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Enzyklopädie der Schlafmedizin
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Publiziert am: 28.08.2024

Narkolepsie

Verfasst von: Matthias Boentert
Die Narkolepsie ist eine zumeist erworbene, zumeist autoimmun bedingte Erkrankung mit den obligaten Symptomen der exzessiven Tagesschläfrigkeit und der Kataplexie. Fakultative Symptome umfassen Schlaflähmungen, schlafbezogene Halluzinationen, automatisches Verhalten und einen fragmentierten Nachtschlaf. Die Diagnose stützt sich auf die klinischen Symptome, den Multiplen Schlaflatenztest (MSLT) und die Bestimmung von Hypocretin im Liquor. Das Spektrum der symptomatischen Behandlungsmöglichkeiten umfasst verhaltens- und sozialmedizinische Maßnahmen sowie Medikamente zur Steigerung der Vigilanz und zur Therapie der Kataplexien. Eine kausale Therapie existiert nicht. Die Narkolepsie ist eine chronische Erkrankung mit erheblichen biopsychosozialen Konsequenzen für betroffene Patient*innen und Familien. Eine frühzeitige Diagnoseerstellung ist daher wünschenswert, gelingt aber in vielen Fällen nicht. Die langfristige Therapie kann sich schwierig gestalten und erfordert eine kontinuierliche Begleitung durch erfahrene Spezialist*innen.

Synonyme

Gélineau-Syndrom

Englischer Begriff

narcolepsy

Definition

Die Narkolepsie wird den schlafmedizinischen Erkrankungen mit dem Kardinalsymptom der zentral bedingten exzessiven Tagesschläfrigkeit zugerechnet und ist auf eine komplexe Störung der zentralnervösen Schlaf-Wach-Regulation zurückzuführen („Schlafregulation“). Obligates Symptom der Narkolepsie ist die exzessiv gesteigerte Tagesschläfrigkeit; bei der Typ-1-Narkolepsie tritt die „Kataplexie“ hinzu. Häufige, aber nicht spezifische und darum fakultative Symptome der Narkolepsie umfassen „Schlaflähmung“ und hypnagoge oder hypnopompe Halluzinationen. Tagesschläfrigkeit, Kataplexien, Schlaflähmungen und schlafbezogene Halluzinationen werden auch unter dem Begriff „narkoleptische Tetrade“ zusammengefasst. Die für die Narkolepsie charakteristische Störung der Schlaf-Wach-Regulation führt zu einer Dissoziation der Stadien Wach, REM und NREM, sodass stadientypische Phänomene wie beispielsweise Schlaf und Muskeltonusverlust sowohl unabhängig voneinander als auch in völlig unregelmäßiger Folge auftreten können.
Die „ICSD-3“ (International Classification of Sleep Disorders 2014) rechnet die Narkolepsie zur Diagnosegruppe „Zentrale Störungen mit exzessiver Tagesschläfrigkeit“ (Central Disorders of Hypersomnolence). Dort wird unterschieden zwischen der Typ-1-Narkolepsie (NT1) mit Nachweis einer Hypocretindefizienz und der Typ-2-Narkolepsie (NT2) mit nicht pathologisch erniedrigtem Hypocretinspiegel im Liquor cerebrospinalis. Ferner werden die Typ-1-Narkolepsie infolge einer anderen organischen Erkrankung (Symptomatische Typ-1-Narkolepsie) und die Narkolepsie ohne Kataplexie mit erniedrigtem Hypocretinspiegel abgegrenzt.

Epidemiologie

Die Prävalenz der Narkolepsie wird auf 25–50/100.000 Einwohner geschätzt, die jährliche Inzidenzrate auf 0,74–1,37/100.000 (American Academy of Sleep Medicine 2014b). Es ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, da sowohl zwischen dem Auftreten der ersten Symptome und dem ersten Arztkontakt als auch bis zur Diagnosestellung mehrere Jahre vergehen können. Die entsprechenden Studien legen nahe, dass die Latenz bis zur Diagnose im Mittel bis zu 10 Jahre, in Einzelfällen über 20 Jahre beträgt. An der NT1 erkranken Frauen und Männer etwa gleich häufig (American Academy of Sleep Medicine 2014b), während möglicherweise mehr Männer als Frauen von einer NT2 betroffen sind. Frauen weisen wahrscheinlich eine gegenüber Männern verlängerte Diagnoselatenz auf (Longstreth et al. 2007). Hinsichtlich des Alters bei Erstmanifestation der Erkrankung zeigen sich zwei Altersgipfel, von denen der größere um das 15. Lebensjahr und der kleinere um das 35. Lebensjahr liegt (Won et al. 2014).
Nach wie vor ist nicht abschließend geklärt, ob der Anstieg der jährlichen Inzidenzrate nach der H1N1-Impfkampagne in zahlreichen Ländern (2008/2009) allein auf einen ätiopathogenetischen Zusammenhang (Abschn. „Pathophysiologie“) oder auch auf eine methodisch bedingt höhere Diagnoserate zurückzuführen ist (Longstreth et al. 2009).

Genetik

In mehr als 90 % der Fälle tritt die Narkolepsie sporadisch auf, in ca. 10 % mit familiärer Häufung. Während die Narkolepsie bei Hunden durch pathogene Mutationen im Hypocretinrezeptor-2-Gen verursacht werden kann, konnte beim Menschen die familiäre Narkolepsie bisher nur bei einer Familie mit einer monogenetischen Ursache in Zusammenhang gebracht werden, der Mutation im Myelin-Oligodendrozyten-Gen (Verstraeten et al. 2016). Ferner tritt ein narkoleptisches Syndrom bei ca. 80 % der Patient*innen mit pathogenen Mutationen im DNA-Methyltransferase-1-Gen auf, die eine autosomal-dominante spinozerebelläre Ataxie mit Taubheit und Narkolepsie (ADCA-DN) und eine hereditäre sensible und autonome Neuropathie (HSAN IE) mit Narkolepsie verursachen können (Hor et al. 2011). Weitere familiäre Fälle sind molekulargenetisch noch immer ungeklärt. Dabei ist nicht jede familiäre Häufung als Hinweis auf eine monogenetische Ätiologie zu werten, da für die Entstehung der Narkolepsie generell mehrere Umweltfaktoren sowie verschiedene genetisch determinierte Prädispositionsfaktoren verantwortlich gemacht werden. Zu letzteren zählt vordringlich die Assoziation zum HLA-System, die bei der Narkolepsie so stark ist wie bei keiner anderen Erkrankung (Moghadam et al. 2014). In den HLA-Regionen DR, DQ und DP auf Chromosom 6 sind Gene lokalisiert, die für die Antigen-präsentierenden MHC-II-Komplexe kodieren. Bei 85–95 % aller kaukasischen Patient*innen mit NT1 besteht eine Assoziation mit dem Serotyp HLA-DR2 beziehungsweise dem Haplotyp DR15/DQ6, bei afroamerikanischen Patient*innen sind dies dagegen nur 60 %. Die mit dem Haplotyp DR15/DQ6 assoziierten Polymorphismen sind DRB1*1501, DQA1*0102 und DQB1*0602. Die Allele DRB1*1501 und DQB1*0602 kommen dagegen in der Bevölkerung nur mit einer Prävalenz von 20–33 % vor. DRB1*1501 und DQB1*0602 stellen die derzeit wichtigsten Suszeptibilitätsmarker der Narkolepsie dar; ihr Nachweis kommt jedoch niemals einer molekulargenetischen Diagnosesicherung gleich. Die Assoziation mit dem HLA-System ist bei der NT1 erheblich stärker als bei der NT2. Homozygote Merkmalsträger haben ein gegenüber Heterozygoten erhöhtes Narkolepsierisiko. Die HLA-Allele HLA DQB1*0601 und HLA DQB1*0501 sind wahrscheinlich protektiv beziehungsweise mit einem niedrigeren Erkrankungsrisiko verbunden (Mahlios et al. 2013).
Das Risiko, am Vollbild einer Narkolepsie (NT1) zu erkranken, beträgt bei Verwandten 1. Grades 1,0–2,0 % gegenüber 0,02–0,18 % in der Allgemeinbevölkerung. Da andererseits Zwillingsstudien eine Konkordanz von nur 25–30 % belegen, ist davon auszugehen, dass die genetisch determinierte Suszeptibilität mit einer größeren Zahl verschiedener Gene zusammenhängt und zudem Umweltfaktoren eine entscheidende Rolle für die Krankheitsentstehung spielen müssen (Mignot et al. 2001).

Pathophysiologie

Pathophysiologische Grundlage der Typ-1-Narkolepsie (NT1) beim Menschen ist der erworbene Mangel an Hypocretin. Hypocretine (Synonym: Orexine) sind Neuropeptide, die von ca. 50.000–70.000 Neuronen im posterolateralen Hypothalamus synthetisiert werden und eine zentrale Bedeutung für die Regulation der beiden Zustandspaare „Wach – Schlaf“ und „REM – NREM“ haben. Hypocretinerge Neurone projizieren in eine Vielzahl von ZNS-Arealen, unter anderem in sämtliche Regionen, die bekanntermaßen für die Schlaf-Wach-Regulation und im Besonderen für die Erzeugung und Aufrechterhaltung des Wachzustands wesentlich sind, wie beispielsweise Locus coeruleus, präfrontaler Kortex und, Formatio reticularis (Chabas et al. 2003). In Tiermodellen ist ein Mangel an Hypocretinen oder eine defekte Signalübertragung im Hypothalamus eng mit Narkolepsie-ähnlichen Symptomen verbunden. Beim Gesunden ist der hypocretinerge Tonus im Wachzustand hoch, sodass cholinerge und monoaminerge Systeme aktiviert werden, die Wachheit induzieren und stabilisieren. Die Drosselung der Hypocretinausschüttung im Schlaf führt zu einer Minderaktivierung beziehungsweise Hemmung der vorstehend genannten Kerngebiete, was einen konsolidierten Schlaf ermöglicht. Im REM-Schlaf ist die Aktivität der hypocretinergen Neurone am geringsten. Neuropathologische Post-mortem-Studien zeigen, dass bei Patient*innen mit NT1 die isoformen Neuropeptide Hypocretin-1 und Hypocretin-2 in Großhirn und Pons praktisch nicht nachweisbar sind, während gleichzeitig die Anzahl der hypocretinergen Neurone im Hypothalamus um bis zu 80–100 % vermindert ist. Es wird angenommen, dass diesem Umstand ein Autoimmunprozess zugrunde liegt, der zu einer weitgehenden Zerstörung der hypocretinergen Zellen führt und unter anderem durch das Vorliegen einer durch die beschriebenen HLA-assoziierten Polymorphismen vermittelten Suszeptibilität begünstigt wird (Chow und Cao 2016). Diese Autoimmunhypothese wird durch zwei wesentliche Beobachtungen gestützt: Zum einen finden sich bei Patient*innen mit NT1 autoreaktive CD4+ T-Lymphozyten, die gegen Hypocretinfragmente gerichtet sind, wenn diese von MHC-II-Komplexen des Haplotyps DQB1*06:02 präsentiert werden. Zum anderen konnte im Zusammenhang mit Impfungen gegen und Infektionen durch den H1N1-Influenzastamm (2009) gezeigt werden, dass in der Folge nicht nur die Inzidenzrate bei Kindern und Jugendlichen sprunghaft anstieg, sondern zusätzlich eine molekulare Mimikry zwischen Oberflächenepitopen von H1N1 und Hypocretin wahrscheinlich ist (Liblau et al. 2015).
Eine sekundäre oder symptomatische Narkolepsie (meist mit Kataplexie) kann bei verschiedenen Erkrankungen auftreten, die zu einer Zerstörung oder Dysfunktion der hypocretinergen Neurone im posterolateralen Hypothalamus führen. Hierzu zählen Schädel-Hirn-Traumen, Tumoren, virale und paraneoplastische Enzephalitiden, Neurosarkoidose sowie vaskuläre und entzündliche ZNS-Erkrankungen wie die Multiple Sklerose und Neuromyelitis optica-Spektrum-Erkrankungen (Devic-Syndrom) (De la Herran-Arita et al. 2013). Die Narkolepsie kann hierbei als isoliertes Syndrom oder gemeinsam mit anderen Symptomen der Grunderkrankung auftreten.

Symptomatik

Obligates Symptom beider Narkolepsietypen ist die exzessive Tagesschläfrigkeit beziehungsweise Hypersomnolenz. Für die NT1 ist das Auftreten von Kataplexien als zweites obligates Symptom anzusehen. Fakultative, das heißt nicht regelhaft auftretende und zudem nicht spezifische Symptome der Narkolepsie umfassen „Schlaflähmung“ hypnagoge oder hypnopompe Halluzinationen, Nachtschlaffragmentierung und „Automatisches Verhalten“.
Die exzessive Tagesschläfrigkeit ist in der Regel das erste Krankheitssymptom und kann den Kataplexien um Jahre vorausgehen. Sie tritt auch bei subjektiv ungestörtem Nachtschlaf und habituell ausreichender Dauer der Schlafperiode auf und ist zumeist nicht streng tageszeitabhängig. Durch monotone Situationen wird sie verstärkt, kann sich aber auch weitgehend situationsunabhängig und ohne Vorankündigung einstellen. Betroffene beschreiben imperatives „Unbeabsichtigtes Einschlafen“ unter Monotonie, Schlafattacken (siehe „Schlafattacke“) in teilweise sozial inadäquaten Situationen und Sekundenschlaf. Schlafattacken können mit NREM- oder REM-Schlaf beginnen, in letzterem Fall wird häufig unmittelbares Traumerleben beschrieben. Imperative oder permissive Schlafperioden am Tag („naps“) werden oft als zumindest kurzfristig erholsam erlebt. Patienten mit Narkolepsie sind gegenüber Gesunden in ihrer Aufmerksamkeit, Vigilanz und kognitiven Leistungsfähigkeit stark eingeschränkt.
Fakultative Narkolepsiesymptome treten als Folge und oft in Abhängigkeit vom Ausmaß der Tagesschläfrigkeit auf. Sie sind unspezifisch und können auch bei Gesunden vorkommen oder bei anderen Schlafstörungen, die exzessive Tagesschläfrigkeit und insbesondere einen erhöhten REM-Druck bedingen. Beim automatischen Verhalten werden Tätigkeiten im Zustand der Schläfrigkeit bis zu 30 Minuten lang fortgeführt. Die Handlungen sind teilweise stereotyp oder nicht sinnhaft; meistens besteht eine partielle oder komplette Amnesie. Schlaflähmungen sind durch eine vorübergehende Bewegungsunfähigkeit gekennzeichnet, die meistens generalisiert ist, selten aber auch nur einzelne Muskelgruppen betrifft. Sie treten entweder als hypnagoge Lähmungen beim Einschlafen oder als hypnopompe Lähmungen beim Aufwachen auf. „Schlafbezogene Halluzinationen“ sind blande bis lebhafte, häufig angstbesetzte Sinnestäuschungen akustischer, visueller, olfaktorischer oder taktiler Natur, die ebenfalls beim Einschlafen (hypnagog) oder beim Aufwachen (hypnopomp) auftreten können und häufig von Schlaflähmungen begleitet sind.
Eine „Kataplexie“ äußert sich als plötzlicher, meist bilateraler Verlust des Haltetonus der Skelettmuskulatur. Die glatte Muskulatur, die Atmungsmuskulatur sowie Zunge und Rachen sind nicht betroffen. Der plötzliche Tonusverlust erfasst häufig nur bestimmte Muskelgruppen (partielle Kataplexie), wie die mimischen Muskeln, die Nacken- oder Armmuskulatur, kann aber auch generalisieren und dazu führen, dass sich der Betroffene hinsetzen muss oder stürzt und einem Verletzungsrisiko ausgesetzt ist. Die Gesichtsmuskulatur ist immer betroffen; die Ausbreitung der Atonie erfolgt grundsätzlich in kraniokaudaler Richtung (Abb. 1). Bei etwa 20 % der Betroffenen kommen Kataplexien auch unilateral vor. Ausgelöst wird die plötzliche Muskelatonie durch intensive Gefühlsregungen, am häufigsten durch Freude (Lachen), Stolz, Überraschung (Schreck) oder Ärger. Das Bewusstsein ist während der Kataplexien erhalten, die Muskeleigenreflexe sind sämtlich erloschen. Kataplexien dauern in der Regel 5–30 Sekunden, selten bis zu 30 Minuten an und enden immer schlagartig oder zumindest rasch. Die Frequenz der Kataplexien variiert interindividuell stark und kann sich intraindividuell im Krankheitsverlauf ändern. Ein über Stunden bis Tage andauernder Status cataplecticus kann nach dem abrupten Absetzen antikataplektisch wirksamer Medikamente auftreten.
Die Nachtschlaffragmentierung ist häufig stark ausgeprägt und wird von Betroffenen meistens für die Tagessymptomatik verantwortlich gemacht, solange die korrekte Diagnose noch nicht gestellt ist. Während in der Regel keine Einschlafstörungen bestehen, kommt es während der Nacht zu häufigen und subjektiv grundlosen Wachphasen mit teilweise erheblichen Wiedereinschlafstörungen. Die Nachtschlaffragmentierung, aber auch Kataplexien, Schlaflähmungen und schlafbezogene Halluzinationen sind der klinische Ausdruck einer Dissoziation der Zustände „Wach“, „Schlaf“ und „REM“, die durch die bei Narkolepsie vorliegende Störung der Schlaf-Wach-Regulation hervorgerufen wird.

Verlauf und Prognose

Bei 80 % der Patient*innen mit Narkolepsie geht die Tagesschläfrigkeit den Kataplexien um Monate bis Jahre voraus. Nur bei ca. 4 % der Betroffenen wurden Kataplexien retrospektiv als erstes Krankheitssymptom beschrieben. Die obligaten Symptome bleiben in der Regel zeitlebens bestehen, sind in Bezug auf Schweregrad, psychosoziale Folgen und Lebensqualität aber abhängig von zahlreichen Einflussfaktoren. Hierzu zählen unter anderen die Wirksamkeit und Verträglichkeit einer medikamentösen Therapie, die Effektivität schlafhygienischer und verhaltensmedizinischer Maßnahmen sowie die Frage, wie gut die Erkrankung in die individuelle Berufs- und Lebensplanung einbezogen werden kann. Fakultative Narkolepsiesymptome treten nicht bei jedem/r Betroffenen und nicht immer dauerhaft auf. In Abhängigkeit von individuellen Therapieeffekten können sie in Häufigkeit und Ausprägung stark variieren und im Lauf des Lebens in den Hintergrund treten.

Komorbide Erkrankungen

Verschiedene Schlafstörungen sind bei Patient*innen mit Narkolepsie höher prävalent als in der Normalbevölkerung. Hierzu zählen „Obstruktive Schlafapnoe“ „Periodische Beinbewegungen“ im Schlaf, „Restless-Legs-Syndrom“ (RLS), die „REM-Schlaf-Verhaltensstörung“ und „NREM-Parasomnien“ (Kanbayashi et al. 2011). Darüber hinaus ist die Narkolepsie mit Adipositas, Migräne und wahrscheinlich auch einem erhöhten Malignomrisiko assoziiert (Suzuki et al. 2015).

Diagnostik

Bei exzessiver Tagesschläfrigkeit und insbesondere imperativen Einschlafattacken sollte generell das Vorhandensein einer Narkolepsie erwogen werden. Differentialdiagnostisch wegweisend für die NT1 ist die Angabe von rezidivierenden Ereignissen, die semiologisch wahrscheinlich Kataplexien entsprechen. Fakultative Narkolepsiesymptome (Abschn. „Symptomatik“) können zwar auch bei anderen Erkrankungen mit dem Hauptsymptom der exzessiven Tagesschläfrigkeit vorkommen, stützen jedoch die Verdachtsdiagnose der Narkolepsie vor allem dann, wenn sie häufig und in Kombination auftreten. Einschlafen in sozial inadäquaten Situationen, Schlaflähmungen, automatisches Verhalten und schlafbezogene Halluzinationen sind in der Anamnese aktiv zu erfragen, da sie von Betroffenen häufig bagatellisiert oder nicht in einen Zusammenhang gestellt werden.
Ergibt sich anamnestisch der Verdacht auf eine relevante Schlafbezogene Atmungsstörung (siehe „Schlafbezogene Atmungsstörungen“), sollte dem zuerst nachgegangen werden („Diagnostik der Schlafbezogenen Atmungsstörungen“), bevor eine weiterführende Diagnostik erfolgt. Auf der „Epworth Schläfrigkeitsskala“ (ESS), einem gut validierten Fragebogen zur Erfassung von Tagesschläfrigkeit, erreichen Patient*innen mit Narkolepsie hohe bis sehr hohe Scores (>15 von 24 Punkten) und unterscheiden sich signifikant von anderen Diagnosegruppen (Tseng et al. 2015). Den Goldstandard zur Diagnose der Narkolepsie stellen die „Kardiorespiratorische Polysomnographie“ (PSG) und der sich daran anschließende Multiple Schlaflatenztest (MSLT; siehe „Multipler Schlaflatenztest und Multipler Wachbleibetest“) dar. Im Vorfeld kann eine „Aktigraphie“ über 10–14 Tage hilfreich sein, um eine etwaige Störung des zirkadianen Rhythmus zu erfassen und zudem sicherzustellen, dass in den Tagen vor dem MSLT die habituelle Nachtschlafdauer eingehalten wurde. Bei Kindern sollte die Aktimetrie dem MSLT zudem vorgeschaltet werden, um das erhöhte Schlafbedürfnis anhand einer verlängerten Nachtschlafperiode oder der Wiederaufnahme des Mittagsschlafs zu objektivieren.
Im MSLT sind entsprechend den Diagnosekriterien der ICSD-3 eine mittlere Einschlaflatenz von unter 8 Minuten und das zwei- oder mehrfache Auftreten von REM-Schlaf („sleep-onset REM“, SOREM) zu fordern. Ist in der vorangegangenen PSG-Nacht bereits einmal früher REM-Schlaf aufgetreten, ist eine einzige SOREM-Periode im MSLT diagnostisch ausreichend. Die PSG kann die Nachtschlaffragmentierung und gegebenenfalls reduzierte N3- und REM-Anteile objektivieren sowie periodische Beinbewegungen (PLMS), REM-Schlaf ohne Atonie, eine REM-Schlaf-Verhaltensstörung oder eine NREM-Parasomnie nachweisen; keiner dieser Befunde ist jedoch Teil der Diagnosekriterien.
Der Maintenance-of-Wakefulness-Test (MWT; siehe „Multipler Schlaflatenztest und Multipler Wachbleibetest“) spielt für die Primärdiagnostik der Narkolepsie keine Rolle, sondern wird ausschließlich zur Therapiekontrolle und zur Beurteilung der Tagesvigilanz herangezogen.
Die Liquoruntersuchung ist sowohl im Rahmen der Differential- und Ursachendiagnostik als auch mit Blick auf die Bestimmung des Hypocretinspiegels von großer Bedeutung. Der Nachweis der Hypocretindefizienz (<110 pg/ml) bestätigt die Diagnose einer NT1 auch ohne passenden MSLT-Befund. Daher sollte Hypocretin im Liquor cerebrospinalis immer dann bestimmt werden, wenn der MSLT nicht durchgeführt wird oder als nicht valide zu betrachten ist. Die Spezifität der Hypocretindefizienz für die NT1 beträgt ca. 85 %, in Kombination mit dem HLA-Befund (DQB1*06:02) erhöht sie sich auf 95–99 %. Bei typischem MSLT-Befund und fehlenden Kataplexien kann die Hypocretinbestimmung zwischen NT1 und NT2 differenzieren. Die Liquordiagnostik liefert schließlich Hinweise auf eine mögliche symptomatische Narkolepsieform, die beispielsweise bei Vorliegen einer Pleozytose oder einer autochthonen intrathekalen Antikörpersynthese vermutet werden kann. Die Primärdiagnostik bei etablierter oder vermuteter Narkolepsiediagnose sollte zudem eine kraniale Magnetresonanztomographie (MRT) umfassen, um entzündliche und andere strukturelle Hirnläsionen, insbesondere im Bereich des dorsolateralen Hypothalamus und dritten Ventrikels, nachzuweisen oder auszuschließen.

Differentialdiagnostik

Die Abgrenzung der NT1 zu anderen Krankheiten mit dem Hauptsymptom der exzessiven Tagesschläfrigkeit ist relativ einfach, wenn das Vollbild des Syndroms vorliegt und die paraklinische Diagnostik eindeutige Befunde liefert, sodass die Diagnosekriterien erfüllt sind. Größere Probleme ergeben sich dann, wenn keine Kataplexien angegeben werden und/oder wenn PSG, MSLT und Liquordiagnostik ohne richtungsweisende Ergebnisse bleiben. Vor allem die Unterscheidung zwischen der NT2 und der idiopathischen Hypersomnie (siehe „Idiopathische Hypersomnie“) kann schwer fallen, wenn nicht ein valide interpretierbarer MSLT zwei oder mehr SOREM-Perioden zeigt. Zudem muss die Möglichkeit einer Zirkadianen Schlaf-Wach-Rhythmusstörung (siehe „Zirkadiane Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen“), eines Schlafmangelsyndroms („insufficient sleep syndrome“; siehe „Schlafmangelsyndrom“) oder einer periodischen Hypersomnie, („Kleine-Levin-Syndrom“) bedacht und sowohl anamnestisch als auch aktimetrisch eruiert werden. Die HLA-Typisierung ist in der Differentialdiagnose nur begrenzt hilfreich, da bei fehlendem Nachweis der Allele DQB1*06:02 und DRB1*15:01 eine NT1 zwar mit mehr als 95 %iger Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist, eine NT2 aber bei entsprechender Symptomatik trotzdem vorliegen kann.
Weitere Schlafstörungen, die zu einer exzessiven Tagesschläfrigkeit führen und zumeist anamnestisch und/oder mittels PSG abgegrenzt werden können, umfassen das „Restless-Legs-Syndrom“, „Periodische Beinbewegungen“, sämtliche „Schlafbezogene Atmungsstörungen“ und die „Parasomnien“. Es muss berücksichtigt werden, dass diese Erkrankungen eine mögliche Komorbidität der Narkolepsie darstellen. Exzessive Tagesschläfrigkeit kann zudem als unerwünschte Arzneimittelwirkung zahlreicher Pharmaka auftreten, hier sei insbesondere auf Opioide, Dopaminagonisten, sedierende Antihistaminika, Antikonvulsiva, Benzodiazepine, Barbiturate, Antidepressiva und Neuroleptika hingewiesen. Auch ein potenzieller Miss- oder Übergebrauch von Medikamenten oder Suchtmitteln wie Alkohol muss in Betracht gezogen werden (siehe auch „Medikamentennebenwirkungen“). Intermittierende Episoden tagsüber, die imperativen Einschlafattacken oder Sekundenschlaf ähneln können, treten bei der Absencen-Epilepsie, bei fokalen Epilepsien mit dyskognitiven Anfällen, bei affektiven Störungen (siehe „Affektive Störungen“), Psychosen und bei „Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung“ (ADHS) auf (siehe auch „Epilepsie“).
Die Differentialdiagnostik der Narkolepsie-assoziierten Kataplexien umfasst gelastische Kataplexien bei Morbus Niemann-Pick Typ C, Sturzanfälle bei Coffin-Lowry-Syndrom und Startle-Krankheit, atonische, dyskognitive und automotorische epileptische Anfälle, psychogene/nichtepileptische Anfälle sowie kardiogene und vasovagale Synkopen einschließlich des posturalen orthostatischen Tachykardie-Syndroms (POTS). Kataplexie-ähnliche Ereignisse in Kombination mit exzessiver Tagesschläfrigkeit werden auch von einem Teil der Patient*innen mit myotoner Dystrophie Typ 1 (M. Curschmann-Steinert) berichtet, die zudem ein hohes Risiko für schlafbezogene Atmungsstörungen aufweisen.

Komplikationen

Die exzessive Tagesschläfrigkeit stellt ein erhebliches Unfallrisiko dar, dies insbesondere aufgrund von Sekundenschlaf, imperativem Einschlafen, automatischem Verhalten und der mit der Tagesschläfrigkeit einhergehenden Aufmerksamkeitsdefizite. Die größten Unfallrisiken bestehen im motorisierten Straßenverkehr, bei der Arbeit an Maschinen und im häuslichen Umfeld, beispielsweise wegen Brandgefahr. Kataplexien können insbesondere im Falle eines Sturzes mit einem Verletzungsrisiko verbunden sein; zudem ist es möglich, dass auch partielle Kataplexien unmittelbar die Fahrtauglichkeit beeinträchtigen.

Prävention

Hinsichtlich der Narkolepsie und ihrer Subtypen bestehen keine Präventionsmöglichkeiten.

Therapie

Mit Blick auf die mögliche Immunpathogenese der Narkolepsie wurde in Einzelfällen eine immunmodulierende Therapie mit intravenösen Immunglobulinen kurz nach Beginn der Krankheitssymptome beziehungsweise nach Erstmanifestation der Kataplexien probatorisch eingesetzt (Johns 1991; Knudsen et al. 2012; Plazzi et al. 2008). Weitere, kausal orientierte Therapieansätze gibt es für die Narkolepsie nicht. Bei symptomatischer Narkolepsie kann die Behandlung der Grunderkrankung zur Beschwerdelinderung und in seltenen Fällen zum Abklingen der Symptomatik beitragen. Dies gilt beispielsweise für die paraneoplastischer Autoimmunenzephalitis, zerebrale Raumforderungen oder entzündliche ZNS-Erkrankungen.
Vor dem Einsatz zugelassener Medikamente zur Therapie der Narkolepsie sollten Betroffene grundsätzlich umfassend über die Erkrankung aufgeklärt und auf die Bedeutung verhaltensmedizinischer Maßnahmen hingewiesen werden. Diese umfassen eine ausreichende Nachtschlafdauer, eine regelmäßige Schlaf-Wach-Rhythmik, das Einhalten fest eingeplanter Tagschlafepisoden sowie regelmäßiges und zeitlich gezielt eingesetztes körperliches Training. Ferner sollten das familiäre und berufliche Umfeld in die Therapieplanung mit einbezogen werden; insbesondere unregelmäßige Arbeitszeiten, Schichtarbeit und Wechselschicht sind nach Möglichkeit zu vermeiden. Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der Berufsfindungsphase ergibt sich die Möglichkeit, von ungeeigneten Berufszielen abzuraten. Bei Erwachsenen muss gegebenenfalls eine berufliche Umschulung in die Wege geleitet werden.
Die medikamentöse Therapie der Narkolepsie hat eine Verringerung der Tagesschläfrigkeit, eine Verbesserung der Nachtschlafqualität und -dauer sowie die Reduktion von Kataplexien zum Ziel. Als „Stimulanzien“ sind Modafinil, Methylphenidat und seit August 2016 Pitolisant zugelassen. Modafinil und Pitolisant unterliegen im Gegensatz zu Methylphenidat nicht dem Betäubungsmittelgesetz.
Modafinil
Modafinil wirkt hemmend auf die GABA-erge Neurotransmission im ventrolateralen präoptischen Gebiet und stimulierend auf monoaminerge und cholinerge Transmittersysteme, welche die Wachheit befördern. Modafinil ist chemisch nicht mit Amphetaminen verwandt und macht nicht abhängig. Die Substanz kann jedoch bei regelmäßiger Einnahme zu einem Toleranzeffekt führen, sodass intermittierende „drug holidays“ empfohlen werden, beispielsweise an freien Tagen. Die Tagesdosis beträgt initial 100 mg und kann schrittweise bis auf maximal 400 mg gesteigert werden; bei höherer Dosis sind zwei Einnahmezeitpunkte zu empfehlen (morgens und mittags). Mögliche Nebenwirkungen sind klinisch relevant und umfassen unter anderem Kopfschmerzen, innere Unruhe, Ein- und Durchschlafstörungen, Tachykardie, Blutdruckanstieg und Palpitationen sowie Angst-, Zwangs- und Wahnsymptome einschließlich suizidaler Gedanken und Handlungsimpulse. Schwangerschaft, Stillzeit, schwere psychiatrische Erkrankungen, Hypertonie, schwere Koronare Herzkrankheit und bekannte Arrhythmien stellen Kontraindikationen dar (Dauvilliers et al. 2004).
Pitolisant
Pitolisant ist ein Antagonist und inverser Agonist am präsynaptischen H3-Rezeptor, der die Ausschüttung von Histamin in den synaptischen Spalt erhöht und damit vigilanzsteigernd wirkt. Ein Abhängigkeitspotenzial ist nicht bekannt; über Gewöhnungseffekte liegen noch keine Erkenntnisse vor. Die Tagesdosis beträgt initial 9 mg und kann entweder auf 4,5 mg reduziert oder schrittweise bis auf maximal 36 mg gesteigert werden. Laut den Zulassungsstudien sind Wirkung und Nebenwirkungen mit Modafinil vergleichbar, hinzu kommt ein möglicher ungewollter Gewichtsverlust. Kontraindikationen sind denen bei Modafinil vergleichbar und umfassen zusätzlich Anorexie und schwere Epilepsien.
Solriamfetol
Der 2020 in der EU zugelassene Wirkstoff Solriamfetol gehört zu den selektiven Noradrenalin- und Dopamin-Wiederaufnahmehemmern. Er wird eingesetzt zur Behandlung der exzessiven Tagesschläfrigkeit bei Narkolepsie (mit oder ohne Kataplexie) und bei obstruktive Schlafapnoe, wenn hier die primäre Therapie zu keiner hinreichenden Symptomlinderung führt (Thorpy et al. 2019; Schweitzer et al. 2019). Die Startdosis beträgt bei Behandlung der Narkolepsie in der Regel 75 mg, bei obstruktiver Schlafapnoe 37,5 mg Solriamfetol (jeweils morgendliche Einnahme). Eine weitere Aufdosierung sollte nach frühestens drei Tagen erfolgen; die empfohlene Höchstdosis liegt bei 150 mg täglich. Die Kombination von Solriamfetol mit MAO-Hemmern ist kontraindiziert. Vorsicht ist zudem bei Patienten mit Psychosen und bipolaren Störungen in der Anamnese sowie bei Patienten mit instabilen Herz-Kreislauferkrankungen oder Arrhythmien geboten. Während Schwangerschaft und Stillzeit sollte Solriamfetol nicht eingenommen werden. Die häufigsten unerwünschten Arzneimittelwirkungen umfassen Kopfschmerzen, Blutdruckerhöhung, Übelkeit, Appetitverlust, Schlaflosigkeit, Reizbarkeit, Angstzustände und Palpitationsgefühle.
Methylphenidat
Methylphenidat ist ein Phenylethylamin („Weckamin“) und hemmt die Noradrenalin- und Dopaminwiederaufnahme. Es besitzt kein bekanntes Risiko der psychischen Abhängigkeit, unterliegt aber dem Betäubungsmittelgesetz. Für die Narkolepsie zugelassen ist in Deutschland lediglich Ritalin, das unretardiertes Methylphenidat enthält. Die wirkstoffgleichen Präparate Medikinet und Equasym haben keine Zulassung für die Narkolepsie. Die empfohlene Tagesdosis liegt zwischen 10 und maximal 60 mg, bei Dosen ab 20 mg auf zwei Einnahmezeitpunkte verteilt. Das Spektrum der Nebenwirkungen und Kontraindikationen ist dem von Modafinil vergleichbar, umfasst aber zusätzlich Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust und Haarausfall.
Amphetamin und Dexamphetamin
Amphetamin und Dexamphetamin sind vollsynthetische Phenylethylamine, die dem Betäubungsmittelgesetz unterliegen und in Deutschland nicht als Fertigarzneimittel verfügbar sind. Sie können dennoch zur Behandlung der Narkolepsie verordnet werden, sind aber aufgrund ihres hohen Abhängigkeits- und Missbrauchspotenzials sowie wegen der unter Umständen lebensbedrohlichen Nebenwirkungen als obsolet zu betrachten.
Als Antikataplektika sind nur Clomipramin und Natriumoxybat zugelassen.
Clomipramin
Die antikataplektische Wirkung von Clomipramin und anderen klassischen Antidepressiva wie Imipramin, Desipramin, Fluoxetin, Femoxetin, Reboxetin und Venlafaxin beruht in erster Linie auf der Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmung. Trizyklika wirken am stärksten antikataplektisch und sind immer noch Mittel der ersten Wahl bei therapierefraktären Kataplexien, obwohl sie erhebliche anticholinerge Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit, Harnverhalt und Potenzstörungen haben können. Für Clomipramin liegt die empfohlene Tagesdosis bei 10–75 mg (maximal 225 mg).
Natriumoxybat
Natriumoxybat unterliegt dem Betäubungsmittelgesetz und wirkt als Salz der Gamma-Hydroxybuttersäure als Agonist an GABA-B-Rezeptoren hemmend auf die wach-aktiven monoaminergen und cholinergen Systeme. Dosisabhängig fördert oder induziert es den Schlaf, verbessert die Durchschlafstörung und konsekutiv auch die Tagesschläfrigkeit. Der positive Effekt auf die Kataplexien ist bislang nicht abschließend erklärt. Die Tagesdosis beträgt initial 2 × 2,25 g und kann bis auf 2 × 4,5 g gesteigert werden; die Einnahme erfolgt unmittelbar vor dem Zubettgehen am Abend und ca. 4 Stunden später in der Nacht (http://www.fachinfo.de/pdf/002958). Mögliche Nebenwirkungen umfassen Appetitreduktion, Übelkeit, Diarrhoe, Palpitationen, Schwindel, Schlaflähmungen, Enuresis und Zentrale Schlafapnoe (siehe „Zentrale Schlafapnoesyndrome“). Als Kontraindikationen sind Schwangerschaft, Stillzeit, schwere Leberfunktionsstörungen, Porphyrien und schwere affektive Störungen sowie Suchterkrankungen zu nennen. Natriumoxybat ist grundsätzlich mit Stimulanzien kombinierbar, wenn der Effekt auf die Tagesschläfrigkeit noch unzureichend ist.

Rehabilitation

Spezielle Rehabilitationsmöglichkeiten für Patient*innen mit Narkolepsie gibt es bislang nicht. Es wird grundsätzlich empfohlen, Patienten und Angehörige ausführlich über die Erkrankung aufzuklären und hierdurch den Umgang mit krankheitsbedingten Einschränkungen im Alltag zu erleichtern, die Krankheitsbewältigung und die Therapieadhärenz zu verbessern.

Nachsorge

Wegen des lebenslangen Krankheitsverlaufs, der sozialen Beeinträchtigungen und der oft schwierigen medikamentösen Behandlung sollte eine kontinuierliche ärztliche Betreuung durch einen mit der Erkrankung erfahrenen Arzt gewährleistet sein. Einen wichtigen Beitrag leistet zudem die Deutsche Narkolepsie-Gesellschaft (DNG; http//www.dng-ev.org).

Psychosoziale Bedeutung und Prognose

Die Narkolepsie ist eine lebenslang bestehende Erkrankung mit erheblichem Einfluss auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität. Zudem ist sie mit einer andauernd hohen Krankheitslast im Alltag verbunden, was sich insbesondere auf Schule, Studium und Beruf, Freizeitgestaltung, soziale Aktivitäten und Mobilität erstrecken kann. In der Regel wird die exzessive Tagesschläfrigkeit in diesem Zusammenhang als das schwerwiegendste Krankheitssymptom erlebt. Bei vielen Betroffenen drohen ein sozialer Rückzug und als reaktiv einzustufende depressive Episoden. Hohe indirekte Krankheitskosten werden durch Arbeitslosigkeit und vorzeitige Verrentung verursacht. Die meisten Patient*innen sind unbehandelt als nicht fahrtauglich zu beurteilen; im Einzelfall ist hier – auch zur Überprüfung von Therapieeffekten – eine ausführliche schlafmedizinische und gegebenenfalls neuropsychologische Vigilanztestung erforderlich. Insgesamt hängt das biopsychosoziale Gewicht der Erkrankung im Leben der Betroffenen von der Wirksamkeit der medikamentösen Therapie, der individuellen Therapieadhärenz, den sozialen Rahmenbedingungen und den Effekten verhaltensmedizinischer Behandlungsmaßnahmen ab.

Zusammenfassung, Bewertung

Die Narkolepsie ist eine zumeist erworbene, wahrscheinlich autoimmun bedingte Erkrankung mit den obligaten Symptomen der exzessiven Tagesschläfrigkeit (Hypersomnolenz; bei NT1 und NT2) und der Kataplexie (nur bei NT1). Fakultative Symptome umfassen Schlaflähmungen, schlafbezogene Halluzinationen, automatisches Verhalten und einen fragmentierten Nachtschlaf. Die Diagnose stützt sich auf die klinischen Symptome, den Multiplen Schlaflatenztest (MSLT) und die Bestimmung von Hypocretin im Liquor. Das Spektrum der symptomatischen Behandlungsmöglichkeiten umfasst verhaltens- und sozialmedizinische Maßnahmen sowie Medikamente zur Steigerung der Vigilanz und zur Therapie der Kataplexien. Eine kausale Therapie existiert nicht. Die Narkolepsie ist eine chronische Erkrankung mit erheblichen biopsychosozialen Konsequenzen für Betroffene und Familien. Eine frühzeitige Diagnoseerstellung ist daher wünschenswert, gelingt aber in vielen Fällen nicht. Die langfristige Therapie kann sich schwierig gestalten und erfordert eine kontinuierliche Begleitung durch erfahrene Spezialist*innen.
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