Epilepsien sind eine Gruppe von Erkrankungen unterschiedlicher Ursachen, deren Gemeinsamkeit eine erhöhte Neigung zu epileptischen Anfällen ist. Pathophysiologisch liegen eine erhöhte Exzitabilität und Neigung zur Hypersynchronie von Bereichen des Cortex cerebri zugrunde. Epilepsien werden unterteilt nach der Lokalisation der epileptogenen Zone in generalisierte oder fokale Epilepsien und nach der Ätiologie in strukturell, metabolisch, immunologisch oder genetisch bedingte (idiopathische) Epilepsien. Bei einigen Epilepsiesyndromen treten Anfälle typischerweise schlafgebunden auf. Diese Formen sind differentialdiagnostisch von Parasomnien abzugrenzen. Bei anderen, insbesondere bei genetisch bedingten (idiopathischen) generalisierten Epilepsien, können Anfälle durch Schlafentzug provoziert werden.
Epilepsien sind eine Gruppe von Erkrankungen unterschiedlicher Ursachen, deren Gemeinsamkeit eine erhöhte Neigung zu epileptischen Anfällen ist. Pathophysiologisch liegen eine erhöhte Exzitabilität und Neigung zur Hypersynchronie von Bereichen des Cortex cerebri zugrunde. Epilepsien werden unterteilt nach der Lokalisation der epileptogenen Zone in generalisierte oder fokale Epilepsien und nach der Ätiologie in strukturell, metabolisch, immunologisch oder genetisch bedingte (idiopathische) Epilepsien.
Bei einigen Epilepsiesyndromen treten Anfälle typischerweise schlafgebunden auf. Diese Formen sind differentialdiagnostisch von „Parasomnien“ abzugrenzen (Malow 1996). Bei anderen, insbesondere bei genetisch bedingten (idiopathischen) generalisierten Epilepsien, können Anfälle durch „Schlafentzug“ provoziert werden.
Genetik, Geschlechterwendigkeit
Die Mehrzahl der idiopathischen Epilepsien ist oligo- oder polygenetisch bedingt. Für einzelne seltene Epilepsien ist ein monogenetischer Erbgang gesichert. 1995 wurde erstmals die autosomal-dominante nächtliche Frontallappenepilepsie (ADNFLE) beschrieben, bei der die Anfälle typischerweise aus dem Stadium 2 des Leichtschlafs heraus auftreten. Zugrunde liegen Mutationen der Untereinheit A4 des nikotinischen Acetylcholinrezeptors (CHRNA4) (Steinlein et al. 1995). Inzwischen wurden auch weitere Mutationen des Acetylcholinrezeptors (CHRNA2, CHRNB2), eine Mutationen in einem natriumgesteuerten Kaliumkanalgen (KCNT1) sowie Mutationen des Gens DEPDC5, das für einen Repressor des mTOR-Signalwegs kodiert, als Ursache einer familiären Frontallappenepilepsie beschrieben. Epilepsien kommen bei Männern und Frauen gleich häufig vor.
Epidemiologie und Risikofaktoren
Epilepsien gehören mit einer Prävalenz von 0,5–1 % und einem Lebenszeitrisiko von 5 % zu den häufigsten neurologischen Krankheiten. Bei etwa 40 % handelt es sich um generalisierte, bei 60 % um fokale Epilepsien. Fokale Epilepsien sind häufig strukturell, also durch eine zugrunde liegende Läsion bedingt. Das Risiko, als Folge einer Hirnschädigung an einer Epilepsie zu erkranken, hängt von der Art und Schwere beziehungsweise von der Ausdehnung der Hirnschädigung ab. Das Risiko, an einer genetisch bedingten Epilepsie zu erkranken, hängt vom Vererbungsmodus und der Anzahl betroffener Familienmitglieder ab. Es liegt bei Epilepsiesyndromen mit oligogenem Vererbungsmodus bei 5–10 %, bei monogenen autosomal-dominanten Epilepsien, wie beispielsweise der ADNFLE, in Abhängigkeit von der Penetranz bei bis zu 50 %. Eine Schlafbindung epileptischer Anfälle ist nicht selten und lange bekannt. Schon Gowers beschrieb 1885, dass bilateral-tonisch-klonische Anfälle (BTKA) bei 21 % von 840 Anfallspatienten ausschließlich während des Schlafs auftraten.
Pathophysiologie, Psychophysiologie
Epilepsien sind gekennzeichnet durch eine Hyperexzitabilität von neuronalen Netzwerken. Diese können bei erworbenen, fokalen Epilepsien auf einen umschriebenen Bereich des Neokortex oder der limbischen Strukturen begrenzt sein. Mögliche Ursachen sind zum Beispiel die Hippokampussklerose, angeborene kortikale Dysplasien und andere Migrationsstörungen, Tumoren, kavernöse Angiome und andere vaskuläre Fehlbildungen, Narben nach intrazerebralen Blutungen, ischämischen Infarkten oder traumatischen Hirnverletzungen, erregerbedingte Entzündungen sowie Autoimmunenzephalitiden. Bei genetisch bedingten (idiopatischen) generalisierten Epilepsien erstreckt sich die Hyperexzitabilität auf ausgedehnte bilaterale Netzwerke, zum Beispiel thalamokortiale Verbindungen. Neurone des Nucleus reticularis thalami üben eine GABAerge Inhibition auf thalamokortikale Neurone des dorsalen Thalamus aus. Dieses Netzwerk spielt einerseits bei der Generation von Schlafspindeln eine wesentliche Rolle, die vor allem im leichten Schlaf (Stadium N2) mit frontozentralem Maximum auftreten. Andererseits werden diese inhibitorischen retikulären Neurone während der für die Absencenepilepsien typischen 3-Hz-Spike-and-Wave-Komplexe durch exzitatorische kortikothalamische Projektionen erregt, was wiederum lang anhaltende inhibitorische postsynaptische Potenziale (IPSP) der thalomokortikalen Neurone auslöst. Somit bilden thalamokortikale Schaltkreise eine wesentliche Grundlage der komplexen Interaktion zwischen Schlaf und Epilepsie.
Symptomatik
Beschwerden und Symptome
Epileptische Anfälle stellen das Hauptsymptom von Epilepsien dar. Die klinischen Anfallssymptome (Semiologie) können von Patient zu Patient sehr unterschiedlich sein, sind aber intraindividuell in der Regel extrem stereotyp. Isolierte epileptische Auren sind Anfälle, die sich nur durch subjektive Anfallssymptome wie epigastrische Sensationen, Panik, somatosensorische Missempfindungen oder visuelle Halluzinationen äußern, aber ohne objektiv beobachtbare Symptome bleiben. Epileptische Auren im Schlaf können zu gehäuften Arousals (siehe „Arousal“) und damit zu einer Fragmentierung des Nachtschlafs führen. Fokale Anfälle mit Ursprung im Temporallappen zeigen sich klinisch in der Regel durch orale und/oder manuelle Automatismen wie zum Beispiel wiederholtes Schlucken, Schmatzen, Lippen lecken oder Wischbewegungen mit den Händen. Bei fokalen Anfällen mit Ursprung im Frontallappen stehen häufig proximal betonte, oft aggressiv wirkende ausfahrende komplexe Bewegungen der Arme und Beine im Vordergrund, die manchmal nur durch ihre Stereotypie und assoziierte EEG-Veränderungen von Non-REM-Parasomnien unterschieden werden können. Bilateral-tonisch-klonische Anfälle im Schlaf gehen mit einer Tonisierung und nachfolgenden Kloni des ganzen Körpers einher, teilweise begleitet von einem Zungenbiss oder anderen Verletzungen. Vor allem bei Menschen, die allein schlafen, können schlafgebundene Anfälle oft über lange Zeit unbemerkt bleiben. Hinweise können morgendlicher Muskelkater, morgendliche Kopfschmerzen, Aufwachen mit Zungenbiss oder anderen unerklärlichen Verletzungen oder das sogenannte Forellenphänomen, also kleine petechiale Einblutungen in den Augenlidern, sein. Auch nächtliches Einnässen kann ein Hinweis auf ansonsten unbemerkte bilateral-tonisch-klonische Anfälle im Schlaf sein ( „Enuresis und Harninkontinenz“). Neben den Anfällen leiden viele Patienten mit Epilepsie an weiteren Beschwerden, die die Lebensqualität sogar in höherem Maße bestimmen können als die Anfälle selbst. Hier spielen vor allem Depressionen und Angststörungen einer Rolle, die bei Patienten mit Epilepsie zwei- bis dreifach häufiger sind als im Bevölkerungsdurchschnitt. Hinzu kommen vor allem bei strukturell bedingten Epilepsien kognitive Einschränkungen, wie zum Beispiel verbale oder nonverbale Gedächtnisstörungen.
Erstmanifestation
Meist führt der erste bilateral-tonisch-klonische Anfall zur Diagnosestellung. Bei genauer Erhebung der Anamnese stellt sich nicht selten heraus, dass bereits andere, weniger augenfällige Anfälle aufgetreten sind.
Auslöser
Auslöser einzelner Anfälle sind vor allem für die genetisch bedingten (idiopathischen) generalisierten EpilepsienSchlafentzug, Alkoholgenuss oder -entzug und teilweise auch Hyperventilation. Bei der Aufwach-Grand-Mal-Epilepsie ist das Erwachen Auslöser. Bei der juvenilen myoklonischen Epilepsie (JME) treten die Anfälle typischerweise in der ersten Stunde nach Erwachen auf. In 30 % sind Patienten mit diesem Epilepsiesyndrom auch photosensibel, das heißt, Anfälle können durch Stroboskoplicht ausgelöst werden, vor allem durch Flimmerfrequenzen zwischen 15 und 25 Hz. Eine Anfallsprovokation durch flimmernde Fernsehbilder trat früher bei alten Röhrenbildschirmen gelegentlich auf, spielt aber heute im Zeitalter flimmerfreier Flachbildschirme keine Rolle mehr. Es ist daher heute völlig unangemessen, Epilepsiepatienten vom Fernsehen abzuraten. Bei fokalen Epilepsien treten epilepsietypische Potenziale im Elektroenzephalogramm überwiegend im leichten Schlaf (Stadium N1–N2) auf (Klein et al. 2003). Auch die Anfälle können vorzugsweise schlafgebunden auftreten. Dies trifft vor allem auf Frontallappenepilepsien zu. Bei über 50 % der Betroffenen mit Frontallappenepilepsie tritt die Mehrzahl der Anfälle, bei 20 % der Betroffenen sogar über 90 % der Anfälle aus dem Schlaf heraus auf. Die Anfallshäufigkeit ist typischerweise hoch, ca. 50 % der Betroffenen berichten im Durchschnitt mehr als 30 Anfälle pro Monat. Eine besondere Form der Frontallappenepilepsie ist die SSMA-Epilepsie mit Anfällen, die vom supplementär-sensomotorischen Kortex ausgehen. Typisch sind hier schlafgebundene Anfälle mit tonischen Haltungsschablonen („Fechterstellung“; siehe Abb. 1). Das EEG ist in der Regel normal. Die benigne fokale Epilepsie des Kindesalters (Rolando-Epilepsie) ist ein weiteres Beispiel für eine Epilepsie mit fast ausschließlich schlafgebundenen Anfällen (Tab. 1; Malow 1996).
Tab. 1
Epilepsiesyndrome mit schlafgebundenen Anfällen. Die Anfälle treten im Schlaf oder nach dem Erwachen auf
Das Risiko des Auftretens weiterer Anfälle nach einem ersten Anfall liegt über alle Patienten gemittelt bei 40–50 %. Es ist höher, wenn sich aus Bildgebung, Anfallssymptomatik oder klinischem Befund Hinweise auf eine fokale Hirnläsion ergeben oder das Elektroenzephalogramm (EEG) eine epilepsietypische oder fokale Pathologie aufweist. Nach der aktuellen Definition liegt eine Epilepsie vor, wenn mindestens zwei nicht provozierte Anfälle oder Reflexanfälle im Abstand von mehr als 24 Stunden aufgetreten sind, wenn nach einem einzelnen Anfall ein erhöhtes Risiko von mindestens 60 % für weitere Anfälle ergibt – zum Beispiel durch Nachweis einer typischerweise epileptogenen Läsion im MRT oder von epilepsietypischen Potenzialen im EEG – oder wenn ein typisches elektroklinisches Syndrom vorliegt (Fisher et al. 2014). Von allen Patienten mit der Diagnose einer Epilepsie werden im Durchschnitt 65 % durch eine antiepileptische Medikation für längere Zeit anfallsfrei, während die verbleibenden 35 % eine chronische medikamentenresistente Epilepsie entwickeln.
Psychosoziale Faktoren
Epilepsiepatienten verlieren typischerweise initial ihre Fahreignung, häufig ist die Arbeitsfähigkeit bedroht. Patienten mit einer medikamentenresistenten Epilepsie sind wesentlich häufiger arbeitslos oder berentet als andere Schwerbehinderte. Die Schlafbindung von Anfällen und die Anfallsauslösung durch Schlafentzug sind bei der Aufnahme von Schichtarbeit zu berücksichtigen („Nachtarbeit und Schichtarbeit“).
Komorbide Erkrankungen
Bei Epilepsiepatienten liegen gehäuft psychiatrische Störungen vor. Angststörungen sind bei Patienten mit Epilepsie doppelt so häufig wie in der Durchschnittsbevölkerung, Depressionen sogar dreimal so häufig. Depressive Störungen treten bei etwa 30 % der Patienten mit Temporallappenepilepsie auf. Im Laufe einer Epilepsie kann eine progrediente mnestische Störung auftreten, dies ist besonders bei strukturell oder immunologisch bedingten Temporallappenepilepsien der Fall. Anfallsfolgen wie Frakturen und Schädel-Hirn-Traumen können hinzutreten. Schlafbezogene Anfälle können zu einer Fragmentierung des Nachtschlafs führen und somit auch Tagessymptome wie Tagesschläfrigkeit und verminderte kognitive Leistungsfähigkeit auslösen (Malow 1996).
Diagnostik
Wesentliche Bestandteile sind die Eigenanamnese und die Fremdanamnese, die insbesondere die Fragen nach Anfallsbeginn und Anfallssymptomatik sowie nach weiteren „stereotypen Episoden“ beinhalten sollte. Dabei ist zu beachten, dass Patienten und Angehörige viele typische Anfallssymptome (zum Beispiel Auren) möglicherweise gar nicht als epileptische Anfälle wahrnehmen, die bloße Frage nach „Anfällen“ hilft daher nicht weiter, vielmehr müssen die einzelnen Symptome typischer Anfälle und Auren im Detail erfragt werden. Zur Routinediagnostik gehören auch das „Elektroenzephalogramm“ (gegebenenfalls nach Schlafentzug) und eine Magnetresonanztomographie (MRT) mit geeigneten Sequenzen. Diagnostischer Goldstandard für die Differentialdiagnostik schlafgebundener Anfälle ist das Video-EEG-Monitoring unter Verwendung aller Elektroden des 10–20-Systems und/oder die „Polysomnographie“.
Differentialdiagnostik
Differentialdiagnostisch sind schlafbezogene Anfälle vor allem von „Parasomnien“ abzugrenzen. Die Abgrenzung gelingt bei bilateral-tonisch-klonischen Anfällen wegen der charakteristischen Symptomatologie, dem nachfolgenden CK-Anstieg und gegebenenfalls morgendlichem Muskelkater oder morgendlichen Kopfschmerzen in der Regel einfach. Fokale motorische Anfälle bereiten hier größere Probleme. Das Auftreten von einzelnen Anfällen aus dem Wachen heraus ist differentialdiagnostisch sehr hilfreich. Epileptische Anfälle sind im Gegensatz zu den meisten Parasomnien kurz und dauern oft nur wenige Sekunden, selten länger als 2 Minuten. Epileptische Anfälle mit Ursprung im Frontallappen können durch asymmetrisch-tonische Halteschablonen (Abb. 1), Versivbewegungen oder auch hypermotorische proximal betonte, heftige komplexe Bewegungen charakterisiert sein.
Nach Anfällen mit Ursprung im Frontallappen sind die Betroffenen anschließend in der Regel sofort reorientiert, während Betroffene, die aus einer Parasomnieattacke geweckt werden, oft noch für 1–2 Minuten verwirrt und desorientiert sind. Das Bewusstsein kann während einiger Anfälle erhalten sein, vor allem bei fokalen Anfällen mit Ursprung in der nicht sprachdominanten Hemisphäre. Anfälle bei Temporallappenepilepsien sind durch distal betonte orale oder manuelle Automatismen charakterisiert, zum Beispiel Schmatzen, wiederholtes Schlucken, Lippen lecken, Summen, Wischbewegungen mit den Händen oder Zupfen an der Bettdecke oder Kleidung. Anfälle treten am häufigsten aus den Schlafstadien N1 und N2, seltener aus dem Tiefschlaf (N3) und äußerst selten aus dem REM-Schlaf heraus auf. Typisch ist das Auftreten im Einschlafen oder überwiegend in der zweiten Nachthälfte (Abb. 2). Neben dem Aufzeichnen der fraglichen Episoden im Video-EEG-Monitoring, um ein EEG-Anfallsmuster zu dokumentieren (Abb. 3), ist auch der Nachweis von Spikes oder Sharp-Waves im interiktualen EEG hilfreich.
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Der Nachweis von Läsionen im MRT spricht eher für eine epileptische Genese, wenngleich natürlich auch MRT-Zufallsbefunde ohne ursächlichen Zusammenhang mit den Anfällen möglich sind. Differentialdiagnostisch relevante Schlafstörungen sind Non-REM-Parasomnien – dazu gehören der „Pavor nocturnus“, „Verwirrtes Erwachen“ und das „Schlafwandeln“ – außerdem die „REM-Schlaf-Verhaltensstörung“, periodische Extremitätenbewegungen im Schlaf (PLMS; siehe „Periodische Beinbewegungen“), schlafassoziierter „Bruxismus“, die „Schlafbezogene rhythmische Bewegungsstörung“, „Hypnagoger Fußtremor und alternierende Beinmuskelbewegungen“ sowie schlafassoziierte Myoklonien. Motorische Phänomene bei Obstruktiver Schlafapnoe (OSA; siehe „Obstruktive Schlafapnoe“) sind wegen der typischen Begleitsymptome meist leicht abzugrenzen. Non-REM-Parasomnien treten aus dem Tiefschlaf (N3) und daher vorwiegend in der ersten Nachthälfte auf. Die Attacken sind wie epileptische Anfälle zwar meistens kurz (1–2 Minuten), können aber auch 30–40 Minuten andauern. Beim verwirrten Erwachen (Confusional Arousal) findet man ein „verwirrt“ anmutendes Verhalten, wie Umherschauen mit ratlosem Blick oder Sprechen zusammenhangloser Sätze, ähnlich wie es bei schlafgebundenen Anfällen vorkommt, vor allem bei Anfällen mit temporalem Ursprung. Beim Schlafwandeln ist der Beginn ähnlich, die Attacken dauern meist länger und die Betroffenen verlassen das Bett. Dies kann insbesondere mit postiktualer Verwirrtheit nach unbemerkten schlafgebundenen Anfällen verwechselt werden. Der Pavor nocturnus beginnt mit einer abrupten Bewegung, zum Beispiel Aufsetzen oder Aufspringen aus dem Bett, häufig mit einem Schrei und Sympathikusaktivierung. Dies muss vor allem von hypermotorischen epileptischen Anfällen mit frontalem Ursprung abgegrenzt werden. Allerdings ist die postiktuale Reorientierung nach Frontallappenanfällen unmittelbar und sehr rasch, während Betroffene nach einem Pavor nocturnus oft noch für einige Minuten verwirrt und schwer zu beruhigen sind. Die emotionale angstgetönte Komponente ist beim Pavor nocturnus oft ausgeprägter als bei schlafgebundenen epileptischen Anfällen, sie fehlt aber typischerweise beim verwirrten Erwachen und beim Schlafwandeln. Die motorischen Symptome bei Non-REM-Parasomnien sind insgesamt von Attacke zu Attacke viel variabler und weniger stereotyp als epileptische Anfälle. Eine fremdanamnestische Beschreibung von immer gleich ablaufenden, sehr stereotypen Attacken weist daher eher auf eine Epilepsie als auf eine Non-REM-Parasomnie hin. Schlafwandeln tritt meist in der Kindheit erstmals auf, persistiert aber gelegentlich bei Erwachsenen. Die meisten erwachsenen Schlafwandler sind auch schon als Kind schlafgewandelt, während Epilepsien häufiger auch im Erwachsenenalter neu auftreten. Die REM-Schlaf-Verhaltensstörung tritt meist bei älteren Patienten und vorwiegend in der zweiten Nachthälfte auf. Szenisch geprägtes Ausagieren von Träumen („dream enactment“) mit Verteidigungs- oder Angriffshandlungen sind typisch. Pathophysiologisch liegt das Fehlen der physiologischen REM-assoziierten Muskelatonie zugrunde. Die Abgrenzung von hypermotorischen Frontallappenanfällen ist anamnestisch oder im Video-EEG-Monitoring meist einfach möglich. Da die REM-Schlaf-Verhaltensstörung mit neurodegenerativen Erkrankungen wie Morbus Parkinson oder Multisystematrophie assoziiert ist, gibt auch der klinisch-neurologische Befund oft schon einen wichtigen Hinweis, zum Beispiel bei Nachweis eines mitunter vom Patienten noch gar nicht bemerkten Rigors. Die Schlafbezogene rhythmische Bewegungsstörung ist durch rhythmische, stereotype Bewegungen gekennzeichnet, die proximale Muskelgruppen einbeziehen. Sie kann daher vor allem mit hypermotorischen Anfällen bei Frontallappenepilepsien verwechselt werden. Typisch sind zum Beispiel Hin- und Herwerfen des ganzen Körpers („body rocking“), Rollbewegungen um die Körperlängsachse sowie Schlagbewegungen mit den Beinen. Die Bewegungen erscheinen vor allem in der Einschlafphase und im leichten Non-REM-Schlaf (N1 und N2) und dauern im Gegensatz zu epileptischen Anfällen meist viele Minuten oder noch länger an. Als Ursache wird ein beruhigender Effekt der Autostimulation angenommen. Seltenere Differentialdiagnosen sind periodische Extremitätenbewegungen im Schlaf (PLMS), schlafbezogener Bruxismus oder der hypnagoge Fußtremor. Epileptische Myoklonien im Schlaf sind sehr selten, die Abgrenzung von schlafbezogenen nichtepileptischen Myoklonien wie „Einschlafzuckungen“, „Propriospinaler Myoklonus beim Einschlafen“ oder „Exzessiver fragmentarischer Myoklonus“ bereitet meist keine Probleme. Neben motorischen Phänomenen des Schlafs müssen schlafgebundene epileptische Anfälle schließlich noch von paroxysmalen Tachykardien wie beim Long-QT-Syndrom, beim LGL-Syndrom (Lown-Ganong-Levine-Syndrom) oder WPW-Syndrom (Präexzitationssyndrom) abgegrenzt werden. Die Tab. 2 und 3 enthalten die differentialdiagnostisch relevanten Charakteristika zur Abgrenzung schlafgebundener epileptischer Anfälle von Parasomnien und anderen motorischen Phänomenen des Schlafs.
Tab. 2
Relevante Charakteristika von Epilepsien mit schlafgebundenen Anfällen für die differentialdiagnostische Abgrenzung gegenüber Parasomnien
Diagnose
Alter bei Auftreten, Geschlechtsverteilung
Bevorzugte Schlafstadien für das Auftreten
Motorische Aktivität
Erinnerung an Ereignis
Weiteres
Frontallappenepilepsie
Jedes
N2 ↑↑↑
N3 ↑↑
REM (↑)
Tonisch, oft bilateral, hypermotorisch, Vokalisationen, meist kurz, sehr stereotyp
Möglich bei Ursprung in der nichtdominanten Hemisphäre
Auch Anfälle am Tag oder BTKA möglich
Temporallappenepilepsie
Jedes
N2 ↑↑↑
N3 ↑↑
REM (↑)
Orale und manuelle Automatismen (Schlucken, Schmatzen, Lippen lecken, Wischbewegungen mit den Händen)
Möglich bei Ursprung in der nichtdominanten Hemisphäre
Meistens auch Anfälle am Tag oder BTKA
Schlaf-Grand-Mal-Epilepsie
Junges Erwachsenenalter
N2 ↑↑
N3 ↑
REM (↑)
bilateral-tonisch-klonischer Anfall (BTKA)
Nein
Übergang in diffuse Grand-Mal-Epilepsie möglich
Rolando-Epilepsie
3.–8. Lebensjahr
N2
Klonisch, oft im Gesicht beginnend mit sekundärer Generalisierung
Möglich bei fehlender Generalisierung
Meist nur wenig Anfälle insgesamt
BTKA: bilateral-tonisch-klonische Anfälle
Tab. 3
Gegenüberstellung von Charakteristika der Non-REM-Parasomnie und Frontallappenepilepsie
Frontallappenepilepsie
Non-REM-Parasomnien
Alter
Jedes
Vor allem im Kindesalter
Familienanamnese
< 40 %
70–90 %
Auftreten während der Nacht
variabel, aber häufiger in der zweiten Nachthälfte
Vor allem in der ersten Nachthälfte
Dauer der Attacke
Sekunden bis 1–2 Minuten
1–30 Minuten
Reorientierung
Sehr rasch bis sofort
Meist verzögert
Semiologie
Sehr stereotyp, lateralisierende Zeichen
Variabler Ablauf, teilweise zielgerichtete Handlungen
Prävention
Präventive Ansätze ergeben sich bei der Epilepsie nur für die Vermeidung fokaler Hirnschäden. So lassen sich beispielsweise beim Radfahren oder Inlineskaten durch Tragen eines Schutzhelmes traumatische Hirnschäden und damit in der Folge posttraumatische Epilepsien vermeiden.
Therapie
Gesichert
Die Mehrzahl der Patienten wird medikamentös behandelt. Bei der Auswahl des Medikaments spielen Epilepsiesyndrom, Patientenmerkmale und Nebenwirkungsprofil die wesentliche Rolle. Die Schlafbindung von Anfällen ist weniger relevant, es sei denn, sie bedingt eine Schlafstörung. Die antiepileptische Medikation selbst kann „Medikamentennebenwirkungen“ haben in Form von Ein- und Durchschlafstörungen (zum Beispiel Lamotrigin), exzessiver Tagesschläfrigkeit (zum Beispiel Levetiracetam), verkürzter Schlaflatenz (zum Beispiel Pregabalin) oder kognitiver Einschränkungen (zum Beispiel Carbamazepin oder Topiramat) (Bazil 2003). Bei schlafbezogenen Anfällen kann das Erreichen einer guten Anfallskontrolle eine anfallsbedingte Schlafstörung verbessern und damit die Wachheit und Leistungsfähigkeit am Tage verbessern. Umgekehrt kann die Behandlung einer schlafmedizinischen Erkrankung wie Obstruktive Schlafapnoe die Anfallskontrolle bessern. Etwa zwei Drittel aller Patienten werden unter einer medikamentösen Mono- oder Kombinationstherapie anfallsfrei. Wenn auch nach Einsatz von 2–3 geeigneten, adäquat dosierten und vertragenen Antikonvulsiva keine Anfallsfreiheit erreicht wird, spricht man von einer Pharmakoresistenz. Dann sollte die Möglichkeit eines epilepsiechirurgischen Eingriffs geprüft werden. Dazu ist eine Vorstellung in einem spezialisierten Epilepsiezentrum anzuraten. Zu den Erfolgsaussichten epilepsiechirurgischer Eingriffe liegen gut gesicherte Resultate aus Therapiestudien vor. Bei pharmakoresistenten Patienten, bei denen kein epilepsiechirurgischer Eingriff möglich ist, können Verfahren der elektrischen Neurostimulation eingesetzt werden, inbesondere die Vagusnervstimulation (VNS) und tiefe Hirnstimulation des Nucleus anterior thalami (ANT-DBS). Die Vagusnervstimulation (VNS) zur Epilepsiebehandlung kann ein obstruktives Schlafapnoesyndrom (OSAS) hervorrufen oder verstärken. Bei entsprechenden Symptomen (z.B. Tagesschläfrigkeit) sollte daher bei Patienten mit Vagusnervstimulation niederschwellig eine kardiorespiratorische Polygraphie oder Polysomnographie erfolgen. Die Indikationsstellung, Durchführung und Verlaufskontrolle dieser Verfahren sollte spezialisierten Zentren vorbehalten bleiben. Die ketogene Diät beziehungsweise modifizierte Atkins-Diät ist evidenzbasiert etwa so wirksam wie die Hinzugabe eines weiteren Antikonvulsivums, erfordert aber ein extrem hohes Maß an Disziplin und Motivation seitens des Patienten.
Unwirksam
Gelegentlich werden Phytopharmaka, wie zum Beispiel Baldrianextrakt, Cava cava, Passionblume, schwarzer Pfeffer oder indische Schlafbeere, zur Epilepsiebehandlung empfohlen. Auch andere Verfahren der Komplementärmedizin, wie Akupunktur oder Homöopathie, kommen zum Einsatz. Für alle diese Verfahren existieren keine wissenschaftlich fundierten Wirksamkeitsnachweise.
Rehabilitation
Die Rehabilitation spielt eine Rolle, wenn die Arbeitsfähigkeit durch die Epilepsie verloren geht oder bedroht ist und wenn nach einem epilepsiechirurgischen Eingriff neue neurologische Defizite auftreten, was allerdings selten vorkommt.
Nachsorge
Abgesehen von bestimmten, altersgebundenen Epilepsiesyndromen heilt eine Epilepsie selten komplett aus. In den meisten Fällen ist eine dauerhafte Therapie erforderlich. Eine Epilepsie gilt als überwunden nach einer anfallsfreien Zeit von über 10 Jahren, davon 5 Jahre ohne antikonvulsive Therapie (Fisher et al. 2014). Eine besondere Nachsorge ist dann – abgesehen von einer besonderen Vigilanz bezüglich möglicher Anfallsrezidive – nicht erforderlich.
Psychosoziale Bedeutung
Angststörungen sind bei Patienten mit Epilepsie doppelt so häufig, Depressionen sogar dreimal so häufig wie in der Normalbevölkerung. Für die Lebensqualität der Betroffenen sind Depressivität und ihre adäquate Therapie oft entscheidender als die Anfälle selbst. Depressionen bei Epilepsie können viele Ursachen haben, die von biologischen Faktoren bis zu psychosozialen Belastungen reichen. Gedächtnisstörungen sind insbesondere bei Patienten mit Temporallappenepilepsien von Bedeutung. Ein sehr häufiges psychosoziales Problem stellt für Menschen mit Epilepsie die eingeschränkte Kfz-Fahreignung und geringe Mobilität dar. Menschen mit Epilepsie sind weniger häufig berufstätig als Menschen gleichen Alters ohne Epilepsie und haben im Durchschnitt ein geringeres Einkommen. Neben objektiven Faktoren, zum Beispiel Einschränkungen durch kognitive Störungen und durch erhöhte Eigen- und Fremdgefährdung bei bestimmten Tätigkeiten, spielt hier auch eine soziale Stigmatisierung von Menschen mit Epilepsien eine Rolle.
Prognose
Epilepsien können progredient verlaufen, das heißt die Anfallssituation verschlechtert sich im Laufe der Zeit. Wenn Anfälle mindesten 3 Jahre lang ausschließlich schlafgebunden aufgetreten sind, ist in der Regel die Fahreignung wieder gegeben, auch wenn der Patient nicht anfallsfrei ist (siehe auch „Begutachtung von Patienten mit Schlafstörungen in der Neurologie“).
Zusammenfassung, Bewertung
Die Interaktionen von Epilepsie und Schlaf sind ausgesprochen vielfältig. Die Aktivierung oder Modifizierung interiktualer epilepsietypischer Potenziale, besonders bei fokalen Epilepsien, und die Schlafbindung der Anfälle bei bestimmten Epilepsiesyndromen sind differentialdiagnostisch relevant. Epilepsien mit rein schlafgebundenen Anfällen müssen von Parasomnien abgegrenzt werden. Goldstandard hierbei ist das Video-EEG-Monitoring. Insbesondere Frontallappenepilepsien können mit häufigen nächtlichen Anfällen einhergehen, die die Schlafkontinuität und die Schlafqualität beeinträchtigen und zu vermehrter Tagesschläfrigkeit führen. Die Symptome werden durch eine erfolgreiche medikamentöse antikonvulsive oder epilepsiechirurgische Therapie gebessert. Andererseits können Antikonvulsiva ihrerseits die Schlafqualität beeinflussen. Depressionen, Angststörungen und andere psychische Störungen treten bei chronisch verlaufenden Epilepsien, besonders bei Temporallappenepilepsien, gehäuft auf und können unabhängig von den Anfällen den Schlaf beeinträchtigen. Komorbide Schlafstörungen und schlafmedizinische Erkrankungen können zu einer schlechteren Anfallskontrolle führen.
Literatur
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Malow BA (1996) Sleep and epilepsy. Sleep disorders II. Neurol Clin 14:765–789CrossRefPubMed
Steinlein OK, Mulley JC, Propping P, Wallace RH, Phillips HA, Sutherland GR, Scheffer IE, Berkovic SF (1995) A missense mutation in the neuronal nicotinic acetylcholine receptor alpha 4 subunit is associated with autosomal dominant nocturnal frontal lobe epilepsy. Nat Genet 11:201–203CrossRefPubMed