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Klinische Angiologie
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Publiziert am: 14.01.2023

Chirurgische Behandlungsverfahren bei Erkrankungen des Lymphgefäßsystems

Verfasst von: Gunther Felmerer
Operative Eingriffe beim Lymphödem sind nicht kontraindiziert, sondern in vielen Fällen hilfreich und in Ergänzung zur konservativen Therapie zu sehen.
Mikrochirurgische Eingriffe (Lymphgefäßtransplantation, Lymphknotentransplantation und Lymphovenöse Shunts) eignen sich insbesondere für sekundäre Lymphödeme. Gerade beim Armlymphödem können hier sehr gute Ergebnisse erzielt werden.
Resektionsverfahren bleiben Fällen des Lymphödems Stadium III mit elephantiastischen Hautveränderungen vorbehalten. Eine perioperative Entstauungstherapie ist bei Resektionsverfahren allerdings zwingend erforderlich.

Einleitung

Operative Korrekturen können bei einem chronischen Lymphödem eine deutliche Verbesserung des Zustands des Patienten bringen. Eine vollständige Heilung des Lymphödems ist durch einen chirurgischen Eingriff aktuell noch nicht möglich, jedoch kann ein Lymphödem durch einen rekonstruktiv mikrochirurgischen Eingriff in ein Latenzstadium zurückgeführt werden. Das heißt, auch nach erfolgreich durchgeführtem lymphchirurgischem Eingriff müssen wie vorher Vorsichtsmaßnahmen wie Vermeidung von Überlastung der Extremität und sofortige Behandlung bei Infekt durchgeführt werden. Auch nach einem Resektionsverfahren mit Entfernung von störenden Hautfalten und Hautveränderungen kommt es nicht zu einem Verschwinden des Lymphödems. Das Tragen der Kompressionsbestrumpfung und in vielen Fällen die Fortführung der manuellen Lymphdrainage ist auch nach lymphchirurgischen Eingriffen in der Regel weiterhin notwendig, insbesondere im Bereich der unteren Extremität. Die Einteilung der lymphchirurgischen Interventionen erfolgt nach rekonstruktiven Verfahren und ableitenden Verfahren (derivative Verfahren: Lymphovenöse Shunt-Anlage) und Resektionsverfahren (zur Entfernung von elephantiastischem, überschüssigem Gewebe).

Indikationen für einen lymphchirurgischen Eingriff

Zunächst muss der Patient narkosefähig sein, da es sich um einen elektiven Eingriff zur Verbesserung des Zustandes handelt. Eine zwingende Operationsindikation ist nur bei phlegmonösen Entzündungen mit drohender Sepsis gegeben oder bei drohendem Verlust der Extremität. Die Indikation sollte streng durch den Operateur in enger Abstimmung mit dem konservativen Behandler gestellt werden, da insbesondere in vielen leichteren Fällen die Möglichkeit besteht den Patienten erfolgreich konservativ zu behandeln. Für einen derivativen oder rekonstruktiven Eingriff ist eine lokale Lymphabflussstörung meist die Indikation. Das heißt, an einer Stelle der Extremität, meist an den Lymphknotenstationen von Leiste oder Axilla, besteht ein Abflusshindernis oder eine Leitungsunterbrechung. Diese kann dann durch einen mikrochirurgischen Eingriff überbrückt oder umgeleitet werden (Abb. 1).
Für diffuse Lymphabflussstörungen, insbesondere bei primären Lymphödemen, eignet sich ein mikrochirurgisch ableitendes oder rekonstruktives Verfahren nicht, da das Lymphgefäß auf großer Strecke gestört ist und ganze Funktionssysteme, wie zum Beispiel das Klappensystem der Lymphbahnen fehlgebildet oder gestört sind. Gleiches gilt für das Vorliegen von parasitären Infekten, zum Beispiel bei Filariasis.
Filariasis ist nach wie vor weltweit die häufigste Ursache für ein chronisches Beinlymphödem. Daher sollten solche Patienten lediglich durch Resektionsverfahren behandelt werden, wenn dies notwendig ist. Der Entscheidungsbaum in Abb. 1 zeigt ein systematisches Vorgehen je nach Befund und nach Lage der Lymphknoten. Die Konservative Therapie verbleibt als wichtige Option bei Kontraindikation der Operation.

Medizinischer Hintergrund

Nach chirurgischen Eingriffen entstehen isolierte Blockaden des Lymphabflusses im Becken, der Axilla oder im Leistenbereich. Wichtig ist hierbei im Beckenbereich die Unterteilung von den externen Lymphknoten, die entfernt wurden, oder von den internen Beckenlymphknoten nodi lymphatici interni. Externe Leistenlymphknoten, zum Beispiel nach Lymphknotenausräumung beim malignen Melanom der Beine oder bei Plattenepithelkarzinom der Vulva oder der Haut des Oberschenkels hinterlassen nach der Leistenlymphknotenausräumung gut zugängliche Defekte der externen Leistenregion. Diese können zum Beispiel durch Lymphknotentransplantationen gut ersetzt werden, insbesondere kann hier auch die störende Narbe, auch nach einer Bestrahlung, entfernt werden und durch gut durchblutetes körpereigenes Gewebe ersetzt werden. Nach Entfernung der internen Leistenlymphknoten, zum Beispiel beim Cervix- oder Uteruskarzinom mit zusätzlicher Entfernung der paraaortalen Lymphknoten und ausgedehnter Lymphknotenausräumung im Becken, ist aktuell eine Überbrückung nicht möglich. Oft handelt es sich hierbei auch noch um ein bestrahltes intraabdominelles OP-Feld. Langstreckige Transplantate bzw. ausgedehnte Lymphknotentransplantationen wären hier erforderlich. Körpereigenes Spendermaterial steht hier in diesem Ausmaß nicht zur Verfügung.
Durch resezierende Verfahren mit Entfernung von Haut- und Subkutangewebe bei ausgeprägten Lymphödemen Stadium III (mit Elephantiasis) kann die Form korrigiert werden und nach Entstauung wird die lymphpflichtige Last deutlich reduziert. Hierbei werden ebenfalls störende, nässende Zysten und Hyperkeratosen entfernt.

Kontraindikationen

Minimalabflussstörungen, die vom Patienten als wenig störend empfunden werden, sollten nicht prophylaktisch durch lymphchirurgische Eingriffe therapiert werden, da auch ein geringes Operationsrisiko besteht. Bei Infekt oder Misslingen der Operation kann es zu einer Verschlechterung des Minimalbefundes kommen und ein manifestes störendes Lymphödem entstehen. Prophylaktische Eingriffe nach einer Axilladissektion sollten ebenfalls nicht durchgeführt werden, da es nur zu einem geringen Prozentsatz bei Patienten nach Achsellymphknotenentfernung zur Ausprägung eines Lymphödems kommt und durch den prophylaktischen Operationsanteil eine deutlich erhöhte OP-Zeit resultiert mit einem erhöhten Narkoserisiko und einem erhöhten Risiko für weitere Komplikationen. Es gilt das chirurgische Prinzip: primum nihil nocere (keinen Schaden zufügen).

Operative Verfahren

Lymphovenöse Shunts (ableitendes Verfahren, derivatives Verfahren)

An den Extremitäten können über kleine Schnitte geeignete Lymphbahnen nach Färbung mit Patentblaulösung oder mit Indocyanin-Fluoreszenzfarbstoff, durch die Haut durchscheinend, aufgefunden werden. Diese Lymphbahnen werden mit mikrochirurgischem Instrumentarium präpariert unter Verwendung eines Operationsmikroskops und an geeignete Venen angeschlossen werden. Diese Verfahren sind besonderes patientenschonend, da der Eingriff lediglich knapp unterhalb der Haut stattfindet und über kleine Schnitte mit minimalem Blutverlust durchgeführt wird. Die Patienten können postoperativ schnell mobilisiert werden, die Wundheilung ist fast immer per primam (Klingelhoefer et al. 2019). Der Eingriff kann überdies nach ca. sechs bis zwölf Monaten an anderer Stelle der Extremität wiederholt werden. In der Regel werden zwei bis sechs lymphovenöse Shunts pro Operation angelegt. Die Hauptindikation sind Beinlymphödeme nach Ausräumung der tiefen Beckenlymphknoten, wenn eine Lymphknotentransplantation keine Erfolgsaussicht hat oder nach Durchführung von Lymphknotentransplantationen zur Verbesserung des peripheren Abflusses.
Relative Kontraindikation: Varizen der unteren Extremität.
Planung und Durchführung der Operation: Intrakutan wird Patentblaulösung zwischen dem zweiten und dritten Zehenzwischenraum bzw. zweiten und dritten Fingerraum gespritzt. Nach kurzer Zeit (meist ca. 10 min) wird dann am Punktum maximum des Ödems ein Hautschnitt durchgeführt und dort das Lymphgefäß und die passende Vene aufgesucht. Diese werden dann durchtrennt und unter dem Mikroskop verbunden. Idealerweise sollte dann die Lymphflüssigkeit in die Vene einströmen. Eine vor einigen Jahren postulierte Stromumkehr mit Verschluss der lymphovenösen Anastomosen nach einiger Zeit nach Umkehr der Druckgradienten vom Lymphgefäß in die Vene, hat sich von der Forschung her nicht bestätigt. Die Lymphkollektoren haben eine aktive Pumpfunktion und können den Druckgradient in der Vene auch im Stehen überwinden. Lymphovenöse Shunts können aus anderen Ursachen im Laufe der Zeit verschließen, zum Beispiel durch Druck durch Fibrosen oder durch narbige Verschlüsse. Der große Vorteil der Operation ist die minimale Patientenbelastung, vergleichbar mit einer Varizen-Seitenastexhairese.
Die Nachteile der Operation sind einmal die begrenzte Wirksamkeit, in der Regel wird es handtellerbreit um die Anastomose zu einer Abflussverbesserung kommen, weiterhin ist der Eingriff technisch sehr aufwändig und langwierig, er fordert spezielle supermikrochirurgische Kenntnisse.

Lymphgefäßtransplantationen

Bei der Lymphgefäßtransplantation können zwei bis drei Lymphgefäße von einem gesunden Spenderbein des Patienten entnommen werden und diese können zur Überbrückung in der Leiste als Crossover-Bypass (s. Abb. 2) oder in der Axilla als einfacher Bypass verwendet werden (Felmerer et al. 2012b).
Planung und Durchführung: An der Innenseite des Oberschenkels wird über einen ca. 30 cm langen Schnitt nach vorheriger Anfärbung der Lymphbahnen im ersten und zweiten Zwischenzehenraum sehr sorgfältig im Fettgewebe präpariert und zwei bis drei Lymphbahnen werden entnommen. Diese werden nach Tunnelierung oberhalb der Symphyse auf die Gegenseite beim Bein herübergezogen und dort angeschlossen. Somit kann die Lymphflüssigkeit vom Ödembein über die Symphyse über die transplantierten Lymphgefäße zur gesunden Seite fließen. Beim Armlymphödem werden die zwei Transplantate komplett abgetrennt von den Lymphknoten des gesunden Beins, hier wird ein Tunnel an der Innenseite des Oberarms bis zum Hals subkutan gebildet. Die Lymphgefäße werden hier hineingezogen und als Überbrückung der Axilla verwendet. Somit fließt die Lymphe von der Innenseite des Oberarms zu den zervikalen Lymphknoten unter Umgehung der Axilla. Die Vorteile der Operation sind durch eine sehr gute Datenlage belegt. Es handelt sich hierbei um ein bewährtes Verfahren mit einer guten Wirksamkeit, insbesondere bei Armlymphödemen und bei Ödemen des Oberschenkels. Nachteilig ist die lange Narbe an der Oberschenkelinnenseite und das theoretische Risiko einer Lymphabflussstörung am Spenderbein, welches jedoch statistisch nicht belegt ist.

Lymphknotentransplantation

Bei einer Lymphknotentransplantation werden von einer Spenderstelle, welche nicht ödematös ist, Lymphknotenpakete mit Arterie und Vene entnommen, sie werden zur lymphödematösen Extremität gebracht, zum Beispiel zur Axilla und zur Leiste und dort an die Empfängerstelle angeschlossen. Die Abb. 3 zeigt schematisch Entnahmestellen von Lymphknoten und Anschlussregionen. Ein Anschluss der Lymphgefäße erfolgt in der Regel nicht, da die Abflussrichtung meist nicht der Lymphbahnen, welche mit dem Lymphknotentransplantat entnommen wurden, oft nicht nachvollziehbar ist. Es wurde jedoch in Tierversuchen gezeigt, dass nach ca. drei Wochen ein Anschluss der Lymphkapillaren des Lymphknotentransplantates an die Umgebung stattfindet und somit eine Überbrückung des Defektes erfolgt. Der unmittelbare Effekt der Lymphknotentransplantation ist zu sehen, einmal in der Narbenlösung, welche mikrochirurgisch beim Einsetzen der Lymphknotentransplantation an der Empfängerstelle durchgeführt wird und zum zweiten durch Einsetzen von gut durchblutetem weichen Gewebe, welche die Defektstelle in der Axilla oder Leiste auffüllt (Felmerer et al. 2021). Während des stationären Aufenthaltes erfolgt durch Hochlagerung der Extremität und/oder durch Bandagierung eine weitere Entstauung. Der Erfolg verbessert sich weiterhin durch den Anschluss des Lymphknotenpaketes nach etwa drei Wochen postoperativ und ist erfahrungsgemäß nach einigen Monaten weiter verbessert.
Indikation: Nach isolierter Entfernung von externen Lymphknotenpaketen, zum Beispiel in der Leiste (externe Leistenlymphknoten) und in der Achselhöhle.
Kontraindikation: Lymphödem an beiden Beinen
Relative Kontraindikation: Stärkere orthostatische Ödeme (anamnestisch Schwellneigung nach langem Stehen oder bei hohen Aussentemperaturen)
Es besteht auch die Möglichkeit der Transplantation der Lymphknotenpakete nach distal. Durch eine Sogwirkung wird postuliert, dass auch distal eingesetzte Lymphknotenpakete direkt Lymphe in die Vene des Lymphknotens ableiten und somit eine Art eine lymphovenöse Shunt-Funktion des Lymphknotenpaketes vorliegt. Dies wurde tierexperimentell gezeigt, die klinischen Untersuchungen sind jedoch widersprüchlich. Die Abbildung zwei zeigt die unterschiedlichen Spenderregionen der Lymphknotentransplantate auf der linken Körperseite, auf der rechten Körperseite würden Anschlussmöglichkeiten, hier rot gezeichnet, gezeigt.
Entnahmestellen:

Submentale Lymphknoten

Submentale Lymphknoten werde am Unterrand des Unterkiefers entnommen. Zusätzlich wird die Arteria und Vena submentalis mit entnommen. Gefahr ist hier eine Verletzung der Glandula und Mitnahme der Glandula submandibularis sowie deutlich sichtbare Narben am Unterkieferbereich.

Zervikale Lymphknoten

Die zervikalen Lymphknoten werden vom lateralen Dreieck entnommen, vom Hinterrand des sternocleido- mastoideus bis zum Vorderrand des Musculus trapezius. Als Ernährungsgefäße dient hier die Arteria transversa colli und Vena transversa colli. Vorteilig ist hier, dass an der Spenderregion kein Lymphödem entsteht, nachteilig ist die aufwendige Präparation, welche Kenntnisse der anatomischen Region des lateralen Halsbereiches erfordert.

Axilläre Lymphknotentransplantation

Entlang der Arteria und vena thoracodorsalis oder thoracodorsalis lateralis können aus der gegenüberliegenden Achsel des Lymphödems Spenderlymphknoten entnommen werden. Nachteilig ist hier das Risiko einer Lymphödementstehung an einer gesunden Extremität durch Entnahme von Lymphknoten.

Seitliche Thoraxwand

Hier können ebenfalls an der Arterie und Vena thoracodorsalis an der distal weiter abgelegenen Thoraxwand Lymphknoten entnommen werden. Nachteilig ist hier jedoch die geringe Anzahl von zwei bis drei Lymphknoten, welche mit dem Paket maximal entnommen werden können.

Leiste

Hier können mit der Arteria und Vena circumflexa ilium superficialis ein Lymphknotenpaket entnommen werden. Jedoch besteht hier ebenfalls die Gefahr der Entstehung eines Lymphödems des Spenderbeins.

Intraabdominell entnommene Lymphknotenpakete von der großen Kurvatur des Magens, Omentum Transplantate.

Vorteil: Gute konstante Anatomie der Spendergefäße, Arteria und Vena gastroepiploica.
Nachteilig: Der Eingriff erfordert viszeralchirurgische Kenntnisse.

Lymphgefäßtransplantationen von der Colonflexur oder vom Jejunum

Vorteil: Kein Risiko einer Lymphgefäßentstehung, erfordert jedoch ebenfalls bauchchirurgische Kenntnisse zur Hebung der Transplantate.

Resektionsverfahren

An den Extremitäten bilden sich beim Lymphödem im Stadium III mit Elephantiasis störende Hautsäcke aus, welche die Mobilisation der Patenten erschweren. Ebenso ist die manuelle Lymphdrainage mit Kompressionsbandagierung erschwert. Die Einlage von Schaumstoffeinlagen und spezielle Bandagierungstechniken sind erforderlich, dies führt dann zusätzlich zu einer Immobilisierung der Patienten. Durch erfolgreiche Entstauungstherapie können diese Hautlappen von Lymphflüssigkeit entleert werden, werden dann weicher werden. Dann kann in der Umschlagsfalte des Hautlappens ein chirurgischer Schnitt gelegt werden, sodass die Hautsäcke risikoarm entfernt werden können. Eine Entfernung dieser Hautsäcke ohne vorherige Entstauung bei prall gefüllten Extremitäten birgt ein hohes Risiko, dass nach der Operation ein Hauttransplantat verwendet werden muss, da die Wunde sich nicht verschließen lässt.
Cave
Kontraindizierte Operationstechnik: Charles Procedure
Bei der „Charles Procedure“ wird die Haut des Lymphödems abgetragen und auf Seite gelegt und feucht gehalten. Dann wird das gesamte elephantiastische Lymphödem bis zur Faszie abgetragen und die oben abgetragene Haut zur Deckung verwendet. Langzeitergebnisse nach Charles Procedure sind sehr schlecht, es bilden sich fingerdicke Narbenstränge, welche mit der Zeit ulzerieren und zu instabiler Narbenbildung führen. Daher ist diese Technik mittlerweile obsolet.

Management der Komplikationen nach chirurgischem Eingriff beim Lymphödem

Bei lymphchirurgischen Eingriffen, insbesondere bei stark ausgeprägten Lymphödemen, kann es postoperativ zu Komplikationen kommen. Diese Komplikationen, insbesondere bei Elephantiasis betragen bis zu 20 %. Die Patienten sollten sehr ausführlich über die Möglichkeit einer langanhaltenden Wundheilungsstörung und ebenso über Ausbleiben des Erfolgs aufgeklärt werden.

Lymphozelen – Lymphzysten

Lymphozelen sind definiert als anhaltende Hohlräume, oft nach Operationen oder Unfällen entstanden, die Lymphflüssigkeit enthalten. Hier liegt eine Ruptur eines oder mehrerer Lymphkollektoren vor, die permanent Lymphe in diesen Hohlraum fördern.
Den Lymphozelen ist ein eigenes Kapitel gewidmet. QUERVERWEIS: Kap. „Lymphozele und Lymphfistel“
Operatives Vorgehen:
Bei der Operation wird die Lymphzyste am Punktum maximum geöffnet. Das Sekret wird abgesaugt und sehr sorgfältig das Innere unter Verwendung einer Lupenbrille inspiziert. Oft sieht man die Trichter der einmündenden Lymphbahnen. Diese können dann umschnitten und ligiert bzw. umstochen werden. Bei gleichzeitigem Vorhandensein eines chronischen Extremitätenlymphödems kann eine lymphovenöse Anastomose zur Ableitung durchgeführt werden. Eine Anfärbung mit Patentblaulösung oder Indocyaningrün (ICG) um die Lymphzyste kann versucht werden, der Zusatznutzen wird aber kontrovers diskutiert.
Erfolgsrate
Die Erfolgsrate bei der operativen Revision unter mikrochirurgischen Bedingungen liegt bei ca. 95 %, im bestrahlten Gebiet jedoch lediglich bei 60 %. Hier muss manchmal mehrfach revidiert werden.
Eine Bestrahlung der Lymphozele kann ein vorbestehendes oder latentes Lymphödem schlagartig verschlechtern. Die Punktion sollte immer unter sterilen Kautelen erfolgen, ein Erysipel kann ebenfalls zu einer Verschlimmerung des Lymphödems führen. Ein Auffüllen der Lymphozele mit fibrosierenden Substanzen owie z. B. Tetrazyklin kann ebenfalls zu einer Fibrosierung der Kapsel führen und hiermit zu Beschwerden bzw. Verschlechterung des Lymphödems kommen.

Wunddehiszenzen nach Resektionsoperationen

Nach Resektionsoperationen kommt es nicht selten durch die starke bakterielle Kontamination in den Hautfalten (Elephantiasis, Papillomatosis cutis) zu Wundheilungsstörungen mit Wundinfekten. Aufgrund der starken Durchblutung im Lymphödemgewebe heilen auch größere Defekte innerhalb von einigen Wochen in der Regel gut ab. In der Zeit sollte eine intensive Entstauungstherapie parallel durchgeführt werden, um die Wundheilung zu fördern. Eine Antibiotikagabe ist oft indiziert.
Bei lymphchirurgischen Eingriffen sollte bis zum Fadenzug eine antibiotische Abdeckung erfolgen, da bei freigelegten Lymphbahnen mit Mikroanastomosierung eine hohe Gefahr besteht, dass durch einen postoperativen Wundinfekt die Lymphbahnen verkleben und dann das Operationsergebnis ausbleibt.

Konservative Therapie nach der Operation

Die operative Therapie des Lymphödems kann helfen, die Situation der Patienten zu verbessern. Gerade beim Armlymphödem können in vielen Fällen sehr gute Ergebnisse erzielt werden. Letztlich ist die operative Therapie kein vollständiger Ersatz der konservativen Therapie mit manueller Lymphdrainage und Entstauung (KPE). Die KPE kann ergänzend zu Operationen durchgeführt werden.
Nach Resektionsverfahren sollte sehr früh mit konservativer Therapie begonnen werden, insbesondere die manuelle Lymphdrainage und die Bandagierung ist bereits am ersten postoperativen Tag möglich. Bei langen Hautschnitten an den Extremitäten kann zunächst proximal davon die Lymphdrainage begonnen werden. Resektionsoperation ohne begleitende Entstauung haben ein hohes Risiko für Wundheilungsstörungen. Daher empfiehlt sich die Durchführung der postoperativen KPE mit Bandagierung und zentraler Lymphdrainage und ggf. Weiterbehandlung in Extremfällen in einer lymphologischen Fachklinik als Anschlussheilbehandlung (als integratives lymphologisches Therapiekonzept). Im Vorfeld sollte schon mit der betreffenden Krankenkasse Kontakt aufgenommen werden, um eine Kostenübernahme für den postoperativen Aufenthalt zu erwirken. Andernfalls droht bei einer frühzeitigen Entlassung nach Hause das Wiederauftreten der Ödematisierung. Es handelt sich hier um palliative Operationen ohne Verbesserung des Lymphabflusses, das Ergebnis kann allerdings durch lebenslange konsequente konservative Therapie in den meisten Fällen stabil gehalten werden.
Nach mikrolymphatischen Eingriffen verbietet sich eine Lymphdrainage unmittelbar nach dem Eingriff im OP-Gebiet, da die mikrochirurgisch durchgeführten Anastomosen sehr zugempfindlich sind und reißen können. Hier empfiehlt sich ein Beginn der Lymphdrainage erst 14 Tage postoperativ, wenn dies erforderlich ist. In vielen Fällen ist dies jedoch auch langfristig nicht erforderlich. An den Beinen ist nach mikrolymphatischem Eingriff immer eine Kompression erforderlich, da hier auch Thrombosegefahr besteht. Am Abend kann jedoch darauf verzichtet werden. Sollte ein Wiederauftreten des Ödems erfolgen, kann die Kompression wieder angelegt werden.

Besondere klinische Situationen

Adipositas-assoziiertes Lymphödem

Fettschürzenbildung bei massiver Adipositas mit elephantiastischen Hautveränderungen am Bauch sowie an den Beinen ist nicht selten und wahrscheinlich wird die Häufigkeit dieses Krankheitsbild in den nächsten Jahren eher zunehmen. Eine Aufnahme in einer Spezialklinik zur Entstauung und Gewichtsabnahme ist hier ratsam. Ein operativer Eingriff kann auch hier lediglich bei Patienten mit einem Maximalgewicht von ca. 150 kg durchgeführt werden, da sonst das perioperative Risiko ansteigt. Manchmal ist ein mehrmonatiger Aufenthalt in einer lymphologischen Spezialklinik oder Abnehmklinik erforderlich (Felmerer et al. 2012a).

Genitales Lymphödem

Genitale Lymphödeme entstehen nach Lymphknotenausräumung im Becken oder in der Leiste, sind für Patienten extrem belastend aufgrund der starken Hautveränderung, der Schwierigkeiten beim Urinieren sowie bei der Hinderung am Sexualverkehr. Über kleine Lymphfisteln verlieren die Patienten nicht unerheblich Lymphflüssigkeit. Diese sind ebenfalls Eintrittspforten für Infektionen im Genitalbereich, die den Zustand weiterhin verschlechtern (Zvonik et al. 2011).

Ursache der genitalen Lymphödeme

Im Genitalbereich beim Mann findet sich insbesondere im Bereich des Penis und Skrotums eine sehr dünne Haut, die dem Druck des Lymphrückstaus (dermal backflow) nicht standhält. Es bildet sich dann als Reaktion auf den Druck eine Fibrosierung in der Haut aus. Vereinzelt können sich Lymphbläschen und Lymphzysten bilden, welche sich spontan entleeren. In der extremen Ausprägung bildet sich eine Elephantiasis im Genitalbereich aus, eine Papillomatosis cutis ist nicht selten und wird häufig mit Condylomata verwechselt.
Beim chronischen Lymphödem, zum Beispiel nach Bestrahlung und Ausräumung der Beckenlymphknoten, bei der Frau nach Wertheim-Meigs-Operation oder beim Mann nach Prostatakarzinom, bilden sich fibrotische und warzenartige Hautveränderungen im Genitalbereich aus. Diese sind in den allermeisten Fällen Ausdruck des chronischen Lymphstaus und sollten nicht mit Condylomata verwechselt werden. Im Zweifel kann eine Biopsie helfen, die Unterscheidung zu ermöglichen.

Reduktionsplastiken beim genitalen Lymphödem

Zunächst ist eine Entstauung im Genital- und Beinbereich anzustreben, diese kann konservativ und auch ambulant durchgeführt werden. Ebenfalls sollte Gewicht reduziert werden bis zu einem OP-fähigen Körpergewicht von ca. 150 kg bei morbider Adipositas. Oberstes Ziel ist Wiederherstellung der Funktion beim Urinieren und Wiederherstellung der Sexualfunktion. Weiterhin sollte das äußere Genital wieder ästhetisch hergestellt werden. Es kommen hier Techniken der Plastischen Wiederherstellungschirurgie zum Einsatz, insbesondere kann das innere Blatt der Vorhaut verwendet werden, um den Penisschaft abzudecken, dieses hat einen anderen Lymphabfluss als die Umgebung und fließt zu den tiefen Lymphknoten unterhalb der Symphyse ab. Daher ist die innere Vorhaut meist nie ödematös. Ebenso hat die Glans diesen Lymphabflussweg. Weiterhin findet sich stabile und intakte Haut im Übergang von den Oberschenkeln zur Skrotalregion. Auch diese Haut ist widerstandsfähig, etwas dicker als Skrotalhaut und kann gut verwendet werden um einen Neoskrotum zu bilden. Die Hoden werden bei der Operation freigelegt, anschließend erfolgt eine Orchidopexie und dann werden die Hoden mit den Hautlappen aus dem Übergang zum Skrotum abgedeckt. Hierdurch erreicht man eine stabile Situation, welche die Lebensqualität der Patienten erheblich verbessern kann.

Genitales Lymphödem bei der Frau

Bei der Frau besteht ebenfalls eine Schwachstelle der Haut im Bereich der großen und kleinen Labien. Diese können sehr leicht dem Druck des Lymphstaus nachgeben, hier entstehen wie beim Mann Lymphzysten, welche Beschwerden bereiten können. Sichelförmig können die großen Schamlippen entfernt werden, bei Befall im Schamhügelbereich kann auch hier durch eine spezielle plastisch-chirurgische Technik der Überschuss entfernt werden.
Literatur
Felmerer G, Karcz W, Földi E, Tobbia D (2012a) Integrated concept of treatment for reduction of morbidity after resection of panniculus morbidus associated with lymphoedema. J Plast Surg Hand Surg 46(3–4):172–176. https://​doi.​org/​10.​3109/​2000656X.​2012.​700007. PMID: 22909237CrossRef
Felmerer G, Sattler T, Lohrmann C, Tobbia D (2012b) Treatment of various secondary lymphedemas by microsurgical lymph vessel transplantation. Microsurgery 32(3):171–177. https://​doi.​org/​10.​1002/​micr.​20968. Epub 2011 Nov 24. PMID: 22113994CrossRef
Felmerer G, Behringer D, Emmerich N, Grade M, Stepniewski A (2021) Donor defects after lymph vessel transplantation and free vascularized lymph node transfer: A comparison and evaluation of complications. World J Transplant 11(4):129–137. https://​doi.​org/​10.​5500/​wjt.​v11.​i4.​129. PMID: 33954090; PMCID: PMC8058643CrossRef
Klingelhoefer E, Hesse K, Taeger CD, Prantl L, Stepniewski A, Felmerer G (2019) Factors affecting outcomes after supermicrosurgical lymphovenous anastomosis in a defined patient population. Clin Hemorheol Microcirc 73(1):53–63. https://​doi.​org/​10.​3233/​CH-199213. PMID: 31561341CrossRef
Zvonik M, Földi E, Felmerer G (2011) The effects of reduction operation with genital lymphedema on the frequency of erysipelas and the quality of life. Lymphology 44(3):121–130. PMID: 22165582