Eine große systematische Literaturrecherche belegt die herausragende Stellung der diabetischen Stoffwechselstörung als Risikofaktor für die Entstehung der
PAVK (Fowkes et al.
2013). Das Risiko für die Entstehung einer peripheren Durchblutungsstörung bei Menschen mit
Diabetes ist etwas 2-fach höher als bei Nichtdiabetikern (OR 1,88; 95 %-KI 1,66–2,18) und damit höher als das Risiko durch
arterielle Hypertonie,
Hypercholesterinämie oder Übergewicht.
35–45 % aller Patienten mit
PAVK haben eine diabetische Stoffwechselstörung, und neuere Registerdaten weisen eine
Prävalenz des
Diabetes bei fast 50 % aller Patienten mit arteriellen Unterschenkelläsionen auf, und bei kritischer
Extremitätenischämie und PAVK vom Unterschenkeltyp liegt die Diabetesprävalenz bei etwa 80–90 % (Freisinger et al.
2017a,
b).
Alle PAVK-Patienten, bei denen ein
Diabetes bislang nicht bekannt ist, sollen auf das Vorliegen eines Diabetes mellitus
bzw. einer Glukosetoleranzstörung
untersucht werden. Dies gilt insbesondere für Patienten im Stadium der kritischen
Extremitätenischämie.
Diabetes ist nicht nur mit einer frühen Manifestation, sondern auch häufig mit einer schweren Form der
PAVK assoziiert. Patienten mit Diabetes und PAVK haben häufiger eine kritische
Extremitätenischämie („critical limb ischaemia“, CLI), entwickeln häufiger ein
diabetisches Fußsyndrom (DFS
) und haben ein 7 bis 8-fach höheres Risiko, eine Amputation der unteren Extremitäten zu erleiden (Hinchliffe et al.
2020). Dies ist in dem Kontext zu sehen, dass die Risikofaktoren für eine PAVK – und hier insbesondere die Erhöhung von Blutzuckerwerten,
LDL-Cholesterin und Triglyceriden – früher, aggravierter und in Kombination auftreten.
Anatomisch-morphologisch ist eine multisegmentale Manifestation mit langstreckigen, kalzifizierten Stenosen und Verschlüssen der Unterschenkelarterien mit unzureichender Kollateralbildung typisch (Lawall
2020). Obwohl der Befall mehrerer Gefäßetagen häufig vorkommt, ist doch die
PAVK vom Unterschenkeltyp kennzeichnend für Patienten mit
Diabetes. So kommt es bei Diabetikern bevorzugt zu sequenziellen Stenosen und Verschlüssen der Unterschenkelarterien bis hin zum Querschnittsverschluss aller 3 Unterschenkelarterien. Dabei sind die Fußarterien oft noch erhalten (Rümenapf et al.
2021).
In Assoziation zur autonomen
Polyneuropathie findet sich in bis zu 30 % der Diabetiker eine Mediasklerose
. Letztere ist ein Indikator für eine erhöhte kardiovaskuläre Mortalität und Morbidität, führt allerdings nicht automatisch zu einer Gefäßobstruktion.
Zusammenfassend sind das Ausmaß der atheromatösen Kalzifikationen, die Lokalisation der Gefäßläsionen sowie die vorzeitige Manifestation der
PAVK, unabhängig ob als Zufallsbefund festgestellt oder klinisch manifestiert, der wichtige Unterschied zur PAVK des Nichtdiabetikers. Eine diabetesspezifische Makroangiopathie mit charakteristischen histopathologischen Befunden in der Gefäßwand großer Gefäße gibt es nicht.
Wechselbeziehung zwischen PAVK und Diabetes
Die
Prävalenz der
PAVK bei Menschen mit
Diabetes liegt zwischen 20 % und 28 %; für die Allgemeinbevölkerung wird eine Prävalenz von 10–26 % angegeben. Diabetiker weisen häufiger eine polyvaskuläre Atheromatose auf, und Komorbiditäten (z. B. KHK,
Herzinsuffizienz,
Niereninsuffizienz) sind in dieser Hochrisikogruppe häufiger als bei PAVK-Patienten ohne Diabetes (Keller et al.
2021). Alle Studien zeigen eine erhöhte Amputationsrate bei Diabetikern mit PAVK gegenüber Nichtdiabetikern mit PAVK. Typ-1-Diabetiker haben ein höheres Amputationsrisiko als Typ-2-Diabetiker (Richter et al.
2018).
Das Ausmaß der Hautläsion am Fuß ist unabhängig vom Diabetestyp der stärkste Prädiktor für eine nachfolgende Amputation (Freisinger et al.
2017a,
b). Gefäßeingriffe, Fußdeformität und ein gestörtes Empfinden (z. B. pathologischer Monofilament-Test nach Semmes-Weinstein) am Fuß sind weitere Prädiktoren für eine künftige Majoramputation
bei Menschen mit
Typ-2-Diabetes (Goldman et al.
2021; Tab.
1).
Tab. 1
Prädiktoren für künftige Majoramputation bei Typ-2-Diabetes
Revaskularisation nach Randomisierung | 14,6 (8,26–25,9) | < 0,0001 |
Fußdeformität | 4,54 (1,8–11,4) | 0,001 |
Sensibilitätsstörung* | 3,52 (1,91–6,49) | < 0,0001 |
Ulkus (DFU) | 3,11 (0,82–11,9) | 0,097 |
HbA1c | 1,88 (1,53–2,30) | < 0,0001 |
Diabetiker mit stattgehabter Revaskularisation
haben auch über einen Nachbeobachtungszeitraum von 8 Jahren weiterhin ein höheres Amputationsrisiko im Vergleich zu Diabetikern, bei denen bislang keine
PAVK bekannt bzw. keine Revaskularisationen erforderlich waren. Die Stoffwechseleinstellung erscheint in diesem Zusammenhang nachrangig.
Als primäre Revaskularisationsmethoden kommen bei Diabetikern vorzugsweise endovaskuläre Verfahren (31–86 %) zum Einsatz, während offene gefäßchirurgische Eingriffe bei Diabetikern 13–27 % der Revaskularisationen ausmachen. Signifikante Behandlungsunterschiede zwischen Diabetikern und Nichtdiabetikern nach offener Bypasschirurgie oder endovaskulärer Behandlung werden nicht gefunden.
In den meisten Studien wird eine erhöhte Mortalität für Menschen mit
Diabetes gegenüber Nichtdiabetikern beschrieben. Je länger die Nachbeobachtung, umso größer die Differenz. Die Sterblichkeitsraten bei Diabetikern nach gefäßchirurgischen Operationen oder endovaskulären Eingriffen liegen zwischen 10 % nach 1 Jahr und 23 % nach 5 Jahren gegenüber 6 % bzw. 10 % bei PAVK-Patienten ohne Diabetes (Stoberock et al.
2021). Daraus ergibt sich ein erhöhtes relatives Risiko für Diabetiker mit einer Hazard Ratio von 1,31 (95 %-KI 1,23–1,38). Die Mortalitätsrate ist nach offenen gefäßchirurgischen Eingriffen dabei etwas höher als bei Patienten mit endovaskulärer Behandlung (Baubeta et al.
2018).
Diagnostik der PAVK bei Diabetes
Die Anamnese der typischen Symptome der
PAVK ist bei Diabetikern wegen der eingeschränkten oder fehlenden Schmerzwahrnehmung bei sensorischer Neuropathie oft trügerisch und vielfach nicht anwendbar. Deshalb kommt der klinischen Untersuchung eine umso größere Bedeutung zu.
In der klinischen Untersuchung ist neben der Palpation der Fußpulse die Untersuchung der reaktiven Hautdurchblutung der Füße (Kapillarpuls, d. h. Zeit bis zur Rekapillarisierung nach Druck auf die Haut) wichtig. Gerade bei Diabetikern liefert diese einfache klinische Untersuchung wichtige Informationen zur lokalen Fußdurchblutung. Tastbare Fußpulse schließen das Vorhandensein einer
PAVK nicht immer aus. Eine regionale Fußischämie kann auch bei palpablen Fußpulsen oder annähernd normalen Zehendruckwerten vorliegen (Beispiel: Fersenläsion bei dialysepflichtigen Diabetikern).
Eine verzögerte Rekapillarisierung nach Druck gibt Hinweise für das Vorliegen einer kritischen Durchblutungsstörung des entsprechenden Hautareals. Der Hautstatus soll nach Integrität, Turgor, Schweißbildung und Temperatur beurteilt werden, ergänzt durch die Begutachtung von Muskelatrophie und Deformität der Extremität. Insbesondere beim Diabetiker lassen sich so Anhaltspunkte für eine Differenzierung zwischen primär ischämischen und neuropathischen Läsionen gewinnen.
Eine weitere einfache klinische Untersuchungsmethode ist die Ratschowsche Lagerungsprobe.
Bei Diabetikern mit
PAVK soll regelmäßig eine klinische Fußuntersuchung erfolgen.
Die nicht invasive apparative Funktionsdiagnostik erlaubt eine Aussage zum Vorliegen einer
PAVK bzw. zur Schwere der Durchblutungsstörung, gibt prognostische Hinweise zum Spontanverlauf, zum kardiovaskulären Risiko oder zur Wundheilung.
Eine zielgerichtete Diagnostik erleichtert die Wahl der geeigneten Therapie und ermöglicht eine Verlaufsbeobachtung unter und nach gefäßmedizinischer Behandlung (Lawall und Lüdemann
2015).
Nichtinvasive Gefäßdiagnostik bei Diabetikern
Bei Diabetikern sollten diese nichtinvasiven diagnostischen Verfahren großzügig angewandt werden, wenn der Verdacht auf eine
PAVK besteht oder eine Fußläsion vorliegt bzw. nicht heilt. Dabei spielt neben der Beurteilung der absoluten Dopplerdruckwerte und Indizes am Fuß und Großzeh auch die Pulskurvenanalyse des Dopplersignals eine wichtige Rolle.
Bei Vorliegen einer Mediasklerose
– anzunehmen bei Knöchel-Arm-Index bzw.
Ankle-Brachial-Index (ABI) > 1,3 – kommen der akralen Pulsoszillografie und der Zehendruckmessung mit Bestimmung des Zehen-Arm-Index bzw. Toe-Brachial-Index (TBI) eine besondere Bedeutung zu. Das ist darin begründet, dass die Zehenarterien wesentlich seltener von einer Mediasklerose betroffen sind als die Unterschenkelarterien, sodass die akrale Druckmessung hier verlässlicher Auskunft über die Perfusion des Fußes gibt. Eine langjährige Verlaufsbeobachtung unterstreicht die Bedeutung der Zehendruckmessung mit TBI-Bestimmung bei Diabetikern mit und ohne Mediasklerose (Huyn et al.
2014). Alternativ kann einfach und schnell die Pulsoszillografie der Digitalarterien durchgeführt werden.
Nichtinvasive apparative Funktionsuntersuchungen der Beingefäße sind erforderlich zur Beurteilung des Schweregrades, des Verlaufs und zur Therapiestratifikation bei Patienten mit
PAVK. Während ein
Screening auf eine PAVK regelmäßig auch vom Hausarzt oder Diabetologen durchgeführt werden kann, sollte mit der Bestätigung einer PAVK (z. B. bei einem ABI < 0,9 bzw. einem TBI < 0,7) eine weitere fachärztliche Abklärung durch einen Gefäßmediziner erfolgen zur Festlegung der weiteren – medikamentösen oder interventionellen – Therapiestrategie. Das gilt umso mehr, wenn die arterielle Durchblutung eines oder beider Beine kritisch eingeschränkt ist. Dies ist der Fall, wenn Ruheschmerzen oder Fußläsionen vorliegen und der Knöchelarteriendruck < 50 mmHg, der Zehendruck < 30 mmHg liegt oder die Werte einer tcPO
2-Messung < 30 mmHg betragen (Schaper et al.
2012; Game et al.
2012). Im Falle einer kritischen
Extremitätenischämie besteht eine dringliche Indikation zur arteriellen Rekonstruktion, soweit möglich. Auch bei Risikopatienten für die Entstehung einer Fußläsion sollte frühzeitig ein Gefäßmediziner in die Behandlung einbezogen werden.
Mittels bildgebender Verfahren (z. B. farbkodierte Duplexsonografie, MR-Angiografie, CT-Angiografie oder intraarterielle digitale Subtraktionsangiografie [ia-DSA]) können Stenosen und Verschlussprozesse in den Arterien der unteren Extremitäten lokalisiert werden. Als nichtinvasive Methode hat die farbkodierte Duplexsonografie eine herausragende Bedeutung. Sie verknüpft hämodynamische Ergebnisse mit morphologischen Befunden und erlaubt damit Aussagen zur Lokalisation und Morphologie von Gefäßläsionen. Sie ist außerdem unerlässlich für die Planung von Gefäßeingriffen und Festlegung des Zugangsweges für endovaskuläre oder operative Gefäßrevaskularisationen. Sonografisch gesteuerte Gefäßpunktionen helfen zudem, das Risiko für
Gefäßkomplikationen zu minimieren.
Bei unklarer Situation in der Sonografie wird die radiologische Schnittbildgebung mittels MR-Angiografie oder CT-Angiografie empfohlen, wobei auf Kontraindikationen und Nebenwirkungen im Hinblick auf die verwendeten Kontrastmittel zu achten ist. Gerade die oft eingeschränkte Nierenfunktion bei Diabetikern spielt in diesem Zusammenhang eine besondere Rolle. Die ia-DSA als invasives Verfahren soll möglichst nur bei symptomatischen Patienten mit Indikation für eine Gefäßrevaskularisation und dann in Interventionsbereitschaft durchgeführt werden (d. h., die zu behandelnde Gefäßläsion wird – sofern endovaskulär angehbar – möglichst unmittelbar im Anschluss an die Diagnostik therapiert).
Eine Möglichkeit zur Reduktion des Risikos für eine kontrastmittelinduzierte Nierenfunktionsverschlechterung bei vorbestehender fortgeschrittener
Niereninsuffizienz bietet die CO
2-Angiografie, die gezielt im Rahmen von interventionellen Eingriffen eingesetzt werden kann. Alternativ kann eine Katheterintervention im Einzelfall auch sonografiegesteuert erfolgen, um die Kontrastmittelexposition zu begrenzen.
Therapie der PAVK bei Diabetes
Die Therapie der
PAVK bei Diabetikern hat zwei grundsätzliche Ziele: die Verbesserung des peripheren Blutflusses bei symptomatischen Patienten sowie die Therapie vaskulärer Risikofaktoren und Begleiterkrankungen unter besonderer Berücksichtigung koronarer und zerebrovaskulärer Gefäßerkrankungen mit dem Ziel der Senkung des Risikos für kardiovaskuläre Komplikationen und vorzeitigen Tod.
Sinnvoll ist ein stadien- und symptomorientiertes Vorgehen bei
PAVK.
Grundprinzipien der Therapie
Die Basisbehandlung umfasst ein strukturiertes Geh- bzw. Bewegungstraining, die Gewichtsreduktion bei massivem Übergewicht, die Nikotinkarenz bei
Rauchern sowie die Behandlung der
arteriellen Hypertonie, der
Hypercholesterinämie und des
Diabetes mellitus. Während die Gabe von ASS zur Primärprävention für Diabetiker nicht empfohlen wird, da Nutzen und Risiken nicht in einem adäquaten Verhältnis stehen, ist die Thrombozytenfunktionshemmung ein wichtiges Therapieprinzip für Patienten mit symptomatischer
PAVK.
Diabetiker mit symptomatischer
PAVK sollen eine Therapie mit ASS 1 × 100 mg oder
Clopidogrel 1 × 75 mg täglich erhalten (Balletshofer et al.
2023).
Eine neue Behandlungsoption in der Hochrisikogruppe von Menschen mit
Diabetes und
PAVK bietet die duale antithrombotische Therapie mit ASS 1 × 100 mg und Rivaroxaban 2 × 2,5 mg täglich, nachdem in der COMPASS-Studie gezeigt werden konnte, dass diese Kombinationstherapie gegenüber einer alleinigen ASS-Medikation Vorteile bietet. In einer vordefinierten Subgruppenanalyse dieser Studie ergab sich für Diabetiker mit PAVK eine Reduktion des primären Endpunktes (kardiovaskulärer Tod, Herzinfarkt und/oder
Schlaganfall) sowohl für Patienten mit Diabetes (HR 0,74; 95 % KI 0,61–0,9; p = 0,002) als auch für Patienten ohne Diabetes (HR 0,77; 95 %KI 0,64–0,93; p = 0,005), wobei die Zahl der schweren Blutungsereignisse in beiden Gruppen (duale Therapie vs. ASS-Monotherapie) vergleichbar waren. Die absolute Risikoreduktion im Hinblick auf den primären Studienendpunkt fiel bei Diabetikern mit PAVK (2,3 %) stärker aus als bei Nichtdiabetikern mit PAVK (1,4 %). Auch die Beinereignisrate (sog. „major limb event“ [MALE]: akute Beinischämie, Hospitalisierung, Gefäßrevaskularisation oder Majoramputation) war bei Diabetikern signifikant reduziert im Vergleich zu Nichtdiabetikern (absolute Risikoreduktion 2,7 % vs. 1,7 %; p <0,001) (Bhatt et al.
2020).
Aus früheren Studien ist bekannt, dass die kumulative Wahrscheinlichkeit, ein schweres kardiovaskuläres Ereignis („major cardiovascular event“, MACE) zu erleiden, mit der Anzahl der Komorbiditäten zunimmt. Besonders Patienten mit multiplen Risikofaktoren bzw. Atherosklerosemanifestation in verschiedenen Gefäßregionen haben ein sehr hohes Risiko und dürften daher besonders von einer dualen Therapie aus ASS und Rivaroxaban profitieren. Dazu zählen in besonderer Weise Diabetiker, insbesondere nach endovaskulärer und operativer Revaskularisation. Die Ergebnisse der COMPASS-Studie, in die Patienten mit chronischer
PAVK eingeschlossen waren, und der VOYAGER-Studie, in die PAVK-Patienten mit endovaskulärer und/oder gefäßchirurgischer Revaskularisation eingeschlossen wurden, haben dazu geführt, dass aktuelle Leitlinien diese Behandlung bei Patienten mit geringem Blutungsrisiko unter Beachtung der Nutzen-Risiko-Abwägung empfehlen (Balletshofer et al.
2023).
Die Empfehlung zur lipidsenkenden Therapie bei Diabetikern erfolgt primär mit dem Ziel, das Risiko für kardio- und zerebrovaskuläre Komplikationen zu senken. Darüber hinaus gibt es Hinweise, dass auch die Amputationsrate und Gesamtmortalität günstig beeinflusst werden. Die LDL-Senkung erfolgt grundsätzlich zielwertorientiert unter Berücksichtigung des kardiovaskulären Risikos. Da Diabetiker mit
PAVK der Gruppe mit „sehr hohem“ Risiko zuzurechnen sind, wird eine LDL-Absenkung um mindestens 50 % bzw. unter einen Wert von 55 mg/d angestrebt. Statine sind hier als Mittel der ersten Wahl einzusetzen.
Eine normotone Blutdruckeinstellung ist für alle Patienten mit
PAVK mit und ohne
Diabetes anzustreben; für Diabetiker werden dabei etwas strengere Zielwerte angegeben (< 130/85 mmHg) als für Nichtdiabetiker. Eine zu starke Absenkung (z. B. < 120 mmHg systolisch) wird allerdings nicht empfohlen, da dies insbesondere bei Diabetikern mit PAVK zur Verschlechterung der peripheren bzw. akralen Perfusion führen könnte.
Eine optimierte Diabeteseinstellung soll grundsätzlich für alle Menschen mit
Diabetes angestrebt werden. Eine belastbare Datenlage oder spezifische Empfehlungen im Hinblick auf die antidiabetische Therapie von Patienten mit Diabetes und
PAVK liegen nicht vor. Metformin gilt als orales Antidiabetikum der ersten Wahl; ergänzend werden SGLT2-Inhibitoren (Empagliflozin, Dapagliflozin) oder GLP-1-Agonisten bei Menschen mit Diabetes mellitus Typ 2 und PAVK empfohlen (Balletshofer et al.
2021). Dafür verantwortlich ist die Senkung der kardiovaskulären Mortalität und Morbidität bei Typ-2-Diabetikern mit kardiovaskulären Erkrankungen. In der EMPAREG-Outcome-Studie (mit Empagliflozin) und der DECLARE-TIMI-Studie (mit Dapagliflozin) ergaben sich keine Hinweise für eine erhöhte Amputationsrate unter Gabe von
SGLT-2-Inhibitoren.
Vorgehen bei Claudicatio intermittens
Im Stadium II nach Fontaine bzw. bei Claudicatio intermittens
ist ein strukturiertes Geh- und Bewegungstraining integraler Bestandteil der Therapie. Eine armergometrische Übungsbehandlung scheint bei Kontraindikationen oder Einschränkungen (z. B. orthopädische Probleme,
PNP, DFS) zu Gehübungen ebenso effektiv wie ein Gehtraining zu sein (Lauret et al.
2014).
Neben dem Gefäßtraining und der medikamentösen Behandlung sind endovaskuläre und operative Behandlungsverfahren feste Bestandteile der gefäßmedizinischen Behandlung von Diabetikern mit
PAVK. Bei Claudicatio sind die Kriterien zur operativen und endovaskulären Eingriffen enger zu stellen als bei kritischer
Extremitätenischämie, da im Langzeitverlauf die primären Behandlungsergebnisse im Vergleich zur rein konservativen Behandlung nicht besser sind.
Das Hauptkriterium für die invasive Behandlung stellt bei Claudicatio die Gehleistung und damit die
Lebensqualität des Betroffenen dar. Mortalität und Beinerhalt bzw. Durchgängigkeit der Beinarterien werden in der Langzeitbeobachtung durch invasive Verfahren nicht positiv beeinflusst (Fakhry et al.
2018). Die endovaskuläre Behandlung zeigt nur kurzfristig einen Vorteil, indem sie unmittelbar zu einer Symptomverbesserung führt. Allerdings geht sie mit einer hohen Re-Interventionsrate einher und ist daher keine kostengünstige Behandlungsmethode. Im Follow-up über 5 Jahre ergab sich in einer aktuellen randomisierten kontrollierten Studie (IRONIC) sogar eine in der Tendenz höhere Mortalität und Verschlechterung der maximalen Gehstrecke (Djerf et al.
2020).
Diese wichtige Studie bei Patienten mit Claudicatio unterstreicht eindrücklich die Beobachtung, dass ein anhaltender klinischer Erfolg nur durch strukturierten Gefäßsport allein oder in Kombination mit endovaskulärer Therapie zu erzielen ist. Der Nutzen einer zusätzlichen Gabe von vasoaktiven Substanzen wie
Cilostazol ist umstritten.
Die Einbindung von Patienten in Gefäßsportgruppen – und bei Diabetikern in Diabetikersportgruppen – ist daher gerade nach Gefäßeingriffen (bei Diabetikern in Diabetikersportgruppen) von herausragender Bedeutung.
Arterielle Rekonstruktionen bei
PAVK sind eine symptomatische Therapie und lösen das Grundproblem der progressiven
Arteriosklerose nicht. Das zeigen auch zwei große Registerstudien aus Schweden bei Diabetikern mit Claudicatio, die sich einem endovaskulären oder gefäßchirurgischen Eingriff unterzogen haben. Nach 5 Jahren hatten die Diabetiker eine signifikant höhere MACE-Rate (HR 1,26; 95 % KI 1,07–1,48, p < 0,01) und eine gesteigerte Majoramputationsrate (HR 2,31; 95 % KI 1,24–4,32, p < 0,01). Bei Patienten mit
Diabetes war die Gesamtmortalität mit einem höheren HbA1c-Wert vergesellschaftet (Dakhel et al.
2020). Bei Patienten mit Claudicatio konnten nach offenen gefäßchirurgischen Eingriffen vergleichbare Beobachtungen gemacht werden. Auch hier hatten Diabetiker ein signifikant schlechteres Langzeitergebnis (Dakhel et al.
2021). Die Güte der Stoffwechseleinstellung (HbA1c) ist mit der MACE-Rate assoziiert, die Diabetesdauer mit der Anzahl an Majoramputationen. Diese Daten aus großen Beobachtungsstudien weisen auf die Bedeutung der Stoffwechseleinstellung bei Menschen mit Diabetes und PAVK hin. Dies gilt insbesondere für jene Diabetiker, die sich einem gefäßmedizinischen invasiven Eingriff unterziehen.
Vorgehen bei chronischer kritischer Extremitätenischämie
In nahezu allen Behandlungsstudien zur medikamentösen Therapie bzw. operativen und interventionellen Revaskularisation wurde nicht zwischen Diabetikern und Nichtdiabetikern unterschieden, obwohl Patienten mit
Diabetes einen Großteil der Patienten mit kritischer
Extremitätenischämie ausmachen. Therapeutischer Nihilismus ist bei Patienten mit Diabetes mellitus aber nicht angezeigt:
Die fehlende Schmerzwahrnehmung bei
diabetischer Polyneuropathie maskiert häufig die fortgeschrittene
PAVK, und gerade hier ist das Risiko für die Entstehung eines neuroischämischen Fußsyndroms
groß. Diabetiker mit Ruheschmerzen sind selten, häufig findet sich ein symptomarmer oder fehlender Übergang aus dem asymptomatischen Stadium I in das Stadium IV mit Fußulzerationen oder Gangrän (neuroischämisches
diabetisches Fußsyndrom).
Deshalb kann bei Nachweis von hämodynamisch relevanten Gefäßläsionen bereits bei diesen Hochrisikopatienten für ein DFU (z. B. bei Fußdeformität oder vorangegangenen Gefäßeingriffen am ipsilateralen Bein) eine arterielle Revaskularisation sinnvoll sein.
Das klinische Ergebnis nach endovaskulärer oder offener gefäßchirurgischer Therapie ist bei Patienten mit einem diabetischen Fußulkus gleich. Wundheilungsraten, Beinerhaltungsraten und die Anzahl von Major- und Minoramputationen unterscheiden sich einer aktuellen
Metaanalyse zufolge nicht (Forsythe et al.
2020). Auch konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen direkter endovaskulärer vs. indirekter Rekanalisation (Angiosom-Konzept) bzw. der Revaskularisation von einer („single“) vs. mehreren („multiple“) Unterschenkelarterien festgestellt werden. Es gibt allerdings Hinweise aus den Fallserien, dass bei direkter Rekanalisation – d. h. Revaskularisation der Arterie, die das Areal mit dem Gewebsdefekt direkt versorgt (Angiosom-Prinzip) – die Wundheilung schneller verläuft.
Bei geeigneter Morphologie der Gefäßläsionen soll der endovaskulären Behandlung der Vorzug gegeben werden, wenn kurzfristig und langfristig die gleiche symptomatische Verbesserung erzielt werden kann wie mit einem gefäßchirurgischen Eingriff. Diabetiker haben mittel- und langfristig allerdings eine erhöhte Restenoserate nach endovaskulärer Behandlung. Deshalb sind hier regelmäßige klinische Verlaufskontrollen erforderlich. Dann ist die sekundäre Offenheitsrate nur minimal schlechter als nach gefäßchirurgischen Eingriffen, und das klinische Ergebnis (Beinerhalt) ist gleich (Forsythe et al.
2020).
Aktuelle Daten zeigen, dass auch bei Menschen mit
Diabetes endovaskuläre Eingriffe sicher und erfolgreich durchgeführt werden können (Korosoglou et al.
2020). Bei Patienten mit Diabetes mellitus ergeben sich – abgesehen von erhöhten Kontrastmittelrisiken – keine Einschränkungen für die Indikationsstellung zur interventionellen Behandlung. Indikationsstellung und Verfahrenswahl zur arteriellen Revaskularisation unterscheiden sich nicht von Patienten mit und ohne Diabetes mellitus. Endovaskuläre und operative Verfahren zur arteriellen Rekonstruktion können in gefäßmedizinischen Zentren als Hybrideingriffe auch sinnvoll kombiniert werden, um in einer Sitzung Mehretagenläsionen zu behandeln. Dies kann gerade bei Diabetikern mit kritischer Ischämie indikationsgerecht angewandt werden, um Risiken und Ressourcen zu minimieren
Die Bypass-Offenheitsrate und das klinische Ergebnis hängen in Wesentlichem vom Abstrom, dem verwendeten Bypassmaterial (autologe Vene besser als Gefäßprothese) und von Komorbiditäten (z. B. Herz- und
Niereninsuffizienz) ab. Die peri- und postinterventionelle Komplikationsrate für ein endovaskuläres oder operatives Vorgehen beträgt bei Diabetikern mit DFS
etwa 10 %.
Wichtig ist die Erfahrung, dass autologe Venenbypässe (V. saphena magna) allen anderen operativen Methoden überlegen sind. Deshalb sollten bei Risikopatienten (z. B. Menschen mit
Diabetes) oberflächliche Stammvenen am Bein möglichst nicht oder nur bei strenger Indikation entfernt oder verschlossen werden!
Vor einer drohenden Amputation bei diabetischem Fußsyndrom müssen schnellstmöglich alle Möglichkeiten der arteriellen Revaskularisation genutzt werden.
Beim diabetischen Fußsyndrom mit relevanter Ischämie ist die Wiederherstellung eines unbehinderten arteriellen Zuflusses von herausragender Bedeutung.
Ein großes Problem ist die
PAVK bei niereninsuffizienten Diabetikern. Die
Prävalenz der PAVK bei diabetischen Patienten mit terminaler
Niereninsuffizienz liegt über 70 %. Das Amputationsrisiko bzw. das Risiko für nichtheilende Wunden ist signifikant erhöht, und die niereninsuffizienten Patienten weisen eine Exzessmortalität trotz funktionierender Bypassanlage auf (Lanzer und Ferraresi
2023). Prädiktor für ein Therapieversagen bei niereninsuffizienten Diabetikern mit DFS ist der Grad der Nierenschädigung. Je höher der Grad der Nierenschädigung, umso schlechter ist das Ergebnis (Beinerhalt, Offenheitsrate, Gesamtüberleben).
Die Bedeutung der Revaskularisation zum Beinerhalt und zur Wundheilung ist unstrittig. Endovaskuläre und offen chirurgische Behandlungsmethoden ergänzen sich in spezialisierten Gefäßzentren. Um die Zahl von hohen Amputationen zu verringern, müssen Diabetiker mit peripheren Durchblutungsstörungen regelmäßig und rechtzeitig bei Gefäßspezialisten vorgestellt werden. Dies ist insbesondere vor geplanten Majoramputationen als sogenanntes Zweitmeinungsverfahren zu fordern.
Nachsorge nach Gefäßeingriffen
Nach peripheren Gefäßeingriffen ist die Gabe von
Thrombozytenfunktionshemmern zur Sekundärprophylaxe zwingend erforderlich. Zur Sekundärprophylaxe sind zudem Statine indiziert. Damit verbessert sich nicht nur das klinische Überleben, auch die Bypass-Offenheitsrate und die Gehfähigkeit werden signifikant verbessert (Hsu et al.
2017). Der Nutzen weiterer medikamentöser Behandlungsverfahren bei Diabetikern ist unklar. Ein strukturiertes Gefäßtraining verbessert das Gehvermögen und das klinische Ergebnis auch nach revaskularisierenden Eingriffen.
Präventiv zur Vermeidung eines DFS sind die frühzeitige Schulung von Diabetikern, das
Screening auf periphere Durchblutungsstörungen mittels einfacher und kostengünstiger Bestimmung des Knöchel-Arm-Index und die regelmäßige Fußinspektion notwendig. Durch Vernetzung der ambulanten und stationären Versorgungseinrichtungen, z. B. in zertifizierten Diabetes-Fuß-Ambulanzen, durch Implementierung und Anwendung von definierten Behandlungspfaden ist eine Reduktion der hohen Amputationsrate bei Diabetikern möglich.