Einleitung
Der Bedarf an anästhesiologischen Leistungen außerhalb des traditionellen OP-Bereichs, im angelsächsischen Sprachraum auch als „nonoperating room anesthesia (NORA)
“ bezeichnet, hat in den letzten Jahren stetig zugenommen (Nagrebetsky et al. 2017). In diesem Rahmen stellt die Angiografieabteilung einen interessanten und gleichzeitig herausfordernden Arbeitsplatz dar. Hier liegt der Schwerpunkt auf der interventionellen Therapie vaskulärer Pathologien der arteriellen und venösen Strombahn. Üblicherweise befindet sich dabei der Anästhesist in einer für ihn eher ungewohnten Umgebung mit mehr oder weniger großer räumlicher Distanz zur personellen Unterstützung und einem speziellen technischen Equipment beim Auftreten von Komplikationen. Zudem erfordern ein nicht selten erschwerter Zugang zum (Kopf des) Patienten, der häufig nicht auf anästhesiologische Erfordernisse zugeschnittene Raum, die Exposition mit Röntgenstrahlung sowie eine wechselnde Schmerzintensität und ein meist abruptes Ende der Behandlung ein hohes Maß an fachlicher Expertise und Erfahrung sowie Flexibilität und gute Kommunikation mit dem Interventionalisten.
Grundsätzliches Ziel für den Anästhesisten ist es, einerseits dem Behandelnden optimale Bedingungen zu bieten und andererseits bei gleichzeitig größtmöglicher Sicherheit des Patienten den Eingriff für diesen komfortabel bzw. nicht wahrnehmbar zu gestalten.
Indikationen zur anästhesiologischen Betreuung
In der Regel wird die überwiegende Zahl der peripheren Katheterinterventionen in reiner Lokalanästhesie durchgeführt. Das Hinzuziehen eines Anästhesisten wird dann notwendig, wenn der Patient nicht in der Lage ist, für eine gewisse Zeit ruhig auf dem Angiografietisch zu liegen. Ursächlich dafür sind meist psychische Vorerkrankungen mit mangelnder Kooperationsfähigkeit und Unruhe, neurologische Störungen oder lagerungsbedingte Dyspnoe und Schmerzen. Bei einigen dieser Patienten wurde im Vorfeld bereits ein Interventionsversuch unternommen, der im Verlauf abgebrochen werden musste.
Eine zweite Gruppe, die meist einer
anästhesiologischen Betreuung bedarf, stellen Patienten mit länger dauernden, teilweise sehr schmerzhaften Interventionen dar, wie z. B. der Behandlung von
arteriovenösen Malformationen mittels Embolisation oder Coiling, der nichtoperativen Anlage von Dialysefisteln, umfangreichen venösen Rekanalisationen oder einer Arterialisation der Beinvenen.
Präinterventionelle anästhesiologische Vorbereitung
Aufklärung und Anamnese
Wie alle medizinischen Eingriffe bedürfen auch anästhesiologische Maßnahmen prinzipiell einer
Aufklärung und Einwilligung des Patienten. Betont sei hier, dass dieses Einverständnis unabhängig von der Aufklärung für den eigentlichen angiologischen Eingriff eingeholt werden muss. Meist geschieht dies im Rahmen einer Anästhesie-Sprechstunde, i. d. R. spätestens am Vortag der (geplanten) Intervention. Günstig ist eine bereits prästationäre Vorstellung, um ggf. noch relevante medizinische Informationen gewinnen oder diagnostische/therapeutische Maßnahmen zur Risikoevaluation und -minimierung veranlassen zu können. Die Aufklärung muss durch einen Anästhesisten oder durch einen Arzt erfolgen, der über das entsprechende Fachwissen zu Vorbereitung, Durchführung und Komplikationen einer Anästhesie verfügt.
Im Hinblick auf das zu wählende Anästhesieverfahren und um mögliche Komplikationen vorauszusehen und zu vermeiden, ist der kardiopulmonale Status des Patienten wichtig. Viele Anästhetika haben direkte und/oder indirekte Wirkungen auf das Herz und den Gefäßtonus. Ihre unbedachte Gabe bei hochgradig eingeschränkter links- bzw. rechtsventrikulärer Pumpfunktion oder schweren Klappenvitien kann verheerende Folgen nach sich ziehen. Die Erhebung der klinischen Belastbarkeit hat einen hohen Stellenwert in der Vorbereitung einer Anästhesie. Bei entsprechenden Risikopatienten kann eine Echokardiografie wertvolle therapierelevante Informationen liefern.
Respiratorische Zwischenfälle sind die am häufigsten NORA-assoziierten Komplikationen, sodass bereits bei der Anamnese respiratorische Störungen, wie z. B. eine chronisch
obstruktive Lungenerkrankung (
COPD), eine obstruktive
Schlafapnoe (
OSAS), ein Obesitas-Hypoventilationssyndrom oder neuromuskuläre Erkrankungen, in die Planung der anästhesiologischen Versorgung einfließen müssen.
Wichtig ist die anästhesiologische Kompetenz, bei geplanten Narkosen oder ungeplanten respiratorischen Zwischenfällen, eine suffiziente
Beatmung mittels
Maske,
supraglottischen Atemwegshilfen (
Larynxmaske, -tubus) oder trachealer Intubation sicherzustellen. Zu erwartende Risiken müssen im Vorfeld erkannt werden, da im Gegensatz zu zentralen OP-Bereichen bei NORA eine schnelle personelle und technische (Videolaryngoskopie, Fiberoptik, chirurgischer Atemweg) Unterstützung häufig nicht gegeben sind. Es sollte eine Erhebung anatomischer Gegebenheiten (Mundöffnung, Kopf-Hals-Beweglichkeit/Reklinationsvermögen, vorstehende Zähne, fliehendes Kinn u. a.) in Kombination mit anamnestischen Hinweisen auf eine schwierige Atemwegssicherung (Tumoren, Operationen und Bestrahlungen im Bereich der oberen Atemwege) erfolgen. Wegweisend sind auch berichtete Intubationsprobleme bei vorausgegangenen Narkosen, die – falls vorhanden – in einem Anästhesie-Ausweis dokumentiert sind.
Dauermedikation und medikamentöse Prämedikation
Mit Ausnahme von Antidiabetika und Antikoagulanzien sollte vor
peripheren Katheterinterventionen wie auch bei kleinen operativen Eingriffen i. d. R. die Dauermedikation des Patienten beibehalten werden. Abzuwägen ist bei geplanten Narkosen die Gabe vo
n ACE-Hemmern und AT1-Antagonisten am Tag der Intervention, da gerade bei gleichzeitiger Einnahme von Betablockern schwere und gegenüber einer Noradrenalin-Therapie refraktäre Hypotonien im Rahmen der Narkoseeinleitung beschrieben wurden. Sind ACE-Hemmer oder AT1-Antagonisten Teil einer Herzinsuffizienztherapie, ist eine Weitergabe unter enger hämodynamischer Überwachung indiziert. Bei geplanten Sedierungen erscheint eine Fortführung der Therapie zur Vermeidung hypertensiver Entgleisungen grundsätzlich sinnvoll, sollte jedoch individuell abgewogen werden.
Wie im operativen Bereich üblich kann vor dem Transport zur Intervention bzw. vor Ort die orale Gabe eines Benzodiazepins erfolgen. Diese sog. medikamentöse Prämedikation, meist mit den Wirkstoffen Midazolam o
der Lorazepam, hat dosisabhängig angstlösende und sedierende Effekte und verursacht eine anterograde Amnesie. Gerade bei kardialen Risikopatienten kann sich diese stressreduzierende Wirkung sehr positiv auf die kardiozirkulatorische Stabilität und den myokardialen Sauerstoffverbrauch auswirken. Allerdings sollte eine entsprechende Medikation nicht generell und unkritisch verabreicht werden, denn Benzodiazepine können bei multimorbiden, alten Patienten bereits bei geringen Dosen eine ungewollt tiefe Sedierung mit Atemdepression bzw. bei Patienten mit OSAS und neuromuskulären Erkrankungen einen Atemwegskollaps und eine respiratorische Insuffizienz auslösen. Zudem kann bei älteren Patienten eine paradoxe Wirkung mit Agitation, Aggression und unwillkürlichen Bewegungen auftreten.
Alle Patienten müssen nach Gabe von
Benzodiazepinen k
linisch überwacht werden und dürfen im prä- bzw. postinterventionellen Verlauf in den entsprechenden Wartebereichen nicht unbeobachtet bleiben.
Die medikamentöse Prämedikation orientiert sich an den Wünschen, aber auch den Vorerkrankungen und Risikofaktoren des Patienten. Im Zweifelsfall erfolgt die Gabe aber eher zurückhaltend. Ein ruhiges, freundliches und affirmatives Anamnese- und Aufklärungsgespräch mit einem kompetenten Anästhesisten hat häufig die gleiche Wirkung für die Psyche des Patienten wie ein pharmakologischer Ansatz.
Nüchternheit
Eine pulmonale
Aspiration im Rahmen einer Sedierung oder Narkose ist eine sehr seltene, aber potenziell lebensbedrohliche Komplikation. Zur Minimierung dieses Risikos gelten vor Gefäßinterventionen in Narkose die gleichen Regeln wie vor operativen Eingriffen. Einzuhalten sind eine Karenz von mindestens 6 h für feste Nahrung sowie 2 h für klare Flüssigkeiten. Zu erwähnen ist hier, dass die Wirksamkeit des Fastens hinsichtlich eines verminderten Aspirationsrisikos zwar mechanistisch plausibel erscheint, aber nie wissenschaftlich bestätigt wurde. Dies und die für Sedierungen berichtete niedrigere Aspirationsrate führten 2020 zu einem internationalen multidisziplinären Konsensuspapier, nach dem das Hauptaugenmerk auf der Identifikation von Risikopatienten anhand von Komorbiditäten, Prozedur und geplanter Sedierung liegt (Risiko vernachlässigbar, gering, moderat). Eine Nahrungskarenz wird respektive mit 2 h/4 h/6 h und eine Flüssigkeitskarenz von 2 h nur bei moderatem Risiko (sonst Flüssigkeit bis zum Eingriff möglich) angegeben. Besteht eine dringliche oder Notfallindikation, soll die Intervention in Sedierung auch trotz unzureichender Nüchternheit nicht verzögert werden (Green et al. 2020).
Anästhesologische Verfahren
Die Auswahl des geeigneten Vorgehens richtet sich in erster Linie nach den Präferenzen des Patienten und des Interventionalisten, der geplanten Eingriffsdauer und der erwarteten Schmerzintensität. Allerdings müssen das kardiopulmonale Risiko, ein evtl. schwierig zu sichernder Atemweg und der neurologische Zustand des Patienten mit in diese Entscheidung einfließen. So vermindert im Vergleich zur Narkose z. B. eine leichte bis moderate Sedierung bei
Herzinsuffizienz, schwerer
pulmonaler Hypertonie oder hochgradigen Klappenvitien durch die geringer dosierten Anästhetika und die erhaltene Spontanatmung die Gefahr einer potenziell bedrohlichen Kreislaufinstabilität. Zudem leiden gerade hochbetagte und demente Patienten nach Narkosen nicht selten an einem
Delir oder einem z. T. über Monate andauernden kognitiven Defizit, sodass jede Reduktion der kumulativen Anästhetikadosis vorteilhaft erscheint. Andererseits ist z. B. bei einem stark adipösen Patienten mit
OSAS und geplant längerem Eingriff eine Narkose mit gesichertem Atemweg einer wahrscheinlich schwierigen oder gar komplikativen Sedierung vorzuziehen.
Sedierung
Sedierungsstadien
Eine Sedierung (im angelsächsischen Ra
um „procedural sedation and analgesia, PSA“) in Kombination mit einer Lokalanästhesie der Punktionsstelle ist das i. d. R. geeignetste Verfahren, um die überwiegende Zahl peripherer Gefäßinterventionen gut durchführbar und für den Patienten komfortabel und sicher zu gestalten. Die Gabe angstlösender, sedierender, intravenöser Anästhetika bringt den Patienten dosisabhängig in einen Zustand zwischen entspannter Wachheit, zunehmender Bewusstseinseinschränkung und tiefem, bewegungslosem Schlaf. Unterschieden werden anhand der Reaktion des Patienten auf unterschiedliche Stimuli sowie Auswirkungen auf Atemweg, Spontanatmung und Herz-Kreislauf-Funktion 4 Sedierungstiefen mit einem jeweils kontinuierlichen Übergang zwischen den Stadien (s. Tab. 1).Tab. 1
Sedierungsstadien.
(Modifiziert nach ASA 2019)
Minimale Sedierung | Wach, entspannt | Normal (verbal) | Normal | Normal | Normal |
Moderate Sedierung | Schläfrig, erweckbar | Gezielt (verbal, taktil) | Keine Intervention notwenig | Adäquat | Meist erhalten |
Tiefe Sedierung | Tief schlafend, soporös | Gezielt (wiederholt taktil, Schmerz) | Intervention kann notwendig sein | Kann inadäquat sein | Meist erhalten |
| Bewusstlos, komatös | Keine/ungezielte Reaktion (Schmerz) | Intervention oft notwendig | Häufig inadäquat | Kann beeinträchtigt sein |
Sedativa und Opioide
Die Wahl eines geeigneten intravenösen Sedativums und/oder Opioids richtet sich nach der Indikation zur Sedierung, der Länge des Eingriffs, den Vorerkrankungen des Patienten und nicht zuletzt der Erfahrung und Vertrautheit des Sedierenden mit den jeweiligen Medikamenten (siehe Übersicht).
Das entsprechende Medikament sollte so dosierbar sein, dass schnell und sicher die angestrebte Sedierungstiefe erreicht und aufrechterhalten werden kann. Möglich sind dabei je nach Anästhetikum sowohl eine kontinuierliche Applikation als auch eine titrierte, fraktionierte Gabe bis zum Erreichen eines gewünschten Zustandes. Ein kausaler Ansatz könnte in der alleinigen Verabreichung von Analgetika bei führender Schmerzproblematik (Lagerung, Eingriff,
pAVK) bzw. Sedativa bei unkooperativen, unruhigen Patienten bestehen. Da die meisten zur PSA eingesetzten Mittel aber nicht gleichzeitig suffizient hypnotisch und analgetisch wirken, hat es sich bei entsprechender Erfahrung bewährt, Hypnotikum und Opioid zu kombinieren.
Intravenöse Sedativa und
Opioide haben bei kombinierter Anwendung synergistische Effekte und können daher leicht in einer Übersedierung mit schweren respiratorischen Komplikationen münden.
Komplikationen und Monitoring
Nicht immer ist die Wirkung von Sedativa oder
Opioiden im einzelnen Fall vorhersehbar und das Sedierungsstadium kann sich im Verlauf jederzeit ändern. Die häufigsten Komplikationen bestehen in einer Verlegung der oberen Atemwege, vermindertem Atemantrieb oder Apnoe bei zu tiefem Sedierungsstadium bzw. bei unerwarteter respiratorischer Reaktion auf eine korrekt dosierte PSA. Betroffen sind meist Patienten im hohen Alter, einem gemäß der American Society of Anaesthesologists (ASA) hohen Risikostatus (Stadium III oder IV), relevanten pulmonalen Vorerkrankungen,
OSAS,
Adipositas und Drogen- oder Benzodiazepinabhängigkeit (ASA Task Force on Moderate Procedural Sedation and Analgesia
2018). Weitere Zwischenfälle sind Erbrechen,
Aspiration oder eine hämodynamische Instabilität durch die verwendeten Sedativa bzw. den Stress bei nicht suffizienter PSA.
Durch adäquates Monitoring ist es möglich, einen großen Teil dieser Zwischenfälle zu vermeiden. Neben der wiederholten Erfassung der Sedierungstiefe durch verbale oder taktile Stimulation und der klinischen Evaluation der
Atmung ist hierfür die gleiche apparative Überwachung wie im operativen Bereich zu fordern: kontinuierliche Erfassung von Herzfrequenz/
EKG, (nichtinvasivem) Blutdruck und
Sauerstoffsättigung mit adäquat eingestellten Alarmgrenzen. Bei der oft praktizierten prophylaktischen O
2-Insufflation kann trotz Normoxämie bereits eine gravierende Hypoventilation/Apnoe vorliegen. Die auch in Sedierung ableitbare Messung von endexspiratorischem CO
2 (qualitative Kapnografie) kann das drohende respiratorische Versagen deutlich früher erkennen helfen als die
Pulsoxymetrie (Waugh et al.
2011).
Eine Kapnografie soll
zur frühen Vermeidung respiratorischer Komplikationen bei allen moderaten und tiefen Sedierungen eingesetzt werden (ASA Task Force on Moderate Procedural Sedation and Analgesia 2018, Hinkelbein et al. 2018).
Sedierung durch Nicht-Anästhesisten
Minimale und moderate Sedierungen können durch Nicht-Anästhesisten nach zertifizierter Ausbildung und bei Erfüllung entsprechender Voraussetzungen durchgeführt werden (Hinkelbein et al.
2018). Neben strukturellen Erfordernissen (geeignete Räumlichkeiten, Verfügbarkeit von obligatem Monitoring und Notfallequipment, anästhesiologischer/intensivmedizinischer Support bei Notfällen) sind die Kompetenzen des die PSA durchführenden Personals von entscheidender Bedeutung. Vor der Intervention sind Komorbiditäten des Patienten und Besonderheiten der oberen Atemwege zu erfassen. Der Sedierende muss bei guter Kenntnis der verwendeten
Hypnotika,
Opioide und Notfallmedikamente jederzeit verschiedene Sedierungstiefen beurteilen und seine Medikation bei Bedarf anpassen können. Essenziell ist es, einen sich verschlechternden kardiorespiratorischen Zustand frühzeitig erkennen und behandeln zu können. Kommt es zur
respiratorischen Insuffizienz, muss eine
Maskenbeatmung und die Etablierung eines supraglottischen Atemweges gewährleistet werden. Eine PSA durchführende Person muss über eine zertifizierte Qualifikation im „advanced cardiac life support“ verfügen.
Ab einer moderaten PSA darf der entsprechend Verantwortliche während des Eingriffes keine anderen Aufgaben als die Sedierung wahrnehmen.
Die Evaluation und Sedierung von Hochrisikopatienten (schwere kardiovaskuläre Vorerkrankungen,
OSAS, morbide
Adipositas, mögliche schwierige
Maskenbeatmung, Alter > 70 Jahre, ASA-Status III oder IV, mit geringerer Evidenz auch schwere Nieren- und Leberinsuffizienz) erfordern einen Anästhesisten. Genauso bleibt diesem eine geplante tiefe Sedierung oder eine
Allgemeinanästhesie vorbehalten (Hinkelbein et al.
2018).
Narkose
Alle Formen der
Allgemeinanästhesie (Narkose) kommen für eine
periphere Katheterintervention in Betracht. Die Form der
Beatmung richtet sich dabei vor allem nach der geplanten Länge des Eingriffs (Dauer bis ca. 2 h:
Larynxmaske, sonst eher Intubation [ITN]) und den Vorerkrankungen bzw. dem Nüchternheitsstatus des Patienten (erhöhtes Aspirationsrisiko oder Nahrungskarenz < 6 h bei Notfallangiografie: ITN). Auch die Wahl der verwendeten Anästhetika (balancierte Anästhesie mit inhalativen Anästhetika und repetitiver Opioidgabe versus totale intravenöser Anästhesie mit Propofol und Remifentanil) richtet sich nach dem Risikoprofil des Patienten und den örtlichen Gegebenheiten. Generell sind bei Katheterinterventionen kurzwirksame Anästhetika mit möglichst schneller Rekonvaleszenz des Patienten zu bevorzugen.
Anästhesie-Standby
Die
periphere Katheterintervention bei einem zwar kooperativen und schmerzfreien Patienten, der aber aufgrund einer schweren Lungenerkrankung oder
Adipositas nicht ohne Dyspnoe flach auf dem Angiografietisch liegen kann, macht meist eine
anästhesiologische Betreuung notwendig. Eine Narkose ist möglich, allerdings ist dabei mit Beatmungsproblemen bzw. danach mit einer insuffizienten Spontanatmung zu rechnen. Es sollte versucht werden, durch eine für die Intervention akzeptable Kippung des Tisches bzw. durch Kissen, Decken oder andere Lagerungsmittel den Oberkörper des Patienten erhöht zu positionieren (
Anti-Trendelenburg-Lagerung) und so die Lungenvolumina zu erhöhen bzw. die Atemarbeit zu vermindern. Außerdem kann der Patient von einer assistierten Spontanatmung mithilfe einer dichten Gesichts- oder Nasenmaske sowie Druckunterstützung durch ein Beatmungsgerät profitieren. Bei kardiovaskulären Hochrisikopatienten erfolgt gelegentlich ein Anästhesie-Standby zur Kreislaufüberwachung und ggf. -therapie.
Regionalanästhesie
Schmerzhafte Eingriffe an Arm und Bein, wie die interventionelle Anlage und Revision von Dialyse-Shunts, können mit Hilfe einer alleinigen periphere
n Regionalanästhesie beim kooperativen Patienten sicher und komfortabel durchgeführt werden (Gedikoglu et al. 2019). Dabei wird in örtlicher Betäubung der Punktionsstelle unter sonografischer Kontrolle meist ein langwirksames Lokalanästhestikum (z. B. Ropivacain 0,5 %) perineural injiziert und damit das Versorgungsgebiet des Nervens für viele Stunden sowohl sensibel als auch motorisch ausgeschaltet. Periphere Nervenblockaden sind auch unter therapeutischer Antikoagulation durchführbar. Sie haben bei entsprechender Erfahrung eine hohe Erfolgsquote und sehr selten relevante Komplikationen (Hämatome, Infektion, Nervenläsion, Allergie, systematisch-toxische Wirkung durch Resorption oder intravasale Injektion).
Eingriffe im Becken-/Beinbereich können auch unter Spinal- oder Periduralanästhesie durchgeführt werden. Zu beachten ist hier allerdings, dass die entsprechenden Patienten häufig einen oder mehrere Gerinnungshemmer einnehmen. Um das Risiko eines spinalen oder epiduralen Hämatoms mit Nervenschäden bis hin zur Querschnittslähmung zu minimieren, sind vor und nach Anlag der Anästhesie leitliniengerecht Pausenzeiten für die Gabe von Antikoagulanzien einzuhalten. Dadurch ist die Anwendbarkeit der Verfahren bei angiografischen Interventionen häufig einschränkt.
Nachbetreuung und ambulantes Procedere
Auch nach Ende von Eingriff und PSA kann sich der Zustand des Patienten noch erheblich verschlechtern. Daher muss für mindestens weitere 30 min eine klinische Beobachtung und ein Basismonitoring gewährleistet werden. In der Regel wird der Patient nach peripheren Gefäßinterventionen im Krankenhaus bleiben. Vor Verlegung auf eine Normalstation oder Entlassung müssen der mentale Status und die (normwertigen) Vitalparameter wieder zum präinterventionellen Zustand zurückgekehrt sein. Schmerzen, Übelkeit und
Schwindel sollten gut behandelt werden können. Zur Prüfung und Dokumentation der Verlegungs- bzw. Entlasskriterien hat sich z. B. der modifizierte Aldrete-Score
bewährt (Aldrete und Kroulik 1970).
Ist bei Low-risk-Prozeduren ein ambulantes Vorgehen geplant, darf der Patient für 24 h nicht aktiv am Straßenverkehr teilnehmen, muss sich daher abholen lassen und sollte auch zu Hause eine erwachsene Betreuungsperson haben. Aufgrund von noch eingeschränktem Reaktion- und Urteilsvermögen sollten keine gefährlichen Tätigkeiten ausgeübt werden. Schriftliche Verhaltenshinweise für die erste Zeit nach der Intervention und Kontaktinformationen bei medizinischen Problemen sind auszuhändigen.