Entzündliche Erkrankungen des Zentralnervensystems
Verfasst von: Sylvia Kotterba
Entzündungen des Zentralnervensystems (ZNS) betreffen die Hirnhäute als Meningitis, das Gehirn als Enzephalitis oder das gesamte Zentralnervensystem als Enzephalomeningomyelitis. Histologische Untersuchungen zeigen, dass bei den Meningitiden durch die Nähe des Gehirns meist eine Begleitenzephalitis unterschiedlichen Ausmaßes ausgelöst wird. Auswirkungen von entzündlichen Affektionen des Zentralnervensystems auf Wachheit und Schlaf sind bekannt, schlafmedizinische Studien liegen jedoch kaum vor.
Entzündungen des Zentralnervensystems (ZNS) betreffen die Hirnhäute als Meningitis, das Gehirn als Enzephalitis oder das gesamte Zentralnervensystem als Enzephalomeningomyelitis. Histologische Untersuchungen zeigen, dass bei den Meningitiden durch die Nähe des Gehirns meist eine Begleitenzephalitis unterschiedlichen Ausmaßes ausgelöst wird.
Auswirkungen von entzündlichen Affektionen des Zentralnervensystems auf Wachheit und Schlaf sind bekannt, schlafmedizinische Studien liegen jedoch kaum vor. Bei einer typischen ZNS-Infektion zur Beginn des 20. Jahrhunderts, der „Encephalitis lethargica von Economo“, die wahrscheinlich viral bedingt war, traten im Verlauf unterschiedliche schwerwiegende Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus auf. Die Erkrankung führte zu schweren Strukturschäden des Zentralnervensystems. Da die Patienten nur in Spätstadien untersucht werden konnten, sind Rückschlüsse auf die Zusammenhänge mit dem Schlaf-Wach-Verhalten nicht möglich. Polysomnographische Analysen zu aktuellen ZNS-Infektionen betreffen die „Afrikanische Trypanosomiasis“, bezüglich der Infektionen durch andere Erreger liegen nur Kasuistiken vor.
Der vorliegende Beitrag behandelt akute Entzündungen des Zentralnervensystems.
Epidemiologie
Die Inzidenz der Meningitiden und Enzephalitiden beträgt 15/100.000, die der Meningokokkenmeningitis 1/100.000.
Pathophysiologie
Die akuten Formen der Meningitis und Enzephalitis sind durch Viren oder Bakterien, selten durch Pilze bedingt. Bei der bakteriellen Form finden sich je nach Lebensalter des Patienten unterschiedliche Keimspektren:
Neugeborene: Escherichia coli, Streptokokken der Gruppe B, Listerien
Eine Sonderform stellt die durch Zecken übertragene Spirochäteninfektion mit Borrelia burgdorferi dar.
Bei den viralen Meningitiden und Enzephalitiden herrschen als Infektionserreger insbesondere die „neurotropen“ Keime vor. Als Erreger finden sich hierbei Enteroviren, Arboviren, Herpesviren, Retroviren, Adenoviren, Myxoviren, selten Arenaviren und Rhabdoviren. Im Zuge einer Sepsis kann es aber bei allen Infektionen zur zerebralen Mitbeteiligung kommen.
Schlafmedizinische Aspekte
Endotoxine sind die Hauptbestandteile der Zellwand gramnegativer Bakterien. In der Anfangsphase der Infektion erfolgt durch die Endotoxine eine unspezifische Immunabwehr. Es kommt zu einem Temperaturanstieg. Im weiteren Verlauf induzieren sie den Anstieg von ACTH, Kortisol und die Freisetzung und Synthese unterschiedlicher Mediatoren. Hier spielen die Zytokine und lösliche Zytokinrezeptoren eine zentrale Rolle, wie TNF-α, sTNF-R p55 und p75, IL-6, IL-10, IL-1-Rezeptorantagonist (IL-1Ra), G-CSF. Es ließ sich nachweisen, dass das Ausmaß des rektalen Temperaturanstiegs direkten Einfluss auf das Ausmaß der Antwort auf die Endotoxine und die hierdurch bedingten Einflüsse auf den Schlaf hat.
Zahlreiche Experimente wurden an Tieren wie auch an gesunden Probanden unter Gabe von einzelnen Mediatoren und/oder Endotoxin durchgeführt. In allen Studien führte die Endotoxingabe in höheren Dosen zu einer Schlaffragmentierung mit vermehrten Wachphasen in der Nacht, die Menge des NREM-Schlafs war vermindert. Subjektiv wurde von allen Probanden eine vermehrte Schläfrigkeit angegeben. Polysomnographisch fand sich bei subpyrogenen Dosen eine Zunahme des NREM-Stadiums 2, bei sehr geringer Dosis eine Zunahme von Deltaschlaf. Dosisunabhängig war der REM-Schlaf immer supprimiert. Höhere Endotoxinkonzentrationen erzeugen Fieber und haben eine Störung der Schlafarchitektur und Verringerung des NREM-Schlafs zur Folge. IL-6 führt wie die subpyrogene Dosis von Endotoxinen letztlich nur zu einer REM-Schlafsuppression. G-CSF bedingt eine Zunahme der Zahl zirkulierender Granulozyten und hat auch antiinflammatorische Eigenschaften. Es führt zu einem diskreten Anstieg der übrigen oben genannten Mediatoren. Nach experimenteller Gabe kam es insbesondere zu einem Anstieg der Antagonisten der Zytokine. Es fand sich eine Suppression der Tiefschlafmenge und Abnahme der spektralen EEG-Deltapower.
Zusammenfassend scheint der Effekt der experimentellen Immunmodulation vom zunehmenden Ausmaß der Wirtsantwort abzuhängen. Bei alleiniger Zytokinfreisetzung steigen NREM-Schlafmenge und Deltapower im „Elektroenzephalogramm“. Nach Aktivierung der übrigen Entzündungsreaktion ist keine Veränderung des Schlafs nachzuweisen. Nach weiterer Entzündungsaktivität erhöht sich der Wachanteil, die NREM-Schlafmenge nimmt ab. Dies erklärt zum Teil die unterschiedlichen klinischen Erscheinungsbilder in den einzelnen Phasen der ZNS-Infektionen.
Symptomatik
Bei der bakteriellen Meningitis (Meningitis purulenta) treten im Rahmen eines hochfieberhaften Infekts als charakteristische Zeichen Kopf-, Nacken- und Rückenschmerzen auf. Die Patienten haben eine extreme Lichtscheu. Im Untersuchungsbefund ist eine Nackensteife auffällig. Relativ rasch entwickelt sich eine Enzephalitis, bei der ein hirnorganisches Psychosyndrom und eine progressive Bewusstseinstrübung auftreten. Bei Enzephalitiden treten in der Frühphase gehäuft zerebrale Krampfanfälle auf. Bei der viralen Meningitis finden sich die genannten Symptome meist in milderer Form, allerdings führen Herpes-simplex-Infektionen sehr schnell zur Bewusstseinstrübung und durch den Befall des Temporallappens zu komplex-partiellen Anfällen. Bei der durch Zecken übertragenen Neuroborreliose (Zecken-Polyradikuloneuritis, Lyme disease) folgen dem ersten Stadium mit einem kutanen Erythema migrans im zweiten Stadium radikuläre Schmerzen und periphere Paresen, seltener eine Enzephalitis und Myelitis. Im dritten Stadium besteht eine progressive Enzephalomyelitis und chronische Polyneuropathie. Viele Patienten beklagen in den unterschiedlichen Stadien eine ausgeprägte Erschöpfung (Fatigue).
Wie bei „Infektionskrankheiten ohne Befall des Zentralnervensystems“ beklagen Patienten mit Meningoenzephalitiden unterschiedliche Störungen ihres Schlaf-Wach-Rhythmus, die von Hypersomnie mit Tagesschläfrigkeit und Erhöhung der Gesamtschlafmenge über 24 Stunden bis zu häufigem nächtlichen Erwachen mit konsekutiver Insomnie reichen. Bei zunehmender Enzephalitis resultiert eine zunehmende Schläfrigkeit mit Bewusstseinseintrübung bis zum Koma. Eine Erklärung kann nur aus experimentellen Ansätzen zu Immunantwort und Schlaf abgeleitet werden. In Tierexperimenten ließen sich bei Infektionskrankheiten Veränderungen der Schlafstruktur im Sinne einer Steigerung von Anteilen des NREM-Schlafs nachweisen. Als wesentliche Mediatoren wurden Zytokine gesehen. Entscheidend scheint der Einfluss auf die Melatoninsekretion zu sein.
Diagnostik
Neben den klassischen Entzündungszeichen im Serum wie Leukozytose, CRP-Erhöhung und Fibrinogenerhöhung ist die Liquordiagnostik entscheidend.
Bei der bakteriellen Meningitis imponieren im Liquor eine Eiweißerhöhung, eine Pleozytose >1000/μl bis >10.000/μl Granulozyten, der Zuckergehalt ist erniedrigt. Im Gram-Präparat kann eine erste Erregercharakterisierung vorgenommen werden, es folgt die exakte bakterielle Differenzierung.
Bei der viralen Genese findet sich eine lymphozytäre Pleozytose (30 bis max. 1000 Zellen/μl), der Eiweißgehalt ist allenfalls leicht erhöht, der Zuckergehalt normal.
Die Infektionserreger lassen sich im Liquor und Serum durch spezifische Antikörper (IgM und IgG) nachweisen.
Mit fortschreitender Erkrankung kommt es zur progredienten Bewusstseinseintrübung und das Elektroenzephalogramm (EEG) der Patienten weist eine entsprechende Verlangsamung auf. Fokale Entzündungsherde bedingen entsprechende Herdbefunde, insbesondere temporal. Bei epileptischen Anfällen sind intermittierend hochgespannte Wellen aus dem Theta-/Deltaband oder epilepsietypische Potenziale ableitbar. Das bildgebende Mittel der Wahl zum Nachweis von Enzephalitiden ist die Kernspintomographie (MRT; Abb. 1).
Abb. 1
Herpesenzephalitis: Bitemporale Läsionen im T2-gewichteten Kernspinbild
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Polysomnographie
Die meisten Meningitis-/Enzephalitispatienten werden nicht polysomnographisch untersucht. Eine Ausnahme bildet die durch den Epstein-Barr-Virus ausgelöste Mononukleose. Da viele betroffene Patienten über Abgeschlagenheit im Sinne einer Fatigue und Tagesschläfrigkeit klagen, wurden hier polysomnographische Untersuchungen durchgeführt. Es zeigten sich eine deutlich erhöhte nächtliche Gesamtschlafzeit und als Hinweis auf eine Tagesschläfrigkeit eine verkürzte Einschlaflatenz im Multiplen Schlaflatenztest (MSLT; siehe „Multipler Schlaflatenztest und Multipler Wachbleibetest“). Schlafstörungen werden von vielen Patienten nach überstandener Meningitis/Enzephalitis beklagt (Schmidt et al. 2006), wobei das Ausmaß der Verursachung durch physische Veränderungen und psychische Belastung nicht geklärt ist.
Therapie
Die antibiotische Therapie richtet sich nach dem Erregerspektrum und dem Antibiogramm.
Bei Verdacht auf eine durch Herpesviren ausgelöste Enzephalitis muss unverzüglich virostatisch mit Aciclovir (10 mg/kg Körpergewicht 3× täglich i. v.) behandelt werden.
Zusammenfassung, Bewertung
Bei entzündlichen Erkrankungen des Zentralnervensystems kommt es je nach Phase des Krankheitsverlaufs zu unterschiedlichen Veränderungen des Schlafs und der Wachheit. Das hängt zum einen mit der Immunantwort und mit den allgemeinen Auswirkungen der Entzündungsreaktion zusammen, zum anderen mit der unmittelbaren Affektion des Zentralnervensystems.
Literatur
Culebras A, Dekker M (Hrsg) (2000) Sleep disorders and neurological diseases. Marcel Dekker, New York
Delank HW, Gehlen W (2006) Neurologie. Thieme, Stuttgart/New YorkCrossRef
Hufschmidt A, Lücking CH (2013) Neurologie compact. Leitlinien für Klinik und Praxis. Thieme, Stuttgart/New York
Masur KF, Neumann M (2007) Neurologie. Thieme, StuttgartCrossRef
Schmidt H, Cohrs S, Heinemann T et al (2006) Sleep disorders are long-term sequelae of both bacterial and viral meningitis. J Neurol Neurosurg Psychiatry 77:554–558CrossRef