Definition
Mit der Entwicklung der Schlafforschung entstanden medizinische Fachgesellschaften, in denen sich die an der Schlafforschung Interessierten zusammenfanden, um gemeinsam Tagungen und Kongresse zu organisieren und um im wissenschaftlichen Austausch das Arbeitsgebiet voranzubringen. Häufige
Schlafstörungen wie „Insomnie“ und „Schlafbezogene Atmungsstörungen“ führten zu einem zunehmenden klinischen Interesse an Schlaf und Schlafstörungen. Damit entwickelte sich zusätzlich zur Schlafforschung und aus dieser heraus eine Schlafmedizin, die sich auf klinische Interessen fokussiert. Teilweise entstanden neue, ausdrücklich der Schlafmedizin gewidmete Fachgesellschaften, und teilweise erweiterten existierende Fachgesellschaften der Schlafforschung ihre Ausrichtung, um dieses Interesse aufzufangen.
In Deutschland gibt es die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) seit 1993, die beide Interessen in einer Fachgesellschaft vereinigt. Auf europäischer Ebene gibt es die European Sleep Research Society (ESRS) seit 1972. In den USA existieren die Sleep Research Society (SRS) und die American Academy for Sleep Medicine (AASM) in guter Ergänzung und oft mit Doppelmitgliedschaften nebeneinander. Beide Gesellschaften richten ihre Jahrestagung traditionell gemeinsam aus. Als weltweite Dachorganisation ist die World Federation of Sleep Research and Sleep Medicine Societies (WFS) mehr forschungsorientiert und die World Association of Sleep Medicine (WASM) mehr klinisch ausgerichtet. Beide Dachorganisationen planten mehrere Jahre eine Zusammenlegung, die 2017 vollzogen wurde und in der World Sleep Society (WSS) mündete. Sie ist seit 2017 der Dachverband und bietet eine Mitgliedschaft für nationale Fachgesellschaften und Fachgesellschaften natürliche Personen an.
Die Fachgesellschaften konnten sich erfolgreich etablieren, da Schlafforschung und Schlafmedizin interdisziplinäre Gebiete unter Beteiligung der klinischen Fächer Neurologie, Psychiatrie, Innere Medizin, Pneumologie, Pädiatrie, Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Zahn-, Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie und Zahnmedizin sowie der Grundlagenfächer Physiologie, Psychologie und einiger Naturwissenschaften sind.
Neben der Vertretung der Interessen in der Grundlagenforschung und in der Erforschung der klinischen Umsetzung haben die Fachgesellschaften auch die Aufgabe übernommen, berufsspezifische und gesundheitspolitische Interessen zu vertreten. In diesem Sinne wurden von den Fachgesellschaften Initiativen angestoßen, um sowohl die Ärzteschaft als auch die Öffentlichkeit über die Notwendigkeit des gesunden und erholsamen Schlafs sowie die Häufigkeit und die Risiken der
Schlafstörungen zu informieren. Ein Weißbuch zur Schlafmedizin und ein Tag des Schlafes waren besondere diesbezügliche Initiativen in Deutschland. Die Fachgesellschaften organisieren eine systematische
Qualitätssicherung mit
Akkreditierung von Schlafzentren, Weiterbildung von schlafmedizinischen Experten und einer persönlichen Qualifikation von Ärzten, Psychologen, Naturwissenschaftlern und medizinisch-technischem Personal (siehe „Qualitätsmanagement in der Schlafmedizin“; „Ausbildung, Fortbildung und Weiterbildung“).
Fachzeitschriften dokumentieren die Forschungsergebnisse und die Ergebnisse klinischer Studien und tragen zusätzlich zur wissenschaftlichen Entwicklung des Feldes und seiner kritischen Begleitung auch wesentlich zur Identität der Fachgesellschaften bei. Ein wesentliches Merkmal der Fachzeitschriften ist, dass sie ihre Manuskripte erst nach einem Begutachtungsverfahren zur Veröffentlichung annehmen und dass sie immer von einem Herausgebergremium mit einem wissenschaftlichen Beirat geführt und kontrolliert werden. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Publikationsforen von Selbsthilfegruppen, einzelnen Interessengruppen, engagierten Schlaflaboren und Einzelpersonen mit gedruckten Zeitschriften, regelmäßigen Publikationen und Internetforen von unterschiedlicher Qualität. Bei diesen Foren ist allerdings häufig nicht nachvollziehbar, wie die Auswahl der Publikationen erfolgt.
Grundlagen
Schlafforschung
Die moderne Schlafforschung am Menschen begann in den 1930er-Jahren in einigen psychologischen Instituten, die sich auf Untersuchungen zur Psychophysiologie spezialisierten, wie bei Loomis und Mitarbeitern. In den 1940er-Jahren wurde die Schlafforschung als Teil der Leistungsphysiologie verstanden, und es wurden im militärischen Kontext Fragen nach dem Zusammenhang zwischen Schlaf, Erholungsfunktion und Leistungsfähigkeit gestellt. In den 1950er-Jahren wurde die Schlafforschung von vielen Instituten aufgegriffen, um physiologische Grundlagen und pharmakologische Effekte psychotroper Substanzen zu untersuchen. Entsprechend wurde die Schlafforschung in Instituten der Pharmakologie und Neurophysiologie weitergeführt. Die Entwicklung kurz und lang wirksamer
Benzodiazepine und die Untersuchung von Effekten und Nebenwirkungen gab dieser frühen Schlafforschung starke Impulse. Zu dieser Zeit formten sich die ersten Arbeitskreise zum systematischen Austausch der Ergebnisse, und Ende der 1960er-Jahre nannten sich die ersten Forscher auch Schlafforscher. Sie führten dann gemeinsame Tagungen durch, so die erste Europäische Schlaftagung 1972 in Basel unter Leitung von W. P. Koella. Um die Tagungen in einer strukturellen Form weiterzuführen, entstanden wissenschaftliche Fachgesellschaften zur Schlafforschung. Aus der Tagung in Basel entwickelte sich die European Sleep Research Society (ESRS). Neurologie und Psychiatrie waren damals in erster Linie die klinischen Fächer, die mit Patienten befasst waren, und die klinischen Fragestellungen betrafen überwiegend
Schlafstörungen im Sinne von
Insomnien. Aufgrund der Kopplung des Schlaf-Wach-Rhythmus an den 24-Stunden-Rhythmus ergab sich von Anfang an eine rege Zusammenarbeit mit Forschern der
Chronobiologie und eine gegenseitige Beteiligung an Kongressen und Fachgesellschaften. In den USA entstand 1961 die Sleep Research Society (SRS).
Schlafforschung und Schlafmedizin
Mit dem Erkennen der Bedeutung der Obstruktiven Schlafapnoe im Verlauf der 1970er-Jahre eröffnete sich ein zusätzlicher Bereich der Schlafforschung, der Arbeitsgruppen aus der Atmungsphysiologie und Herz-Kreislauf-Physiologie einband und den Aspekt des Schlafs in der Inneren Medizin etablierte. Die Arbeitsgruppen und Schlaflabore, die sich in Deutschland mit dieser Thematik befassten, fanden sich 1984 in Marburg in einer „Arbeitsgruppe nächtliche Atmungs- und Kreislaufregulationsstörungen“ (AGNAK) innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie (DGP) zusammen. Die AGNAK richtete jährliche Symposien aus. Bei einer Restrukturierung der DGP wurde die AGNAK in eine Sektion der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie überführt. Die AGNAK heißt seither „Sektion Nächtliche Atmungs- und Kreislaufstörungen (SNAK) der DGP“ und führt weiter jährliche Tagungen durch. Diese haben einen ausgeprägten Workshop-Charakter mit jeweils neuesten Beiträgen und intensiven Diskussionen.
Neben der ursprünglich mehr theoretischen Schlafforschung ergaben sich Zusammenschlüsse klinisch arbeitender Schlafzentren aus Abteilungen der Neurologie, Psychiatrie und der Pneumologie bzw. Inneren Medizin und Kardiologie. In Deutschland wurde 1987 der Arbeitskreis klinischer Schlafzentren (AKS) von 15 klinisch arbeitenden Schlafforschern gegründet. Mit der wachsenden Zahl an Schlaflaboren in Deutschland wurde 1990 eine freiwillige Qualitätskontrolle der Schlaflabore für notwendig erachtet. Durch eine Kommission wurde in Begehungen vor Ort die Einrichtung und die Strukturqualität der Schlaflabore auf der Basis einer freiwilligen
Akkreditierung überprüft. In 2016 gibt es über 300 akkreditierte Schlaflabore in Deutschland.
Aus dem Arbeitskreis klinischer Schlaflabore (AKS) wurde 1992 die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) gegründet. Sie vereint nun die schlafmedizinischen Schwerpunkte der Disziplinen Neurologie, Psychiatrie, Innere Medizin, Pneumologie, Psychologie sowie verschiedener Naturwissenschaftler und Ingenieure. Hinzu kamen sehr schnell die Pädiatrie, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und Kiefer- und Gesichtschirurgie. Seit 2000 gibt es eine Deutsche Gesellschaft für zahnärztliche Schlafmedizin (DGZS). Die DGSM hat 2016 etwa 2200 Mitglieder.
In den USA entstand 1975 als Zusammenschluss der amerikanischen Schlafzentren die American
Sleep Disorders Association (ASDA), 1999 wurde sie in American Academy of Sleep Medicine (AASM) umbenannt. Seit vielen Jahren führen die amerikanische Schlafforschungsgesellschaft (SRS) und die AASM ihre Jahrestagungen gemeinsam durch unter dem Namen American Professional Sleep Societies (APSS).
Zusätzlich zu den nationalen Fachgesellschaften organisierte sich 1992 eine weltweite Dachgesellschaft, die World Federation of Sleep Research Societies (WFSRS), bei der die nationalen Gesellschaften Mitglied werden konnten und die alle drei Jahre an verschiedenen Orten der Welt themenfokussierte Forschungsfachkongresse organisierte. Da auch auf dieser Ebene die Interessen der klinischen Schlafmedizin zunehmend nach einem übergreifenden wissenschaftliche Forum verlangten, wurde 2003 die World Association for Sleep Medicine (WASM) gegründet. Diese neue Gesellschaft ermöglicht sowohl Gesellschaftsmitgliedschaften als auch individuelle Mitgliedschaften. Als Reaktion auf diese Neugründung hat sich die World Federation of Sleep Research Societies (WFSRS) umbenannt, um auch die Schlafmedizin zu vertreten. Sie heißt nun World Federation of Sleep Research and Sleep Medicine Societies (WFS). Beide Weltverbände haben angesichts abnehmender Ressourcen ihre Aktivitäten und ihre Kongresse zusammengelegt und damit auch eine strukturelle Fusion im Jahr 2017 vollzogen.
Gesundheitspolitische Initiativen
1993 hat die American
Sleep Disorders Association (ASDA) die weit beachtete Kampagne „Wake up America“ gestartet und damit das Interesse der amerikanischen Öffentlichkeit und der Politik auf die Gesundheitsrisiken durch nicht erholsamen Schlaf gelenkt. „Einschlafen am Steuer“ und kardiovaskuläre Folgen von „Schlafbezogene Atmungsstörungen“ waren wichtige Schwerpunkte dieser Kampagne, ebenso die Gefahren durch Gebrauch und Missbrauch von Schlafmitteln zur Behandlung insomnischer Beschwerden. Noch im gleichen Jahr wurde ein National Center for Sleep Disorders Research (NCSDR) in den National Institutes of Health (NIH) gegründet, um die Forschungsförderung für die Schlafmedizin zu bündeln und auszubauen. Um die Öffentlichkeitsarbeit professionell und nachhaltig zu betreiben, wurde aus der American Sleep Disorders Association heraus die National Sleep Foundation (NSF) gegründet. Sie verteilt Patienteninformationen und versucht, die Patienteninitiativen zu bündeln, und hat eine direkte Kommunikation mit der amerikanischen Politik aufgebaut.
Mit dem Ziel einer breiten Information über die Häufigkeit und Folgen des nicht erholsamen Schlafs wurde 1995 in Deutschland ein
Weißbuch Schlafmedizin in einer bundesweiten Pressekonferenz vorgestellt. Das Weißbuch wurde gemeinsam von der Sektion nächtliche Atmungs- und Kreislaufstörungen (SNAK) der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin erarbeitet. Seit 2000 findet jährlich am 21. Juni ein Tag des Schlafes statt, bei dem die Schlaflabore in Deutschland einen Tag der offenen Tür anbieten und lokale Informationsveranstaltungen zu
Schlafstörungen durchführen können.
1995 wurde die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) von der Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlich-medizinischer Fachgesellschaften (AWMF) anerkannt und als Gesellschaft in den Dachverband mit aufgenommen, um die Schlafmedizin als sogenanntes Querschnittsgebiet zu vertreten. In den USA erreichte die American Academy for Sleep Medicine (AASM) 1996 die offizielle Anerkennung des American Medical Association House of Delegates, des äquivalenten Dachverbands zur AWMF. Per Beschluss des Ärztetages von 2003 erhielt Schlafmedizin den Status der medizinischen Weiterbildung mit 18 Monaten Weiterbildungszeit („Ausbildung, Fortbildung und Weiterbildung“). Ebenfalls 2003 hat das American Board of Medical Specialities die Prüfung der amerikanischen schlafmedizinischen Gesellschaft mit einer zwölfmonatigen Weiterbildungszeit, dem Fellowship Training Program akkreditiert. 2005 wurde in USA die Klassifikation der
Schlafstörungen gemäß
ICSD-2 in ihrem Kernbereich in das allgemein gültige Coding Manual der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-9) übernommen. Damit sind zahlreiche schlafmedizinische Diagnosen Bestandteil des allgemeinen Diagnoseschlüssels geworden und stehen nicht mehr parallel dazu als nicht integrierte Entität. In 2014 wurde eine Revision, die „ICSD-3“, veröffentlich, die weiterhin auf dem ICD-9 beruht. Siehe auch „Diagnostische Klassifikationssysteme“. Seit 2017 wird an einem ICD-11 gearbeitet, der ein eigenes Kapitel zu Schlafstörungen enthalten soll.
Fachzeitschriften
Die erste dem Schlaf gewidmete Fachzeitschrift mit dem Namen „SLEEP“ wurde von Christian Guilleminault 1979 in den USA gegründet. Sie ist das Publikationsorgan der beiden amerikanischen Gesellschaften American Academy of Sleep Medicine (AASM) und Sleep Research Society (SRS). 1992 hat die europäische Schlafforschungsgesellschaft (ESRS) ein eigenes Journal, das „Journal of Sleep Research“ gegründet, um den spezifisch europäischen Interessen ein eigenes Publikationsforum zu geben. Seit dem Ende der 1990er-Jahre wurden in sehr vielen europäischen Ländern nationale und teilweise internationale Zeitschriften zum Schlaf gegründet. 1997 wurde in Frankreich die internationale Zeitschrift „Sleep Medicine Reviews“ gegründet, die bevorzugt Übersichtsarbeiten annimmt, und in Deutschland die mehr deutschsprachig orientierte Zeitschrift „Somnologie“ mit englischsprachigen Titel und Zusammenfassungen als Publikationsorgan der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM). In dieser Publikationsumgebung hat die Zeitschrift „SLEEP“ ihren wissenschaftlichen Anspruch stark erhöht. Es werden hochkarätige Grundlagenbeiträge zur Publikation angenommen und als Folge stieg der bewertende Impact-Faktor an. 2000 wurde von amerikanischen Schlafforschern mit Unterstützung von C. Guilleminault eine neue klinisch orientierte Zeitschrift „Sleep Medicine“ gegründet. Diese Zeitschrift wurde 2005 zum offiziellen Publikationsorgan der Fachgesellschaft World Association for Sleep Medicine (WASM). In Japan wurde 2003 für den australisch-asiatischen Bereich die Zeitschrift „Sleep and Biological Rhythms“ gegründet. 2005 hat die American Academy of Sleep Medicine (AASM) als klinisch orientierte Ergänzung zu „SLEEP“ eine neue, ebenfalls klinisch orientierte Zeitschrift gegründet, das „Journal of Clinical Sleep Medicine“.
Die World Federation of Sleep Research Societies (WFSRS) hat 1998 mit „Sleep Research Online“ eine internetbasierte Zeitschrift als Zeitschrift der Gesellschaft eingeführt. Sie wurde jedoch nach 2000 nicht weitergeführt. Heute kennt Medline 27 schlafmedizinische Fachzeitschriften, von denen sieben bei Medline mit Abstracts gelistet werden: SLEEP, Journal of Sleep Research, Sleep Medicine Clinics, Sleep Medicine Reviews, Sleep Medicine, Sleep and Biological Rhythms und Sleep and Breathing. Einige Zeitschriften zielen auf spezielle Arztgruppen der Schlafmedizin.
Die ungebrochene Zunahme der Anzahl wissenschaftlicher Fachzeitschriften zeigt das wachsende Interesse einer größer werdenden Leserschaft und das ebenfalls wachsende klinische Potenzial und das Forschungspotenzial der Schlafmedizin und Schlafforschung. Die Ausrichtung der neueren Zeitschriften auf klinische Themen belegt die zunehmende Bedeutung der Schlafmedizin als klinisches Querschnittsgebiet.
Publikationsforen
Neben den wissenschaftlichen Fachzeitschriften gibt es eine große Anzahl von Magazinen und kleineren Zeitschriften rund um den Schlaf. Viele Rundbriefe und Magazine, wie der „Wecker“ der Deutschen
Narkolepsie Gesellschaft (DNG) und das „Schlafmagazin“ als ein Magazin der schlafmedizinisch tätigen Industrieunternehmen, wenden sich in erster Linie an Patienten und Patientenselbsthilfegruppen.