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Klinische Angiologie
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Publiziert am: 22.04.2023

Benigne vaskuläre Tumoren

Verfasst von: Tobias Däbritz
Benigne vaskuläre Tumore sind Gefäßanomalien, die sich durch eine aktive Endothelzellproliferation auszeichnen. Eine Einteilung benigner Gefäßtumore erfolgt anhand der aktuellen Klassifikation durch die International Society for the Study of Vascular Anomalies (ISSVA). Die infantilen Hämangiome sind die mit Abstand häufigsten benignen vaskulären Tumore im Kindesalter. Durch ihre charakteristische Wachstumsdynamik im Säuglings- und Kleinkindalter können sie u. a. von kongenitalen Hämangiomen abgrenzt werden. Standardtherapie infantiler Hämangiome in kritischer Lokalisation oder mit kompliziertem Verlauf ist die medikamentöse Therapie mit Propranolol. Besondere Aufmerksamkeit bedürfen multifokale infantile Hämangiome (≥5), die mit dem Auftreten hepatischer Hämangiome assoziiert sein können und segmentale infantile Hämangiome im Gesicht und im Lumbosakralbereich, welche mit anderen Fehlbildungen (PHACE(S)-/LUMBAR-Syndrom) einhergehen können.

Klassifikation Benigner Vaskulärer Tumore

Die International Society for the Study of Vascular Anomalies (ISSVA) differenziert in Ihrer aktuellen Klassifikation (20th ISSVA Workshop, April 2014, letzte Überarbeitung Mai 2018) Gefäßanomalien in Gefäßtumore und vaskuläre Malformationen (Abb. 1). Bereits 1982 publizierten John B. Mulliken und Julie Glowacki (Mulliken und Glowacki 1982) eine Einteilung von vaskulären Läsionen im Kindesalter anhand endothelialer pathophysiologischer Eigenschaften in Hämangiome, welche eine zelluläre Gefäßproliferation und eine fibroadipöse Regression zeigen, und Malformationen, welche wiederum proportional zur Körpergrößenentwicklung wachsen und keine erhöhte endotheliale Mitoserate bzw. Regression zeigen. Orientierend daran gründete sich 1992, 2 Jahre nach dem ersten internationalen Workshop in Amsterdam, die ISSVA. Diese entwickelte die Klassifikation und die Nomenklatur von Gefäßanomalien kontinuierlich weiter.
Diese einheitliche Nomenklatur soll dazu führen, dass verschiedene rein histologische oder deskriptive Begriffe, die teils falsch und verwirrend waren und sind, heute keinen Eingang mehr in unseren medizinischen Sprachgebrauch haben sollten.
Im Vergleich zu vaskulären Malformation zeigen Gefäßtumore andere pathophysiologische und molekulare Eigenschaften. Gefäßtumore zeichnen sich durch eine aktive Endothelzellproliferation aus und sind solide epitheliale Neoplasien. Gefäßtumore werden in benigne, lokal aggressive oder Borderline und maligne eingeteilt (Wassef et al. 2015; Sadick et al. 2018).
Aktuelle ISSVA-Klassifikation der benignen Gefäßtumore
Benigne vaskuläre Tumore:
  • Infantiles Hämangiom
  • Kongenitales Hämangiom
    • Rapidly involuting (RICH)
    • Non-involuting (NICH)
    • Partially involuting (PICH)
  • Tufted Angioma
  • Spindelzellhämangiom
  • Epitheloidzelliges Hämangiom
  • Granuloma pyogenicum
  • Andere: Hobnail Hämangiom, Mikrovenuläres Hämangiom, Anastomosierendes Hämangiom, Glomeruloides Hämangiom, Papilläres Hämangiom, Intravaskuläre papilläre endotheliale Hyperplasie, Kutaner epitheloider angiomatöser Knoten, Erworbenes elastotisches Hämangiom, Littoralzellhämangiom der Milz

Infantile Hämangiome

Das infantile Hämangiom ist der häufigste Gefäßtumor mit Manifestation im Säuglingsalter und einer charakteristischen Dynamik der Größenentwicklung.

Epidemiologie

Aufgrund der multidisziplinären Betreuung von Säuglingen mit infantilen Hämangiomen durch ambulant tätige Kinderärzte, spezialisierte pädiatrische Hämato-/Onkologen, Dermatologen, Kinderchirurgen, HNO-Ärzte, Augenärzte, Allgemeinmediziner und der teilweise noch nicht einheitlichen genutzten Nomenklatur infantiler Hämangiome liegen aktuell keine genauen Daten zur Prävalenz bzw. Inzidenz in Deutschland vor. Die Inzidenz infantiler Hämangiome wird in einzelnen Ländern mit 4,5 % angegeben. Bei Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht <1000 g liegt die Inzidenz mit bis zu 23 % deutlich höher. Neben den Risikofaktoren der extremen Frühgeburtlichkeit und dem niedrigen Geburtsgewicht erhöhen Perfusionsstörungen der Plazenta (Präeklampsie, Plazenta prävia u. a.) bzw. der Nabelschnurgefäße das Risiko für die Entwicklung infantiler Hämangiome (Munden et al. 2014; Goelz und Poets 2015).

Ätiopathogenese

Verschiedene Pathomechanismen werden in der Entstehung infantiler Hämangiome diskutiert. Neben genetischen Faktoren und verschiedenen Umwelteinflüssen ist eine Perfusions- und Vaskularisationsstörung mit einer lokalisierten Gewebshypoxie der entscheidende Triggerfaktor für die Entstehung infantiler Hämangiome (Léauté-Labrèze et al. 2017). Durch die hypoxiebedingte Stimulation des Hypoxie-induzierten Faktors 1-alpha (HIF1 α) kommt es zu einer vermehrten Expression des angiogenetischen Faktors VEGF-A (vascular endothelial growth factor A), der zur Migration, Proliferation und zur Differenzierung von endothelialen Progenitorzellen in unreife Endothelzellen, Perizyten, dendritische Zellen und mesenchymale Zellen mit einer nachfolgenden Gefäßproliferation führt. Eine vermehrte Expression der Matrix-Metalloproteinasen MMP-2 und MMP-9 führt zusätzlich zu einem Abbau und einem Remodeling der perivaskulären extrazellulären Matrix. Immunhistochemisch charakteristisch ist die endotheliale Expression des Glucose Transporter-1 (GLUT-1). Der Nachweis der GLUT-1-Expression in infantilen Hämangiomen, welches ebenfalls im Synzytiotrophoblasten der Plazenta exprimiert wird und die zusätzliche Expression der plazentaren Antigene Merosin, Lewis Y Antigen, FCγRIII, und der Typ 3-Iodothyronin Deiodinase in infantilen Hämangiomen, führte ebenso zur Hypothese, dass Progenitorzellen infantiler Hämangiome plazentaren Ursprungs sind (Itinteang et al. 2014). Die Involution infantiler Hämangiome ist durch die vermehrte Differenzierung mesenchymaler Zellen in Adipozyten und die vermehrte Expression proapoptotischer Faktoren wie Caspase-1 bestimmt (Yu et al. 2006).
Molekulargenetisch spielen vor allem somatische Mutation und vereinzelt auch Keimbahnmutationen in Genen von Proteinen einzelner Rezeptor-Tyrosin-Kinasen, G-Protein-gekoppelten Rezeptoren und deren Regulation im Rahmen der Angiogenese und Vaskulogenese eine entscheidende Rolle. Einzelne Fallberichte beschreiben Familien mit Keimbahnmutationen auf Chromosom 5q31-q33 unter Beteiligung einzelner Gene für die Wachstumsfaktorrezeptoren FGFR4 (fibroblast growth factor receptor-4), PDGFRB (platelet-derived growth factor receptor-beta) und FLT4 (fms-related tyrosine kinase-4), welche auch in der Entstehung somatischer Mutationen beteiligt sein könnten (Walter et al. 1999). Stammbaumanalysen von Kindern mit familiärem Auftreten infantiler Hämangiome legen 2 Vererbungsmuster nahe: autosomal-dominante oder maternale Vererbung (Castrén et al. 2016). Die meisten infantilen Hämangiome treten jedoch sporadisch auf. Somatische Mutationen in einem wesentlichen Signalweg der Zellproliferation im MAPK-Signalweg (mitogen-activated protein kinase), und in deren regulatorischen Proteinen (duale specificity protein tyrosin phosphatasen DUSP5, sucrose nonfermenting-related kinase SNRK1) werden von Pramanik et al. beschrieben (Pramanik et al. 2009). BRAF-Mutationen als Driver-Mutation und vereinzelt RAS-Mutationen (NRAS, KRAS, HRAS) scheinen in der Entstehung des Granuloma pyogenicum wesentlich zu sein (Groesser et al. 2016). Jinnin et al. beschreiben in einem Teil der Kinder mit infantilen Hämangiomen Missense-Mutationen der Gene für VEGFR2 (vascular endothelial growth factor receptor 2/KDR) und TEM8 (tumor endothelial marker 7/ANTXR1) (Jinnin et al. 2008). Essentielle Mutationen in anderen benignen Gefäßtumoren wie dem seltenen Anastomosierenden Hämangiom finden sich in den Genen der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren GNA11, GNAQ und GNA14 (Liau et al. 2020).

Klinischer Verlauf

Infantile Hämangiome zeigen eine charakteristische Proliferations- bzw. Regressionsdynamik. Bereits zur Geburt können rötliche, abgeblasste oder livide Makulae oder Teleangiektasien als Vorläuferläsion imponieren und mit einer Latenzphase von 1–3 Wochen proliferieren (Wildgruber et al. 2019). Abhängig von der Lokalisation erfolgt eine Einteilung in oberflächliche (cutane), tiefe (subcutane) oder gemischte (cutane/subcutane) infantile Hämangiome. Tiefe infantile Hämangiome werden häufig erst im Laufe des frühen Säuglingsalters mit 2–3 Monaten oder später wahrgenommen und können als bläulich-livide Schwellung imponieren. Vor allem innerhalb der ersten 3 Lebensmonate kommt es zu einer deutlichen Größenzunahme mit teils exo- und/oder endophytischem Wachstum bis hin zum 9. Lebensmonat. Bereits 80 % des Größenwachstums ist am Ende des 3. Lebensmonats vollendet. Selten kommt es v. a. bei tiefen infantilen Hämangiomen zu einer Größenzunahme bis hin zum 24. Lebensmonat. Nach einer variablen Übergangsphase kommt es zu einer Involution bis hin zum 8. Lebensjahr, wobei 90 % der infantilen Hämangiome bis zum 4. Lebensjahr ihre Regression bereits abgeschlossen haben. In 70 % der infantilen Hämangiome verbleiben nach abgeschlossener Involution Restbefunde der Haut, wie abgeblasste Teleangiektasien, eine Cutis laxa oder eine fibroadipöse Bindegewebsvermehrung (Léauté-Labrèze et al. 2017). Dies betrifft v. a. sehr große, ulzerierte und subcuctan lokalisierte infantile Hämangiome. Mit rund 53 % sind die meisten infantilen Hämangiome am Stamm, 35 % an den Extremitäten und 12 % im Kopf-Halsbereich lokalisiert (Munden et al. 2014). In über 90 % kommen infantile Hämangiome lokalisiert und fokal vor. Definitionsgemäß spricht man von multifokalen infantilen Hämangiomen ab ≥5 cutan und/oder subcutanen infantilen Hämangiomen. Eine prospektive Studie aus den USA, Spanien und Kanada zeigte, dass Säuglinge mit ≥ 5 infantilen Hämangiomen in bis zu 16 % der Fälle ein signifikant höheres Risiko für hepatische Hämangiome haben (Horii et al. 2011). Eine Sonderform nehmen segmentale infantile Hämangiome ein. Die Lokalisation und segmentale Ausbreitung im Gesichtsbereich (Abb. 2) und dort v. a. frontotemporal und mandibulär, lumbosakral und seltener am Stamm oder den oberen Extremitäten sollte an das Vorliegen assoziierter Fehlbildungen denken lassen, welche mit den Akronymen PHACE(S)-Syndrom (Posterior fossa malformation, Hemangioma, Arterial anomalies, Cardiovascular anomalies, Eye anomalies, Sternal clefting und/oder supraumbilical raphe) und LUMBAR- (SACRAL-, PELVIS-) Syndrom (Lower body hemangioma, Urogenital anomalies/Ulceration, Myelopathy, Bony deformities, Anorectal malformations/Arterial anomalies, Renal anomalies) zusammengefasst werden. Metry et al. publizierten 2009 in Pediatrics aktuelle diagnostische Kriterien für die Diagnose eines PHACE(S)-Syndroms (Hämangiom >5 cm im Kopf-/Halsbereich + 1 Majorkriterium; Mögliches PHACE(S) Syndrom: Hämangiom >5 cm im Kopf-/Halsbereich + 1 Minorkriterium, Tab. 1).
Tab. 1
Major-/Minorkriterien zur Diagnosestellung des PHACE(S)-Syndroms
Majorkriterien:
Minorkriterien
Anomalie cerebraler arterieller Gefäße
Dysplasie großer cerebraler Arterien
Arterielle Stenosen/Okklusionen mit/ohne Moyamoya-Kollateralen
Fehlen oder schwere Hypoplasie großer cerebraler Arterien
Sakkuläre Aneurysmen cerebraler Arterien
Anomalien der Fossa posterior
Dandy-Walker Malformation mit uni-/bilateraler cerebellärer Hypoplasie/Dysplasie
Aortenbogenanomalien
Koarktation der Aorta
Aneurysmen
Aberrante A. subclavia
Anomalien des hinteren Augenabschnittes
Persistierende fetale Vaskularisierung
Retinale Gefäßanomalien
Morning glory disc-Anomalie
Hypoplasie des N. opticus
Kolobom
Peripapilläre Staphylome
Sternumdefekt
Supraumiblicale Raphe
Sternumspalte
Persistenz embryonaler arterieller Gefäße (außer Trigeminal Arterien)
Proatlantale intersegmentale Arterien (Typ 1 und 2)
Primitive A. hypoglossica
Persistierende A. otica
Extraaxiale Läsionen mit Ähnlichkeit zu intrakraniellen Hämangiomen
Mittelliniendefekte (Agenesie/Dysgenesie des C. callosum, Agenesie des S. pellucidum, Malformation/Ektopie der Hypophyse)
Neuronale Migrationsstörung (Polymikrogyrie, kortikale Dysplasie, Heterotopie der grauen Substanz)
Ventrikelseptumdefekt
Rechtsaortenbogen
Anomalien des vorderen Augenabschnittes
Katarakt
Kolobom
Mikrophthalmus
Sklerocornea
Hypopituitarismus
Ektope Schilddrüse

Diagnose

Für die Diagnose eines infantilen Hämangioms bedarf es meist nur der Anamnese mit dem charakteristischen Wachstum-/Regressionsverhalten mit Größenprogression/Farbintensivierung postnatal und Abblassen bzw. Regression am Ende des 1. oder zu Beginn des 2. Lebensjahres und der klinischen Untersuchung.
Neben der Inspektion, Palpation und ggf. Auskultation des infantilen Hämangioms sollte ein allgemeiner pädiatrischer Untersuchungsstatus erfolgen. Schwierig kann manchmal die Beurteilung von Vorläuferläsionen in der Neonatalperiode sein, da häufig erst im Verlauf mit größenprogredientem Wachstum die Abgrenzung zum Nävus simplex, zu kongenitalen Hämangiomen oder auch kapillären Malformationen gelingt. In diesen Situationen sollten kurzfristige klinische Verlaufskontrollen im Abstand von einer Woche pro Lebensmonat des Kindes erfolgen. Eine Fotodokumentation und die Bestimmung der Größenausdehnung sollten immer durchgeführt werden. Die Indikation zu einer weiterführenden Diagnostik ist abhängig von der Lokalisation, der Anzahl, der Größenausdehnung der infantilen Hämangiome und ggf. weiterer klinischer Auffälligkeiten. So sollte ein infantiles Hämangiom im Kinn- und vorderen Halsbereich mit begleitendem inspiratorischem Stridor an das Vorliegen eines intratrachealen, supra-/subglottischen infantilen Hämangioms denken lassen. Einen besonderen Stellenwert in der Diagnostik nimmt die Sonografie ein, mit welcher sich nicht invasiv und in Abhängigkeit von der Erfahrung des Untersuchers v. a. subcutane infantile Hämangiome gut von anderen Raumforderungen abgrenzen lassen (Abb. 34 und 5). Im B-Bild stellen sich infantile Hämangiome sonografisch als gut abgrenzbare Raumforderungen mit variabler Echogenität dar. In der Proliferationsphase lässt sich in der farbkodierten Duplexsonografie eine hohe Vaskularisierung und eine charakteristisch gesteigerte Perfusion darstellen. Auch die Darstellung subglottischer infantiler Hämangiome kann sonografisch gut gelingen und die Diagnose bei inspiratorischem Stridor sichern (Abb. 6 und 7). Bei multifokalen infantilen Hämangiomen sollte eine Sonografie des Schädels und des Abdomens zum Ausschluss einer extrakutanen Beteiligung erfolgen (AWMF-Leitlinie Infantile Hämangiome im Säuglings- und Kleinkindesalter 2020). Bei segmentalen infantilen Hämangiomen im Lumbosakralbereich ist eine Sonografie der Lumbosakralregion und der Nieren/ableitenden Harnwege angezeigt. Beim Verdacht eines PHACE(S)-Syndroms mit segmentalen infantilen Hämangiomen im Gesichtsbereich (Abb. 2) sollten eine Echokardiografie, eine augenärztliche Mitbeurteilung und eine Schädel MRT erfolgen. Auch augennahe infantile Hämangiome (Abb. 3) mit Gefahr der Amblyopieentstehung bedürfen einer augenärztlichen Vorstellung. Bei großen (>1 % der KOF) und multifokalen infantilen Hämangiomen sollte neben einer Echokardiografie die Bestimmung von TSH, fT3 und fT4 im Serum erfolgen. Durch eine gesteigerte Expression der Typ 3-Iodothyronin Deiodinase kommt es durch Deiodinierung und Inaktivierung von Thyroxin (T4) zu reverse Triiodthyronin (rT3) und von Triiodthyronin (T3) in 3,3'-Diiodthyronin (T2) zu einer sekundären Hypothyreose. Eine histologische Sicherung ist nur bei klinisch und bildmorphologisch nicht sicher zuzuordnender Raumforderung indiziert.

Hepatische Hämangiome

Hepatische Hämangiome sind benigne vaskuläre Neoplasien des Kindesalters. In Abhängigkeit ihrer klinischen, bildgebenden und biologischen Eigenschaften publizierten Ann M. Kulungowski et al. 2012 eine Klassifikation hepatischer Hämangiome in fokal, multifokal und diffus. Fokale hepatische Hämangiome gleichen in ihren Eigenschaften kongenitalen Hämangiomen mit schneller (RICH) oder ausbleibender Involution (NICH). Eine Proliferation erfolgt pränatal, so dass 30 % der fokalen hepatischen Hämangiome bereits pränatal detektiert werden. Postnatal erfolgt keine Größenzunahme. Begleitende cutane Hämangiome werden nur in 15 % gesehen. Eine GLUT-1-Expression lässt sich immunhistochemisch nicht nachweisen. In einigen Fällen wird eine leichte Thrombozytopenie und Anämie aufgrund einer intraläsionellen Thrombose beschrieben. Sonomorphologisch (Abb. 891011 und 12) stellt sich eine inhomogene Raumforderung mit farbdopplersonografisch deutlich gesteigerter Perfusion dar. In der kontrastmittelgestützten Sonografie (CEUS) zeigen hepatische Hämangiome eine charakteristische hyperkontrastierte zentripedale Anflutung des applizierten Kontrastmittels. Ein Abdomen MRT mit Kontrastmittel kann die Diagnostik zum Ausschluss anderer hepatischer Raumforderungen ergänzen. In einigen Fällen wird eine schnelle Involution (RICH) gesehen, so dass sich sonografisch im Verlauf oft eine residuelle Verkalkung darstellen lässt. Komplizierend kann es aufgrund arteriovenöser oder portovenöser Shunts zu einem Steal-Phänomen mit Zeichen der Herzinsuffizienz kommen. Für asymptomatische Verläufe ist ein watch and wait mit regelmäßigen sonografischen Verlaufskontrollen vertretbar. Der Nutzen einer medikamentösen Therapie ist nicht evaluiert und gesichert, wird aber oft bei guter Verträglichkeit (Propranolol) als Therapieversuch durchgeführt. Eine Embolisation symptomatischer Shunts mit Partikeln oder Ethylen-Vinyl-Alkohol-Kopolymer ist erfahrenen Zentren vorbehalten (www.compgefa.de).
Multifokale und diffuse hepatische Hämangiome sind infantile Hämangiome.
Alle multifokalen und diffusen hepatischen Hämangiome exprimieren GLUT-1, was ihre biologische Diversität zu den fokalen hepatischen Hämangiomen belegt (Tab. 2). Ähnlich dem Verlauf cutaner infantiler Hämangiome sind multifokale und diffuse hepatische Hämangiome bei Geburt nicht vollständig ausgebildet und proliferieren postnatal innerhalb der ersten 12 Lebensmonate mit nachfolgender Involution zwischen dem 1.–5. Lebensjahr. Alle infantilen Hämangiome zeigen eine gesteigerte Expression der Typ 3-Iodothyronin Deiodinase, welche mit einer sekundären Hypothyreose einhergehen kann. Asymptomatische Verläufe können per watch and wait sonografisch verlaufskontrolliert werden. Symptomatische Verläufe mit Hypothyreose, großem Shuntvolumen mit Herzinsuffizienz, Kompression der V. cava inferior oder, der Vv. renales sollten medikamentös (Propranolol) behandelt werden. Ein abdominelles Kompartmentsyndrom mit respiratorischer Insuffizienz und/oder Multiorganversagen oder Inflammationsreaktionen sind als schwere Komplikation in einzelnen Fällen beschrieben.
Tab. 2
Übersicht der Einteilung und Eigenschaften hepatischer Hämangiome
 
Fokal
Multifokal
diffus
Pränatale Diagnose
30 %
-
-
Cutane Hämangiome
15 %
77 %
53 %
GLUT1-Expression
-
100 %
100 %
Hypothyreose
-
21 %
100 %
Kardiomegalie
22 %
17 %
64 %
Arteriovenöser/portovenöser Shunt
38 %
16 %
56 %
Herzinsuffizienz
27 %
18 %
56 %

Therapie

Die Mehrzahl der infantilen Hämangiome bedürfen keiner Therapie. Eine Therapieindikation besteht bei 10–15 % der Säuglinge mit infantilem Hämangiom. In diesen Situationen ist ein frühzeitiger Therapiebeginn in der Proliferationsphase essenziell. Im klinischen Alltag ist die Fragestellung, ob und wann sich Säuglinge in einer spezialisierten Ambulanz vorstellen sollen, jedoch nicht immer bewusst. Als Hilfe für die Überweisung von Kindern mit infantilen Hämangiomen in eine Spezialambulanz ist 2020 in Pediatrics der Infantile Hämangiom Referral Score (IHReS) vorgeschlagen worden (Léauté-Labrèze et al. 2020). Dieser umfasst einen zweigeteilten Fragebogen (Tab. 3). Mit einer guten Sensitivität (97 %) und einer mäßigen Spezifität (55 %) stellt er ein gutes Screening-Tool für die frühzeitige Überweisung therapiebedürftiger Kinder in eine spezialisierte Ambulanz dar (Tab. 4).
Tab. 3
Teil 1 des IHReS-Fragebogens. Falls 1 Frage mit „Ja“ beantwortet wird, besteht die Indikation zur Überweisung in eine Spezialambulanz
Komplikationen oder Risiken für einen komplizierten Verlauf (Ulzeration, Visuseinschränkung, Ernährungschwierigkeiten, Stridor)
Ja/Nein
Zentraler Gesichtsbereich und/oder Ohren
Ja/Nein
Weibliche Brust
Ja/Nein
Mittlerer Lumbosakralbereich
Ja/Nein
Größe ≥4 cm (fokal oder segmental)
Ja/Nein
≥5 Hämangiome
Ja/Nein
Tab. 4
Teil 2 des IHReS-Fragebogens. Falls Score ≥4 Punkte, besteht die Indikation zur Überweisung in eine Spezialambulanz. Bei Score <4 Punkte sollte das Kind bei jeder Vorstellung erneut evaluiert werden
Parameter
Items
  
Score
Lokalisation des Hämangioms
Anderer Gesichtsbereich als die bereits aufgeführten
Nacken, Windelbereich, Kopfhaut
Ja/Nein
Ja/Nein
Ja: 3 Punkte (Nein: 0 Punkte)
Ja: 2 Punkte (Nein: 0 Punkte)
3/2/0
Größe des größten Hämangioms
≥1 cm an anderen Gesichtsbereichen als die bereits aufgeführten
2–4 cm an anderen Körperstellen als den bereits aufgeführten
Ja/Nein
Ja/Nein
Ja: 3 Punkte (Nein: 0 Punkte)
Ja: 2 Punkte (Nein: 0 Punkte)
3/2/0
Aktuelles Alter und Wachstum des Hämangioms
Alter <2 Monaten
Alter ≥2 und ≤4 Monate mit nachweisbarem Wachstum innerhalb der letzten 2 Wochen
Ja/Nein
Ja/Nein
Ja: 3 Punkte (Nein: 0 Punkte)
Ja: 2 Punkte (Nein: 0 Punkte)
3/2/0
Der Goldstandard ist eine medikamentöse Therapie mit dem nicht selektiven ß-Blocker Propranolol in einer Dosis von 2–3 mg/kgKG/d (Abb. 13 und 14). Die europäische Arzneimittelbehörde (EMA) und die Food and Drug Association (FDA) haben 2014 Propranolol für die Therapie des proliferierenden infantilen Hämangioms für Säuglinge im Alter von 5 Lebenswochen bis 5 Lebensmonate zugelassen. Ausführliche Anwendungshinweise von Propranolol gibt die aktuell S2K-AWMF-Leitlinie Infantile Hämangiome im Säuglings- und Kleinkindesalter von 10/2020. Propranolol sollte über mindestens 6 Monate angewendet werden. Pharmakodynamisch scheinen ß-Blocker über eine Vaskonstriktion, die Hemmung der Angiogenese (Abnahme der Konzentration von VEGF- und des Fibroblasten-Wachtsumsfaktors-2 [FGF-2]), die Induktion der Apopotose proliferierender Endothelzellen und eine Modulation des Renin-Angiotensin-Signalweges (RAS) die Rückbildung infantiler Hämangiome zu induzieren. Auch Acebutolol, ein selektiver β1-Blocker in Dosis von 8–10 mg/kgKG/d zeigt ca. 1 Monat nach Therapiebeginn ein Ansprechen. Atenolol (1 mg/kgKG/d) ist ein kardio-selektiver ß-Blocker und könnte eine Alternative für Propranolol darstellen, da er das Risiko respiratorischer Komplikationen (Bronchokonstriktion) reduzieren könnte. Nadolol (0,5–4 mg/kgKG/d) als synthetischer nicht-selektiver ß-Blocker ist nicht liquorgängig und könnte das Auftreten von Schlafstörungen unter Propranolol reduzieren. Für kleine oberflächliche infantile Hämangiome ist die lokale Anwendung von Timololgel (Herstellung aus 0,5 % Timolol-Augentropfen) sicher und gut geeignet (Abb. 15 und 16). Ob andere ß-Blocker klinisch relevante Vorteile gegenüber Propranolol haben, kann aktuell nicht sicher beurteilt werden. Beachtet werden sollte auf jeden Fall die Aufklärung der Eltern zum off-label-use dieser Medikamente. Eine Kortikosteroid-Therapie (Prednisolon 2 mg/kgKG) ist für lebensbedrohliche infantile Hämangiome mit Trachealkompression oder  bei komplizierten hepatischen Hämangiomen zu erwägen, sollte aber darüberhinaus nicht mehr zum Einsatz kommen (Krowchuk et al. 2019). Eine Kryotherapie ist eine Alternative für kleine (bis 1 cm Durchmesser) infantile Hämangiome mit einer Tiefenausbreitung von max. 3–4 mm. In 10–15 % der Anwendung ist eine Hypopigmentierung in den behandelten Hautarealen zu sehen. Eine Farbstofflasertherapie (FPDL = flashlamp pulsed Dye Laser) ist für die Behandlung von residuellen Läsionen nach Abschluss der Involution nach dem 4. Lebensjahr möglich. Eine Nd:YAG-Laser-Therapie in Narkose ist aufgrund der größeren Eindringtiefe im Vergleich zur Farbstofflasertherapie für subcutane infantile Hämangiome bei fehlendem Ansprechen auf eine Propranololtherapie in Abwägung des allgemeinen Narkoserisikos möglich. Eine operative Therapie ist nur bei lebensbedrohlichen Komplikationen oder nach abgeschlossener Involution zur kosmetischen Behandlung residueller Hämangiomanteile zu erwägen.

Kongenitales Hämangiom

Im Vergleich mit infantilen Hämangiomen sind kongenitale Hämangiome nach Geburt bereits voll ausgebildet und zeigen postnatal keine Gefäßproliferation. Der klinische Phänotyp kann dem des infantilen Hämangioms ähnlich sein. Abhängig vom Verlauf differenziert man zwischen schnell involutierenden kongenitalen Hämangiomen (rapidly involuting congenital hemangioma = RICH), nicht-involutierenden kongenitalen Hämangiomen (non-involuting congenital hemangioma = NICH) und nur partiell involutierenden Hämangiomen (partial involuting congenital hemangioma = PICH). Schnell involutierende kongenitale Hämangiome sind häufig innerhalb der ersten 14 Lebensmonate regredient. Immunhistochemisch unterscheiden sich die kongenitalen Hämangiome von den infantilen Hämangiomen u. a. durch die fehlende Expression von GLUT-1 (Amouri et al. 2017).
Eine Propranololtherapie bei kongenitalen Hämangiomen ist nicht wirksam und daher nicht indiziert.

Granuloma pyogenicum

Das Granuloma pyogenicum ist ein solitärer, rötlicher Nodus der Haut bzw. Schleimhaut. Die Bezeichnung „pyogenicum“ ließ früher vermuten, dass das Granuloma pyogenicum als granulomatöse Reaktion im Rahmen einer Infektion auftrat (Sarwal und Lapumnuaypol 2021). Die Entstehung des Granuloma pyogenicums wird mit verschiedenen Triggerfaktoren assoziiert, wie Mikrotraumen oder einer hormonellen Stimulation (u. a. Östrogene) beim Granuloma gravidarum im 1. Trimenom der Schwangerschaft mit Befall der Gingiva. Eine Assoziation scheint auch zu chronischen Hauterkrankungen (atopische Dermatitis, Psoriasis) und Medikamenten (topische/systemische Retinoide, Pyrimidinanaloga, Tyrosin-Kinase-Inhibitoren, BRAF-Inhibitoren, mTOR-Inhibitoren, TNF-alpha-Antagonisten, Taxane, EGFR-Inhibitoren, G-CSF, Cyclosporin A) zu bestehen. Pathophysiologisch liegt dem Granuloma pyogenicum ebenfalls eine Dysbalance pro- und antiangiogenetischer Faktoren zugrunde, die innerhalb weniger Wochen bis Monate zu einer schnellen Kapillarproliferation führen. In einer pädiatrischen Kohorte der John Hopkins University School of Medicine, Baltimore (USA), lag das durchschnittliche Manifestationsalter zwischen 6–10 Jahren (Pagliai und Cohen 2004). Im Erwachsenenalter wird ein gehäuftes Auftreten vor dem 40. Lebensjahr beschrieben. Prädilektionsstellen im Kindesalter sind die Kopf-/Halsregion, gefolgt vom Stamm und den Extremitäten. Selten manifestiert sich das Granuloma pyogenicum auch sub-/periungual und an der Mukosa von Gingiva, Cervix uteri, Vagina, Konjunktiva oder auch des Gastrointestinaltraktes. Auch intravaskuläre Lokalisationen als subcutanes Granuloma pyogenicum sind beschrieben. Die Größe der einzelnen Knoten variiert zwischen wenigen Millimetern bis hin zu einigen Zentimetern. Häufig kommt es aufgrund kleinerer Traumata zu Ulzerationen und Blutungen. Ein etablierter Therapiestandard zur Behandlung des GP besteht aktuell nicht. Vor allem bei Ulzeration und rezidivierenden Blutungen erfolgt meist eine chirurgische Resektion zur histologischen Aufarbeitung, welche bei vollständiger Resektion mit einem niedrigen Rezidivrisiko verbunden ist. Im pädiatrischen Setting ist der Einsatz von topischen Betablockern (Propranolol 1 %, Timololgel 0,5 %) eine mögliche Therapiealternative (Sollena et al. 2019). Eine maligne Entartungstendenz besteht nicht.

Tufted Angioma

Das Tufted Angioma ist ein seltener, langsam proliferierender benigner vaskulärer Tumor der Haut oder des subcutanen Fettgewebes mit Lokalisation meist im Kopf-Halsbereich, des Oberkörpers und der oberen Extremitäten (Häußler et al. 2017). Klinisch zeigt sich eine erythematöse, bläulich-livide Makula, Papel oder auch Plaque. Das Tufted Angioma kommt meist im Säuglingsalter bis hin zur früher Adoleszenz vor. In einigen Fallberichten wird eine Hyperhidrose oder auch Hypertrichose beschrieben. Meist zeigt sich ein unkomplizierter Verlauf. Es gibt jedoch auch Verlaufsformen mit einer chronischen Koagulopathie ohne Thrombozytopenie oder auch mit einem Kasabach-Merritt-Phänomen, einer Verbrauchskoagulopathie mit Entwicklung einer Thrombozytopenie. Selten kommt es zu einer spontanen Regression (Victoria Martínez et al. 2015). Ein watchful waiting ist für unkomplizierte Verläufe möglich. Bei schnell progredientem, schmerzhaftem Verlauf oder Blutungszeichen sollte ein Differentialblutbild und eine globale Gerinnungsdiagnostik zum Ausschluss eines Kasabach-Merritt-Phänomens erfolgen. Histologisch zeigen sich multiple zelluläre Lobuli mit konzentrischer Aggregation endothelialer Zellen um einen Gefäßplexus mit immunhistochemischem Nachweis von endothelialen Zellmarkern (CD31, CD34, WT1, glattmuskuläres Aktin) (Silva et al. 2017). Für ein kleines Tufted Angioma kann eine chirurgische Resektion erwogen werden. Medikamentöse Therapie mit Glukokortikoiden, Interferon alpha, Vincristin oder Propranolol zeigen ein sehr unterschiedliches Ansprechen. Eine Therapieoption stellt Acetylsalicylsäure (3–5 mg/kgKG/d) dar.

Spindelzellhämangiom

Spindelzellhämangiome sind seltene, langsam wachsende, meist im Kindes- und frühen Erwachsenenalter auftretende benigne vaskuläre Neoplasien. Klinisch imponiert das Spindezellhämangiom als ein wenige Millimeter bis Zentimeter großer cutaner oder subcutaner rötlich-livider Nodus mit Lokalisation an den Extremitäten, am Stamm und im Kopf-Halsbereich. Eine lokale Resektion führt in 50 bis 60 % der Fälle zu einem lokalen Rezidiv, annehmbar durch eine intravaskuläre Ausbreitung. Histologisch charakterisiert sind Spindelzellhämangiome durch kavernöse Blutgefäße und an ein Kaposi-Sarkom erinnernde Spindelzellen. Assoziationen bestehen zum Maffucci-Syndrom, Klippel-Trénaunay-Syndrom, kongenitalen Lymphödemen und vaskulären Malformationen (www.compgefa.de).
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