Skip to main content
Klinische Angiologie
Info
Publiziert am: 24.02.2024

Dialyseshunt: Grundzüge der Shuntchirurgie

Verfasst von: Richard Kellersmann
Die Hämodialyse ist eine lebenserhaltende Therapie für Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz. Dabei stellt ein Gefäßzugang, der einen ausreichend hohen Blutfluss gewährleisten muss, die Schnittstelle zwischen dem Patienten und der Dialyseapparatur dar. Prinzipiell können für die dauerhafte Dialysebehandlung drei Zugangsverfahren unterscheiden werden: die arteriovenöse Fistel (a.v.-Fistel) als autologer Shunt, der Prothesenshunt durch Verwendung eines Kunststoffimplantats und der subkutan getunnelte, zentralvenöse Katheter (CVC). Bei a.v.-Fisteln wird eine oberflächliche Vene an eine Arterie anastomosiert. Vorteile von a.v.-Fisteln sind ihre oft über viele Jahre problemlose Nutzbarkeit und die Resistenz gegen Infektionen. Arteriovenöse Fisteln benötigen allerdings eine oft über Wochen dauernde Phase der Ausreifung (Maturation). Nonmaturationsraten liegen zwischen 15–50 %. Alternativ kann die primäre Anlage eines Prothesenshunts, in Einzelfällen auch eines CVC erforderlich sein. Prothesenshunts können 2–3 Wochen nach ihrer Implantation punktiert werden, haben jedoch im Vergleich zu a.v.-Fisteln eine kürzere Überlebenszeit. In der Vorbereitung zur Shuntanlage hat die Ultraschalldarstellung (Mapping) der Gefäßverhältnisse einen wichtigen Stellenwert erreicht. Technische Innovationen werden in der Zukunft die Möglichkeiten zur langfristigen Nutzung eines Gefäßzugangs weiter verbessern.

Einleitung

Zurzeit sind in Deutschland ca. 80.000 Patienten auf eine chronische Nierenersatztherapie angewiesen. Von diesen erhalten > 90 % eine Hämodialyse. Die Zahl der Dialysepatienten wächst wie in allen industrialisierten Ländern auch hierzulande (bis 2,7 %/Jahr), wobei der zu erwartenden Zuwachs unterschiedlich prognostiziert wird. Ursachen für den Anstieg sind die demografische Entwicklung, die zunehmende Zahl von Diabetikern und die durch Therapiefortschritte bedingten, längeren Dialysekarrieren. Das mediane Alter der Patienten, die im Jahre 2019 ihre Hämodialyse begonnen haben (n = 12.648), lag bei 71 Jahren (Quelle: Jahresbericht 2019 zur Qualität in der Dialyse, herausgegeben vom Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen [IQTIG]). Viele Dialysepatienten weisen eine koronare Herzkrankheit, eine arterielle Verschlusskrankheit oder einen therapiebedürftigen Diabetes mellitus auf. Entsprechend ist ein hoher Anteil an Patienten mit komplizierten Gefäßverhältnissen zu erwarten. Die Schaffung und der Erhalt eines funktionierenden vaskulären Dialysezugangs ist in vielen Fällen eine chirurgische Herausforderung. Die Bedeutung dieser als „Shuntchirurgie“ bezeichneten, spezialisierten Chirurgie wird dadurch unterstrichen, dass der Dialysezugang/Shunt die Schnittstelle zwischen dem Patienten und seiner lebenserhaltenden Therapie darstellt.

Definition eines arteriovenösen Dialysezugangs

Eine effektive Blutwäsche bedarf eines definierten Blutflusses in einer Dialysemaschine, um dem Patienten innerhalb kurzer Zeit (ca. 6 h), 3-mal wöchentlich, harnpflichtige Substanzen und akkumulierte Flüssigkeit entziehen zu können. Da oberflächliche Venen für repetitive Punktionen sehr gut zugänglich sind, bieten sie ein geeignetes Konduit für die Blutentnahme und -rückführung, sie können allerdings nicht die notwendigen Flussraten (mindestens 400 ml/min) zur Verfügung stellen.
Shunt
Durch „Anzapfen“ eines arteriellen Gefäßes entsteht ein sog. Shunt, also eine unphysiologische Kurzschlussverbindung zum venösen Gefäßsystem, die einerseits Lösung des Problems ist (Steigerung der Flussraten), andererseits neue Probleme schafft (Krönung 2017).
Der arteriovenöse (a.v.) Shunt induziert modulative Umbauprozesse im arteriellen und venösen Gefäßbett, die u. a. eine weitere Steigerung der Blutflussraten bewirken (Shuntreifung), er stellt aber auch einen Reiz für ungewollte Veränderungen wie die Entwicklung einer überschießenden neointimalen Hyperplasie dar. Die exakten pathophysiologischen Abläufe, die sich durch die Schaffung eines Shunts ergeben, sind nach wie vor nicht vollständig verstanden (Remuzzi und Bozzetto 2017).

Historisches zum Dialysezugang

In den 1940er-Jahren begann die Geschichte der extrakorporalen Nierenersatztherapie mit Willem Kolff in den Niederlanden (Kolff 1965). Zehn Jahre später stand eine erste Maschine für Hämodialysen zur Verfügung, deren Achillesferse jedoch ein zuverlässiger Gefäßzugang für die wiederholten Behandlungen war (Konner 2005). Erste technische Ansätze bot der sog. Scribner-Shunt (Seattle, USA), der einen extern gelegenen Teflonschlauch für die Punktionen bot. In den 1960er-Jahren wurde dann mit der Erstbeschreibung eines autologen a.v.-Shunts von Cimino, Brescia und Appell (New York, USA) die heutige Shuntchirurgie begründet (Brescia et al. 1966). Im Jahr 1967 publizierte erstmals Sperling (Würzburg) in Deutschland eine Technik einer End-zu-End-Anastomose mit einem Stapler zur Schaffung eines dauerhaften Dialysezugangs, nachdem er die zugrunde liegenden Prinzipien in den USA besichtigen konnte (Sperling et al. 1967). Neben vielen weiteren Meilensteinen in den folgenden Jahren wurde 1976 die erste Serie von Polytetrafluoroethylen (PTFE)-Prothesenshunts von Baker (Phoenix, USA) veröffentlicht (Baker Jr. et al. 1976).

Wahl des Dialysezugangs und Timing zur Shuntanlage

Wesentliches Ziel aller shuntchirurgischen Bemühungen ist das Vermeiden eines zentralvenösen Katheters (CVC), da man davon ausgeht, dass der CVC mit einer erhöhten Morbidität und auch Letalität sowohl in der initialen als auch späteren dauerhaften Phase der Dialysebehandlung assoziiert ist (Almasri et al. 2016; Hicks et al. 2015) (Kap. „Zentralvenöse Katheter“).
Abb. 1 zeigt eine „Hierarchie“ der Optionen von Shuntanlagen, bei der man möglichst mit dem in dem Schema am höchsten gelegenen Verfahren, also der distalen a.v.-Fistel beginnen sollte. Arteriovenöse Fisteln als autologe Dialyseshunts haben langfristig die sichersten Resultate und können meist über viele Jahre bis Jahrzehnte benutzt werden (die Bezeichnung „Fistel“ für einen autologen Shunt mag terminologisch nicht korrekt sein, ist jedoch v. a. in der angloamerikanischen Literatur gebräuchlich und soll deswegen auch hier weiterverwendet werden). Arteriovenöse Fisteln sind als Dialysezugang der ersten Wahl anzusehen. Nachteilig ist jedoch, dass sie ein mehrwöchiges Zeitintervall der Reifung (Maturation) benötigen bzw. sogar ein primäres Versagen (15–50 %) der Reifung eintreten kann (Bylsma et al. 2017). Die a.v.-Fistel sollte deshalb in einem ausreichenden zeitlichen Abstand vor dem zu erwartenden Dialysebeginn angelegt werden, um ggf. Zeit für Korrekturmaßnahmen zu haben oder gar einen in der Hierarchie weiter unten gelegenen Eingriff durchführen zu können. Wann tatsächlich der geeignete Zeitpunkt für die a.v.-Fistelanlage ist, bleibt Gegenstand aktueller Diskussionen (Kellersmann 2016). Zu frühe Shuntanlagen können den Zustand und die Lebensqualität des Patienten negativ beeinflussen. Entscheidend für den richtigen Zeitpunkt der Schaffung einer a.v.-Fistel ist deswegen die interdisziplinäre Absprache zwischen Nephrologen und Shuntchirurgen. Diese beinhaltet von nephrologischer Seite die Einschätzung der Progression der Niereninsuffizienz und von chirurgischer Seite die Beurteilung der Shuntmöglichkeiten und der Maturationsaussichten.
Prothesenshunts werden allgemein als Dialysezugänge der zweiten Wahl bezeichnet. Sie haben mit < 10 % aller prävalenten Dialysezugänge nur eine nachgeordnete Bedeutung (Pisoni et al. 2015). Sie besitzen aber den Vorteil, dass sie keine Maturation benötigen und nach initialer Einheilung bereits 2–3 Wochen postoperativ punktierbar sind. Nachteilig ist jedoch ihre geringere Offenheitsrate (u. a. höhere Thrombogenität) und Lebensdauer (mechanische Destruktion durch repetitive Punktionen), sowie ihre höhere Infektionsrate im Vergleich zur a.v.-Fistel (Almasri et al. 2016; Murad et al. 2008). In bestimmten Situationen, z. B. bei älteren Patienten mit eingeschränkter Lebenserwartung und/oder bei ausgereizten Venenverhältnissen, können sie jedoch eine Option für eine primäre Shuntanlage sein. In ausgewählten Fällen kann die Verwendung einer sofort-punktierbaren Prothese (s. u.) indiziert sein.
Trotz aller Bemühungen eine Hämodialyse mit einem funktionierenden Shunt zu initiieren, müssen derzeit in Deutschland > 60 % aller Patienten ihre Behandlung mit einem CVC beginnen. Vorteil dieses Zugangs, der keine Kurzschlussverbindung zwischen dem arteriellen und venösen Blutkreislauf erfordert, ist die unmittelbare Nutzbarkeit und der Patientenkomfort (keine weiteren Punktionen). Dauerhafte, subkutan getunnelte CVC erfahren in bis zu 50 % der Fälle innerhalb eines Jahres wegen Komplikationen (Thrombose, Infektion) einen Wechsel oder eine Entfernung (Shingarev et al. 2013). Sie können aber in Einzelfällen eine sinnvolle Zugangsform für Patienten mit sehr eingeschränkter Lebenserwartung darstellen.
Nachdem in der Vergangenheit ein „Fistula-first-Prinzip“ die Wahl des Dialysezugangs bestimmte, wird in aktuellen Leitlinien mehr die Diktion „right access for the right patient“ gewählt, um eine individualisiertere Zugangswahl in den Vordergrund zu rücken (Lok et al. 2020). Auf die vorbereitenden Maßnahmen zur Shuntanlage wird in Kap. „Dialyseshunt: Diagnostik vor Shuntanlage“ eingegangen.

Chirurgische Prinzipien der arteriovenösen Fistelanlage

Arteriovenöse Shunts können in Lokal-, Regional- oder Allgemeinanästhesie angelegt werden. Bei a.v.-Fisteln hat sich in randomisierten Studien ein deutlicher Vorteil der initialen Shuntfunktion nach Regionalanästhesie im Vergleich zur Lokalanästhesie gezeigt (Cerneviciute et al. 2017). Die übliche Konfiguration einer a.v.-Verbindung ist eine Seit (Arterie)-zu-End (Vene)-Anastomose (Abb. 2). Seit-zu-Seit-, End-zu-End-, aber auch End-zu-Seit-Anastomosen (Radial Artery Deviation and Reimplantation, RADAR) sind als technische Variationen beschrieben worden (Sadaghianloo et al. 2016). Umstritten sind der optimale Anastomosenwinkel und sein Einfluss auf die a.v.-Fistel-Maturation. Aktuell wird ein Winkel zwischen Vene und Arterie von 30–45° bei distalen Radio-cephalica-Fisteln und ca. 50° bei Brachio-cephalica-Fisteln bevorzugt, ohne dass diese Werte als eindeutige Empfehlung gewertet werden können (Ene-Iordache et al. 2013; Van Canneyt et al. 2010). Das Konzept einer neuartigen Anastomosenunterstützung (VascQ™) orientiert sich, u. a. ausgehend von Simulationsdaten, an diesen genannten Winkeln (Karydis et al. 2020). Intraoperative Flussmessungen werden von einigen Arbeitsgruppen als Abschlusskontrolle empfohlen (Meyer et al. 2020; Ryu et al. 2016). Der Nutzen in Bezug auf die intraoperative Entscheidung, eine a.v.-Fistel bei niedrigem Fluss aufzugeben, ist jedoch umstritten (Chancenverzicht) (Schmidli et al. 2018).
Tipp
Ein tastbares Schwirren sollte am Ende der Operation bei direkter Palpation der anastomosennahen Shuntvene feststellbar sein. Die Auskultation eines Maschinengeräusches kann bereits gute Aufschlüsse über die initiale Shuntfunktion nach Beendigung der operativen Prozedur geben.

Besondere Formen der a.v.-Fistel

Neben der klassischen distalen Radio-cephalica-Fistel (häufig einfach auch als Cimino-Fistel bezeichnet) haben sich verschiedene Variationen von autologen a.v.-Fisteln etabliert. Oftmals bleibt als anatomische Region für eine a.v.-Anastomose nur die Ellenbeuge übrig. Hier wird eine Brachio-cephalica-Fistel angestrebt, die die oberflächlich gelegene V. cephalica am Oberarm als Shuntvene benutzt. In diesem Zusammenhang wird eine a.v.-Verbindung in der Ellenbeuge, bei der die V. communicans als anastomosentragende Vene verwendet wird, als Gracz-Fistel oder Konner-Fistel bezeichnet (Palmes et al. 2011). Die venöse Drainage findet dann in die V. cephalica und/oder V. basilica am Oberarm statt (Gracz et al. 1977). Die Tabatiere-Fistel oder Snuff-box-Fistel ist die peripherste Form der a.v.-Verbindung und beinhaltet eine Anastomose zwischen der A. radialis nach dem Abgang des Arcus palmaris superficialis und der V. cephalica auf Handgelenkshöhe. Sie wird weniger wegen des Gewinns von Punktionsstrecke gewählt, sondern vielmehr wegen der anatomischen Nähe zwischen Vene und Arterie (Idrees et al. 2020). Nach Ausschöpfung der V. cephalica an Unter- und Oberarm wird die a.v.-Fistel auf die V. basilica in der Ellenbeuge favorisiert. Diese Vene weist meist ein ausreichendes Kaliber auf und ist in der Regel von vorausgegangenen Punktionen verschont worden. Nachteilig ist ihre tiefe mediale Lage und die unmittelbare anatomische Beziehung zum N. cutaneus antebrachii medialis, die schmerzhafte Punktionen bedingen kann. Eine Vorverlagerung bzw. Transposition der Vene ist deswegen immer anzustreben. Dies kann simultan zur Fistelanlage, aber auch zweizeitig nach Arterialisation der Shuntvene ca. 6–8 Wochen später erfolgen. Welches Vorgehen vorteilhafter ist, ist Gegenstand einer Reihe von Studien (Jun Yan Wee et al. 2018). Ein klar definierter Benefit für ein bestimmtes Vorgehen konnte bislang nicht herausgearbeitet werden (Jun Yan Wee et al. 2018). Aus technischer Sicht kann die Vene ohne Revision der Anastomose in einen subkutan geschaffenen Spalt vorverlagert werden (Basilica-Elevation) oder nach Auflösen der a.v.-Verbindung lateral, unmittelbar subkutan tunneliert sowie anschließend reanastomosiert werden (Basilica-Transposition) (Mauro et al. 2017; Wang et al. 2017). Die Basilica-Fistel am Unterarm ist zwar eine weitere technische Option für einen peripheren autologen Shunt, ihre Erfolgsraten sind jedoch gering (Schwein et al. 2016).
Eine seltene Form des autologen Shunts an der oberen Extremität ist nach Ausschöpfung der oberflächlichen Venen die a.v.-Verbindung mit der V. brachialis. Hierbei wird zunächst die V. brachialis auf die kubitale A. brachialis anastomosiert (Bazan und Schanzer 2004). In einem zweiten Eingriff wird dann die Vene gehoben und subkutan verlagert. Dieses Verfahren ist im Vergleich zur Basilica-Fistel deutlich aufwendiger. Signifikante Armschwellungen durch die Verwendung der tiefen Vene werden selten gesehen. Im Vergleich zu Prothesenshunts scheinen sich bessere Offenheitsraten zu ergeben (Pham et al. 2017).
Arteriovenöse Fistelanlagen an der unteren Extremität stellen die letzte Option des autologen Dialysezugangs dar (Antoniou et al. 2009). Der Vena-saphena-magna-Loop-Shunt, der in den 1970er-Jahren aufkam, hat keine weite Verbreitung gefunden, da die Transposition dieser Vene häufig zu Fibrosierungen und damit zur Nonmaturation führte. Eine temporäre, artifizielle Ausstromstenose durch Banding soll dieses Problem durch Induktion einer druckbedingten Aufdehnung der Vene umgehen können (Krönung 2011). Auch die Transposition der als a.v.-Fistel angelegten V. femoralis ist als Dialysezugang beschrieben. Das zum Prothesenshunt an der unteren Extremität vergleichsweise geringe Infektionsrisiko wird durch eine höhere Rate an peripheren Ischämien erkauft und erfordert deswegen eine sorgsame Selektion geeigneter Patienten (Antoniou et al. 2009).
Tipp
Die kürzlich eingeführte Methode der endovaskulären a.v.-Fistelanlage, für die aktuell zwei Systeme zur Verfügung stehen (Wavelinq™, Ellipsys™), stellt ein völlig neuartiges Konzept der Schaffung eines autologen Dialysezugangs dar (Wasse 2019). Die erfolgreiche technische Anwendbarkeit ist bereits für beide Verfahren dokumentiert, die Bewertung ihres tatsächlichen Stellenwerts bedarf jedoch weiterer Daten (Yan Wee et al. 2020). Ausführlicher wird in Kap. „Alternative Dialysezugänge“ auf diese Verfahren eingegangen.

Maturation einer a.v.-Fistel

Die Dauer bis zur Reifung einer a.v.-Fistel ist schlecht vorhersagbar. Sie ist abhängig von den unterschiedlichsten adaptativen Prozessen als Antwort auf die unphysiologische Hämodynamik der a.v.-Verbindung. Die sog. 6er-Regel wird allgemein als Kriterium für die Maturation einer Fistel anerkannt.
6er-Regel der reifen a.v.-Fistel
Sie besagt, dass eine reife a.v.-Fistel einen
  • Shuntfluss von mindestens 600 ml/min hat,
  • mindestens einen Durchmesser der Vene von 6 mm aufweist,
  • eine punktierbare Strecke von wenigstens 6 cm gewährt,
  • nicht tiefer als 6 mm unter dem Hautniveau liegt.
Selbstverständlich sind auch Punktionen vor Erreichen dieser Kriterien möglich. Welche Faktoren in welchem Maße eine erfolgreiche Maturation bedingen bzw. verhindern, ist trotz intensiver Bemühungen nicht geklärt (Hentschel 2018). Die Hemodialysis-Fistula-Maturation (HFM)-Studie hat prospektiv an 600 Patienten mehr als sechzig verschiedene Einflussgrößen im Zusammenhang mit einer a.v-Fistel-Ausreifung untersucht, die letztendlich zeigen konnten, dass dieser Prozess sehr heterogen von multiplen anatomischen (Gefäßdiameter etc.), systemischen (Vorerkrankungen) und externen Faktoren (z. B. Behandlungsprozesse) bestimmt wird (Dember et al. 2014; Farber et al. 2016).

Anlage von alloplastischen Shunts – Prothesenshunts

Im Gegensatz zu a.v.-Fisteln benötigen Prothesenshunts zwei Anastomosen: eine arterio-prothetale, die als Seit (Arterie)-zu-End (Prothese)-Anastomose erfolgt und eine protheto-venöse Anastomose, die meist als End-zu-Seit-, gelegentlich aber auch als End-zu-End-Anastomose erstellt werden kann. Zwei wesentliche Konfigurationen beschreiben Prothesenshunts: Der gerade Prothesenshunt (Straight) oder die Prothesenshuntschleife oder -schlinge (Loop). Loops bieten den Vorteil der längeren Punktionsstrecke. Die Anastomosen können dabei über einen einzigen Operationszugang erfolgen. Die anatomischen Gegebenheiten machen aber gelegentlich eine Straight-Konfiguration erforderlich. Ob es Vorteile einer bestimmten Konfiguration gibt, ist unklar. Eine Post-hoc-Analyse der Dialysis-Access-Consortium (DAC)-Graft-Studie konnte lediglich einen Trend für bessere Offenheitsraten in der Loop-Konfiguration zeigen (Farber et al. 2015). In seltenen Fällen kann ein sog. Collier-Shunt, der zwischen A. und V. subclavia erfolgt und an der Brustwand (Collier) punktiert wird, sinnvoll sein (Zanow und Settmacher 2012).
Cave
Achillesferse des Prothesenshunts ist die protheto-venöse Anastomose, die schon nach wenigen Wochen eine ausgedehnte neointimale Hyperplasie aufweisen kann. Stenosen mit konsekutivem Shuntverschluss sind die Folge (Kap. „Dialyseshunt: Management von Komplikationen“).
Verschiedene technische Modifikationen oder pharmakologische Interventionen wurden versucht, um dieses Problem besser kontrollieren zu können. Eine definitive Lösung gibt es bislang jedoch nicht. Prothesenshunts mit vorgefertigten Cuffs für die protheto-venöse Anastomose haben zwar in kleineren Studien bessere Offenheitsraten gezeigt, haben sich aber u. a. wegen der erschwerten Möglichkeit zur Thrombektomie nicht durchgesetzt (Ko et al. 2009; Sorom et al. 2002). Als Material für Shuntprothesen hat sich wegen seiner günstigen mechanischen Eigenschaften PTFE herausgestellt. Die intraluminale Beschichtung solcher PTFE-Prothesen mit Heparin zur Senkung der Thrombogenität und damit Verbesserung der Offenheitsraten hat im Gegensatz zur peripheren Bypasschirurgie in der Shuntchirurgie keinen Fortschritt erbracht (Lazarides et al. 2016; Nissen et al. 2020).
Die empfohlene Latenz bis zur ersten Punktion von Standard-PTFE-Prothesen von 2–3 Wochen hat zur Entwicklung von sofort-punktierbaren Prothesen mit entsprechender Wandbeschaffenheit geführt. Der klinische Nutzen dieser Prothesentechnologie zur Vermeidung der temporären Implantation eines CVC konnte in einer randomisierten Studie belegt werden (Kakisis et al. 2017).

Zusammenfassung

Der arteriovenöse Gefäßzugang (Shunt), der einen ausreichend hohen Blutfluss gewährleisten muss, stellt die Schnittstelle zwischen dem Patienten und der Dialyseapparatur dar. Prinzipiell können für die dauerhafte Dialysebehandlung zwei arteriovenöse Zugangsverfahren unterscheiden werden: die a.v.-Fistel als autologer Shunt oder der Prothesenshunt durch Verwendung eines Kunststoffimplantats. Bei a.v.-Fisteln wird eine oberflächliche Vene an eine Arterie anastomosiert. Vorteile von a.v.-Fisteln sind ihre oft über viele Jahre problemlose Nutzbarkeit und die Resistenz gegen Infektionen. A.v.-Fisteln benötigen allerdings eine über Wochen dauernde Phase der Ausreifung mit dem Risiko des Maturationsversagens. Alternativ kann die primäre Anlage eines Prothesenshunts sinnvoll sein. Prothesenshunts können 2–3 Wochen nach ihrer Implantation punktiert werden, haben jedoch im Vergleich zu a.v.-Fisteln eine kürzere Lebensdauer. Technische Innovationen werden in der Zukunft die Möglichkeiten zur erfolgreichen und langfristigen Nutzung eines Gefäßzugangs verbessern.
Literatur
Almasri J, Alsawas M, Mainou M et al (2016) Outcomes of vascular access for hemodialysis: a systematic review and meta-analysis. J Vasc Surg 64:236–243PubMedCrossRef
Antoniou GA, Lazarides MK, Georgiadis GS et al (2009) Lower-extremity arteriovenous access for haemodialysis: a systematic review. Eur J Vasc Endovasc Surg 38:365–372PubMedCrossRef
Baker LD Jr, Johnson JM, Goldfarb D (1976) Expanded polytetrafluoroethylene (PTFE) subcutaneous arteriovenous conduit: an improved vascular access for chronic hemodialysis. Trans Am Soc Artif Intern Organs 22:382–387PubMed
Bazan HA, Schanzer H (2004) Transposition of the brachial vein: a new source for autologous arteriovenous fistulas. J Vasc Surg 40:184–186PubMedCrossRef
Brescia MJ, Cimino JE, Appel K et al (1966) Chronic hemodialysis using venipuncture and a surgically created arteriovenous fistula. N Engl J Med 275:1089–1092PubMedCrossRef
Bylsma LC, Gage SM, Reichert H et al (2017) Arteriovenous fistulae for haemodialysis: a systematic review and meta-analysis of efficacy and safety outcomes. Eur J Vasc Endovasc Surg 54:513–522PubMedCrossRef
Cerneviciute R, Sahebally SM, Ahmed K et al (2017) Regional versus local anaesthesia for haemodialysis arteriovenous fistula formation: a systematic review and meta-analysis. Eur J Vasc Endovasc Surg 53:734–742PubMedCrossRef
Dember LM, Imrey PB, Beck GJ et al (2014) Objectives and design of the hemodialysis fistula maturation study. Am J Kidney Dis 63:104–112PubMedCrossRef
Ene-Iordache B, Cattaneo L, Dubini G et al (2013) Effect of anastomosis angle on the localization of disturbed flow in ‘side-to-end’ fistulae for haemodialysis access. Nephrol Dial Transplant 28:997–1005PubMedCrossRef
Farber A, Tan TW, Hu B et al (2015) The effect of location and configuration on forearm and upper arm hemodialysis arteriovenous grafts. J Vasc Surg 62:1258–1264PubMedCrossRef
Farber A, Imrey PB, Huber TS et al (2016) Multiple preoperative and intraoperative factors predict early fistula thrombosis in the hemodialysis fistula maturation study. J Vasc Surg 63:163–170PubMedPubMedCentralCrossRef
Gracz KC, Ing TS, Soung LS et al (1977) Proximal forearm fistula for maintenance hemodialysis. Kidney Int 11:71–75PubMedCrossRef
Hentschel DM (2018) Determinants of arteriovenous fistula maturation. Clin J Am Soc Nephrol 13:1307–1308PubMedPubMedCentralCrossRef
Hicks CW, Canner JK, Arhuidese I et al (2015) Mortality benefits of different hemodialysis access types are age dependent. J Vasc Surg 61:449–456PubMedCrossRef
Idrees M, Suthananthan A, Pathmarajah T et al (2020) Snuffbox fistula – a first-line approach to haemodialysis: a review. J Vasc Access 21:554–563PubMedCrossRef
Jun Yan Wee I, Mohamed IH, Patel A et al (2018) A systematic review and meta-analysis of one-stage versus two-stage brachiobasilic arteriovenous fistula creation. J Vasc Surg 68:285–297PubMedCrossRef
Kakisis JD, Antonopoulos C, Mantas G et al (2017) Safety and efficacy of polyurethane vascular grafts for early hemodialysis access. J Vasc Surg 66:1792–1797PubMedCrossRef
Karydis N, Bevis P, Beckitt T et al (2020) An implanted blood vessel support device for arteriovenous fistulas: a randomized controlled trial. Am J Kidney Dis 75:45–53PubMedCrossRef
Kellersmann R (2016) Timing zur Shunt-Anlage. Gefässchirurgie 21:472–477CrossRef
Ko PJ, Liu YH, Hung YN et al (2009) Patency rates of cuffed and noncuffed extended polytetrafluoroethylene grafts in dialysis access: a prospective, randomized study. World J Surg 33:846–851PubMedCrossRef
Kolff WJ (1965) First clinical experience with the artificial kidney. Ann Intern Med 62:608–619PubMedCrossRef
Konner K (2005) History of vascular access for haemodialysis. Nephrol Dial Transplant 20:2629–2635PubMedCrossRef
Krönung G (2011) Der Saphena-Loop-Shunt am Oberschenkel – Aufwendige autologe Shuntoperation. Dialyse aktuell 15(Sonderdruck):148–151
Krönung G (2017) Der permanente Gefäßzugang für die Hämodialyse. Kompendium Nephrologie 9:34–40
Lazarides MK, Argyriou C, Antoniou GA et al (2016) Lack of evidence for use of heparin-bonded grafts in access surgery: a meta-analysis. Semin Vasc Surg 29:192–197PubMedCrossRef
Lok CE, Huber TS, Lee T et al (2020) KDOQI clinical practice guideline for vascular access: 2019 update. Am J Kidney Dis 75:S1–S164PubMedCrossRef
Mauro R, Pini R, Bianchini Massoni C et al (2017) A comparison of two surgical techniques for the second stage of brachiobasilic arteriovenous fistula creation. Artif Organs 41:539–544PubMedCrossRef
Meyer A, Flicker E, Konig ST et al (2020) Determinants of successful arteriovenous fistulae creation including intraoperative transit time flow measurement. J Vasc Access 21:387–394PubMedCrossRef
Murad MH, Elamin MB, Sidawy AN et al (2008) Autogenous versus prosthetic vascular access for hemodialysis: a systematic review and meta-analysis. J Vasc Surg 48:34S–47SPubMedCrossRef
Nissen AP, Sandhu HK, Perlick AP et al (2020) Heparin-bonded versus standard polytetrafluoroethylene arteriovenous grafts: a Bayesian perspective on a randomized controlled trial for comparative effectiveness. Surgery 168:1066–1074PubMedCrossRef
Palmes D, Kebschull L, Schaefer RM et al (2011) Perforating vein fistula is superior to forearm fistula in elderly haemodialysis patients with diabetes and arterial hypertension. Nephrol Dial Transplant 26:3309–3314PubMedCrossRef
Pham XD, Kim JJ, Ihenachor EJ et al (2017) A comparison of brachial artery-brachial vein arteriovenous fistulas with arteriovenous grafts in patients with poor superficial venous anatomy. J Vasc Surg 65:444–451PubMedCrossRef
Pisoni RL, Zepel L, Port FK et al (2015) Trends in US vascular access use, patient preferences, and related practices: an update from the us dopps practice monitor with international comparisons. Am J Kidney Dis 65:905–915PubMedCrossRef
Remuzzi A, Bozzetto M (2017) Biological and physical factors involved in the maturation of arteriovenous fistula for hemodialysis. Cardiovasc Eng Technol 8:273–279PubMedCrossRef
Ryu YG, Lee DK, Baek MJ et al (2016) Clinical value of intraoperative transit-time flow measurement for autogenous radiocephalic arteriovenous fistula in patients with chronic kidney disease. Ann Vasc Surg 35:53–59PubMedCrossRef
Sadaghianloo N, Declemy S, Jean-Baptiste E et al (2016) Radial artery deviation and reimplantation inhibits venous juxta-anastomotic stenosis and increases primary patency of radial-cephalic fistulas for hemodialysis. J Vasc Surg 64:698–706 e691PubMedCrossRef
Schmidli J, Widmer MK, Basile C et al (2018) Editor’s choice – vascular access: 2018 clinical practice guidelines of the European Society for Vascular Surgery (ESVS). Eur J Vasc Endovasc Surg 55:757–818PubMedCrossRef
Schwein A, Georg Y, Lejay A et al (2016) Promising results of the forearm basilic fistula reveal a worthwhile option between radial cephalic and brachial fistula. Ann Vasc Surg 32:5–8PubMedCrossRef
Shingarev R, Barker-Finkel J, Allon M (2013) Natural history of tunneled dialysis catheters placed for hemodialysis initiation. J Vasc Interv Radiol 24:1289–1294PubMedPubMedCentralCrossRef
Sorom AJ, Hughes CB, Mccarthy JT et al (2002) Prospective, randomized evaluation of a cuffed expanded polytetrafluoroethylene graft for hemodialysis vascular access. Surgery 132:135–140PubMedCrossRef
Sperling M, Kleinschmidt W, Wilhelm A (1967) The subcutaneous arteriovenous fistula for cannulation in intermittent hemodialysis. Langenbecks Arch Chir 319:1197PubMedCrossRef
Van Canneyt K, Pourchez T, Eloot S et al (2010) Hemodynamic impact of anastomosis size and angle in side-to-end arteriovenous fistulae: a computer analysis. J Vasc Access 11:52–58PubMedCrossRef
Wang S, Wang MS, Jennings WC (2017) Basilic elevation transposition may improve the clinical outcomes for superficialization of basilic arteriovenous fistula veins. J Vasc Surg 65:1104–1112PubMedCrossRef
Wasse H (2019) Place of percutaneous fistula devices in contemporary management of vascular access. Clin J Am Soc Nephrol 14:938–940PubMedPubMedCentralCrossRef
Yan Wee IJ, Yap HY, Tang TY et al (2020) A systematic review, meta-analysis, and meta-regression of the efficacy and safety of endovascular arteriovenous fistula creation. J Vasc Surg 71:309–317 e305PubMedCrossRef
Zanow J, Settmacher U (2012) Prothetische Gefäßzugänge für die Hämodialyse. Chirurg 83:785–792PubMedCrossRef