Das Wachverhalten ist mit bedingt durch den vorausgegangenen Schlafverlauf, und umgekehrt hat das Verhalten am Tage aufgrund der Art und Dauer der ausgeübten psychosozialen und physischen Aktivität und wegen Art, Umfang und zeitlicher Verteilung der Nahrungsaufnahme Auswirkungen auf den Nachtschlaf und seinen Verlauf. Auch das Berufs- und Freizeitverhalten sowie gegebene Umweltverhältnisse und besonders der generelle Gesundheitsstatus beziehungsweise das Vorliegen anderer Grunderkrankungen haben erhebliche Folgen für den erholsamen
Schlaf in der darauf folgenden Nacht. Diese Wechselwirkung zwischen den beiden Zuständen Wach und Schlaf erschwert die Ermittlung von Kausalzusammenhängen ausschließlich mittels anamnestischer Methoden. Die Schlafmedizin muss in der Lage sein, mit den Messungen im Schlaflabor ein Funktionsbild für das gesamte Schlaf-Wach-Verhalten des Individuums und seiner Umweltbezüge in Familie, Beruf und Gesellschaft zu erstellen.
Aufgrund der geschilderten speziellen Konstellation übt das Schlaflabor eine duale Funktion aus: Einerseits werden der
Schlaf und die Schlafstörung gemessen, ausgewertet und dokumentiert, andererseits muss die gestörte Funktionsfähigkeit, verursacht durch nicht erholsamen Schlaf, erfasst und bewertet werden, was sich zusätzlich zu den anamnestischen Angaben, beziehungsweise „Fragebögen“ auch durch
Tagmessungen ermitteln lässt. Sie sollen nicht nur Schläfrigkeit und Müdigkeit mit guter
Validität ermitteln, sondern alle Wachfunktionen, die die psychomentale, physische und soziale Leistungsfähigkeit, die psychische Befindlichkeit sowie Funktionseinschränkungen betreffen. Für die vollständige Messung im Schlaflabor gehören demnach die Registrierung, Analyse und Dokumentation von Schlaf, Schlafstörung, Leistungsfähigkeit, Befindlichkeit und Funktionseinschränkung untrennbar zusammen.
Fortlaufende, polygraphische Messungen über viele Stunden beeinträchtigen die individuellen Lebensgewohnheiten, indem Riten vor dem Schlafengehen und im Schlafbereich, aber auch Verhaltensmuster am Tage modifiziert werden. Fehlerfreie Aufzeichnung, wenig Ausfälle und Artefaktarmut werden in der Regel jedoch höher bewertet, weshalb standardisierte
Messverfahren stationär durchgeführt werden. Trotz solcher klinischer Vorgaben, die Zeit, Ort und Ablauf des gewohnten Tagesablaufs verändern, soll gegebenenfalls nach einer Messnacht zur Eingewöhnung möglichst ein normaler Schlafverlauf aufgezeichnet werden. Das Repertoire der Schlafmedizin verfügt zu diesem Zweck über ein weites Methodenspektrum. Es reicht von einer nichtinvasiven Ein-Kanal-Registrierung bis hin zur Ableitung mit mehr als 16 Kanälen bei der
Kardiorespiratorischen Polysomnographie (siehe „Kardiorespiratorische Polysomnographie“) und wird gegebenenfalls durch zusätzliche invasive
Messgrößen ergänzt. Die Gerätetechnik lässt hierfür gleichermaßen eine ambulante oder stationäre Messung zu. Gleiches gilt für Art und Umfang der Anamnese (siehe auch „Beschwerden und Symptome“) und die
psychometrische Diagnostik, die von der einzelnen Frage nach aktueller Schläfrigkeit bis hin zur umfassenden Persönlichkeitsdiagnostik mit mehrteiliger Testbatterie ein vielschichtiges Instrumentarium bereitstellt. Die Tagesuntersuchungen sind hinsichtlich des zu betreibenden Aufwands ebenfalls gestuft. Zeitumfang, personeller Einsatz und Komplexität des Verfahrens können von einer einfachen Paper-Pencil-Aufgabe bis hin zur
Simulation eines Arbeitstages mit komplexen Fahr-, Steuer- und Überwachungsaufgaben variieren, wie beispielsweise im Fahrsimulator zur Fahrtauglichkeitsprüfung für Berufskraftfahrer im Personen- oder Gütertransport.
Ungestörte, rückwirkungsfreie Messungen sind stets eine wesentliche Voraussetzung, gleichgültig ob sie ambulant oder stationär durchgeführt werden. Man erhält sie nur dann, wenn die Bauart und Befestigung von Sensoren oder die Patientenbox, die an der Brust oder als Gürteltasche befestigt wird, die Aufzeichnung des spontanen Verhaltens von
Messgrößen nicht beeinträchtigt und der Patient nicht durch Kabel oder Sonden belästigt wird. Zu diesem Zweck wurden zahlreiche nichtinvasive Verfahren entwickelt, die unter anderem in Form von miniaturisierten, ambulanten Geräten mittels bequem anzubringender, komfortabler Sensoren realisiert wurden. Beispiele dafür sind die Messung der
Sauerstoffsättigung als Pflasterstreifen am letzten Fingerglied und Geräte, die mehrere Tage hintereinander unauffällig getragen werden können, als auch
EKG und
Aktigraphie. Sie stören das Komfortempfinden nur wenig und gestatten die weitgehende Beibehaltung der normalen Lebensgewohnheiten. Bei der großen Vielfalt von interessierenden Variablen und Methoden muss dem Untersucher allerdings die jeweilige
Validität von Messgröße, Sensor und Gerät bekannt sein, um einen bedarfsgerechten und wirtschaftlich vertretbaren Kompromiss zwischen Aufwand und Nutzen schließen zu können. Das Ergebnis der Messung soll eine multidimensionale Bewertung des Schlafprofils und der verschiedenen Befindens- und Funktionsebenen sowie der Leistungsfähigkeit enthalten. Hierfür muss das Schlaflabor über spezifische Struktur- und Prozessmerkmale verfügen, die Messungen sowohl in der Nacht als auch am Tag ermöglichen, was eine vielseitige apparative Ausstattung und umfassende schlafmedizinische Kenntnisse beim Personal des Schlaflabors voraussetzt.
Messung von Schlaf und Schlafstörung
Tab.
1 benennt die Verfahren, die im Schlaflabor eingesetzt werden, um den
Schlaf und die Schlafstörung valide zu quantifizieren und die Differentialdiagnostik mit hoher
Sensitivität und bestmöglicher
Spezifität durchzuführen.
Apparative Verfahren im Schlaflabor |
Tonische Aktivierung (Einschlafneigung) | Multipler Schlaflatenztest (MSLT) |
Tonische Aktivierung (Wachbleibefähigkeit) | Multipler Wachbleibetest (MWT) |
Apparative Verfahren, schlaflaborunabhängig |
| Langzeitaktigraphie Langzeitakzelerometrie Langzeitblutdruckmessung Langzeit-EKG |
Tonische Aktivierung | Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung (TAP) Pupillometrie Flimmerverschmelzungsfrequenz |
Phasische Aktivierung | Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung (TAP) Reaktionszeitmessung mit Warnreiz |
Vigilanz | Quatember Maly Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung (TAP) |
Selektive Aufmerksamkeit | Wiener Testsystem Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung (TAP) Reaktionszeittest |
Geteilte Aufmerksamkeit | Wiener Determinationsgerät Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung (TAP) |
Arbeitsgedächtnis | Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung (TAP) |
Fahrtauglichkeit | C.A.R. Carsim Steer Clear |
| |
Nichtapparative Verfahren |
Tagesschläfrigkeit | Epworth Sleepiness Scale (ESS) Stanford Sleepiness Scale (SSS) |
Müdigkeit/Erschöpfung | Fatigue Impact Scale (FIS) Brief Fatigue Inventory (BFI) Tiredness Symptoms Scale (TSS) |
Aufmerksamkeit/Konzentration | Frankfurter Aufmerksamkeitsinventar (FAIR) Test d2 (d2); Konzentrations-Leistungs-Test (KLT) |
Lernen und Gedächtnis | Lerngedächtnistest (LGT-3) Hamburg-Wechsler-Intelligenztest für Erwachsene – Revision (HAWI-R) Zahlennachsprechen |
Befindlichkeit | Befindlichkeits-Skala (Bf-S) Beck Depressionsinventar (BDI) Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS) Activity Check List nach Thayer (ACL) Freiburger Persönlichkeitsinventar (FPI) |
| Quality of Life Questionnaire, Short-Form 36 (SF36) Nottingham Health Profile (NHP) Functional Outcomes of Sleep Questionnaire (FOSQ) Sleep Apnea Quality of Life Index (SAQLI) European Quality of Life Questionnaire (EuroQol) Internationale Klassifikation der Funktionsstörungen der WHO (ICF) |
Therapieerfolg | Klinische Symptome Patientenzufriedenheit |
Ein-Kanal-Registrierung
Auf der apparativen Seite gehören zu dieser Gerätegruppe die Ein-Kanal-Registrierung von Bewegungsaktivität beziehungsweise Ganzkörperbewegungen in 2 oder 3 Achsrichtungen über Akzelerometrie („Aktigraphie“), die eine Verlaufskontrolle von Ruhephasen und körperlicher Aktivität über mehrere Tage bis Wochen ermöglicht (siehe auch „Bewegungsmessung“).
Demgegenüber sind Langzeit-EKG („Elektrokardiogramm“) und nichtinvasive Blutdruckmessung (siehe „Diskontinuierliche nichtinvasive Blutdruckmessung“ und „Kontinuierliche nichtinvasive Blutdruckmessung“) dem 24-Stunden-Bereich vorbehalten. Sie sollen nächtliche Besonderheiten des Elektrokardiogramms wie „Herzrhythmusstörungen“ im
Schlaf oder belastungsrelevante EKG-Veränderungen unter ambulanten Bedingungen registrieren und dokumentieren. Auch die nichtinvasive 24-Stunden-Blutdruckmessung ermöglicht differenzierte Aussagen zu nicht normalen Schlafverläufen wie dem Ausbleiben des frühmorgendlichen Blutdruckabfalls (Nondipping) und belastungsinduzierten Anstiegen von systolischem und diastolischem Blutdruck. Beide Verfahren sind ambulant in Felduntersuchungen, also nicht nur zu Hause, sondern auch am Arbeitsplatz oder während der Freizeit einsetzbar (siehe auch „Bluthochdruck“; „Herz-Kreislauf-System, spezielle
Messverfahren im Schlaf“).
Zur Erstdiagnostik von Schnarchereignissen und Atemstillständen gibt es außerdem mehrere Ein-Kanal-Verfahren, die aufgrund eines respiratorischen Signals wie Flow und Schnarchaktivität eine Verdachtsdiagnose ermitteln oder erste anamnestische Aussagen bestätigen können. Solche Untersuchungen sind wegen ihrer diagnostischen Unsicherheiten bislang jedoch nur als individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) einsetzbar (siehe auch „Gesundheitspolitik“).
Polygraphie
Die Registrierung über eine Polygraphie als ambulante oder teilstationäre Messung hat in den letzten Jahren eine wichtige, auch abrechnungstechnisch bedeutsame Stellung erlangt, da sie wesentliche kardiorespiratorische und motorische
Messgrößen im
Schlaf ermitteln kann. Hierzu gehören
EKG oder Pulsregistrierung über die Fingerplethysmographie, die
Sauerstoffsättigung, der respiratorische Effort (Atemanstrengung, Atmungsmessung) und der Atemfluss an Mund und Nase, die Schnarchaktivität, der Maskendruck, die Körperlage und die Extremitätenbewegungen. Insbesondere für die Therapiekontrolle bei Patienten unter nasaler CPAP-Therapie („nasal continuous positive airway pressure“) oder nichtinvasiver häuslicher
Beatmung wurden zahlreiche Gerätesysteme entwickelt, die eine Registrierung der genannten Messgrößen sowohl während des Schlafs als auch davor und danach gestatten. Ihr Hauptnachteil ist, dass sie keine Informationen über Einschlafzeitpunkt,
Schlafdauer, Schlafstörung oder Aufwachen liefern und man daher nicht von einer Messung während, sondern nur von einer Messung im Schlaf sprechen kann, ohne definitive Informationen über die exakte Schlafstruktur zu besitzen.
Die Polygraphie wird häufig in Facharztpraxen von Pneumologen, HNO-Ärzten, Pädiatern und Zahnärzten/Kieferchirurgen für häusliches „Ambulantes Monitoring“ (auch Nicht-Labor-Monitoring, NLM), zur ambulanten Diagnostik von
Schlafbezogenen Atmungsstörungen (siehe „Schlafbezogene Atmungsstörungen“) und Therapiekontrolluntersuchungen der nichtinvasiven häuslichen
Beatmung eingesetzt, wobei auch kein Überwachungspersonal anwesend ist (S3-Leitlinie „Schlafbezogene Atmungsstörungen bei Erwachsenen“
2017).
Polysomnographie
Eine Registrierung von
Schlaf und Schlafverlauf wird erst mithilfe der
Polysomnographie möglich. Die „Polysomnographie“ schreibt zur Ermittlung von Schlafkenngrößen nach AASM (
2016) beziehungsweise Rechtschaffen u. Kales die Registrierung von mindestens 3 EEG-Ableitungen, 2 EOG-Ableitungen zur Erfassung von Augenbewegungen und 2 EMG-Aktivitäten zur Erfassung des mentalen Muskeltonus am Kinn vor. Heutige Qualitätsanforderungen erfordern zusätzlich eine EMG-Registrierung an beiden Beinen (Musculus tibialis anterior). Die Polysomnographie gestattet es, ein
Hypnogramm zu erstellen, das den Schlafstadienverlauf im Detail wiedergibt. Auch die
Videometrie ist Bestandteil des Aufzeichnungsstandards der Polysomnographie (siehe auch „Polysomnographie und Hypnogramm“).
Kardiorespiratorische Polysomnographie
Die „Kardiorespiratorische Polysomnographie“ gilt als Referenzmessung im Schlaflabor. Sie muss als obligate
Messgrößen die Ableitungen der
Polysomnographie (siehe oben) und zusätzlich Ein-Kanal-EKG, Atmungsanstrengung an Brust und Bauch, Atemfluss an Mund und Nase, die
Sauerstoffsättigung über
Pulsoxymetrie, ein Kehlkopfmikrofon und nach Möglichkeit die Körperlage enthalten. Weiterhin können nichtinvasiver Blutdruck, peripherer arterieller Tonus (siehe „Periphere arterielle Tonometrie (PAT) und Pulsintensität“), Pulswellengeschwindigkeit, Pneumotachometrie, Ösophagusdruck, pH-Metrie („Gastroösophagealer Reflux“) und
Kapnometrie, Körpertemperatur sowie seltenere Messgrößen wie
nächtliche penile Tumeszenz („Erektionsstörungen und nächtliche penile Tumeszenz (NPT)“), Hautwiderstand („Elektrodermale Aktivität“) oder sympathische Aktivität über Nadelelektroden in den Beinen registriert werden. Siehe auch „Atmungsmessung“; „Herz-Kreislauf-System, spezielle
Messverfahren im Schlaf“.
Videometrie
Weiterhin gehört eine digitale
Videometrie mit Zoomfunktion des Objektivs und Motorsteuerung der Kamera zum Aufzeichnungsstandard der stationären
Polysomnographie im qualitätsgesicherten Schlaflabor. Diese Daten werden synchron zu den neurophysiologischen
Messgrößen der Polysomnographie aufgezeichnet. Sie werden in der Regel wegen der großen Speichermenge von mehreren Gigabyte am nächsten Tag nach Durchsicht wieder gelöscht.
Archivierung erfolgt nur bei spezieller diagnostischer Fragestellung. Verfahren zur Komprimierung der Videodateien im MPG-Format (auch mp4) befinden sich derzeit in rasanter Entwicklung, weswegen in absehbarer Zeit auch die Archivierung von Videodaten möglich sein wird.
Spezielle Verfahren
Spezielle EEG-Verfahren zur Herdlokalisation (Brain Mapping) und zur Frequenzdarstellung über Fourier-Transformation, die nukleare Magnetresonanztomographie (NMR), Magnetic Resonance Imaging (MRI) oder funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) werden für spezielle diagnostische Fragestellungen im Routineschlaflabor mitunter, häufig aber in der Forschung eingesetzt. Siehe auch „Begutachtung von Patienten mit
Schlafstörungen in der Neurologie“.
Schlaffragebögen
Abendliche (SF-A) und morgendliche Angaben (SF-M) zur Befindlichkeit vor und nach dem Nachtschlaf im Schlaflabor einschließlich visueller Analogskalen (VIS A/M) können mit den Schlaffragebögen ermittelt werden. Zur Anamnese und ICSD-bezogenen Diagnose der Schlafstörung („Obstruktive Schlafapnoe“; „Narkolepsie“; „Restless-Legs-Syndrom“) eignet sich der LISST, für eine Insomnie-bezogene Diagnostik der FEPS-II und für Schlaf-Wach-Störungen in Richtung beeinträchtigter Schlafqualität von 4 Wochen Dauer und länger der PSQI. Längsschnittkontrollen werden am besten über „Schlaftagebücher“ erhoben („Psychodiagnostische Fragebögen“).
Verhaltensbeobachtung
Hier werden nächtliche Protokolle über Verhaltensäußerungen wie „Schlafwandeln“ oder Wasserlassen von der Nachtwache geführt oder offline als Auswertung der
Videometrie vorgenommen.
Interview
Zur präzisen Diagnostik nach der Internationalen Klassifikation der
Schlafstörungen (ICSD) eignet sich „Strukturiertes Interview für Schlafstörungen nach DSM-III-R“ (SIS-D) oder das Interview Sleep-EVAL, das Diagnosen nach ICSD und
DSM-IV als Ergebnis liefert.
Messung von Schläfrigkeit, Leistungsfähigkeit und Befinden am Tag
Zahlreiche apparative und nichtapparative Verfahren stehen zur Verfügung, die aber nicht alle international verwendet werden (Tab.
1).
Als Tests zur tonischen Aktivierung und der damit verbundenen Neigung einzuschlafen sowie der Fähigkeit wach zu bleiben stehen „Multipler Schlaflatenztest und Multipler Wachbleibetest“ an erster Stelle. Sie sind in der Durchführung an ein Schlaflabor gebunden, da sie über eine
Polysomnographie im zweistündigen Abstand vier- bis fünfmal hintereinander jeweils bis zum ersten stabil auftretenden Schlafstadium N1 ausgeführt werden. Die Testbatterie nach Zimmermann zur Aufmerksamkeitsprüfung (TAP) spielt bei allen in Tab.
1 aufgeführten Dimensionen (tonische und phasische Aktivierung, Vigilanzprüfung, selektive und geteilte Aufmerksamkeit, Arbeitsgedächtnis) der psychomentalen und kognitiven Leistungsfähigkeit eine Rolle. Das Wiener Testsystem und das Wiener Determinationsgerät werden ebenfalls eingesetzt, ebenso wie die Vigilanzprüfung (Daueraufmerksamkeit) über das Quatember-Maly-Gerät (Mackworth-Uhr) und den Vierfeldertest
Vigimar. Die Pupillometrie, die relativ geringe Mitarbeit erfordert, wird seit einigen Jahren in Deutschland zur Bestimmung der tonischen Aktivierung verwendet. Verschiedene Simulatoren (Carsim; Steer Clear) zur Überprüfung der Fahrtauglichkeit überprüfen virtuell praktische Aufmerksamkeitsleistungen der geteilten und der Daueraufmerksamkeit, der Vigilanz,
Tagesschläfrigkeit und Müdigkeit. Siehe auch „Pupillographischer Schläfrigkeitstest“; „Leistungstests und Fahrtauglichkeitsprüfung“.
Für Langzeitmessungen der Funktionsfähigkeit am Tage sind „Aktigraphie“ (Schrittzähler) und Akzelerometrie (Ein-Kanal-Messung) sowie Blutdruck, Herzfrequenz und daraus bestimmt Herzfrequenzvariabilität geeignete
Messgrößen. Sie dienen der situativen Erfassung von Aktivität und vegetativen Reaktionen. Die Geräteklasse der Akzelerometer ist so weit ausgereift, dass Unterschiede zwischen
Schlaf und Wach, Ruhe, Aktivität, Liegen und Ausdauersportarten (Gehen, Joggen, Nordic Walking, Fahrradfahren) bei etlichen Geräten mit akzeptabler Präzision erfasst und dokumentiert werden können.
Im Bereich der
Klinischen Chemie sind es insbesondere die Hormone und Substrate von Energiestoffwechsel und sympathischer Aktivierung wie
Glukose,
Kortisol und
Katecholamine, von denen bekannt ist, dass beim nicht erholsamen
Schlaf erhöhte Werte vorliegen können („Laborparameter“). Darüber hinaus werden zu wissenschaftlichen Zwecken zahllose weitere Hormone des Neuroendokrinen Systems, der Immunologie und des Hirnstoffwechsels ermittelt, die sich häufig auf Physiologie und Pathophysiologie der Genese von Schlaf und Schlafstadien REM und NREM beziehen. Siehe auch „Endokrinium“; „Neurotransmitter“; „Hypophyse und Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenachse“.
Zur Ermittlung der
Tagesschläfrigkeit stehen als einfache, international anerkannte
Testverfahren die „Epworth Schläfrigkeitsskala“ (ESS) und die „Stanford Schläfrigkeitsskala“ (SSS) zur Verfügung. Siehe auch „Fragebögen zur Tagesschläfrigkeit“; „Leistungs-, Schläfrigkeits- und Vigilanzmessung“.
Auswerteverfahren, Bewertung
In Tab.
2 und
3 sind die Messergebnisse zusammengestellt, die im Schlaflabor verwendet werden. Ihre Ermittlung ist aufwendig. Sie können daher größtenteils automatisch erhoben werden, bedürfen aber stets der manuellen Kontrolle („editing“) durch den ärztlichen Untersucher oder die technische Assistenz. Siehe auch „Computer und Computernetzwerke in der Schlafmedizin“.
Tab. 2
Ergebnisvariablen der Messung im Schlaflabor: apparative Methoden
Neurophysiologische Messgrößen | Schlafstadien, Schlafdauer, Schlaflatenz, Schlafeffizienz, Schlafstadienwechsel, Arousal, EMG der Beine (Anzahl, Häufigkeit, zeitliche Verteilung, Restless-Legs-Syndrom, periodische Extremitätenbewegungen) Arousal (Anzahl, Häufigkeit, Index nach ASDA) |
Kardiorespiratorische Messgrößen | Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) Anzahl, Dauer und Häufigkeit/Stunde von zentralen, obstruktiven und gemischten Apnoen Anzahl, Dauer und Absolutwerte von Sauerstoffentsättigungen im SchlafAnzahl und Häufigkeit von Schnarchereignissen Herzfrequenzvariabilität |
Varia | Blutdruck (fortlaufend nichtinvasiv, systolische und diastolische Absolutwerte, Morning Dipping) Videometrie (motorische Unruhe, Alpträume, epileptische Anfalle) PAT (peripherer arterieller Tonus, sympathische Aktivierung) Kapnometrie (CO 2, Atmungsregulation, Chemosensibilität) Ösophagusdruck (Atmungsantrieb, Zwerchfellermüdung) Brain Mapping (Topographie-EEG) Spektralanalyse (Frequenzbereichsdarstellung des EEG) Evozierte Potenziale (EEG-Veränderungen aufgrund akustischer Stimuli) NMR – MRI (Glukosestoffwechsel des ZNS, zerebrale Durchblutung) PET (funktionelle Bildgebung, Neuroanatomie des Schlafs) |
Tab. 3
Ergebnisvariablen der Messung im Schlaflabor: nichtapparative Methoden
Fragebögen zu einzelnen Diagnosen | |
Interview | Schlafstörung nach ICSD, ICD, DSM-IV |
Befindensstörung | Störungsbild: Depressivität, Ängstlichkeit |
Lebensqualität | Physische Gesundheit, Aktivität, Mobilität Psychisches Befinden, emotionale Reaktionen Vitalität, Aktivierung, Energieverlust Soziale Funktionsfähigkeit/Isolation Schmerz |
Funktionale Gesundheit | Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit der WHO (ICF) |
Über die
Polysomnographie soll die Schlafstadienbestimmung nach AASM (
2016) beziehungsweise Rechtschaffen u. Kales bezüglich einzelner Stadien nach prozentualen Anteilen, die Gesamtschlafdauer, die Schlaflatenz bestimmter Stadien, die Schlafeffizienz, die Schlafstadienwechsel und die Erfassung von
Arousals (auch RERA = „respiratory effort-related arousal“) erfolgen. Ein
Hypnogramm gibt im 30-Sekunden-Intervall die Schlafstruktur graphisch wieder („Polysomnographie und Hypnogramm“). Periodische Extremitätenbewegungen („periodic limb movements“, PLM) gehören ebenso zur computergestützten Analyse von
Schlafstörungen, wie die Ermittlung von rein neurologischen Arousals (siehe „Arousal“) (EEG-Arousal nach ASDA), die nach Anzahl und stundenbezogener Häufigkeit (Index) angegeben werden. Rechnergestützt lassen sich die Arousals als respiratorisches oder motorisches Arousal zuordnen. Ebenso können den Arousalreaktionen assoziierte Herzfrequenzbeschleunigungen ermittelt werden.
Die Auswertung der respiratorischen
Messgrößen führt zu Zahlenwerten für Anzahl, Häufigkeit und Dauer von zentralen, obstruktiven und gemischten Apnoen im
Schlaf (Apnoe-Hypopnoe-Index, AHI) und der Anzahl, Häufigkeit und Dauer von Sauerstoffentsättigungen (Respiratory Disturbance Index, RDI). Auch Schnarchereignisse werden derart quantifiziert. Aus der pneumotachographischen Messung lassen sich Atemzugvolumen und Atemminutenvolumen und aus der
Ösophagusdruckmessung lässt sich das Vorliegen von RERAs valide bewerten und die Atemanstrengung (Effort) ermitteln. Die genannten messtechnischen Verfahren bilden auch die Grundlage zur Definition des sogenannten Upper Airway Resistance Syndrome (UARS), das auch heute noch Bestandteil der Differentialdiagnose von
Obstruktiver Schlafapnoe ist. Auch der Vorgang der Zwerchfellermüdung kann mit der genannten Messtechnik ermittelt werden. Die Kapnographie steht für die endtidale Atemgaskonzentration des CO
2, für Chemosensibilität und intakte Atmungsregulation.
Aus dem
EKG werden Arrhythmien, Asystolien, Extrasystolen, brady- und tachykarde Phasen und die Herzfrequenzvariabilität als Maß für die kardiale sympathikovagale Balance ermittelt.
Zusätzliche Messungen ergeben sich aus fortlaufenden Blutdruckregistrierungen (Absolutwerte, Morning Dipping), dem peripheren arteriellen Tonus (sympathische Aktivierung), der pH-Metrie, der
Aktigraphie und Körperlage (Rücken, seitlich rechts/links, Bauch, aufrecht), der Penismessung (NPT), der Körpertemperaturmessung (rektal, tympanal), verschiedenen EEG-Analysen (Brain Mapping, Spektralanalyse, Kohärenzanalyse, Averaging – evozierte Potenziale) sowie funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) für schlafstadienabhängige zerebrale Durchblutungsmessung, Positronenemissionstomographie (PET) und Single Photon Emission Computed Tomography (SPECT) zur funktionellen Bildgebung. Siehe auch „Nervensystem, spezielle
Messverfahren im Schlaf“.
Die nichtapparativen psychometrischen Verfahren sollen die schlafmedizinische Diagnose über Interview (SIS-D, Sleep-EVAL) oder Fragebögen (LISST) ermöglichen, die sich nach ICSD,
DSM-IV oder ICD einordnen lassen. Das Störungsbild soll in seiner Dimensionalität und Zusammensetzung (Ängstlichkeit, Depressivität, bipolare Störung) erkannt werden.
„Psychometrische Fragebögen zum Befinden“ und zur Selbsteinschätzung liefern Ergebnisse zum Schweregrad des Störungsbildes (BfS, BDI, STAI, HADS, FPI) und können speziell die Aktiviertheit beziehungsweise den Energieverlust aufgrund von nicht erholsamem
Schlaf über eine
Eigenschaftswörterliste (ACL) ermitteln. Psychometrische Verfahren, bei denen die
Lebensqualität (SF36, NHP, FOSQ, SAQLI, EuroQoL, ICF) im Vordergrund steht, ermitteln Dimensionen wie physische Gesundheit, Aktivität und Mobilität, emotionale und soziale Funktionen, die Vitalität und Lebensenergie und auch soziale Isolation und Schmerzsymptomatik.
Ein zentrales Ergebnis der Schlaflaboruntersuchung ist die objektive Erfassung von
Tagesschläfrigkeit über „Fragebögen zur Tagesschläfrigkeit“ und Fahrsimulator und die Ermittlung von Müdigkeit und Fatigue (Erschöpftheit) über die Fatigue Impact Scale (FIS), das Brief Fatigue Inventory (BFI) oder die Tiredness Symptoms Scale (TSS) und ihre jeweiligen Schweregrade (siehe auch „Leistungstests und Fahrtauglichkeitsprüfung“).