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Kinderchirurgie
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Publiziert am: 25.04.2018

Darmduplikaturen

Verfasst von: Michael Berger und Dietrich von Schweinitz
Darmduplikaturen sind seltene Fehlbildungen und können prinzipiell an jeder Stelle zwischen Mund und Anus vorkommen. Meistens kommen sie allerdings im Dünndarm vor und werden aufgrund einer Obstruktion diagnostiziert. Durch verbesserte Untersuchungstechniken in den letzten Jahren und Jahrzehnten werden viele dieser Fehlbildungen aber auch zufällig diagnostiziert, vermehrt auch im pränatalen Ultraschall.
Darmduplikaturen sind seltene Fehlbildungen und können prinzipiell an jeder Stelle zwischen Mund und Anus vorkommen. Meistens kommen sie allerdings im Dünndarm vor und werden aufgrund einer Obstruktion diagnostiziert. Durch verbesserte Untersuchungstechniken in den letzten Jahren und Jahrzehnten werden viele dieser Fehlbildungen aber auch zufällig diagnostiziert, vermehrt auch im pränatalen Ultraschall.

Einleitung

Vorkommen und Häufigkeit
Angeborene Duplikationen des Intestinaltrakts kommen mit einer Inzidenz von 1:4500 Geburten sehr selten vor. Sie können aber in jedem Abschnitt, vom Pharynx bis zum Rektum auftreten. Eine Zusammenschau aller berichteten Serien zeigt dabei eine besondere Häufung im Dünndarm, weniger ausgeprägt im Ösophagus und im Kolon (Tab. 1).
Tab. 1
Lokalisation und Häufigkeiten von Darmduplikaturen. (Aus: Keckler und Holcomb 2010)
Lokalisation
Häufigkeit
Mund-Rachen-Raum
1 %
Ösophagus
17 %
Thorakoabdominell
3 %
Magen
8 %
Duodenum
6 %
Dünndarm
44 %
Kolon
15 %
Rektum
5 %
Andere
1 %
Hierbei haben ca. 8 % der betroffenen Patienten Duplikaturen an mehr als einem der genannten Abschnitte des Intestinaltrakts. Duplikaturen können in jedem Lebensalter entdeckt werden, jedoch werden 75 % dieser Fehlbildungen in den ersten 2 Lebensjahren diagnostiziert. Eine genetische Prädisposition für intestinale Duplikaturen ist nicht bekannt. Sie sind aber in 30–50 % assoziiert mit Fehlbildungen anderer Organsysteme, wie der Wirbelsäule und dem Rückenmark, dem Urogenitaltrakt sowie mit Malrotationsanomalien (Keckler und Holcomb 2010).
Entstehung und Pathologie
Nach William Ladd (1937) gehören definitionsgemäß zu Duplikaturen des Intestinaltrakts eine voll ausgebildete Muskelschicht, eine Auskleidung mit Epithel des Verdauungstrakts und eine Verbindung zu einem Teil des Intestinaltrakts. Zur Entstehung der intestinalen Duplikaturen wurden in den vergangenen Jahrzehnten verschiedene Theorien entwickelt. So wurde postuliert, dass Duplikaturen aus persistierenden embryonalen Divertikeln oder durch aberrante embryonale Rekanalisation entstehen könnten. In Anlehnung an Befunde bei siamesischen Zwillingen (Kap. „Siamesische Zwillinge“) wurden Duplikaturen als aberrante Zwillingsfehlbildungen betrachtet, schließlich auch auf lokale Differenzierungsstörungen, z. B. bei Mangeldurchblutung, zurückgeführt. Die Assoziation mit Rückenmarksfehlbildungen führte zur Annahme eines fehlenden Schlusses des ventralen embryonalen Neuralrohrs als gemeinsame Ursache (split notochord syndrome), wobei die genaue Pathogenese der Duplikaturen hierbei unklar bleibt. Insgesamt hat keine der bisherigen klinischen Beobachtungen und daraus resultierenden Theorien eine schlüssige Erklärung für die Entstehung der intestinalen Duplikaturen geliefert (Keckler und Holcomb 2010).
Die Duplikaturen kommen in der überwiegenden Mehrzahl als lokalisierte zystische Dopplungen (Abb. 1) vor, ohne oder selten mit einer luminalen Verbindung zum angrenzenden Abschnitt des Intestinaltrakts, selten auch als langstreckige tubuläre Duplikaturen (Abb. 2). Letztere können auch mehrere Verbindungen haben und in seltenen Fällen sehr lange Abschnitte des Intestinaltrakts betreffen.
Die Duplikaturen haben den oben erwähnten Wandaufbau, ihr Schleimhauttyp entspricht dem des angrenzenden intestinalen Abschnitts. Hierbei enthalten sie in ca. 30 % der Fälle ektope Schleimhautanteile, wobei diese bei Duplikaturen des Ösophagus in 46 %, des Dünndarms in 34 %, des Kolons und Rektums in 7 % der Fälle auftreten (Keckler und Holcomb 2010). Am häufigsten findet man hier Magenschleimhaut, gefolgt von exokrinem und endokrinem Pankreasgewebe. Der sezernierte Inhalt der Darmduplikaturen entspricht der jeweiligen Schleimhautzusammensetzung. Hieraus entwickeln sich entsprechende Symptome, insbesondere einer Raumforderung, die sich auch sekundär infizieren kann und dann zu einem Abszess wird. Abhängig von der Lage der Duplikatur entfaltet sie als Raumforderung Kompressionsfolgen auf umgebende Organe. Bei Vorhandensein von ektoper Magenschleimhaut oder Pankreasgewebe kann es auch zu Ulzera mit Blutung, aber auch zu nekrotisierenden Entzündungen kommen, was beides wiederum einen lebensbedrohlichen Zustand hervorrufen kann. Eine spezielle Beschreibung der Ösophagusduplikaturen findet sich in Kap. „Angeborene Ösophagusfehlbildungen“ und der Magenduplikaturen in Kap. „Erkrankungen des Magens bei Kindern und Jugendlichen“.

Duodenalduplikaturen

Klinik und Diagnostik
Wie Magenduplikaturen haben auch Duodenalduplikaturen als Leitsymptome Erbrechen und eine zystische Raumforderung im Oberbauch. Da sie meist mesenterial im mittleren duodenalen C liegen, führen sie darüber hinaus zu einem Stauungsikterus und einer Pankreatitis. Wenn sie ektope Magenschleimhaut enthalten, kann es zu einer Ulzeration, Blutung und Perforation kommen.
Differenzialdiagnostisch kommt hier an erster Stelle eine Choledochuszyste, aber auch eine Pankreaskopfpseudozyste, eine Echinokokkuszyste des Pankreas oder ein Teratom infrage. Für die Bildgebung sind das Ultraschall, eine obere Magen-Darm-Passage mit Röntgenkontrast sowie ein CT oder ein MRT geeignet.
Therapie
Die chirurgische Therapie kann durch die ungünstige Lage sehr schwierig sein. Wenn möglich, sollte man eine lokale Exzision versuchen. Diese ist manchmal auch laparoskopisch möglich (Guérin et al. 2012). Sofern histologisch mit einer Schnellschnittuntersuchung das Vorliegen von ektoper Magenschleimhaut oder Pankreasgewebe weitgehend ausgeschlossen wird, kann die eröffnete Duplikatur auch über eine Roux-Y-Zysto-Jejunostomie abgeleitet werden. Wenn diese beiden Verfahren nicht möglich sind, kann auch eine Resektion des Duodenums mit entsprechender Ableitung des Magens, des Ductus choledochus und des Pankreas über eine oder zwei Jejunumschlingen notwendig werden (Merrot et al. 2006).

Dünndarmduplikaturen

Klinik und Diagnostik
Im Dünndarmbereich kommen Duplikaturen mit fast 50 % am häufigsten vor. In der Mehrzahl sind sie zystisch, gelegentlich aber auch tubulär. Letztere können wenige Zentimeter, aber auch die gesamte Dünndarmlänge einnehmen, gelegentlich auch auf den Kolonbereich übergreifen. Die Duplikaturen liegen der mesenterialen Wand des Darms an und haben mit dieser eine gemeinsame Blutversorgung. Ektope Magenschleimhaut findet sich in 80 % der tubulären, aber nur in 20 % der zystischen Duplikaturen.
Klinische Symptome entstehen meist in der frühen Kindheit mit Erbrechen, Meläna und einer abdominellen Raumforderung. Die Duplikaturen können auch einen Volvulus oder eine Invagination verursachen oder bei einer Perforation eine Peritonitis nach sich ziehen. Für die Bildgebung kommen die Sonografie, eine fraktionierte Röntgen-Magen-Darm-Passage oder das MRT zur Anwendung. In einer Notfallsituation kann auch ein Kontrastmittel-CT sehr hilfreich sein. Wenn eine Dünndarmduplikatur ektope Magenschleimhaut enthält, kann sie in einer Technetium-Szintigrafie fälschlicherweise als ein Meckel-Divertikel diagnostiziert werden. Weitere Differenzialdiagnosen sind v. a. andere zystische Prozesse wie Mesenterialzysten oder Lymphangiome und zystische Teratome.
Therapie
Die Therapie ist immer chirurgisch. Bei noch bestehender Unklarheit der Zuordnung eines pathologischen Prozesses ist hier unter Umständen zunächst eine Laparoskopie indiziert (Guérin et al. 2012). Nach endgültiger Diagnose kann dann entweder im Rahmen dieser oder über ein „Umsteigen“ auf ein offenes Vorgehen die Korrektur angeschlossen werden. Eine Enukleation einer zystischen Duplikatur ist wegen der gemeinsamen Blutversorgung mit dem Darm selten möglich. Hier erfolgt in der Regel eine Dünndarmsegmentresektion mit End-zu-End-Anastomose. Kurzstreckige tubuläre Duplikaturen können in gleicher Weise entfernt werden. Schwierig ist dies bei sehr langstreckigen Duplikaturen. Hier ist unbedingt darauf zu achten, dass dem Patienten eine genügende Darmlänge erhalten bleibt. Hierzu kann man die Duplikatur in ihrem Verlauf immer wieder eröffnen und eine Mukosektomie durchführen, um ektopes Gewebe zu entfernen. Auch eine Eröffnung zum benachbarten Dünndarm ist gelegentlich möglich. Ferner wurde eine Anastomosierung einer Dünndarmduplikatur mit ektoper Magenschleimhaut mit dem Magen beschrieben (Keckler und Holcomb 2010).

Kolonduplikaturen

Klinik und Diagnostik
Kolonduplikaturen sind mit 15 % deutlich seltener als solche des Dünndarms, können aber mit letzteren und auch mit Rektumduplikaturen kombiniert vorkommen. Die Mehrzahl ist zystisch und liegt im Zökumbereich, tubuläre Duplikaturen kommen jedoch ebenfalls vor. Üblicherweise liegen sie der antimesenterialen Zirkumferenz des Kolons an und enthalten nur selten ektope Magenschleimhaut. Tubuläre Kolonduplikaturen haben häufig eine Verbindung zum Lumen des benachbarten Kolons. Eine komplette Kolonduplikatur kann mit Doppelbildungen anderer Organe, wie der Blase, Uterus, Vagina und Anus assoziiert sein (Yousefzadeh 1983).
Klinisch führen Kolonduplikaturen zu Stuhlpassagestörungen, zu schweren Entzündungen, Invaginationen und wirken als Raumforderungen. Bildgebend sind Sonografie und eine Abdomenleeraufnahme oft nicht weiterführend. Mittels Röntgen-Kolonkontrasteinlauf kann die Darstellung gelingen, hilfreich sind meistens besonders ein MRT oder auch ein CT.
Therapie
In der Regel sollte die chirurgische Resektion einer Kolonduplikatur angestrebt werden. Dieses ist bei zystischen Duplikaturen meist kein Problem und oft auch laparoskopisch möglich (Guérin et al. 2012). Schwierig ist dies jedoch v. a. bei langstreckigen Duplikaturen. Da sie selten ektope Magenschleimhaut enthalten, kann eine konservative Therapie mit Stuhlregulierung eine Option sein, solange am distalen Ende eine genügend breite Verbindung zum Kolonlumen besteht. Diese kann auch chirurgisch durch eine Seit-zu-Seit-Anastomose hergestellt werden, wenn eine Resektion nicht infrage kommt. Die Entstehung eines Karzinoms in Duplikaturen wurde zwar beschrieben, jedoch waren dies stets solche ohne distale Verbindung zum Kolon (Keckler und Holcomb 2010). Bei einer Einbeziehung des Rektums in die Duplikatur ist dieser Anteil wie in Abschn. 5 und in Kap. „Anorektale und kloakale Malformationen“ beschrieben anzugehen.

Rektumduplikaturen

Klinik und Diagnostik
Rektumduplikaturen sind sehr selten (Tab. 1) und liegen fast immer nach dorsal zum Os sacrum hin. Klinisch fallen sie meist als Raumforderungen mit konsekutiven Problemen beim Stuhlgang auf. Über eine Verbindung zum Rektum können sie sich infizieren und abzedieren. Differenzialdiagnostisch sind andere präsakrale Raumforderungen wie Teratome (Kap. „Tumoren der Leber bei Kindern und Jugendlichen“, Kap. „Tumoren des Pankreas bei Kindern und Jugendlichen“ und Kap. „Tumoren des Gastrointestinaltrakts bei Kindern und Jugendlichen“) oder eine ventrale Meningozele (auch bei der Currarino-Trias, Kap. „Anorektale und kloakale Malformationen“) zu bedenken. Zur Diagnostik gehören neben einem Röntgen-Kolonkontrasteinlauf auch die Endoskopie und bei Bedarf ein MRT.
Therapie
Quasi immer ist die chirurgische Korrektur indiziert. Diese kann je nach Bedarf und Möglichkeit eine komplette Exstirpation, eine Exzision des Septums zum Rektum oder auch eine transanale Marsupialisation beinhalten. In manchen Fällen ist hierfür auch die Anlage eines protektiven Kolostomas notwendig (Keckler und Holcomb 2010).
Literatur
Guérin F, Podevin G, Petit T, Lopez M, de Lagausie P, Lardy H, Bonnard A, Becmeur F, Philippe P, Larroquet M, Sapin E, Kurzenne JY, le Mandat A, Francois-Fiquet C, Gaudin J, Valioulis I, Morisson-Lacombe G, Montupet P, Demarche M (2012) Outcome of alimentary tract duplications operated on by minimally invasive surgery: a retrospective multicenter study by the GECI (Groupe d’Etude en Coeliochirurgie Infantile). Surg Endosc 26(10):2848–2855CrossRef
Keckler SJ, Holcomb GW III (2010) Alimentary tract duplications. In: Holcomb GW III, Murphy JP, Ostlie DJ (Hrsg) Ashcraft’s pediatric surgery. Elsevier Saunders, Philadelphia, S 517–525CrossRef
Ladd WE (1937) Duplications of the alimentary tract. South Med J 30:363–371CrossRef
Merrot T, Anastasescu R, Pankevych T, Tercier S, Garcia S, Alessandrini P, Guys JM (2006) Duodenal duplications. Clinical characteristics, embryological hypotheses, histological findings, treatment. Eur J Pediatr Surg 16(1):18–23CrossRef
Yousefzadeh DK (1983) Tubular colonic duplication: review of 1876–1981 literature. Pediatr Radiol 13:65–70CrossRef