Ambulante prästationäre Patienten mit symptomatischer SARS-CoV-2-Infektion
Der Nutzen einer Antikoagulation in der ambulanten prästationären Versorgung konnte in prospektiv randomisierten Studien nicht belegt werden.
In ACTIV-4B (September 2020 bis Juni 2021) erhielten Patienten im Alter von 40–80 Jahren über 45 Tage entweder Placebo (n = 164) oder Apixaban in zwei unterschiedlichen Dosierungen: 2 × 2,5 mg/Tag (n = 165) oder 2 × 5 mg/Tag (n = 164) (Connors et al.
2021). Primärer Endpunkt war eine Kombination aus Gesamtmortalität, symptomatischer
VTE oder ATE oder Hospitalisierung aufgrund einer kardiovaskulären oder pulmologischen Ursache. Die Studie wurde vorzeitig beendet, da die Ereignisrate unerwartet niedrig war und sich Hinweise für ein gehäuftes Auftreten von Blutungen unter der Antikoagulation fanden. Beide Apixaban-Dosierungen hatten keinen Effekt auf den Wirksamkeitsendpunkt, der bei 0,7 % (Apixaban 2 × 2,5 mg/Tag), 1,4 % (Apixaban 2 × 5 mg/Tag) und 0,7 % (Placebo) der Patienten auftrat. Auch niedrigdosierte
Acetylsalicylsäure (ASS), der vierte Behandlungsarm in ACTIV-4B, zeigte mit einer Ereignisrate von 0,7 % keine Wirkung (n = 164).
In ETHIC (Oktober 2020 bis November 2021) erhielten nichtgeimpfte Patienten ≥ 30 Jahre mit mindestens einem Risikofaktor für einen schweren Verlauf entweder Enoxaparin in prophylaktischer Dosierung (1 × 40 mg/Tag bei <100 kg oder 2 × 40 mg/Tag bei ≥ 100 kg) über 21 Tage oder eine alleinige Standardtherapie (ohne Enoxaparin) (Cools et al.
2022). Primärer Wirksamkeitsendpunkt war eine Kombination aus Gesamtmortalität und Hospitalisierung. Aufgrund langsamer Rekrutierung und einer unerwartet niedrigen Ereignisrate wurde die Studie nach 219 randomisierten Patienten vorzeitig beendet. In beiden Armen trat der kombinierte Wirksamkeitsendpunkt bei 11 % der Studienteilnehmer auf. Blutungsereignisse waren zwar selten, aber unter Enoxaparin numerisch häufiger.
In OVID (August 2020 bis Januar 2022) erhielten Patienten ≥ 50 Jahre mit respiratorischen Symptomen oder einer Körpertemperatur > 37,5 °C entweder Enoxaparin 1 × 40 mg/Tag über 14 Tage oder eine alleinige Standardtherapie (ohne Enoxaparin) (Barco et al.
2022; Voci et al.
2023). Primärer Wirksamkeitsendpunkt war eine Kombination aus Gesamtmortalität und unerwarteter Hospitalisierung. Nach einer geplanten Interimsanalyse wurde die Studie nach Einschluss von 475 Patienten vorzeitig beendet. Weder nach 30 Tagen (3 % vs. 3 %) noch nach 90 Tagen (4,7 % vs. 4,6 %) hatte die Heparinprophylaxe einen positiven Effekt auf den kombinierten Wirksamkeitsendpunkt. Schwere Blutungen traten nicht auf.
In PREVENT-HD (August 2020 bis April 2022) erhielten Patienten mit mindestens einem Thromboserisikofaktor (z. B. erhöhte
D-Dimere, bekannte
Thrombophilie, stattgehabte
VTE) entweder Placebo oder Rivaroxaban 1 × 10 mg/Tag über 35 Tage (Piazza et al.
2023). Primärer Wirksamkeitsendpunkt war die Zeit bis zum Erstauftreten eines der folgenden Ereignisse: symptomatische VTE,
Myokardinfarkt,
ischämischer Schlaganfall,
akute Extremitätenischämie, systemische arterielle Embolie, Hospitalisierung oder Tod jeglicher Ursache. Aufgrund von Rekrutierungsschwierigkeiten und einer unerwartet niedrigen Ereignisrate wurde die Studie vorzeitig beendet. Bei 1284 randomisierten Patienten trat der kombinierte Wirksamkeitsendpunkt in der Rivaroxaban- und Placebogruppe vergleichbar häufig auf (3,4 % vs. 3,0 %). Tödliche Blutungen oder Blutungen in kritischer Lokalisation (primärer Sicherheitsendpunkt) wurden nicht beobachtet.
Eine weitere placebokontrollierte Studie (August 2020 bis Februar 2021) konnte ebenfalls keinen Nutzen einer prophylaktischen Antikoagulation mit Rivaroxaban 1 × 10 mg/Tag über 21 Tage auf die Krankheitsprogression bei 497 ambulanten Patienten mit entsprechenden Risikofaktoren (Alter ≥ 65 Jahre, chronische internistische Begleiterkrankung, Krebsleiden, Übergewicht) nachweisen (Ananworanich et al.
2022).
Initiale empirische Handlungsempfehlungen hatten dazu geraten, bei allen Patienten mit symptomatischer SARS-CoV-2-Infektion die Indikation zur medikamentösen VTE-Prophylaxe unabhängig von der Notwendigkeit einer Hospitalisierung fortlaufend zu prüfen und großzügig zu stellen (Langer et al.
2020).
Bei ambulanten Patienten sollte jedoch eine vorbestehende orale Antikoagulation bei gesicherter kardiovaskulärer Indikation nicht beendet werden (Schulman et al.
2022).
Unklar ist der Nutzen von Sulodexid, einem aufgereinigten Gemisch aus den beiden
Glykosaminoglykanen Heparansulfat (80 %) und Dermatansulfat (20 %). Aufgrund des geringen Molekulargewichts ist eine orale Absorption der Wirkstoffe möglich. In einer unizentrischen Studie (Juni bis August 2020) an 243 Patienten ≥ 40 Jahre mit hohem Risiko für eine Krankheitsprogression war Sulodexid (2 × 500 Lipase-freisetzende Einheiten [LRU]/Tag über 21 Tage) im Vergleich zu Placebo mit einer signifikant niedrigeren Rate an Hospitalisierungen verbunden (17,7 % vs. 29,4 %; P = 0,03) (Gonzalez-Ochoa et al.
2021). Die Patienten wurden innerhalb von 3 Tagen nach Symptombeginn randomisiert. Sulodexid hatte zudem positive Effekte auf die Notwendigkeit einer Sauerstofftherapie sowie auf Marker der Hämostaseaktivierung (
D-Dimere) und Inflammation (
C-reaktives Protein). Bezüglich thromboembolischer Ereignisse, Blutungen und Mortalität fand sich kein Unterschied zwischen den beiden Gruppen. Sulodexid ist nur in Teilen Europas, Nordamerikas und Asiens zugelassen.
Stationäre nicht kritisch kranke Patienten mit COVID-19
Bereits in der Frühphase der Pandemie hatten verschiedene Beobachtungsstudien den Nutzen einer prophylaktischen Antikoagulation bei hospitalisierten Patienten mit
COVID-19 nachgewiesen, und zwar sowohl bezüglich des Auftretens thromboembolischer Ereignisse als auch bezüglich der Gesamtmortalität (Patell et al.
2021; Tang et al.
2020a).
Auch wenn spezifische randomisierte Studien im Kontext von
COVID-19 fehlen, ist die VTE-Prophylaxe mit NMH oder
Fondaparinux bei hospitalisierten akut kranken internistischen Patienten mit eingeschränkter Mobilität als evidenzbasierter Standard anzusehen. Dabei sollte NMH in einer für das hohe VTE-Risiko zugelassenen Dosierung eingesetzt werden (Haas et al.
2016).
Basierend auf den initialen Beobachtungen, dass bei stationär behandelten Patienten mit
COVID-19 die Rate thromboembolischer Ereignisse trotz leitlinienkonformer Prophylaxe auffällig hoch war, wurden Nutzen und Risiken einer intermediär (oder halbtherapeutisch) dosierten Heparinprophylaxe untersucht. Die verfügbare Evidenz ist uneinheitlich und umfasst sowohl Beobachtungsstudien als auch RCTs mit zum Teil heterogenen Patientenkollektiven (Morici et al.
2022; Patell et al.
2021).
Zusammenfassend konnte kein klarer Zusatznutzen der intermediär, halbtherapeutisch dosierten im Vergleich zur standarddosierten Heparinprophylaxe nachgewiesen werden, sodass dieser Ansatz in aktualisierten evidenzbasierten Leitlinien nicht mehr empfohlen wird (Kluge et al.
2023; Schulman et al.
2022).
Dagegen ist die therapeutisch dosierte Antikoagulation mit NMH oder unfraktioniertem Heparin (UFH) zumindest bei ausgewählten Patienten auf der Normalstation mit einer signifikanten Reduktion klinisch relevanter Endpunkte assoziiert:
In der Multiplattformstudie ACTIV-4A, ATTAC, REMAP-CAP (April 2020 bis Januar 2021) war der Anteil an Patienten mit initial moderater Krankheitsaktivität (n = 2219), die 21 Tage frei von organunterstützenden Maßnahmen überlebten, unter therapeutischer Antikoagulation mit NMH/UFH signifikant höher als unter einer Prophylaxe nach hausinternem Standard (80,2 % vs. 76,4 %), entsprechend einer adjustierten
odds ratio (OR) von 1,27 (95 %-KI 1,03–1,58) (Lawler et al.
2021). Dabei schienen insbesondere Patienten mit erhöhten
D-Dimeren (≥ 2 mg/l) von der therapeutischen Antikoagulation zu profitieren (77,9 % vs. 72,2 %). Schwere thromboembolische Ereignisse und Todesfälle traten im Therapiearm mit 8,0 % vs. 9,9 % seltener auf als im Prophylaxearm (OR 0,72 [95 %-KI 0,53–0,98]), schwere Blutungsereignisse waren dagegen numerisch erhöht (OR 1,80 [95 %-KI 0,90–3,74]). Die Studie wurde aufgrund eines signifikanten Vorteils der therapeutischen Antikoagulation vorzeitig abgebrochen. Im Prophylaxearm war bei 27 % der Patienten eine intermediäre Heparindosis eingesetzt worden.
In RAPID (Mai 2020 bis April 2021) erhielten 465 hospitalisierte Patienten mit moderater Krankheitsaktivität und erhöhten
D-Dimeren NMH/UFH über 28 Tage entweder in therapeutischer oder in prophylaktischer Dosierung (Sholzberg et al.
2021). Der primäre Wirksamkeitsendpunkt war eine Kombination aus ICU-Aufnahme, invasiver oder nichtinvasiver mechanischer
Beatmung und Tod jeglicher Ursache. Zwar war der primäre Endpunkt zwischen den beiden Gruppen mit 16,2 % vs. 21,9 % (Therapie vs. Prophylaxe) nicht unterschiedlich (OR 0,69 [95 %-KI 0,43–1,19]); Todesfälle traten aber unter der therapeutischen Antikoagulation mit 1,8 % vs. 7,6 % signifikant seltener auf (OR 0,22 [95 %-KI 0,07–0,65]). Die Raten
venöser Thromboembolien und schwerer Blutungen waren im Therapiearm numerisch niedriger.
In HEP-COVID (Mai 2020 bis Mai 2021) erhielten 257 hospitalisierte Patienten mit Sauerstoffbedarf und erhöhten
D-Dimeren oder Hinweisen für eine SIC entweder Enoxaparin 2 × 1 mg/kg täglich (Therapiearm) oder NMH/UFH in prophylaktischer oder intermediärer Dosierung (Prophylaxearm) (Spyropoulos et al.
2021). Die Stratifizierung erfolgte nach dem Schweregrad der Erkrankung (Normalstation vs. ICU). Der primäre Wirksamkeitsendpunkt war eine Kombination aus
VTE oder ATE und Tod jeglicher Ursache bis Tag 30. In der Gesamtkohorte (relatives Risiko [RR] 0,68 [95 %-KI 0,49–0,96]) und im Stratum der auf Normalstation behandelten Patienten (RR 0,46 [95 %-KI 0,27–0,81]) war die therapeutische Antikoagulation mit einem signifikanten Vorteil bezüglich des primären Endpunktes assoziiert, nicht jedoch im Stratum der ICU-Patienten (RR 0,92 [95 %-KI 0,62–1,39]). Das Ergebnis in der Gesamtkohorte wurde im Wesentlichen durch eine Reduktion thromboembolischer Ereignisse beeinflusst, die bei 10,9 % vs. 29,0 % der Patienten (Therapie vs. Prophylaxe) auftraten (RR 0,37 [95 %-KI 0,21–0,66]). Die 30-Tage-Mortalität war mit 19,4 % vs. 25,0 % dagegen nicht unterschiedlich (RR 0,78 [95 %-KI 0,49–1,23]). In der Gesamtkohorte traten schwere Blutungen mit 4,7 % vs. 1,6 % numerisch häufiger im Therapiearm als im Prophylaxearm auf (RR 2,88 [95 %-KI 0,59–14,02]), wobei diese Beobachtung vorrangig auf die ICU-Patienten (8,9 % vs. 0 %) und weniger auf die Patienten auf der Normalstation (2,4 % vs. 2,3 %) zutraf. Im Prophylaxearm war bei 39 % der Patienten eine intermediäre Heparindosis eingesetzt worden.
In FREEDOM COVID (August 2020 bis September 2022) erhielten 3398 Patienten mit moderater Krankheitsaktivität entweder Enoxaparin in prophylaktischer Dosierung oder eine therapeutisch dosierte Antikoagulation mit Enoxaparin 2 × 1 mg/kg oder Apixaban 2 × 5 mg täglich (Stone et al.
2023). Der primäre Wirksamkeitsendpunkt war eine Kombination aus Gesamtmortalität, Notwendigkeit einer ICU-Aufnahme, systemischer
Thromboembolie und ischämischem
Schlaganfall bis Tag 30, wobei die therapeutisch antikoagulierten Patienten als eine Gruppe mit den Prophylaxepatienten verglichen wurden. Der primäre Endpunkt trat bei 11,3 % der Patienten in der Therapiegruppe und bei 13,2 % der Patienten in der Prophylaxegruppe auf (HR 0,85 [95 %-KI 0,69–1,04]). Todesfälle waren mit 4,9 % vs. 7,0 % signifikant seltener unter der therapeutischen als unter der prophylaktischen Antikoagulation (HR 0,70 [95 %-KI 0,52–0,93]). Auch eine Intubation war mit 6,4 % vs. 8,4 % in der Therapiegruppe weniger häufig erforderlich als in der Prophylaxegruppe (HR 0,75 [95 %-KI 0,58–0,98]). Die Ergebnisse waren zwischen den beiden Therapieregimen vergleichbar. Blutungsereignisse waren insgesamt selten und nicht mit der Intensität der Antikoagulation assoziiert.
Eine kleinere Studie (BEMICOP) mit insgesamt nur 65 auswertbaren Patienten konnte für eine kurzzeitige therapeutische Antikoagulation mit Bemiparin (1 × 115 IE/kg täglich) über 10 Tage keinen Vorteil gegenüber einer Standardprophylaxe (Bemiparin 1 × 3500 IE täglich) bezüglich des kombinierten Endpunkts aus Tod jeglicher Ursache, ICU-Aufnahme, Notwendigkeit einer mechanischen
Beatmung, Entwicklung eines
ARDS und
VTE oder ATE bis Tag 10 nachweisen (Marcos-Jubilar et al.
2022).
In ACTION hatte die therapeutische Antikoagulation mit Rivaroxaban 1 × 20 mg/Tag im Vergleich zur Standardprophylaxe bei Patienten mit erhöhten
D-Dimeren und überwiegend moderater Krankheitsaktivität keinen Effekt auf verschiedene Wirksamkeitsendpunkte in den ersten 30 Tagen nach Randomisierung wie z. B.
Thromboembolien, Krankheitsprogression oder Gesamtmortalität (Lopes et al.
2021). Klinisch relevante Blutungen traten unter Rivaroxaban signifikant häufiger auf als unter der Standardprophylaxe.
Basierend auf der genannten Studienevidenz kann bei hospitalisierten Patienten mit moderater Krankheitsaktivität, die ein gesteigertes Risiko für einen schweren Verlauf aufweisen (z. B. Sauerstoffbedarf und/oder erhöhte
D-Dimeren), eine therapeutisch dosierte Antikoagulation, präferenziell mit NMH, erwogen werden, wobei unbedingt das individuelle Blutungsrisiko zu berücksichtigen ist (Kluge et al.
2023; Schulman et al.
2022).
Stationäre kritisch kranke Patienten mit COVID-19
Im Gegensatz zu Patienten mit moderater Krankheitsaktivität auf der Normalstation hat sich die therapeutisch dosierte Antikoagulation bei kritisch kranken Patienten auf der ICU in Abwesenheit einer etablierten Indikation nicht bewährt.
Während in einer initialen randomisierten Phase-II-Studie (HESACOVID) der pulmonale Gasaustausch unter Enoxaparin in therapeutischer Dosierung im Vergleich zur Enoxaparin-Standardprophylaxe (n = 10 pro Gruppe) signifikant verbessert war (Lemos et al.
2020), wurde die Multiplattformstudie ACTIV-4A, ATTACC, REMAP-CAP vorzeitig beendet, nachdem sich bei Intensivpatienten unter therapeutisch dosierter Antikoagulation mit NMH oder UFH kein zu erwartender Nutzen bezüglich des Überlebens frei von Organunterstützung gezeigt hatte (Goligher et al.
2021). Zwar ist die therapeutische Antikoagulation dazu geeignet, bei kritisch kranken Patienten thromboembolische Ereignisse wirksamer zu verhindern als eine Standardprophylaxe; dieser Nutzen überträgt sich aber nicht in ein verbessertes Gesamtüberleben und ist mit einem gesteigerten Blutungsrisiko assoziiert. Diese Schlussfolgerung wird durch die Studien HEP-COVID (Spyropoulos et al.
2021) und COVID-PACT (Bohula et al.
2022) bestätigt. Wie bei Patienten auf der Normalstation hat die intermediäre, halbtherapeutisch dosierte Antikoagulation bei kritisch kranken Patienten keinen Stellenwert (Bikdeli et al.
2022; Perepu et al.
2021; Sadeghipour et al.
2021). Entsprechendes gilt für eine Aggregationshemmung mit ASS oder P2Y12-Rezeptorantagonisten in Abwesenheit einer etablierten Indikation (Schulman et al.
2022).
Ambulante poststationäre Patienten mit durchgemachter SARS-CoV-2-Infektion
MICHELLE (Oktober 2020 bis Juni 2021) war eine offene multizentrische randomisierte Studie an 320 Patienten, die über mindestens 3 Tage aufgrund von
COVID-19 stationär behandelt worden waren und die zum Zeitpunkt der Entlassung ein erhöhtes VTE-Risiko aufwiesen: IMPROVE-VTE-Score 2–3 mit erhöhten
D-Dimeren (> 0,5 mg/l) oder IMPROVE-VTE-Score ≥ 4 unabhängig von der Konzentration der
D-Dimere (Ramacciotti et al.
2022). Die eine Hälfte der Patienten erhielt Rivaroxaban 1 × 10 mg/Tag über 35 Tage, während die andere Hälfte beobachtet wurde. Bei allen Teilnehmern erfolgte am Studienende ein VTE-Screening mittels Beinvenensonografie und thorakaler CT-Diagnostik. Der primäre Wirksamkeitsendpunkt, eine Kombination aus asymptomatischer, symptomatischer oder letaler
VTE, symptomatischer ATE und kardiovaskulärem Tod, trat mit 3,1 % vs. 9,4 % unter Rivaroxaban signifikant seltener auf als unter Beobachtung. Für das Ergebnis war vor allem eine Reduktion venöser Ereignisse verantwortlich. Schwere Blutungen wurden nicht beobachtet, klinisch relevante nichtschwere Blutungen waren mit 1,3 % in beiden Gruppen gleich häufig. Diese Daten werden unterstützt durch eine prospektive Registerstudie während der Frühphase der Pandemie (März bis Mai 2020), wonach Patienten mit hohem VTE-Risiko von einer poststationären Thromboseprophylaxe
bezüglich des kombinierten Endpunkts aus VTE oder ATE und Tod jeglicher Ursache profitieren (Giannis et al.
2021).
ACTIV-4C (Februar 2021 bis Juni 2022) war eine prospektive, randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie an 1217 Patienten, die über mindestens 48 h aufgrund von
COVID-19 hospitalisiert gewesen waren (Wang et al.
2023). Die Patienten erhielten bei Entlassung entweder Placebo oder Apixaban 2 × 2,5 mg/Tag über 30 Tage. Eine Patientenselektion anhand des VTE-Risikos oder ein
Screening auf klinisch inapparente Thrombosen fanden nicht statt. Der primäre Wirksamkeitsendpunkt war eine Kombination aus
VTE oder ATE und Tod jeglicher Ursache. Aufgrund einer unerwartet niedrigen Ereignisrate und einer abnehmenden Häufigkeit von Hospitalisierungen wurde die Studie vorzeitig beendet. Nur bei etwa 11 % der Studienteilnehmer lag der IMPROVE-VTE-Score bei ≥ 4. Der primäre Endpunkt trat bei 2,1 % der Patienten in der Apixaban-Gruppe und bei 2,3 % der Patienten in der Placebogruppe auf. Blutungsereignisse waren selten und zwischen beiden Armen nicht unterschiedlich.
Basierend auf der bisher verfügbaren Studienevidenz kann eine routinemäßige poststationäre VTE-Prophylaxe nach Hospitalisierung aufgrund von
COVID-19 nicht empfohlen werden. Patienten mit einem hohen VTE-Risiko, ermittelt z. B. anhand des IMPROVE-VTE-Scores (Tab.
3), scheinen jedoch von einer prolongierten Thromboembolieprophylaxe mit z. B. Rivaroxaban 1 × 10 mg/Tag über bis zu 5 Wochen zu profitieren.
Tab. 3
IMPROVE-VTE-Score zur Abschätzung des Thromboembolierisikos bei hospitalisierten internistischen Patienten. (Spyropoulos et al.
2011)
| 3 |
| 2 |
Aktuell bestehende Lähmung oder Parese der unteren Extremität | 2 |
(Aktive) Krebserkrankung | 2 |
Immobilität über ≥ 7 Tage (unmittelbar vor und während der Krankenhausaufnahme) | 1 |
ICU/CCU-Aufenthalt | 1 |
Alter > 60 Jahre | 1 |
Diese Daten decken sich mit früheren Studienergebnissen an hospitalisierten internistischen Patienten, bei denen das VTE-Risiko nach Krankenhausentlassung durch eine prolongierte Prophylaxe wirksam gesenkt werden kann (Raskob et al.
2021). Allerdings ist bei der Patientenauswahl das gesteigerte Blutungsrisiko unter Antikoagulation zu berücksichtigen.