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Enzyklopädie der Schlafmedizin
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Publiziert am: 06.02.2024

Leistungstests und Fahrtauglichkeitsprüfung

Verfasst von: Maritta Orth und Sylvia Kotterba
Grundsätzlich lassen sich zwei Gruppen der Leistungs-, Schläfrigkeits- und Vigilanzmessung unterscheiden: erstens apparative Tests, die meist computergestützt, aber auch als Stand-alone-Gerät eingesetzt werden, wie z. B. bei der Pupillographie, beim Wiener-Testsystem, Zimmermann-Testbatterie u. a. oder beim Fahrsimulator, und zweitens nicht apparative Verfahren über Anamnese, Fragebögen, Analogskalen, Interviews und Papier-und-Bleistift-Verfahren. In diesem Essay werden ausschließlich die apparativen Leistungstests dargestellt.

Englischer Begriff

assessment of psychomotor performance and driving ability

Definition

Leistungsfähigkeit setzt sich aus einer physischen, einer psychosozialen und einer neuropsychologischen Komponente zusammen. Nicht erholsamer Schlaf, wenn er zu Tagesschläfrigkeit bis hin zu imperativem Schlafzwang führt, verursacht insbesondere Einschränkungen der psychomentalen Leistungsfähigkeit, die mit neuropsychologischen Testverfahren gemessen werden kann. Hierzu gehören Aufmerksamkeit, Konzentration und Vigilanz, die exekutiven Funktionen, Lernvorgänge, das Arbeitsgedächtnis; aber auch Stimmung, Befindlichkeit, Vitalität und Antrieb können die Messungen als Moderatorvariable mitbestimmen. Grundsätzlich lassen sich zwei Gruppen der „Leistungs-, Schläfrigkeits- und Vigilanzmessung“ unterscheiden:
  • apparative Tests, die meist computergestützt, aber auch als Stand-alone-Gerät eingesetzt werden, wie z. B. bei der Pupillographie, beim Wiener-Testsystem, Zimmermann-Testbatterie u. a. oder beim Fahrsimulator;
  • nicht apparative Verfahren über Anamnese, Fragebögen, Analogskalen, Interviews und Papier-und-Bleistift-Verfahren.
An dieser Stelle werden ausschließlich die apparativen Leistungstests dargestellt. Zu nicht apparativen Verfahren siehe auch unter „Leistung“ und „Fragebögen“.
Apparative Tests werden nicht nur in der Schlafmedizin eingesetzt, sondern finden gleichermaßen Anwendung in der Arbeitsmedizin, Arbeitswissenschaft, Ergonomie und Verkehrspsychologie; ferner bei Eignungsprüfungen für Piloten, Lokomotiv- oder Schiffsführer, in der Weltraumfahrt oder auch bei Polizei und Feuerwehr. In der klinischen und pädagogischen Psychologie, der Neuropsychologie, Neurologie und Psychiatrie sind sie ebenfalls weit verbreitet. Vielfältige Einsatzbereiche erfahren sie schließlich zur Erprobung neuer Medikamente oder in der forensischen Medizin und Begutachtung, z. B. zur Wiedererlangung der Fahrerlaubnis nach Alkoholdelikten.

Grundlagen

Leistungstests

Bei den Geräten zur Durchführung von Leistungstests lassen sich mehrere Hauptgruppen unterscheiden. Einige Geräte messen die einfache Reaktionszeit auf akustische oder visuelle Signale und überprüfen dabei Aufmerksamkeit, Konzentration und Aktivierung. Einige Systeme lassen bei geteilter Aufmerksamkeit Wahlreaktionen zu oder verlangen Entscheidungen unter Zeitdruck. Einige überprüfen basale Mechanismen der sensorischen Wahrnehmung, andere wiederum haben auf hohem Integrationsniveau exekutive Funktionen, Gedächtnisleistungen oder Kreativität als Zielkriterien. Abgefragt werden weiterhin die Leistungsmotivation und das Arbeitsverhalten bezüglich Ausdauer oder Flexibilität. Testtheoretische Grundlagen spielen eine wichtige Rolle beim Einsatz sämtlicher Verfahren (Amelang und Zielinski 2006), wobei hier nur die in der Schlafmedizin eingesetzten Verfahren dargestellt werden, die außerdem die Gütekriterien Objektivität, Reliabilität und Validität (vgl. Weeß et al. 2000) erfüllen. Sämtliche Verfahren verfügen über eine automatisierte Auswertung und Ergebnisdarstellung. Normwerte liegen vor.
Die Ergebnisse von neuropsychologischen Testungen (Hartje und Poeck 1997) werden zunächst als Rohwerte, überwiegend als Prozentränge ermittelt. Die Prozentränge werden anhand von Normwerttabellen für jedes Testergebnis entsprechend festgelegt. Prozentränge von >50 stehen für überdurchschnittlich gute Ergebnisse, der kritische Schwellenwert für eindeutig pathologische Ergebnisse liegt bei 16. Bei den Testeinheiten können verschiedene Variablen interagieren. So bedeutet ein hoher Testprozentrang bei gleichzeitig hohen Fehlerprozenten eine schnelle, aber unsaubere und fehlerhafte Bearbeitung. Umgekehrt zeigt ein niedriger Testprozentrang bei niedrigen Fehlerprozentwerten eine langsame, aber genaue Arbeitsweise an. Die bei einigen Testverfahren angegebenen Standardwerte entsprechen der Konstanz der Arbeitsweise bzw. des Arbeitstempos.
Vor der Durchführung einer gezielten, krankheitsbezogenen neuropsychologischen Diagnostik muss eine höhergradige Demenz über verschiedene Intelligenz- und Gedächtnistests (Zahlenverbindungstest, Mehrfachwortschatz-Intelligenztest, d2-Test, verbaler Lern- und Merkfähigkeitstest) ausgeschlossen werden.

Aufmerksamkeitstests

Tonische und phasische Aktivierung
Einfache visuelle oder auditive Reaktionsaufgaben sind geeignet zur Erfassung der allgemeinen Reaktionsfähigkeit, der Aufmerksamkeitsaktivierung (Alertness) und gerichteten Aufmerksamkeit bei tonischer Aktivierung. Werden Signale antizipatorisch als Warnreiz dargeboten, so lässt sich mit diesen Systemen auch die phasische Aktivierung messen.
Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung (TAP) – Untertest Alertness
Die Testbatterie nach Zimmermann und Fimm (Psytest, Herzogenrath) besteht aus verschiedenen Untertests. Beim Untertest zur Alertness wird die tonische und phasische Aktivierung (Alertness) in Form einer Reaktionszeitmessung mit oder ohne Warnreiz simultan erfasst.
Wiener-Testsystem – Untertest Reaktionsgerät
Das Reaktionsgerät aus dem Wiener-System (Schuhfried, Mödling) misst die Reaktionszeit auf optische und akustische Signale. Der Proband legt dazu einen Finger auf eine Ruhetaste und betätigt von hier aus die Drucktaste, wenn er die geforderten Signale oder die Signalkombination wahrnimmt.
Auswerteverfahren, Bewertung
Gemessen wird die Reaktionszeit, definiert als Zeitspanne vom Einsetzen eines Signals bis zum Niederdrücken der Reaktionstaste. Sie wird weiterhin unterteilt in die Entscheidungszeit (Stimulus bis zur ersten Fingerbewegung) und motorische Zeit (Start Fingerbewegung bis zum Druck auf den Reaktionsknopf).
Psychomotor Vigilance Task (PVT)
Mit dieser einfachen Reiz-Reaktions-Aufgabe wird für mindestens zehn Minuten die Reaktionszeit auf einem handlichen Testgerät (Vertrieb Amb. Monitoring Inc., New York) mit hoher Reizdichte gemessen. Stimulus ist das Aufleuchten des Reaktionszeitzählers, der die Reaktionszeit in Millisekunden digital auf einem Display anzeigt (Feedback). Der Stimulus ist optisch oder akustisch, das Intervall liegt zwischen zwei und zehn Sekunden.
Auswerteverfahren, Bewertung
Das Gerät lässt sich über eine serielle Schnittstelle auslesen. Es spielt in den USA eine bedeutende Rolle zur Objektivierung von Leistungsminderung bei Schlafdeprivation (Dinges et al. 1997).
Flimmerverschmelzungsfrequenz
Mit der Flimmerverschmelzungsfrequenz wird die Fusions- bzw. Auflösungsschwelle zur Erkennung einer Flicker-Frequenz von Leuchtdioden gemessen, die am Boden eines Tubus betrachtet werden.
Auswerteverfahren, Bewertung
Der Test ermittelt die tonische Aktivierung und gilt in der Ermüdungsforschung als sensitives Instrument (Weeß et al. 2000).

Aufgaben zur Testung der selektiven Aufmerksamkeit

Die Aufgaben testen die Fähigkeit, rasch und richtig auf relevante Reize zu reagieren und Störreize auszublenden.
Wiener-Testsystem – Cognitrone
Der Proband soll eine Figur im Aufgabenfeld mit vier nebeneinanderliegenden Bildern im Anzeigefeld auf dem Bildschirm vergleichen und auf Identität bzw. Nichtidentität prüfen. Das Ergebnis ist schnellstmöglich am Probanden-Panel durch Drücken der entsprechenden Taste einzugeben. Insgesamt werden 200 Figuren präsentiert. Die Durchführungsdauer beträgt zwischen 10 und 20 Minuten.
Auswerteverfahren, Bewertung
Ermittelt werden die Summe der richtigen und der falschen Reaktionen.
Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung (TAP) – Untertest Go/NoGo
Go/NoGo-Aufgaben sollen bei selektiver Aufmerksamkeit die spezifische Fähigkeit zur Unterdrückung einer nicht adäquaten Reaktion überprüfen (vgl. auch Exekutive Funktionen).

Aufgaben zur Testung der geteilten Aufmerksamkeit

Der Aspekt der geteilten Aufmerksamkeit besitzt besondere Relevanz beim Steuern eines Fahrzeugs, da hierbei gleichzeitig mehrere „Informationsströme“ zu beachten sind. Meist handelt es sich bei den Aufgaben zur Prüfung der geteilten Aufmerksamkeit um Dual-Task-Aufgaben, die die Fähigkeit beanspruchen, flexibel mit konkurrierenden Informationen umzugehen und das richtige Antwortschema auszuwählen.
Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung (TAP) – Untertest Geteilte Aufmerksamkeit
Der Proband muss eine gleichzeitige Beurteilung von visuellen und akustischen Reizen vornehmen. Auf dem Bildschirm leuchten alternativ mehrere Kreuze auf, von denen vier ein kleines Quadrat bilden. Das Erscheinen des Quadrates ist vom Patienten durch Tastendruck anzuzeigen. Gleichzeitig ertönen hohe und tiefe Töne, wobei der Proband bei Auftreten zweier gleichartiger Töne ebenfalls die Taste betätigen muss. Die Testdauer beträgt zirka zehn Minuten. In dieser Zeit erfolgen 100 optische und 200 akustische Reize. Um z. B. Lerneffekte bei der Testdurchführung zu vermeiden, kann zwischen vier Reizabfolgen gewählt werden.
Auswerteverfahren, Bewertung
Die Auswertung erfasst sowohl die einfache Reaktionszeit als Maß für die tonische Alertness wie auch die phasische Komponente durch die Differenz der mittleren Reaktionszeiten bei Durchgängen mit und ohne Warnreiz.
Wiener-Testsystem – Wiener-Determinationsgerät
Hierbei müssen fünf verschiedene Farbsignale (Lämpchen, Kreise am Display) mit ihnen zugeordneten Reaktionstasten beantwortet werden. Zwei weitere weiße Lämpchen sind mit Fußpedalen zu beantworten, akustische Reize in Form eines hohen und eines tiefen Tons sind durch Drücken zugehöriger Tasten am Panel zu beantworten. Die Bearbeitungszeit kann frei, fest oder variabel sein. Es besteht die Möglichkeit eines Feedbacks mittels Aufleuchten einer Fehlerlampe. Die Geschwindigkeit der dargebotenen Reize wird so lange erhöht, bis die Belastungsgrenze des Probanden erreicht ist. In einem zweiten Teil wird auf der ermittelten Belastungsgrenze die Dauerbelastbarkeit mit 540 Reizen überprüft.
Auswerteverfahren, Bewertung
Ermittelt werden die Art der Reaktionen als „falsch“, „richtig“, „ausgelassen“ oder „verspätet“ sowie die mittlere Reaktionszeit und deren Streuung für jedes Intervall und jeden Untertest. Bei nicht festgelegter Bearbeitungszeit wird die erreichte Geschwindigkeit erfasst.

Aufgaben zur Daueraufmerksamkeit und zur Vigilanz

Es werden Aufgaben zur Daueraufmerksamkeit und zur Vigilanz unterschieden. Die Daueraufmerksamkeit beinhaltet die längerfristige Aufrechterhaltung der Aufmerksamkeit bei hoher Reizfrequenz. Bei der Vigilanztestung ist die Reizfrequenz stark eingeschränkt. Beispiele für hohe Anforderungen an die Vigilanz sind lange, monotone Autofahrten, Kontroll- und Überwachungstätigkeiten. Vigilanzaufgaben müssen definitionsgemäß sehr eintönig und ausreichend lang (mindestens 30 Minuten) sein.
Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung (TAP) – Untertest Vigilanz
Ein sich vertikal bewegender Balken auf einem Bildschirm pendelt mit wechselnder Geschwindigkeit. Sobald der Balkenausschlag deutlich in seiner Amplitude nach oben variiert, soll der Proband dies mit einem schnellen Tastendruck beantworten. Die Testdauer sollte mindestens 30 Minuten betragen, kann aber bis auf 60 Minuten ausgedehnt werden.
Auswerteverfahren, Bewertung
Richtige, falsche und ausgelassene Reaktionen sowie die jeweiligen Reaktionszeiten werden erfasst.
Wiener-Testsystem – Quatember Maly (Macworth Clock)
Mit diesem Untertest wird die Aufrechterhaltung der Aufmerksamkeit in einer monotonen Reizsituation gemessen. Der Proband verfolgt auf dem Bildschirm einen Punkt, der auf einer Kreisbahn in einem definierten Abstand weiterspringt. Die Aufgabe besteht darin, doppelte Sprungweiten zu erkennen und durch Knopfdruck anzuzeigen. Die Testdauer beträgt in der Regel 30 Minuten. Dieser Test wird in vielen Schlaflaboren angewandt.
Auswerteverfahren und Bewertung
Bei diesem Test werden die Anzahl der ausgelassenen und falschen Reaktionen sowie die Reaktionszeiten in mehreren Durchgängen beurteilt.

Untersuchung der Aufmerksamkeit bei exekutiven Funktionen

Exekutive Funktionen betreffen mannigfaltige Bereiche („Leistungs-, Schläfrigkeits- und Vigilanzmessung“). Als exekutive Funktionen werden bezeichnet: Fokussierung der Aufmerksamkeit auf handlungsrelevante Informationen bzw. Prozesse, die Hemmung irrelevanter Informationen/Prozesse, Erstellen eines Ablaufprotokolls für eine komplexe Handlung mit raschem Wechsel zwischen beteiligten Komponenten, Planung der Abfolge von Handlungsschritten zur Zielerreichung, Monitoring als Prüfung und Aktualisierung der Inhalte im Arbeitsgedächtnis zur Bestimmung des jeweils nächsten Schritts und Kodierung von Repräsentationen im Arbeitsgedächtnis nach Zeit und Ort. Einsetzbare Testverfahren sind die Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung (TAP) mit den Untertests „Go/NoGo“ (siehe oben), „Arbeitsgedächtnis“, „Inkompatibilität“ oder „Reaktionswechsel“. Beim Untertest „Arbeitsgedächtnis“ wird dem Kurzzeitgedächtnis („working memory“) eine zentrale Steuerungsfunktion für den Informationsfluss zugesprochen. Die Bewertung zeigt, dass eine Trennung von Aufmerksamkeits- und Gedächtnisprozessen nicht durchgängig aufrechterhalten werden kann. Bei „Inkompatibilität“ wird die Fähigkeit, dem Signal ähnliche, jedoch irrelevante Informationen zurückzuweisen, die sogenannte Interferenzneigung, und bei „Reaktionswechsel“ die Flexibilität beim Fokuswechsel innerhalb einer selektiven Aufmerksamkeit geprüft. Die Einschränkung von exekutiven Funktionen spielt bei vielen Schlafdeprivationsuntersuchungen der letzten Jahre die zentrale Rolle (Dorrian et al. 2005).

Fahrtauglichkeitsprüfung

Bei sozialmedizinischer Beurteilung zur Ermittlung von Arbeits- oder Erwerbsunfähigkeit sowie der „Begutachtung“ von Berufsgruppen, die Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten im Personen- und Gütertransport, im Baugewerbe oder in der Energieversorgung ausüben, muss im Rahmen der schlafmedizinischen Diagnostik und Therapiekontrolle häufig die Fahrtauglichkeit zur Evaluation einer Leistungsminderung beurteilt werden. Hierfür gibt es zahlreiche Verfahren, die mit unterschiedlicher Realitätsnähe im Labor, in der Klinik oder in speziellen Untersuchungseinrichtungen (TÜV, DEKRA, Stadtwerke, Verkehrsbetriebe) zur Überprüfung der Leistungsfähigkeit von Fahrzeugführern eingesetzt werden. Mitunter wird auch eine reale Fahrsituation unter monotonen Bedingungen, wie nächtliche Autobahnfahrt, mit begleitendem Überwachungspersonal simuliert. Es wird in den genannten Simulationsfahrten die Wahrscheinlichkeit, Signale zu übersehen, Fehlentscheidungen zu treffen, Spurabweichungen zu tolerieren oder sogar einen Unfall zu verursachen, in einem mindestens 30-minütigen Testlauf überprüft. Reaktionszeiten und Fehlreaktionen bei Signalvorgaben werden stets automatisch erfasst. Fehler wie Spurabweichungen sind bei einigen automatischen Auswertungen integraler Bestandteil. Die einfachen Geräte variieren zwischen einer Testbatterie, entnommen aus Standardtestverfahren der Aufmerksamkeitsprüfung (z. B. Act-React-Testsysteme), und einfachen (z. B. Steer Clear) bis mittelschweren (z. B. DADT) Bildschirmaufgaben sowie inzwischen gezielten Testbatterien zur Fahrtauglichkeitsprüfung. Zur realitätsnahen Durchführung gibt es verschiedene Simulatoren auf dem Markt, die mit unterschiedlicher Ausstattung die Fahrdynamik (Hauptachsen der Bewegung, Beschleunigung, Vibration), die Sitz- und Kabinenelemente (Anordnung, Anthropotechnik), das Display (Bildschirm, Miniaturlandschaft, 2D- oder 3D-Video-Projektion), Geräusche, Umweltverhältnisse (Witterung, Regen, Eisglätte, Tag-Nacht-Unterschiede), Verkehrsdichte und insgesamt die Aufgabenschwere und -komplexität (Reaktionszeit, Zeitdruck, Gedächtnisleistungen) in die Simulation einbeziehen können.
Eine neue Variante besteht in der Montage eines serienmäßig hergestellten Kleinfahrzeugs auf einer Bühne zur Simulation der Fahrdynamik bei gleichzeitiger Filmprojektion für das gesamte Gesichtsfeld außerhalb der Fahrerkabine mit 3D-Effekt. Auch Verfahren zur Abbildung von Virtual Reality bei aufgesetztem Kopfgeschirr sind im Einsatz. Die Untersuchung soll neuropsychologische Testverfahren ergänzen oder unter realitätsbezogenen Umfeldbedingungen die Leistungsfähigkeit beim Führen eines Kraftfahrzeugs oder in Ausübung einer beruflichen Tätigkeit (Fernkraftfahrer, Busfahrer, Taxifahrer, Fahrzeugführer von Gabelstapler, Bagger, Tieflader oder Traktor) prüfen. Der Technische Überwachungsverein (TÜV) hat verschiedene Systeme im Einsatz, die ebenfalls mehr oder weniger realitätsnah die Erteilung, Verlängerung oder Wiedererlangung einer Fahrerlaubnis kontrollieren können, wobei müdigkeitsbezogene Prozesse für die Untersuchung mitunter eine Rolle spielen.
Der Vorteil von Fahrsimulatoruntersuchungen liegt in dem fehlenden Risiko, in der relativen Orts- und Zeitunabhängigkeit und der Untersuchungsökonomie. Allerdings muss beachtet werden, dass Simulationen nicht vollständig auf die Realität übertragbar sind, obwohl Patienten mit hoher Fehlerrate am Fahrsimulator auch zumeist über eine erhöhte Unfallneigung im realen Straßenverkehr berichten. Bislang liegen systematische Untersuchungen nur für die Krankheitsbilder der „Narkolepsie“ bzw. der Obstruktiven Schlafapnoe (OSA; siehe „Obstruktive Schlafapnoe“) vor. Ziel der Fahrsimulatoruntersuchung ist die möglichst realitätsnahe Erfassung der komplexen Fahrleistung, die in unterschiedlichem Ausmaß die oben beschriebenen Aufmerksamkeitskomponenten widerspiegeln muss und gleichzeitig einer Situation mit der höchsten Einschlafneigung (Monotonie) entsprechen muss.
Die Kosten reichen von freier Verfügbarkeit beim Steer Clear mit Installation über Diskette oder Memory-Stick über ca. 30.000 Euro beim C.A.R. bis hin zu 1 Mio. Euro für einen realitätsnahen Lkw-Simulatorstand. Die hier aufgeführten Tests werden vor allem im deutschsprachigen Raum (D, CH, A) eingesetzt. Weltweit sind unzählige Varianten im Einsatz, wovon der Steer Clear sowie der Divided Attention Driving Test (DADT) und der ihm sehr ähnliche Divided Attention Steering Simulator (DASS) besonders in Frankreich und England, aber auch international große Verbreitung besitzen.
Steer Clear
Bei diesem Instrument wird auf einem monochromen Bildschirm eine Autofahrt auf einer zweispurigen Bahn durch herablaufenden Mittelstreifen (weißer Balken) simuliert. Die Aufgabe des Fahrers besteht darin, die insgesamt 787 auftauchenden Hindernisse während einer 30-minütigen Fahrt durch Bedienung einer PC-Tastatur zu umgehen.
Auswerteverfahren, Bewertung
Die Anzahl der umfahrenen Hindernisse wird ermittelt. Mithilfe dieses Systems konnte bei Patienten mit Narkolepsie bzw. OSA eine erhöhte Unfallhäufigkeit gegenüber Gesunden nachgewiesen werden. Weiterhin wurde mit dem Steer Clear der Therapieerfolg der CPAP-Therapie bei Patienten mit OSA in Form einer Absenkung der in der simulierten Fahrsituation verursachten Fehler belegt (siehe Orth et al. 2005).
Carsim
Die Aufgabe besteht darin, auf einer am monochromen PC-Bildschirm simulierten Straße mit Randbegrenzung und Mittelstreifen die rechte Fahrspur zu halten (Tracking). Auf zufällig für jeweils 200 ms an den Fahrbahnrändern erscheinende Durchfahrtsverbotsschilder muss auf zwei an der Lenkradkonsole angeordnete Drucktasten reagiert werden (visual search).
Auswerteverfahren, Bewertung
Das Programm registriert Abweichungen von der Spur und Ideallinie sowie jeweils die Anzahl und Reaktionszeit für richtige, falsche und unbegründete Reaktionen. Die Testdauer beträgt 30 Minuten.
Divided Attention Driving Test (DADT)
Der DADT basiert auf dem Prinzip zur geteilten Aufmerksamkeitsprüfung in einer monotonen Situation. Die Aufgabe besteht darin, den Positionsindikator, dargestellt am PC-Bildschirm, in einer Zielbox zu halten und bei Auftauchen einer Zielzahl mit einem entsprechenden Knopfdruck zu reagieren. Die Testaufgabe kombiniert daher eine Tracking-Aufgabe (Steuern, Spurhalten) mit visual search, d. h. dem visuellen Absuchen der Umgebung nach relevanten Reizen, also eine Testaufgabe mit geteilter Aufmerksamkeit.
Auswerteverfahren, Bewertung
Ermittelt werden die Reaktionszeiten sowie die Anzahl der Spurabweichungen (Tracking-Fehler). In einer 20-minütigen Fahrsimulation konnte mit dem DADT eine gesteigerte Unfallhäufigkeit bei Patienten mit Obstruktiver Schlafapnoe im Vergleich zu Gesunden sowie der Therapieerfolg unter CPAP nachgewiesen werden.
C.A.R. (Computer Aided Risk Simulator)
Der Fahrsimulator C.A.R. ist in Deutschland auch im klinischen Bereich (z. B. Neurologie, neurologische Rehabilitation) mehrfach im Einsatz. Er ist geeignet, die Situation einer monotonen Fahrt, in der die Mehrzahl der müdigkeitsbedingten Fehler bzw. Unfälle auftreten, realitätsnah zu simulieren. Abb. 1 zeigt den Fahrsimulator C.A.R. Die Kabine ist einem Pkw mit allen Bedienelementen nachgebildet. Straße, Verkehrsgeschehen und Umwelt werden über einen Monitor eingespielt. Die Fahrgeräusche von Motor und Reifen werden synchron zum Bildlauf erzeugt. Bremsverzögerung, Beschleunigung und Fliehkraft in den Kurven werden durch entsprechende Bewegungen des Fahrersitzes simuliert. Das Gerät hat folgende Abmessungen: Länge 2,50 m, Breite 0,80 m, Höhe 1,60 m, Gewicht 500 kg. Mithilfe des Computerprogramms können auch unterschiedliche Fahrbedingungen, wie z. B. Fahren unter Alkoholeinfluss oder Schlechtwetterprogramm (Aquaplaning), simuliert werden.
Die Aufgabe des Probanden bzw. Patienten besteht nicht nur darin, Hindernisse zu umfahren oder das Fahrzeug entlang einer Ideallinie zu steuern, vielmehr werden unterschiedliche Situationen des realen Straßenverkehrs, wie z. B. Hindernisse in Form von Fußgängern, Tieren, anderen Fahrzeugen, sowie unterschiedliche Witterungsbedingungen und Tageszeiten simuliert. Großer Wert wird auf die Simulation einer monotonen Fahrbedingung mit ausreichend langer Fahrtdauer gelegt. Diese sollte mindestens 60 Minuten betragen. Nach Einweisung des Probanden durch den Untersucher erfolgt eine 15-minütige Testfahrt, danach beginnt die eigentliche Messung.
Auswerteverfahren, Bewertung
Die computergestützte Auswertung umfasst die Anzahl der Unfälle, die Reaktionszeit, die Gesamtfahrzeit sowie die hierbei zurückgelegte Distanz. Eine Online-Überwachung während der einstündigen Fahrt durch Anwesenheit eines Untersuchers, der die Konzentrationsfehler wie Fahrbahn- und Spurabweichungen oder die Fehlbedienung von Licht- bzw. Scheibenwischanlage protokolliert, erhöht die Dimensionalität der Leistungsmessung und damit die Aussagekraft des Tests. Mit diesem Instrument konnten signifikante Unterschiede der Häufigkeit von Unfällen und Konzentrationsfehlern zwischen Patienten mit Obstruktiver Schlafapnoe (siehe „Obstruktive Schlafapnoe“), Multipler Sklerose (siehe „Multiple Sklerose“), zerebrovaskulären Insulten („Zerebrale Ischämie“) und „Narkolepsie“ sowie der Erfolg einer Behandlung mit „CPAP“ bei Patienten mit Obstruktiver Schlafapnoe im Hinblick auf die Unfallhäufigkeit belegt werden (Orth et al. 2005). Siehe auch „Tagesschläfrigkeit und Unfälle bei Obstruktiver Schlafapnoe“.

Zusammenfassung, Bewertung

Eine Beurteilung der Leistungsfähigkeit am Tage ist besonders bei gutachterlichen und sozialmedizinischen Fragestellungen wie Arbeitsfähigkeit und Fahrtauglichkeit erforderlich („Begutachtung bei Schlafbezogenen Atmungsstörungen“). Eine Vorhersage der Leistungsfähigkeit allein anhand des Schweregrades der zugrunde liegenden Erkrankung ist nicht möglich. Einsatzgebiete sind erhebliche Beschwerden durch Tagesschläfrigkeit, verbunden mit Eigen- oder Fremdgefährdung bei Fahr-, Steuer- oder Überwachungstätigkeiten, die in erster Linie von Obstruktiver Schlafapnoe, Narkolepsie oder „Restless-Legs-Syndrom“ oder „Periodic Limb Movement Disorder“ (PLMD) verursacht sein können.
Alle Tests sind im Ergebnis motivationsabhängig. Mitarbeit und Motivation beeinflussen daher das Testergebnis. Einige Tests sind so weit auf basale Funktionsmessungen reduziert, dass sie schwerlich auf die Arbeitsleistung projiziert werden können. Bei mehreren Verfahren stehen Normwerte aus, befinden sich aber in Entwicklung. Adäquate Methoden zur Detektion von Ermüdung im Kfz bzw. Lkw sind z. T. schon in Fahrzeuge eingebaut (z. B. durch Erkennung von vermehrtem Lidschluss als Hinweis auf Schläfrigkeit). An der Reduktion der Unfallhäufigkeit durch rechtzeitige Detektion der Fahrerschläfrigkeit wird forciert gearbeitet.
Literatur
Amelang M, Zielinski W (2006) Psychologische Diagnostik und Intervention. Springer, Berlin/Heidelberg/New YorkCrossRef
Dinges DF, Pack F, Williams K et al (1997) Cumulative sleepiness, mood disturbance, and psychomotor vigilance performance decrements during a week of sleep restricted to 4–5 hours per night. Sleep 20:267–277PubMed
Dorrian J, Rogers NL, Dinges DF (2005) Psychomotor vigilance performance: neurocognitive assay sensitive to sleep loss. In: Kushida CA (Hrsg) Sleep deprivation. Clinical issues, pharmacology and sleep loss effects. Lung biology in health and disease, Bd 193. Dekker, New York, S 39–70
Hartje W, Poeck K (1997) Klinische Neuropsychologie. Thieme, Stuttgart/New York, S 59–79
Kotterba S, Orth M (2009) Sozialmedizinische Begutachtung von Schlafstörungen. PID 10(2):171–175
Orth M, Herting A, Duchna HW et al (2005) Fahrsimulatoruntersuchung bei Patienten mit obstruktivem Schlafapnoe-Syndrom: Konsequenzen für die Beurteilung der Fahrtüchtigkeit. Dtsch Med Wochenschr 130:2555–2560CrossRefPubMed
Weeß HG, Sauter C, Geisler P et al (2000) Arbeitsgruppe Vigilanz der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM): Vigilanz, Einschlafneigung, Daueraufmerksamkeit, Müdigkeit, Schläfrigkeit. Diagnostische Instrumentarien zur Messung müdigkeits- und schläfrigkeitsbezogener Prozesse und deren Gütekriterien. Somnologie 4:20–38