Narkolepsie
Die „Narkolepsie“ stellt das herausragende Beispiel einer primären Störung der Schlaf-Wach-Regulation dar (Khoury und Doghramji
2015). Erstgradige Verwandte von Narkolepsiepatienten haben ein 20- bis 40-fach erhöhtes Risiko, ebenfalls an
Narkolepsie zu erkranken, aber Vererbung und Pathogenese der Erkrankung sind komplex. Die Symptomatik spiegelt Störungen basaler Mechanismen wider, die den Schlaf- und den Wachzustand regulieren. Im Tiermodell konnte eine Störung des Hypocretin-Transmittersystems nachgewiesen werden. Bei Hunden, die ein klinisches Tiermodell für die Symptome der Narkolepsie/
Kataplexie darstellen, fanden sich in genetischen Untersuchungen Mutationen im Hypocretin-Rezeptor-2. Im danach entwickelten genetischen Modell der Präprohycretin-Knock-out-Mäuse zeigten die Mäuse ebenfalls klinische Symptome von Narkolepsie und Kataplexie. Auch bei humanen Patienten mit Narkolepsie scheint das Hypocretinsystem eine wichtige Rolle in der Pathogenese zu spielen. Untersuchungen des
Liquor cerebrospinalis (CSF) zeigten, dass die Hypocretinspiegel bei Narkolepsiepatienten bis unterhalb der
Nachweisgrenze vermindert sein können. Niedrige CSF-Hypocretinspiegel sind hoch spezifisch (99,1 %) und sensitiv (88,5 %) für die Narkolepsiediagnostik bei Patienten mit Kataplexien. Darüber hinaus wurde im Hypothalamus, dem einzigen Ursprungsort Hypocretin-produzierender Zellen, der selektive Untergang entsprechender Neurone beobachtet. Eine Mutation im Präprohypocretingen konnte allerdings nur bei einem einzelnen Patienten mit ungewöhnlich frühem Krankheitsbeginn nachgewiesen werden, sodass eher von einem komplexen, möglicherweise autoimmun ausgelösten Prozess beim Menschen ausgegangen wird. Ein nicht zu unterschätzendes Problem in der Beurteilung von Störungen der Neurotransmission stellen allerdings die komplexen Interaktionen mit weiteren Systemen dar, sodass die primäre Bedeutung des einzelnen Systems für die Pathogenese einer bestimmten Erkrankung schwer zu belegen ist. Aus statistischen Gründen bedarf es daher umfangreicher Patienten- und Kontrollkohorten mit jeweils sehr gut standardisierten klinischen Kollektiven.
Aus dem genetischen Blickwinkel stellt sich
Narkolepsie als die schlafmedizinische Erkrankung mit der stärksten bekannten Assoziation zu einem bestimmten Merkmal der HLA-Klasse II dar. Dabei handelt es sich um ein HLA-DRB15-Allel, ein Zelloberflächenmolekül von Immunzellen, durch das Fremdantigene dem Immunsystem des Organismus in geeigneter Form zur spezifischen Erkennung präsentiert werden. Etwa 90 % aller Narkolepsiepatienten kaukasischen Ursprungs tragen mindestens ein derartiges Allel. Eine noch stärkere Assoziation konnte unabhängig vom ethnischen Ursprung der Patienten für den
Haplotyp HLA-DRB1*1501-DQB1*0602 nachgewiesen werden. Die beiden polymorphen DRB1- und DQB1-Ausprägungsformen liegen gekoppelt auf dem kurzen Arm von
Chromosom 6.
Aufgrund dieses Assoziationsbefunds und der Tatsache, dass die Erstmanifestation oft in der zweiten bis dritten Dekade liegt, wird seit längerem vermutet, dass der
Narkolepsie eine autoimmune Pathogenese zugrunde liegt. Mehrere Studien zur Identifikation von
Autoantikörpern gegen neuronale Antigene, unter anderem aus dem Hypocretinsystem, bei Narkolepsiepatienten ergaben allerdings bislang nur ein signifikantes Ergebnis: 20–40 % der Patienten mit kürzlich zurückliegendem Krankheitsbeginn wiesen
Autoantikörper gegen „tribbles homolog 2“ auf, ein
Antigen, das auch mit Autoimmunuveitis in Verbindung gebracht wird. In Mäusen konnte in einer ersten Studie nach intrazerebraler Injektion von Anti-TRIB2-Antikörpern aus dem
Serum von Narkolepsiepatienten ein Untergang Hypocretin-positiver Neurone gezeigt werden; weitere Kontrollexperimente sowie Untersuchungen zum genauen Wirkmechanismus stehen allerdings noch aus. Vor dem Hintergrund der starken HLA-Klasse-II-Assoziation wurde auch nach verursachenden Faktoren in der chromosomalen Nachbarschaft des HLA-Komplexes gesucht. Bei japanischen Narkolepsiepatienten wurde eine Assoziation zu einem TNFA-Promotor-Polymorphismus gefunden, die in einer großen deutschen Population allerdings nicht bestätigt werden konnte. Durch genomweite Assoziationsstudien wurden zusätzliche Gene identifiziert, in denen Polymorphismen eine Assoziation mit Narkolepsie zeigten, beispielsweise das Gen für den T-Zellrezeptor alpha (TCRA) sowie P2RY11, CTSH und TNFRSF4. Obwohl die Assoziation mit TCRA weitere Hinweise für eine Autoimmungenese bietet, tragen alle bislang identifizierten Risikoallele außer HLA-DQB1 nur gering zur Risikoerhöhung für Narkolepsie bei, und für die meisten müssen die Ergebnisse noch in weiteren Studien bestätigt werden.
Ein nichtgenetischer Risikofaktor für die
Narkolepsie ist ein Geburtstermin in den Frühjahrsmonaten. Auch eine Streptokokken-Infektion mit Anti-Streptokokken-Antikörpern wird mit dem Auftreten von Narkolepsie in Verbindung gebracht. Darüber hinaus wurde 2010 in Europa ein Anstieg der Narkolepsieinzidenz nach pandemischer H1N1-Influenzaimpfung mit dem Adjuvans AS03 beobachtet. In China dagegen kam es zu einem Anstieg der Inzidenz nach einer pandemischen Infektion mit dem H1N1-Virus. Insgesamt mehren sich daher die Hinweise, dass es sich bei Narkolepsie um eine multifaktorielle Erkrankung handelt, bei der äußere Einflüsse in komplexer Interaktion mit genetischen Risikofaktoren die Krankheitsentstehung beeinflussen, beispielsweise in Form eines autoimmun ausgelösten Verlusts Hypocretin-produzierender Neurone. Die genaue Pathogenese ist aber weiterhin unklar, und die Autoimmunhypothese hat bislang nicht zu verlässlichen therapeutischen Konzepten geführt.
Obstruktive Schlafapnoe
Die „Obstruktive Schlafapnoe“ (OSA) ist eine vergleichsweise häufige Erkrankung, deren
Prävalenz für die USA mit etwa 13 % bei Männern und 6 % bei Frauen angegeben wird (Peppard et al.
2013). Gravierende Folgen der OSA betreffen vor allem die
arterielle Hypertonie und deren Folgeerkrankungen sowie die fehlende Erholsamkeit des
Schlafs („Kardiovaskuläre Folgen der Obstruktiven Schlafapnoe“; „Tagesschläfrigkeit und Unfälle bei Obstruktiver Schlafapnoe“). Die familiäre Häufung der OSA sowie des Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI), der die wichtigste krankheitsdefinierende
Messgröße darstellt, deuten auf eine erbliche Komponente hin, und erstgradige Verwandte haben ein mehr als zweifach erhöhtes Erkrankungsrisiko. Dennoch stellt sich die Ergründung der genetischen Faktoren der OSA als schwierig dar, da zum Phänotyp OSA mehrere Faktoren, wie zum Beispiel Geschlecht, Körperbau und Übergewicht, beitragen. Es ist daher anzunehmen, dass für die Manifestation einer OSA auch ganz unterschiedliche genetische Faktoren verantwortlich sind. So führt allein schon die Fettleibigkeit zu Störungen in autonomen, endokrinen und hypothalamischen Funktionen („Körpergewicht“). Genetische Faktoren beeinflussen hierbei unter anderem Metabolisierungsraten, Fetteinlagerung und Essverhalten („Metabolismus“). Auch kraniofaziale morphologische Faktoren und die Mechanismen der Atmungskontrolle weisen auf genetische Einflüsse bei der Entstehung der OSA hin. Insgesamt prädisponieren eine Vielzahl genetischer Faktoren zur OSA, wovon jeder einzelne Faktor Auswirkungen auf den Phänotyp und das Krankheitsbild haben kann. Diverse Assoziationsstudien an Kandidatengenen haben unter anderem Assoziationen mit Polymorphismen in den Genen für Tumornekrosefaktor alpha (TNFA),
Apolipoprotein E (APOE) und Angiotensin-Converting
Enzyme (ACE) ergeben, aber die Gruppengröße in diesen Studien war meist gering und eine Bestätigung des Ergebnisses in weiteren Kohorten oder Meta-Analysen oft schwierig.