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Enzyklopädie der Schlafmedizin
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Publiziert am: 22.08.2024

Schlafstörende Nebenwirkungen von gebräuchlichen Medikamenten zur Therapie der Erkrankungen innerer Organe

Verfasst von: Konstanze Diefenbach
Viele verschreibungspflichtige Arzneimittel und freiverkäufliche Substanzen können schlafstörende Eigenschaften zeigen, die beispielsweise als Schlafstörungen, Alpträume und lebhafte Träume gelistet werden. Nicht alle Patienten sind von diesen Nebenwirkungen betroffen und der Schweregrad kann auch deutlich variieren. In diesem Beitrag werden die schlafstörenden Nebenwirkungen von einigen gebräuchlichen Medikamenten zur Therapie der Erkrankungen innerer Organe dargestellt, gegliedert nach den Indikationsgebieten: Antihypertensiva, Antiarrhythmika, Lipidsenker, Broncholytika, Glukokortikoide, Analgetika und Antirheumatika sowie Antiinfektiva.

Englischer Begriff

drugs used in internal medicine that disturb sleep

Definition

Viele verschreibungspflichtige Arzneimittel und freiverkäufliche Substanzen können schlafstörende Eigenschaften zeigen, die beispielsweise als Schlafstörungen, Alpträume und lebhafte Träume gelistet werden. Nicht alle Patienten sind von diesen Nebenwirkungen betroffen und der Schweregrad kann auch deutlich variieren. Zu beachten ist, dass eine Erkrankung ebenfalls deutlich das Befinden und damit auch das Schlafverhalten beeinträchtigen kann. Ferner sind potenzielle Arzneimittelinteraktionen zu beachten. Einige Arzneimittel behindern den Abbau von Substanzen, die über Cytochrom P450 metabolisiert werden, was zu einer Verstärkung und Verlängerung von Medikamenteneffekten führen kann.
Im Folgenden werden die schlafstörenden Nebenwirkungen von einigen gebräuchlichen Medikamenten zur Therapie der Erkrankungen innerer Organe dargestellt, gegliedert nach den Indikationsgebieten: Antihypertensiva, Antiarrhythmika, Lipidsenker, Broncholytika, Glukokortikoide, Analgetika und Antirheumatika sowie Antiinfektiva.

Grundlagen

Antihypertensiva

Grundlagen

Antihypertensive Medikamente zählen zu den am häufigsten verordneten Substanzen, die nicht selten auch eine Beeinträchtigung des Schlaf-Wach-Rhythmus nach sich ziehen. So haben beispielsweise unter den Antihypertensiva die Betablocker und die zentral wirksamen antiadrenergen Substanzen in unterschiedlichem Ausmaß schlafstörende Effekte. Bezüglich der weiteren Antihypertensiva wie Alpha1-Antagonisten, Kalziumkanalblocker, ACE-Hemmer, AT2-Blocker und Diuretika sind nur wenig spezifische schlafstörende Nebenwirkungen bekannt, wobei allerdings darauf hinzuweisen ist, dass es für einen Großteil der Substanzen keine aussagefähigen Untersuchungen zu der Thematik gibt.

Betablocker

Beispiele: Propranolol (wie Dociton, Obsidan), Pindolol (wie Visken), Metoprolol (wie Beloc ZOK), Atenolol (wie Tenormin), Carvedilol (wie Dilatrend), Labetalol (wie Trandate).
Die Inzidenz von Schlafstörungen unter einer Therapie mit Betablockern wird zwischen 2 % und 4,3 % angegeben. Für das Ausmaß schlafstörender Nebenwirkungen sind neben der Lipidlöslichkeit der jeweiligen Substanz wahrscheinlich auch andere Faktoren wie die Rezeptorselektivität und damit auch deren relative Affinität zu Beta2- und 5HT-Rezeptoren verantwortlich, ferner molekülspezifische strukturelle Daten und Katecholaminkonzentrationen. Im Allgemeinen finden sich unter lipophilen Substanzen häufiger subjektive Beschwerden und polysomnographische Korrelate als bei hydrophilen Substanzen. Mit steigendem Alter der Patienten und höherer Dosierung nimmt die Häufigkeit von Schlafstörungen zu, mit der Dauer der Therapie nimmt sie ab. Typische Veränderungen in der „Polysomnographie“ sind ein Anstieg der Wachzeit und der leichten Schlafstadien sowie ein verringerter REM-Schlafanteil. Die Datenlage ist jedoch nicht eindeutig, da Pindolol scheinbar stärkere schlafstörende Eigenschaften als Propranolol besitzt, obwohl Propranolol deutlich lipophiler ist. Sogar unter Atenolol, einem sehr hydrophilen Betablocker, wurde zumindest akut ein Anstieg der Wachzeit bei Normalpersonen beobachtet.

Zentral wirksame antiadrenerge Substanzen

Beispiele: Clonidin (wie Catapresan), Methyldopa (wie Presinol), Moxonidin (wie Cynt, Physiotens), Reserpin (wie Briserin).
Die zentral wirksamen antiadrenergen Substanzen führen zu Veränderungen des Schlafprofils. Da unter den berichteten Nebenwirkungen die Sedation überwiegt, werden diese Substanzen unter „Schläfrigmachende Nebenwirkungen von gebräuchlichen Medikamenten zur Therapie der Erkrankungen innerer Organe“ beschrieben.

Alpha1-Antagonisten

Beispiele: Prazosin (wie Minipress), Terazosin (wie Heitrin), Urapidil (wie Ebrantil), Doxazosin (wie Cardular, Diblocin).
Unter der Therapie mit Prazosin und Terazosin konnte am Menschen keine Beeinträchtigung des Schlafprofils oder der Leistungsfähigkeit gezeigt werden. Prazosin wird off-label zur Behandlung von Albträumen und Schlafstörungen im Zusammenhang mit posttraumatischen Belastungsstörungen eingesetzt. Für Urapidil und Doxazosin sind keine elektrophysiologischen Daten vorhanden. Doxazosin kann jedoch die Blut-Hirn-Schranke nicht passieren, sodass eine Modulation des Schlafs nicht erwartet wird.

ACE-Hemmer und AT2-Blocker

Beispiele: Captopril (wie Lopirin Cor), Cilazapril (wie Dynorm), Lorsatan (wie Lorzaar), Valsartan (wie Diovan).
Unter ACE-Hemmern und AT2-Blockern sind Schlafstörungen nicht häufiger als unter Plazebo. Der unter Therapie mit ACE-Hemmern mit einer Inzidenz von bis zu 10 % auftretende Reizhusten kann jedoch hartnäckig sein und damit den Schlaf stören. Unter Einnahme von AT2-Blockern ist die Inzidenz des schlafstörenden Hustens niedriger.

Diuretika

Diuretika scheinen keine Schlafstörungen hervorzurufen, obwohl man annehmen würde, dass wegen der Nykturie häufigere Weckreaktionen unter Diuretika auftreten. Bei Dauermedikation kann es daher von Vorteil sein, wegen der Nykturie in ausreichendem Abstand zur Nachtruhe zu dosieren, am besten morgens. Abendliche Einnahme kann ein auslösender Faktor für Enuresis sein („Enuresis und Harninkontinenz“).

Kalziumkanalblocker

Beispiele: Verapamil (wie Isoptin), Nifedipin (wie Adalat).
Vergleichende Daten zum Nebenwirkungsprofil von Kalziumkanalblockern auf den Schlaf zeigen ähnliche Effekte wie ACE-Hemmer, Diuretika und Plazebo. Zu beachten sind jedoch Arzneimittelinteraktionen, insbesondere unter Verapamil, das ein potenter Inhibitor des Cytochrom-P450-Systems ist und das dementsprechend den Abbau von Hypnotika wie „Benzodiazepine“ verzögern kann.

Antiarrhythmika

Beispiele: Amiodaron (wie Cordarex), Disopyramid (wie Rhythmodul), Flecainid (wie Tambocor), Mexiletin (wie Mexitil), Digoxin (wie Lenoxin).
Als häufigste ZNS-Nebenwirkung antiarrhythmischer Substanzen wird Müdigkeit angegeben. Gelegentlich werden jedoch auch Schlafstörungen berichtet, wobei eine Abgrenzung der insomnischen Beschwerden zur Grunderkrankung schwer ist. Insbesondere sind dabei Amiodaron, Flecainid und Mexiletin zu nennen, deren plazeboadjustierten Inzidenzen für Schlafstörungen in klinischen Studien zwischen 0 % und 3 % liegen.
Ebenfalls wenig objektive Daten liegen für Herzglykoside vor. Für Digoxin werden gelegentlich schlafstörende Eigenschaften angegeben.

Lipidsenker

Statine

Beispiele: Atorvastatin (wie Sortis), Lovastatin (wie Mevinacor), Simvastatin (wie Zocor), Pravastatin (wie Pravasin).
Gelegentlich werden unter der Therapie mit Statinen (HMG-CoA-Reduktasehemmern) Schlafstörungen berichtet. Atorvastatin und Lovastatin wurden mit subjektiven Berichten einer Insomnie assoziiert. Plazebokontrollierte Studien unter Lovastatin, Simvastatin und Pravastatin konnten jedoch keine Beeinträchtigung des Nachtschlafs nachweisen, ebenso wie die objektive Tagesschläfrigkeit unter Lovastatin nicht beeinträchtigt ist.

Broncholytika

Obstruktive Lungenerkrankungen können zu einer ausgeprägten Störung des Schlafs mit Ein- und Durchschlafstörungen infolge von Husten, Auswurf oder Dyspnoe führen. Deshalb ist eine Differenzierung von schlaffördernden Effekten durch eine verbesserte Therapieeinstellung und schlafstörenden Effekten einzelner Medikamente bei diesen Patienten schwierig.

Methylxanthine

Beispiel: Theophyllin (wie Bronchoretard, Euphyllin).
Unter der Therapie mit Theophyllin sind Schlafstörungen eine der am häufigsten berichteten Nebenwirkungen. Theophyllin gehört zur Gruppe der Methylxanthine, ist strukturverwandt mit Koffein und Theobromin und wirkt u. a. durch Blockade von Adenosin-Rezeptoren und eine unspezifische Hemmung der Phosphodiesterasen („Neurotransmitter“; „Schlafregulation“). Unter Therapie mit Theophyllin kann die objektive Schlafstruktur sowohl bei gesunden Schläfern als auch bei Patienten mit verschiedenen pulmonologischen Erkrankungen (wie „Asthma bronchiale“, zystische Fibrose und „Chronisch-obstruktive Lungenerkrankung“, COPD) beeinträchtigt sein, wobei sich diese Aussagen nicht in allen Studien reproduzieren lassen. Ein Großteil der Studien an Patienten zeigt keinen Einfluss von Theophyllin auf den Schlaf oder sogar eine Verbesserung desselben. Eine Interpretation der Ergebnisse ist jedoch wegen der oben genannten Schwierigkeiten einer Differenzierung von Medikamenteneffekten, wegen methodischer Probleme sowie dem Fehlen einer Plazebogruppe schwierig. Lediglich eine prospektive Studie an Asthmapatienten berichtete unter Theophyllin im Vergleich zu Patienten unter anderen antiobstruktiven Medikamenten häufiger über Durchschlafstörungen, nämlich 55 % vs. 31 %. Eine retrospektive Untersuchung von Asthmapatienten zeigte nur bei den Patienten insomnische Beschwerden, die mit Glukokortikoiden oder Theophyllin behandelt wurden.

Beta2-Sympathomimetika

Beispiel: Salbutamol (wie Loftan).
Langwirksame Beta2-Sympathomimetika können die Blut-Hirn-Schranke passieren und in der Regulation des Schlafs, insbesondere des REM-Schlafs, eingreifen, da sie, um eine möglichst lange Wirkdauer zu erzielen, eine hohe Lipidlöslichkeit aufweisen. Die systemische Gabe von Salbutamol zeigte keine Beeinflussung des Schlafprofils. Eine Beurteilung der einzelnen Substanzen ist jedoch aufgrund der unzureichenden Datenlage nicht möglich. Systemisch wirksame Spiegel sind unter inhalativen Beta2-Sympathomimetika nicht zu erwarten und damit auch keine Beeinflussung des Schlafs.

Glukokortikoide

Beispiele: Dexamethason (wie Fortecortin), Prednisolon (wie Decortin).
Glukokortikoiden werden schlafstörende Eigenschaften zugesprochen, wobei die Resultate aus klinischen Studien inkonsistent sind. Unterschiede in den Studienergebnissen sind unter anderem auf Art (oral, parenteral oder inhalativ), Dauer (Einmalgabe oder längerfristig) und Dosierungen der Applikation, unterschiedliche Rezeptoraffinitäten sowie Unterschiede in den verwendeten methodischen Ansätzen und zwischen den untersuchten Studienpopulationen zurückzuführen. Weitgehend übereinstimmend findet sich nach Gabe von Glukokortikoiden eine deutliche Reduktion des REM-Schlafs. Weniger konsistent wird bei Gesunden ein Anstieg des Wachanteils berichtet, insbesondere jedoch unter der Therapie mit Kortison, Dexamethason und Prednisolon. Die Inzidenz von Schlafstörungen bei Patienten, die wegen einer Optikusneuritis mit Prednisolon behandelt wurden, liegt bei zirka 50 %, während 20 % unter Plazebo über Schlafstörungen klagten. Eine retrospektive Untersuchung von Asthmapatienten zeigte insomnische Beschwerden nur bei denjenigen Patienten, die mit Glukokortikoiden oder Theophyllin behandelt wurden. Zusätzlich existieren viele Spontanberichte und Fallbeispiele, die einen Zusammenhang zwischen einer systemischen Glukokortikoidtherapie und Schlafstörungen aufzeigen (siehe „Stress und Hyperarousal“).
Neue Slow-release-Präparate, wie sie in der Rheumatologie angewendet werden, haben weniger Einfluss auf den Schlaf. Generell scheint die Schwelle der Nebenwirkungen auf den Schlaf bei gesunden Schläfern bei ca. 5 mg Prednisolon (0,7 mg Dexamthason, 25 mg Cortisol) zu liegen, also noch unterhalb der Cushing-Schwelle von 7,5 mg/Tag. Bei Patienten mit einer bekannten Insomnie können auch niedrigere Dosen zu zusätzlichen Schlafstörungen führen.
Unter der Therapie mit inhalativen Glukokortikoiden sind wegen vernachlässigbaren systemischen Wirkkomponenten keine schlafstörenden Effekte zu erwarten. Dennoch existieren einige Fallberichte, die über Agitiertheit, Konzentrations- und Schlafstörungen innerhalb der ersten beiden Behandlungstage berichten und die nach dem Absetzen verschwanden.

Analgetika und Antirheumatika

Nichtsteroidale antirheumatische Substanzen (NSAR)

Beispiele: Acetylsalicylsäure (wie Aspirin), Indometacin (wie indomet-ratiopharm), Phenylbutazon (wie Ambene), Ibuprofen (wie Aktren).
Nichtsteroidale antirheumatische Substanzen können den Schlaf durch eine Hemmung der Prostaglandinsynthese beeinträchtigen. Insbesondere Prostaglandin D2 scheint dabei eine Schlüsselrolle zu spielen, da es in die Regulation des Schlafs involviert ist („Schlafregulation“; „Neurotransmitter“). Andere Ursachen für Schlafstörungen durch nichtsteroidale antirheumatische Substanzen können eine Beeinflussung des normalen Verlaufes der Melatoninausschüttung („Melatonin und zirkadianer Rhythmus“) und der Körpertemperatur oder aber auch Nebenwirkungen dieser Medikamente sein, wie Magenbeschwerden oder Bronchospasmus („Gastroösophagealer Reflux“; „Asthma bronchiale“). Unter der akuten Einnahme von Acetylsalicylsäure und Ibuprofen wurde bei gesunden Probanden eine verringerte Schlafeffizienz gefunden. Dennoch wird beobachtet, dass die am häufigsten eingesetzten NSAR Acetylsalicylsäure, Ibuprofen, Phenylbutazon und Indometacin im Allgemeinen keine oder nur geringgradige Schlafstörungen hervorrufen. Insbesondere bei älteren Patienten sollte aber bei Einnahme dieser Substanzen auf schlafstörende Nebenwirkungen geachtet werden. TNF-alpha-Modulatoren scheinen den Schlaf positiv zu beeinflussen (Detert et al. 2016).

Antiinfektiva

Sowohl bakterielle als auch virale Infektionen können durch physiologische Vorgänge, insbesondere in der Akutphase, das Schlafverhalten beeinträchtigen, wie Erhöhung der Körpertemperatur oder Aktivierung des Immunsystems (siehe auch „Infektionskrankheiten ohne Befall des Zentralnervensystems“). Daher sind Nebenwirkungen einzelner Medikamente schwer von indirekten Wirkmechanismen abgrenzbar. Auf indirekte Wirkmechanismen scheint auch die bei gesunden Probanden unter verschiedenen antimikrobiellen Medikamenten beobachtete Verringerung des Schlafs zurückzuführen zu sein. An gesunden Probanden zeigte eine vergleichende Untersuchung des Proteaseinhibitors Minocyclin mit Ampicillin, das diese Wirkkomponente nicht besitzt, eine Reduktion des NREM-Schlafs nur unter dem Proteaseinhibitor.
Literatur
Ammon (1991) Arzneimittelnebenwirkungen- und wechselwirkungen, 3. Aufl. WVG, Stuttgart
Detert J, Dziurla R, Hoff P, Gaber T, Klaus P, Bastian H, Braun T, Schellmann S, Penzel T, Fietze I, Loeschmann PA, Jaehnig P, Straub RH, Burmester GR, Buttgereit F (2016) Effects of treatment with etanercept versus methotrexate on sleep quality, fatigue and selected immune parameters in patients with active rheumatoid arthritis. Clin Exp Rheumatol 34(5):848–856. Epub 2016 Jun 22PubMed
PharmaPendium. Zugegriffen am 02.12.2015
Schulz H (Hrsg) Kompendium Schlafmedizin (Stand 12/2015)
Schweitzer PK (2011) Drugs that disturb sleep and wakefulness. In: Kryger MH, Roth T, Dement WC (Hrsg) Principles and practice of sleep medicine. Elsevier, Amsterdam