann. Zudem spiegeln diese Untersuchungen nur sehr bedingt die Wirkung von Licht bei experimentellen Simulationsstudien bei Gesunden wider. Zunehmend wird auch auf die chronobiotische Wirksamkeit von manchen „Hypnotika“ hingewiesen beziehungsweise auf die Notwendigkeit, bei der Behandlung von Insomnien Substanzen zu verwenden, die die Regulation zirkadianer Systeme nicht weiter verschlechtern. Neben der Lichttherapie – gegebenenfalls mit Tagesaktivierung – empfiehlt sich die Einhaltung strikter Bettzeiten und die Gabe von melatonergen Substanzen („Melatoningabe“).
Literatur
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