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Klinische Angiologie
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Publiziert am: 24.04.2024

Claudicatio intermittens

Verfasst von: Eva Freisinger und Jacqueline Stella
Die Claudicatio intermittens (IC; lat. „claudicare“, hinken) bezeichnet die niederen symptomatischen Stadien der pAVK (Fontaine II bzw. Rutherford I 1–3) (s. Kap. „Definition und Epidemiologie der pAVK“), angelehnt an die typischerweise belastungsinduziert auftretende Gehschwäche. Neben der Erfassung des Ankle-Brachial-Index (ABI) bietet das Edinburgh Claudication Questionnaire eine standardisierte Möglichkeit zur Diagnostik der IC. Eine frühzeitige Erkennung und Einleitung sekundärpräventiver Maßnahmen mittels Lipidsenkung und Thrombozytenaggregationshemmung sowie Lebensstilmodifikation sind von besonderer Bedeutung, um eine Progression der pAVK hin zu fortgeschrittenen Stadien der kritischen Extremitätenischämie zu verzögern oder gänzlich zu vermeiden. Im Stadium der IC kommt dem strukturierten Gehtraining ein besonderer Stellenwert in der Therapie zu. Die Indikation zur invasiven (in der Regel endovaskulären) Revaskularisation sollte als rein symptomatische Therapie unter sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen.

Epidemiologie und Prognose

Die Prävalenz der Claudicatio intermittens (IC) in der über 60-jährigen Bevölkerung der Industriestaaten wird zwischen 0,2 % (Island) und 1 % (Israel) angegeben (Criqui und Aboyans 2015). Damit befinden sich gut ein Drittel aller pAVK-Patienten im Stadium der IC (s. Kap. „Definition und Epidemiologie der PAVK“). Jedoch führt eine immer noch hohe Dunkelziffer v. a. in den niederen pAVK-Stadien zu einer Unterschätzung des Anteils asymptomatischer und mild symptomatischer Patienten. Dieses Phänomen ist besonders in den Schwellen- und Entwicklungsländern ausgeprägt, wobei hier vornehmlich Patienten jüngeren Alters (35–65 Jahre) und weiblichen Geschlechts betroffen sind (Fowkes et al. 2017). Dieser Trend wird in diesen Staaten vornehmlich auf sozioökonomische und Umweltfaktoren zurückgeführt. Hierzulande trägt insbesondere eine fehlende Belastbarkeit aufgrund einer fortgeschrittenen Gebrechlichkeit oder in Folge internistischer, neurologischer oder orthopädischer Komorbiditäten zu einer Unterdiagnostik der IC bei (McDermott et al. 2001). Im höheren Lebensalter erschweren darüber hinaus zunehmend demenzielle Erkrankungen eine aussagekräftige Anamneseerhebung und Diagnosestellung. In Deutschland werden gegenwärtig jährlich über 92.000 stationäre Krankenhausbehandlungen allein im Stadium der IC durchgeführt (47 %; Stand 2019) (Block et al. 2024). Diese werden zu 70 % endovaskulär, zu 23 % operativ behandelt. Auch wenn die Krankenhaussterblichkeit mit rund 0,2 % vergleichsweise gering ist, so unterstreicht die beobachtende Langzeitsterblichkeit von bis zu 20 % innerhalb von 4 Jahren (Olinic 2018) die bereits mit einer IC einhergehende, eingeschränkte Prognose und die Notwendigkeit einer frühzeitigen Zuführung zu geeigneten Therapiestrategien.

Pathophysiologie, Symptomatik und Diagnostik

Pathophysiologie

In absteigender Häufigkeit sind die folgenden Krankheitsbilder ursächlich für die Ausbildung einer pAVK bzw. Claudicatio intermittens:
Wir verweisen an dieser Stelle auf das Kap. „Spezielle Pathophysiologie der PAVK“.
Angesichts der weit überwiegenden arteriosklerotischen Genese der pAVK spielen die Einflüsse kardiovaskulärer Risikofaktoren in der Entwicklung der IC eine besonders große Rolle. Diese beeinflussen über ihre Wirkung auf die bevorzugt befallene(n) Gefäßetage(n) die hiervon abhängige klinische Symptomatik. So ist ein Nikotinabusus vorrangig mit arteriosklerotischen Läsionen der Iliakal- und Inguinalarterien assoziiert, wohingegen Diabetes mellitus und chronische Niereninsuffizienz vorrangig mit einem infrainguinalen Befallsmuster einhergehen.

Symptomatik

Die klassische Claudicatio intermittens macht sich in Abhängigkeit von der betroffenen arteriellen Segmenthöhe der flusslimitierenden Gefäßläsion in der davon versorgten Muskelgruppe bemerkbar. So führt eine Stenose auf Höhe der Femoralarterie charakteristischerweise zu Wadenclaudicatio, eine Läsion im Bereich der Iliakalarterien vornehmlich zu Schmerzen im Gluteal- und Oberschenkelbereich. Eine Mehretagen pAVK kann kombinierte Beschwerden an der Gluteal-, Oberschenkel-, Waden- und Fußmuskulatur verursachen. Die unter Beanspruchung einsetzende Schmerzsensation wird häufig als „ziehend“, „muskelkaterähnlich“ oder „abschnürend“ beschrieben und sistiert typischerweise beim Pausieren der körperlichen Belastung. Das Auftreten einer IC führt häufig zu einer Reduzierung der Schrittgeschwindigkeit.
Allerdings ist eine atypische Symptomatik einhergehend mit (z. T. überlagernden) Taubheitsgefühlen, Brennen oder Schweregefühl häufig, was die klinische Diagnosestellung erheblich erschweren kann. Differenzialdiagnosen der IC bzw. der pAVK sind im Kap. „Klinisches Bild und Differentialdiagnose der pAVK“ aufgeführt. Die oftmals mit der pAVK assoziierten Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus, Adipositas, chronische koronare Herzkrankheit und Herzinsuffizienz erweitern das Spektrum des klinischen Beschwerdebildes um ihre eigene Symptomatik (z. B. diabetische Polyneuropathie, Schweregefühl der Beine bei peripheren kardialen Ödemen, Gelenkbeschwerden durch Überbeanspruchung bei Adipositas). Zudem kann eine eingeschränkte körperliche Leistungsfähigkeit, wie dies bei fortgeschritten kardial oder pulmonal Erkrankten der Fall ist, eine IC maskieren, da hier die zur Auslösung der Symptomatik erforderlichen Belastungsgrenzen vom Patienten im Alltag nicht erreicht werden. Schließlich ist eine die pAVK begleitende Depression oftmals unerkannt, kann aber insbesondere die subjektive Bewertung der Beschwerden und den damit einhergehenden Leidensdruck und somit auch das therapeutische Management maßgeblich beeinflussen. Die Prävalenz einer Depression bei pAVK-Patienten wird zwischen 3–48 % geschätzt (Brostow et al. 2017). Faktoren wie chronische Schmerzen, eingeschränkte Mobilität, soziale Isolation und die Bewältigung einer chronischen Erkrankung scheinen hierzu beizutragen. Screening-Fragebögen wie der PHQ9 können als Hilfsmittel zur Abschätzung, ob eine die IC begleitende Depression vorliegt, herangezogen werden.
Cave
Ein Drittel aller als „asymptomatisch“ eingestuften pAVK-Patienten sind nicht ausreichend belastbar, um eine Claudicatio intermittens feststellen zu können. Diese haben jedoch ein hohes Risiko für einen raschen Progress hin zu kritischen Stadien mit akuten ischämischen Extremitätenereignissen und deren Folgen. Die diagnostischen Maßnahmen sollten neben der Gefäßdiagnostik auch die kardiopulmonale Belastbarkeit und das etwaige Vorliegen einer Polyneuropathie abklären.

Diagnostik

Eine Möglichkeit, die IC standardisiert zu erfassen, bietet das Edinburgh Claudication Questionnaire (Leng und Fowkes 1992): Der Fragebogen hat eine Sensitivität von 91 % und Spezifität von 99 % zur Erkennung einer IC (s. Abb. 1).
Die Angabe der Gehstrecke bis zum Einsetzen der Beschwerden (sog. Claudicatio-Distanz) bzw. bis zur Notwendigkeit, zu pausieren (sog. maximale Gehstrecke), wird vom Gehtempo als auch der Steigung maßgeblich beeinflusst. Zudem berichten viele Patienten von Unterschieden in der Tagesform. Dementsprechend sind diese Angaben zwar hinweisend, jedoch zumeist relativ ungenau.
Zur Objektivierung der Ausprägung einer IC-Symptomatik dient die Laufbandergometrie unter standardisierten Bedingungen: Geschwindigkeit 3,2 km/h; Steigung 12 % („constant load test“) oder Geschwindigkeit 3,2 km/h; Steigung + 2 % alle 2 min (sog. Gardner-Protokoll) (s. Kap. „Stufendiagnostik bei Verdacht auf PAVK“ und „Nichtinvasive apparative Funktionsdiagnostik“). Die Stadieneinteilung richtet sich nach der relativen schmerzfreien Gehstrecke, da die absolute schmerzfreie Gehstrecke starken Schwankungen unterliegt.
  • Stadium I: unbegrenzte Gehstrecke.
  • Stadium IIa: relative schmerzfreie Gehstrecke > 200 m.
  • Stadium IIb: relative schmerzfreie Gehstrecke < 200 m.
Da in Abhängigkeit von Lebensstil und Anforderungen des Patienten an seine Alltagsmobilität der Leidensdruck bei gleicher Gehstrecke subjektiv sehr verschieden sein kann, ist die (willkürliche) Grenze von 200 m Gehleistung zwischen Fontaine IIa und IIb mehr als Orientierung denn als Grenze zum Zugang zu invasiven Therapieoptionen anzusehen. Alternative Fassungen der Fontaine-Klassifikation unterteilen dementsprechend ähnlich der Rutherford-Klassifikation in eine den Patienten nichteinschränkende (IIa) bzw. einschränkende (IIb) IC (Brodmann 2018).
Darüber hinaus erweitern die Messung der systolischen Knöchelarteriendrucke mit Kalkulation des ABI und die Duplexsonografie die nichtinvasive apparative Gefäßdiagnostik. Ergänzend können weitere Untersuchungen, wie die Messung des transkutanen Sauerstoffdruckes (tcPO2) oder die Bestimmung der systolischen Großzehendrucke zum Einsatz kommen (s. Kap. „Stufendiagnostik bei Verdacht auf PAVK und nichtinvasive apparative Funktionsdiagnostik“).
Cave
Insbesondere bei einer pAVK der Beckenarterien können ABI-Werte und Druckkurven in Ruhe normal sein. Bei Beschwerden, die auf eine IC hindeuten, ist in dem Fall eine Messung der systolischen Knöchelarteriendrucke im direkten Anschluss an eine Belastung (z. B. Zehenstände, Kniebeugen, Laufbandergometrie) obligat! Ein Abfall der systolischen Knöchelarteriendrucke um mind. 30 mmHg und/oder ein ABI-Abfall um mind. 20 % gegenüber dem Ruhewert gelten als beweisend für das Vorliegen einer pAVK (Aboyans et al. 2012). Eine Unterlassung und damit ein Nichterkennen der pAVK wurden bereits als ärztlicher Behandlungsfehler gewertet.
Differenzialdiagnostisch müssen insbesondere eine Claudicatio spinalis, eine Claudicatio venosa bei proximalem venösen Abflusshindernis, oder sonstige muskuloskelettale Erkrankungen in Betracht gezogen werden. Auch degenerative Gelenkerkrankungen wie die Gon- oder Coxarthrose sowie statische Veränderungen in den Gelenken können belastungsabhängige Extremitätenschmerzen verursachen und sind von der Claudicatio intermittens abzugrenzen (s. Kap. „Klinisches Bild und Differentialdiagnose der PAVK“).

Therapie

Ziele der Therapie im Stadium der IC sind die pAVK als chronische Erkrankung in ihrer Progression bestmöglich zu mindern und insbesondere das Erreichen von kritischen Krankheitsstadien zu verhindern. Darüber hinaus soll sie eine effektive Risikoreduktion peripher-vaskulärer, aber auch kardialer und zerebrovaskulärer Ereignisse bewirken. Im Stadium der IC sind die Verbesserung der schmerzfreien Gehstrecke und damit verbunden eine verbesserte Lebensqualität, Mobilität und unter Umständen auch ein Erhalt der Arbeitsfähigkeit im Vordergrund stehende Therapieziele.
Die konservative Therapie umfasst die medikamentöse und lebensstilmodifizierende Behandlung der pAVK und der begleitenden Gefäßrisikofaktoren, sowie ein strukturiertes Gehtraining. Die invasive Therapie mittels endovaskulärer Intervention oder operativer Therapiemaßnahmen bleibt unter sorgfältiger Risikoabwägung speziellen Indikationen im Stadium der IC vorbehalten.

Medikamentöse Therapie der IC

Die medikamentöse Therapie der pAVK beinhaltet die Indikation zur Statingabe in jedem Stadium der Erkrankung zur Reduktion der kardiovaskulären Mortalität. Sie ist auch bei normwertigem Lipidstatus klar indiziert (Klasse-1A-Indikation; AWMF 2015). PAVK-Patienten zählen entsprechend den europäischen Leitlinien zu der Gruppe der Personen mit einem sehr hohen kardiovaskulären Risiko, für die als Behandlungsziel ein LDL-Cholesterinwert von < 55 mg/dl bzw. eine mindestens 50 %ige Reduktion des LDL-Cholesterinausgangswerts empfohlen wird (Mach et al. 2019). Patienten, die innerhalb von 2 Jahren nach dem Indexereignis unter Statintherapie in maximal tolerierter Dosis ein erneutes kardiovaskuläres Ereignis erleiden, sind der Patientengruppe mit extremem Risiko zuzuordnen, für die ein Ziel-LDL-Cholesterinwert < 40 mg/dl empfohlen wird. Für die Gabe von Statinen ist anhand einiger Metaanalysen zudem eine Verbesserung der initialen und maximalen Gehstrecke belegt (Momsen et al. 2009).
Daneben ist in der IC, wie in allen symptomatischen Stadien der pAVK, eine dauerhafte Thrombozytenaggregationshemmung mit Clopidogrel 75 mg/d oder alternativ Acetylsalicylsäure 100 mg/d indiziert (AWMF 2015) (s. auch Kap. „Thrombozytenaggregationshemmer“).
Für den Phosphodiesterasehemmer Cilostazol konnte eine Verbesserung der Gehstrecke im Rahmen prospektiver Studien nachgewiesen werden (Robless et al. 2007; Brown et al. 2021). In einer systematischen, prospektiven, unizentrischen klinischen Beobachtungsstudie konnten Weber et al. eine Verbesserung der maximalen Gehstrecke einhergehend mit einer Verbesserung der Lebensqualität bei pAVK-Patienten im Fontaine-Stadium IIb dokumentieren (Weber et al. 2015). Der Einsatz von Cilostazol allein zur Besserung der Lebensqualität sollte jedoch sorgfältig mit potenziellen Risiken abgewogen werden (s. Rote-Hand-Brief der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft). Die Wirksamkeit des Präparats sollte nach 3 Monaten evaluiert werden.
Cave
Der Einsatz von Cilostazol im Stadium der IC zur Gehstreckenverlängerung sollte sorgfältig abgewogen werden und ersetzt nicht das strukturierte Gehtraining. Kontraindiziert ist Cilostazol u. a. bei einer zeitgleichen dualen Thrombozytenhemmung und kürzlich vorausgegangenen kardiovaskulären Ereignissen.
Auch der Kalziumantagonist Verapamil hat eine positive Wirkung auf die maximale Gehstrecke (Bagger et al. 1997) und kann bei entsprechender kardialer Komorbidität bevorzugt eingesetzt werden. Selbiges gilt für die Betablocker Nebivolol und Metoprolol, deren Wirkung bei IC-Patienten als sicher und in Bezug auf die Gehstrecke darüber hinaus als günstig beurteilt wurden (Espinola-Klein et al. 2011).

Lebensstilmodifikation und Therapie von kardiovaskulären Risikofaktoren

Der schädigende Einfluss der klassischen kardiovaskulären Risikofaktoren auf die Entstehung und den Progress der peripheren Arteriosklerose ist hinlänglich bekannt (s. Kap. „Spezielle Pathophysiologie der Arteriosklerose“). Die Therapie dieser Risikofaktoren ist daher von besonderer Bedeutung. Angesichts des nicht unerheblichen Risikos für kardiovaskuläre Ereignisse bereits im Stadium der IC sollten entsprechende Maßnahmen zu Diagnostik und Management dieser prognostisch ungünstigen Einflussfaktoren in regelmäßigen Abständen entsprechend aktueller Leitlinienempfehlungen überprüft und ggf. optimiert werden (s. Kap. „Management kardiovaskulärer Risikofaktoren“).
Dies betrifft u. a. die Erkennung und Behandlung einer arteriellen Hypertonie, Dyslipidämie, eines Diabetes mellitus, einer Niereninsuffizienz, Herzinsuffizienz sowie koronarer und zerebrovaskulärer Manifestation der Arteriosklerose.
Darüber hinaus sollten alle Patienten über Modifikationen des Lebensstils ausführlich beraten werden. Dies betrifft insbesondere eine Gewichtsreduktion bei Adipositas sowie ein konsequenter und dauerhafter Verzicht auf Rauchen. Körperliche Inaktivität hat nachgewiesenermaßen eine negative Wirkung auf die Gesundheit, wie eine Untersuchung der WHO umfangreich darlegt (WHO 2018). PAVK-Patienten profitieren in besonderem Maße von ausreichender Bewegung, am besten in Form eines strukturierten Gehtrainings.

Strukturiertes Gehtraining

Das strukturierte Gehtraining („supervised exercise training“, SET) stellt die wichtigste nichtmedikamentöse Therapie bei IC in Ergänzung zur Behandlung der kardiovaskulären Risikofaktoren dar und wird als natürliche, effektive, risikoarme und kosteneffiziente Therapieform bei IC mit einer soliden Evidenz betrachtet. Die aktuelle S3-LL pAVK stellt die zentrale Bedeutung des SET im pAVK-Stadium der IC gesondert heraus, indem sie ihren Einsatz einer invasiven Therapie klar voranstellt (AWMF 2015). Die Empfehlung zum sog. strukturierten Gehtraining beinhaltet eine Gehbelastung an 3–5 Tagen pro Woche über 30–60 min (Rümenapf et al. 2020). Der Patient wird idealerweise angeleitet, bis in den Schmerz hineinzugehen und dann nach kurzer Pause die Belastung im schmerzfreien Intervall fortzusetzen. Positive Effekte auf die schmerzfreie Gehstrecke konnten prospektiv randomisiert nach 3 Monaten Training belegt werden, sodass eine Erfolgskontrolle erst nach Ablauf dieses Zeitintervalls sinnvoll erscheint. So zeigten prospektive Studien eine Verdopplung der schmerzfreien und maximalen Gehstrecke unter SET, zudem konnte die kardiovaskuläre Sterblichkeit um fast ein Viertel gesenkt werden (Murphy et al. 2012). Grundsätzlich ist das SET für alle Patienten mit IC gut geeignet, mit Ausnahme von Diabetikern mit ausgeprägter Polyneuropathie. Limitiert wird der Therapieansatz durch eine fehlende Verfügbarkeit in Form von zertifizierten Gefäßsportgruppen und eine hohe Rate von Therapieabbrüchen (70 % innerhalb von 1 Jahr) (Fakhry et al. 2015).

Invasive Therapieoptionen

Eine invasive Therapie der IC kann in speziellen Fällen indiziert sein, wo eine drängende Notwendigkeit zur Revaskularisation unter Ausschöpfung oder unabhängig von konservativen Therapiemaßnahmen gegeben ist. Dies kann Fälle betreffen, die sich hämodynamisch an der Grenze zur kritischen Extremitätenischämie befinden, eine soziale Indikation (z. B. durch den Beruf) gegeben ist, oder beispielsweise die Notwendigkeit zur Beseitigung einer arteriellen Obstruktion aus anderem Grund (z. B. vor geplanter Nierentransplantation bei vorgeschalteter Iliakalarterienstenose zur Sicherung der Perfusion des Transplantates) gegeben ist.
Zur Indikationsstellung endovaskulärer revaskularisierender Therapieverfahren s. Kap. „Indikationsstellung zur peripheren Katheterintervention“.
In prospektiv randomisierten Studien konnte im Stadium der stabilen IC kein Nutzen invasiver Therapieverfahren (verglichen mit SET unter optimaler Basismedikation) hinsichtlich der maximalen Gehstrecke, schwerwiegender kardiovaskulärer und extremitätenbezogener Endpunkte einschließlich der 1-Jahres-Sterblichkeit nachgewiesen werden (Nordanstig et al. 2014; Murphy et al. 2012). In kleineren prospektiven Studien konnte für Patienten mit stabiler IC bei isolierten Stenosen der Iliakal- und/oder Femoralarterien (ohne TASC-II-C/D-Läsionen) jedoch durchaus eine akute Verbesserung der Claudicatio-Symptomatik in > 80 % der endovaskulär behandelten Patienten beobachtet werden (Ichihashi et al. 2013). Eine Metaanalyse basierend auf 7 Studien (987 IC-Patienten) konnte für die endovaskuläre Revaskularisation kombiniert mit überwachtem Gehtraining im Vergleich zum alleinigen überwachten Gehtraining eine signifikante Verbesserung der maximalen Gehstrecke, des ABI sowie der Interventions- und Amputationsrate nach einem medianen Follow-up von 12,4 Monaten belegen (Pandey et al. 2017). Die Nachhaltigkeit der positiven Effekte unter zusätzlicher endovaskulärer Revaskularisation scheint jedoch begrenzt (Thanigaimani et al. 2021). Angesichts der wenigen, verfügbaren, prospektiv randomisierten Studien bei insgesamt sehr heterogenen Studienpopulationen scheint die grundsätzliche Frage der Wertigkeit invasiver Maßnahmen im Stadium der IC gegenwärtig noch nicht abschließend beurteilbar (Vemulapalli et al. 2015).
Die invasive Therapie der IC soll stadiengerecht und in ausgewogenem Verhältnis zwischen Leidensdruck, Eingriffsrisiko sowie mutmaßlichem langfristigen Therapieerfolg erfolgen (REF LL; DGIM Klug entscheiden 2015) und stets in das konservative Therapieregime eingebettet sein.
Ein hoher individueller Leidensdruck des Patienten unter IC kann daher unter Umständen invasive Eingriffe der iliofemoralen Gefäße rechtfertigen, diesen soll gemäß Konsensusempfehlung jedoch ein mindestens 3-monatiges SET vorausgegangen sein (AWMF 2015).
Für eine invasive (i. d. R. endovaskuläre, selten operative) Therapie der IC sprechen demnach insbesondere:
  • hoher Leidensdruck des Patienten,
  • drohender Progress zu kritischen Stadien, z. B. bei nichtheilenden Bagatelltraumata, vormaliger kritischer Ischämie,
  • Bedrohung von z. B. Arbeitsfähigkeit, sozialer Teilhabe durch die IC-Symptomatik,
  • mit überschaubarem Aufwand und Risiko behandelbare Gefäßläsionen (z. B. Leistenarterienstenose oder -verschluss, umschriebene Femoralarterienstenose) nach vorausgegangenem mehrmonatigen SET bei persistierend hohem Leidensdruck,
  • prognostisch günstige Läsionen (z. B. Beckenarterienstenose) nach vorausgegangenem mehrmonatigen SET bei persistierend hohem Leidensdruck,
  • sonstige Indikation (z. B. vor geplanter Nieren-Tx).
Eine Übersicht des therapeutischen Ansatzes für Patienten im Stadium der Claudicatio intermittens findet sich in Abb. 2.
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