Leistungstests
Bei den Geräten zur Durchführung von Leistungstests lassen sich mehrere Hauptgruppen unterscheiden. Einige Geräte messen die einfache Reaktionszeit auf akustische oder visuelle Signale und überprüfen dabei Aufmerksamkeit, Konzentration und Aktivierung. Einige Systeme lassen bei geteilter Aufmerksamkeit Wahlreaktionen zu oder verlangen Entscheidungen unter Zeitdruck. Einige überprüfen basale Mechanismen der sensorischen Wahrnehmung, andere wiederum haben auf hohem Integrationsniveau exekutive Funktionen, Gedächtnisleistungen oder Kreativität als Zielkriterien. Abgefragt werden weiterhin die Leistungsmotivation und das Arbeitsverhalten bezüglich Ausdauer oder Flexibilität. Testtheoretische Grundlagen spielen eine wichtige Rolle beim Einsatz sämtlicher Verfahren (Amelang und Zielinski
2006), wobei hier nur die in der Schlafmedizin eingesetzten Verfahren dargestellt werden, die außerdem die Gütekriterien Objektivität, Reliabilität und
Validität (vgl. Weeß et al.
2000) erfüllen. Sämtliche Verfahren verfügen über eine automatisierte Auswertung und Ergebnisdarstellung. Normwerte liegen vor.
Die Ergebnisse von neuropsychologischen Testungen (Hartje und Poeck
1997) werden zunächst als Rohwerte, überwiegend als Prozentränge ermittelt. Die Prozentränge werden anhand von Normwerttabellen für jedes Testergebnis entsprechend festgelegt. Prozentränge von >50 stehen für überdurchschnittlich gute Ergebnisse, der kritische Schwellenwert für eindeutig pathologische Ergebnisse liegt bei 16. Bei den Testeinheiten können verschiedene Variablen interagieren. So bedeutet ein hoher Testprozentrang bei gleichzeitig hohen Fehlerprozenten eine schnelle, aber unsaubere und fehlerhafte Bearbeitung. Umgekehrt zeigt ein niedriger Testprozentrang bei niedrigen Fehlerprozentwerten eine langsame, aber genaue Arbeitsweise an. Die bei einigen
Testverfahren angegebenen Standardwerte entsprechen der Konstanz der Arbeitsweise bzw. des Arbeitstempos.
Vor der Durchführung einer gezielten, krankheitsbezogenen neuropsychologischen Diagnostik muss eine höhergradige
Demenz über verschiedene Intelligenz- und Gedächtnistests (Zahlenverbindungstest, Mehrfachwortschatz-Intelligenztest, d2-Test, verbaler Lern- und Merkfähigkeitstest) ausgeschlossen werden.
Aufmerksamkeitstests
Aufgaben zur Testung der selektiven Aufmerksamkeit
Die Aufgaben testen die Fähigkeit, rasch und richtig auf relevante Reize zu reagieren und Störreize auszublenden.
Aufgaben zur Testung der geteilten Aufmerksamkeit
Der Aspekt der geteilten Aufmerksamkeit besitzt besondere Relevanz beim Steuern eines Fahrzeugs, da hierbei gleichzeitig mehrere „Informationsströme“ zu beachten sind. Meist handelt es sich bei den Aufgaben zur Prüfung der geteilten Aufmerksamkeit um Dual-Task-Aufgaben, die die Fähigkeit beanspruchen, flexibel mit konkurrierenden Informationen umzugehen und das richtige Antwortschema auszuwählen.
Aufgaben zur Daueraufmerksamkeit und zur Vigilanz
Es werden Aufgaben zur Daueraufmerksamkeit und zur Vigilanz unterschieden. Die Daueraufmerksamkeit beinhaltet die längerfristige Aufrechterhaltung der Aufmerksamkeit bei hoher Reizfrequenz. Bei der Vigilanztestung ist die Reizfrequenz stark eingeschränkt. Beispiele für hohe Anforderungen an die Vigilanz sind lange, monotone Autofahrten, Kontroll- und Überwachungstätigkeiten. Vigilanzaufgaben müssen definitionsgemäß sehr eintönig und ausreichend lang (mindestens 30 Minuten) sein.
Untersuchung der Aufmerksamkeit bei exekutiven Funktionen
Exekutive Funktionen betreffen mannigfaltige Bereiche („Leistungs-, Schläfrigkeits- und Vigilanzmessung“). Als exekutive Funktionen werden bezeichnet: Fokussierung der Aufmerksamkeit auf handlungsrelevante Informationen bzw. Prozesse, die Hemmung irrelevanter Informationen/Prozesse, Erstellen eines Ablaufprotokolls für eine komplexe Handlung mit raschem Wechsel zwischen beteiligten Komponenten, Planung der Abfolge von Handlungsschritten zur Zielerreichung, Monitoring als Prüfung und Aktualisierung der Inhalte im Arbeitsgedächtnis zur Bestimmung des jeweils nächsten Schritts und Kodierung von Repräsentationen im Arbeitsgedächtnis nach Zeit und Ort. Einsetzbare
Testverfahren sind die Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung (TAP) mit den Untertests „Go/NoGo“ (siehe oben), „Arbeitsgedächtnis“, „Inkompatibilität“ oder „Reaktionswechsel“. Beim Untertest „Arbeitsgedächtnis“ wird dem Kurzzeitgedächtnis („working memory“) eine zentrale Steuerungsfunktion für den Informationsfluss zugesprochen. Die Bewertung zeigt, dass eine Trennung von Aufmerksamkeits- und Gedächtnisprozessen nicht durchgängig aufrechterhalten werden kann. Bei „Inkompatibilität“ wird die Fähigkeit, dem Signal ähnliche, jedoch irrelevante Informationen zurückzuweisen, die sogenannte
Interferenzneigung, und bei „Reaktionswechsel“ die Flexibilität beim Fokuswechsel innerhalb einer selektiven Aufmerksamkeit geprüft. Die Einschränkung von exekutiven Funktionen spielt bei vielen Schlafdeprivationsuntersuchungen der letzten Jahre die zentrale Rolle (Dorrian et al.
2005).
Fahrtauglichkeitsprüfung
Bei sozialmedizinischer Beurteilung zur Ermittlung von Arbeits- oder Erwerbsunfähigkeit sowie der „Begutachtung“ von Berufsgruppen, die Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten im Personen- und Gütertransport, im Baugewerbe oder in der Energieversorgung ausüben, muss im Rahmen der schlafmedizinischen Diagnostik und Therapiekontrolle häufig die Fahrtauglichkeit zur Evaluation einer Leistungsminderung beurteilt werden. Hierfür gibt es zahlreiche Verfahren, die mit unterschiedlicher Realitätsnähe im Labor, in der Klinik oder in speziellen Untersuchungseinrichtungen (TÜV, DEKRA, Stadtwerke, Verkehrsbetriebe) zur Überprüfung der Leistungsfähigkeit von Fahrzeugführern eingesetzt werden. Mitunter wird auch eine reale Fahrsituation unter monotonen Bedingungen, wie nächtliche Autobahnfahrt, mit begleitendem Überwachungspersonal simuliert. Es wird in den genannten Simulationsfahrten die Wahrscheinlichkeit, Signale zu übersehen, Fehlentscheidungen zu treffen, Spurabweichungen zu tolerieren oder sogar einen Unfall zu verursachen, in einem mindestens 30-minütigen Testlauf überprüft. Reaktionszeiten und Fehlreaktionen bei Signalvorgaben werden stets automatisch erfasst. Fehler wie Spurabweichungen sind bei einigen automatischen Auswertungen integraler Bestandteil. Die einfachen Geräte variieren zwischen einer Testbatterie, entnommen aus Standardtestverfahren der Aufmerksamkeitsprüfung (z. B. Act-React-Testsysteme), und einfachen (z. B. Steer Clear) bis mittelschweren (z. B. DADT) Bildschirmaufgaben sowie inzwischen gezielten Testbatterien zur Fahrtauglichkeitsprüfung. Zur realitätsnahen Durchführung gibt es verschiedene Simulatoren auf dem Markt, die mit unterschiedlicher Ausstattung die Fahrdynamik (Hauptachsen der Bewegung, Beschleunigung, Vibration), die Sitz- und Kabinenelemente (Anordnung, Anthropotechnik), das Display (Bildschirm, Miniaturlandschaft, 2D- oder 3D-Video-Projektion), Geräusche, Umweltverhältnisse (Witterung, Regen, Eisglätte, Tag-Nacht-Unterschiede), Verkehrsdichte und insgesamt die Aufgabenschwere und -komplexität (Reaktionszeit, Zeitdruck, Gedächtnisleistungen) in die
Simulation einbeziehen können.
Eine neue Variante besteht in der Montage eines serienmäßig hergestellten Kleinfahrzeugs auf einer Bühne zur
Simulation der Fahrdynamik bei gleichzeitiger Filmprojektion für das gesamte Gesichtsfeld außerhalb der Fahrerkabine mit 3D-Effekt. Auch Verfahren zur Abbildung von Virtual Reality bei aufgesetztem Kopfgeschirr sind im Einsatz. Die Untersuchung soll neuropsychologische
Testverfahren ergänzen oder unter realitätsbezogenen Umfeldbedingungen die Leistungsfähigkeit beim Führen eines Kraftfahrzeugs oder in Ausübung einer beruflichen Tätigkeit (Fernkraftfahrer, Busfahrer, Taxifahrer, Fahrzeugführer von Gabelstapler, Bagger, Tieflader oder Traktor) prüfen. Der Technische Überwachungsverein (TÜV) hat verschiedene Systeme im Einsatz, die ebenfalls mehr oder weniger realitätsnah die Erteilung, Verlängerung oder Wiedererlangung einer Fahrerlaubnis kontrollieren können, wobei müdigkeitsbezogene Prozesse für die Untersuchung mitunter eine Rolle spielen.
Der Vorteil von Fahrsimulatoruntersuchungen liegt in dem fehlenden Risiko, in der relativen Orts- und Zeitunabhängigkeit und der Untersuchungsökonomie. Allerdings muss beachtet werden, dass
Simulationen nicht vollständig auf die Realität übertragbar sind, obwohl Patienten mit hoher Fehlerrate am Fahrsimulator auch zumeist über eine erhöhte Unfallneigung im realen Straßenverkehr berichten. Bislang liegen systematische Untersuchungen nur für die Krankheitsbilder der „Narkolepsie“ bzw. der Obstruktiven Schlafapnoe (OSA; siehe „Obstruktive Schlafapnoe“) vor. Ziel der Fahrsimulatoruntersuchung ist die möglichst realitätsnahe Erfassung der komplexen Fahrleistung, die in unterschiedlichem Ausmaß die oben beschriebenen Aufmerksamkeitskomponenten widerspiegeln muss und gleichzeitig einer Situation mit der höchsten Einschlafneigung (Monotonie) entsprechen muss.
Die Kosten reichen von freier Verfügbarkeit beim Steer Clear mit Installation über Diskette oder Memory-Stick über ca. 30.000 Euro beim C.A.R. bis hin zu 1 Mio. Euro für einen realitätsnahen Lkw-Simulatorstand. Die hier aufgeführten Tests werden vor allem im deutschsprachigen Raum (D, CH, A) eingesetzt. Weltweit sind unzählige Varianten im Einsatz, wovon der Steer Clear sowie der Divided Attention Driving Test (DADT) und der ihm sehr ähnliche Divided Attention Steering Simulator (DASS) besonders in Frankreich und England, aber auch international große Verbreitung besitzen.
Zusammenfassung, Bewertung
Eine Beurteilung der Leistungsfähigkeit am Tage ist besonders bei gutachterlichen und sozialmedizinischen Fragestellungen wie Arbeitsfähigkeit und Fahrtauglichkeit erforderlich („Begutachtung bei Schlafbezogenen Atmungsstörungen“). Eine Vorhersage der Leistungsfähigkeit allein anhand des Schweregrades der zugrunde liegenden Erkrankung ist nicht möglich. Einsatzgebiete sind erhebliche Beschwerden durch
Tagesschläfrigkeit, verbunden mit Eigen- oder Fremdgefährdung bei Fahr-, Steuer- oder Überwachungstätigkeiten, die in erster Linie von Obstruktiver Schlafapnoe,
Narkolepsie oder „Restless-Legs-Syndrom“ oder „Periodic Limb Movement Disorder“ (
PLMD) verursacht sein können.
Alle Tests sind im Ergebnis motivationsabhängig. Mitarbeit und Motivation beeinflussen daher das Testergebnis. Einige Tests sind so weit auf basale Funktionsmessungen reduziert, dass sie schwerlich auf die Arbeitsleistung projiziert werden können. Bei mehreren Verfahren stehen Normwerte aus, befinden sich aber in Entwicklung. Adäquate Methoden zur Detektion von Ermüdung im Kfz bzw. Lkw sind z. T. schon in Fahrzeuge eingebaut (z. B. durch Erkennung von vermehrtem Lidschluss als Hinweis auf Schläfrigkeit). An der Reduktion der Unfallhäufigkeit durch rechtzeitige Detektion der Fahrerschläfrigkeit wird forciert gearbeitet.