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Klinische Angiologie
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Publiziert am: 14.12.2022

Differentialdiagnose akuter und chronischer Extremitätenschwellungen

Verfasst von: Paul Gressenberger und Thomas Gary
Extremitätenschwellungen sind vor allem bei älteren Patienten ein häufiges Problem. Aufgrund der Vielzahl möglicher Ursachen erfordert die Abklärung für den/die untersuchende/n Arzt bzw. Ärztin einen breiten diagnostischen Fundus. Vorrangig ist der Ausschluss einer tiefen Venenthrombose, um so eine potenziell lebensbedrohliche Situation zu verhindern. Hier kommt der Duplexsonografie eine besondere Bedeutung zu, da mit dieser eine Thrombose mit hoher Treffsicherheit diagnostiziert werden kann. Sofern eine tiefe Venenthrombose ausgeschlossen werden kann, ist unter Berücksichtigung diverser Differenzialdiagnosen eine umfassende Ursachenabklärung das Ziel. Anamnese und physikalische Untersuchung sind entscheidend, da hiermit gezielt wichtige Hinweise und Informationen gewonnen werden können, die eine erste Einordnungsmöglichkeit geben. Weiterhin können Laborparameter und Scores als diagnostische Tools eingesetzt werden. In diesem Kapitel wird auf die unterschiedlichen Formen der Extremitätennschwellung unter Berücksichtigung ihrer klinischen Merkmale im Detail eingegangen.

Einleitung

Beinschwellungen sind vor allem bei älteren Patienten ein häufiges Problem mit einer Vielzahl möglicher Ursachen. Besonders bei plötzlich einsetzender Beinschwellung in Verbindung mit Schmerzen werden Angiologen schnell konsultiert, da hier der Verdacht einer Beinvenenthrombose im Vordergrund steht (Stöberl 2011).
Neben der sogfältigen klinischen Untersuchung kommt der Venensonografie eine besondere Bedeutung zu, da mit dieser eine Venenthrombose mit hoher Treffsicherheit diagnostiziert oder ausgeschlossen werden kann (Schuler 2008).
Sofern eine tiefe Venenthrombose ausgeschlossen werden kann, ist unter Berücksichtigung diverser Differenzialdiagnosen eine umfassende Ursachenabklärung das Ziel (Ure und Dölller 2011; Ely et al. 2006). Die Ursache einer Umfangszunahme einer Extremität kann entweder durch eine echte Gewebsvermehrung (Fettgewebe, Tumor) oder durch eine vermehrte Flüssigkeitsansammlung im Gewebe (Ödem) entstehen (Schellong et al. 2013). Bei den meisten Ödemformen sammelt sich Flüssigkeit im epifaszialen Raum an. Hier können aufgrund der Dehnbarkeit von Subkutis und Kutis große Volumina eingelagert werden. Bei extrem großen Flüssigkeitsvolumina kann es dennoch zum Flüssigkeitsaustritt oder zur Bildung von Spannungsblasen kommen (Schellong et al. 2013).
Epifasziale Ödeme sind meist weich und es lässt sich eine Delle eindrücken.
Subfasziale Ödeme führen wegen der mangelnden Dehnbarkeit der Faszie bereits bei geringer Flüssigkeitsansammlung zu Schmerzen (Stöberl 2011; Schuler 2008; Ure und Dölller 2011; Ely et al. 2006; Schellong et al. 2013). Resultat ist eine pralle und schmerzhafte Umfangszunahme wie es z. B. bei einer Venenthrombose der Fall ist (Stöberl 2011). Zudem lassen sich aus dem Widerstand bei der Palpation sowie dem Zeitintervall bis zur vollständigen Rückbildung der Delle Informationen über den Eiweißgehalt des Ödems schließen (Schellong et al. 2013). Bleibt die Delle nach Weglassen des Drucks für einige Zeit bestehen handelt es sich in der Regel um ein eiweißreiches Lymphödem (Schellong et al. 2013). Ist die Flüssigkeit eiweißwarm, verschwindet die Delle rasch nach dem Weglassen des Drucks (Schellong et al. 2013).
Bei gewissen Krankheiten wie z. B. der CVI kann es aufgrund einer chronischen Stauung zu einer Bindegewebsvermehrung kommen (Lipodermatosklerose), wodurch die Haut hart wird und hier keine Delle eingedrückt werden kann (Schellong et al. 2013).
Auf die unterschiedlichen Formen der Beinschwellung wird unter Berücksichtigung ihrer klinischen Merkmale im Folgenden im Detail eingegangen. Aufgrund der Häufigkeit werden primär die Schwellungen der unteren Extremitäten besprochen.

Anamnese und physikalische Untersuchung

1.
Exakte Anamnese: Das erste anamnestische Interesse gilt der Dauer der
Beschwerden und ihrer Manifestationsgeschwindigkeit. Seit wann bestehen die Beschwerden: Besteht eine akute Schwellung (plötzlich und vor <72 Stunden aufgetreten) oder handelt sich um eine seit Längerem bestehende Schwellung, die langsam aufgetreten ist (Stöberl 2011; Schuler 2008; Ure und Dölller 2011; Ely et al. 2006; Schellong et al. 2013; Ure 2013; Burchert 2020).
 
2.
Inspektion: Der erste klinische Blick geht nach der Lokalisation einer Beinschwellung: Ist sie einseitig oder an beiden Beinen lokalisiert? Betrifft sie das ganze Bein oder ist es eine lokalisierte Schwellung, z. B. am Vorfuß oder über einem Gelenk? (Stöberl 2011; Schuler 2008; Ure und Dölller 2011; Ely et al. 2006; Schellong et al. 2013; Ure 2013; Burchert 2020)
 
3.
Palpation: Wie ist die Ödemkonsistenz: teigig weich oder prall elastisch? Besteht ein Druckschmerz oder ist das Ödem schmerzlos? (Stöberl 2011; Schuler 2008; Ure und Dölller 2011; Ely et al. 2006; Schellong et al. 2013; Ure 2013; Burchert 2020)
 
Durch ein stufenweises Vorgehen können gezielt wichtige Hinweise und Informationen gewonnen werden, die eine erste Einordnungsmöglichkeit geben und helfen, die Anamnese gezielt weiterzuführen (Tab. 1) (Ure und Dölller 2011; Ely et al. 2006).
Tab. 1
Abklärung einer Beinschwellung – Anamnese (Stöberl 2011)
Allgemeine Anamnese
Spezielle Anamnese
Familien- und Eigenanamnese
Vorerkrankungen
Tumorerkrankungen
chirurgische Eingriffe
Infekte
Unfälle
Auslandsaufenthalte
Immobilisation
Medikamente: Antihypertertensiva, Antidepressiva, Methyldopa, Dihydralazin, Glitazone, NSAID, anabole Steroide, Östrogene, Progesteron, Glucocorticoide, tumorspezifische Medikamente,
Zeitlicher Verlauf der Ödementstehung
- Beginn: akut oder langsam
- Dauer
- Progredienz
- Reversibles Stadium z. B. über Nacht
- Besserung durch Schonung oder Hochlagern
Triggerfaktoren
- Hitze
- Langes Stehen
- Fußbodenheizung
Lokalisation
- generalisiert oder peripher
- distal oder zentral
Schmerzen
Hämatomneigung
Stattgehabte Erysipelinfektionen, Venenthrombosen oder lymphologische Vorerkrankungen- bzw. Vorbehandlungen
Bei einseitiger akuter Beinschwellung (<72 h) ist die Erhebung von Risikofaktoren für eine tiefe Venenthrombose wie z. B. Immobilität durch Gips, Langstreckenreisen, Trauma oder größere Operationen von besonderer Bedeutung (Tab. 2). Der 72-Stunden-Cutoff ist zwar ein Richtwert, dennoch sollte bei Patienten mit einseitiger Beinschwellung, die länger als 72 Stunden vorhanden ist, und sonst fehlendem Anhaltspunkt für eine Alternativdiagnose, das Vorhandensein einer tiefen Beinvenenthrombose in Betracht gezogen werden (Ely et al. 2006).
Tab. 2
Differenzialdiagnosen der einseitigen Beinschwellung (Stöberl 2011; Ely et al. 2006)
Akut (<72 h)
Chronisch
Tiefe Beinvenenthrombose
Rupturierte Bakerzyste
Muskelfaserriss/Muskeleinblutung
Kompartment-Syndrom
Begleitödem bei Erysipel/Infektionen
Begleitödem bei Arthritis/aktivierter Arthrose
Chronisch venöse Insuffizienz
- Varikose, PTS
Venöse Kompression
- Tumoren
- Bakerzyste
- Aneurysma
- May-Thurner Syndrom
- primär
- sekundär
Hypoxisch-toxisches Ödem bei chronisch kritischer Extremitätenischämie
Begleitödem bei Acrodermatitis chronica atrophicans
Artifizielles Lymphödem
Tumoren
- z. B. Sarkome, Lymphome
In der Regel ist eine tiefe Beinvenenthrombose schmerzhaft, kann aber in vereinzelten Fällen genauso gut asymptomatisch ablaufen. Die chronische Veneninsuffizienz (CVI) kann Schmerzen verursachen, die vor allem im Tagesverlauf zunehmen oder durch Wärme (z. B. Fußbodenheizung, warme Außentemperaturen etc.) getriggert werden. Das Lymphödem ist meist schmerzlos und verbessert sich im Gegensatz zum venösen Ödem über Nacht nicht.
Bei beidseitigen, länger bestehenden Beinschwellungen steht eine genaue Anamnese von systemisch relevanten Erkrankungen wie z. B. Herz-, Leber- oder Nierenerkrankungen, sowie eine genaue Medikamentenanamnese im Vordergrund (Tab. 3).
Tab. 3
Differenzialdiagnosen der beidseitigen Beinschwellung (Stöberl 2011; Ely et al. 2006)
Akut (<72 h)
Chronisch
Bilaterale Venenthrombose
Thrombose der V. Cava, z. B. infolge Anlageanomalien der V. cava inferior
Systemisch bedingte Ödeme
- Akute Verschlechterung einer Grunderkrankung z. B. Herzinsuffizienz oder Niereninsuffizienz
Chronisch Venöse Insuffizienz
- Varikose, PTS
Venen-Kompressionssyndrom
- primär
- sekundär bei TU, nach Radiatio
Inmobilitätsödem
Systemisch bedingte Ödeme
- Obstruktives Schlafapnoe Syndrom
- Herzinsuffizienz
- Niereninsuffizienz
- Lebererkrankungen
- Eiweißmangelödeme
- Hormonell bedingte Ödeme
- Zyklisches prämenstruelles Ödem
- Idiopathisches Ödem
- Schwangerschaft
Medikamentös bedingte Ödeme
Begleitödem bei Acrodermatitis chronica atrophicans
Kalziumkanalblocker, Glucocorticoide und entzündungshemmende Medikamente (NSAID) sind häufige Ursachen für Beinödeme (Burchert 2020). Weitere relevante Erkrankungen, sowohl für ein- als auch beidseitige Beinschwellungen, sind Tumoren im Becken- und Bauchbereich sowie die damit verbundenen Therapien wie z. B. Bestrahlungen (Stöberl 2011). Dies könnte somit ein Hinweis für eine tumorassoziierte Thrombose aber auch für eine strahlungsbedingte Lymphabflussstörung sein. Ein obstruktives Schlafapnoe Syndrom kann eine pulmonale Hypertonie (PAH) verursachen, die wiederum eine häufige Ursache für Beinödeme darstellt.
Die bilaterale Beinschwellung ist nicht selten multifaktoriell, weshalb oft mehrere anamnestische Parameter relevant sein können (Schellong et al. 2013).
Neben der Anamnese sind mehrere klinische Merkmale Schlüsselelemente der körperlichen Untersuchung.
Körpergewicht: Fettleibigkeit und hoher BMI steigern das Risiko einer Schlafapnoe und fördern durch den steigenden Druck auf die Gefäße sowie das schlaffe Bindegewebe die Entstehung einer CVI. Zudem wird die Arbeit der Venenpumpe erschwert und die Entstehung eines Lipödems begünstigt (Stöberl 2011; Schuler 2008; Ure und Dölller 2011; Ely et al. 2006; Schellong et al. 2013; Ure 2013; Burchert 2020).
Lokalisation: Ein einseitiges Beinödem ist oft auf eine tiefe Beinvenenthrombose, eine CVI oder ein Lymphödem zurückzuführen. Bilaterale oder generalisierte Ödeme sind meist Ursache einer systemischen Erkrankung, aber auch bei einer CVI können oft beide Beine betroffen sein. Der Fußrücken und der Zehenrücken (Stemmer Zeichen: fehlende Abhebbarkeit der Haut am Vorfuß) sind beim aszendierenden Lymphödem beteiligt, bleiben beim Lipödem jedoch meist ausgespart (supramalleolärer Kragen). Die proximal betonte Schwellung mit Einbeziehung von Gesäß und Hüfte ist typisch für das sekundär deszendierende Lymphödem (Stöberl 2011; Schuler 2008; Ure und Dölller 2011; Ely et al. 2006; Schellong et al. 2013; Ure 2013; Burchert 2020).
Qualität der Schwellung:
Ein prall elastisches Ödem ist typisch für Thrombosen oder Einblutungen im Muskel.
Ein weiches, eindrückbares Ödem finden wir im Anfangsstadium beim Lymphödem und der CVI, sowie bei systemisch bedingten Ödemen. Bei fortgeschrittener CVI sowie beim fortgeschrittenen Lymphödem zeigt sich ein teigig fibrotisches bis hin zu einem hart induriertem Ödem (Stöberl 2011; Schuler 2008; Ure und Dölller 2011; Ely et al. 2006; Schellong et al. 2013; Ure 2013; Burchert 2020).
Hautveränderungen: Eine corona phlebectatica paraplantaris zeigt sich meist im Anfangsstadium der CVI. Im fortgeschrittenen Stadium folgen meist Hyperpgimentierungen an den Unterschenkeln und Knöcheln, die aufgrund von Hämosiderineinlagerungen bei chronischer Stase entstehen. Weitere typische Hautveränderungen bei CVI sind Stauungsekzem, Lipodermatosklerose, Atrophie blanche bis hin zum Ulcus cruris.
Eine CVI kann auch ohne sichtbare Krampfadern vorliegen, insbesondere beim postthrombotischen Syndrom.
Gerötete, überwärmte und druckdolente Gelenke zeigen sich meist bei einer Arthritis oder aktivierter Arthrose. Das Erysipel zeigt eine scharf begrenzte von distal nach proximal laufende Röte, oft ist distal oder an den Zehen eine Eintrittspforte für Keime ersichtlich. Rötlich-livide Verfärbungen an der Wade sind typisch für Thrombosen. Eine symmetrisch lokalisierte, diffus und unscharf auslaufende Rötung zeigt sich bei der Stauungsdermatitis. Hyperkeratose und Papillomatosis cutis lymphostatica sind typische Folgen eines chronischen Lymphödems (Stöberl 2011; Schuler 2008; Ure und Dölller 2011; Ely et al. 2006; Schellong et al. 2013; Ure 2013; Burchert 2020).
Anzeichen einer systemischen Erkrankung: Symptome wie Dyspnoe bei Herzinsuffizienz, Aszites und Gelbsucht bei Lebererkrankungen oder tastbare Lymphknotenpakete können bei der Erkennung einer systemischen Ursache hilfreich sein (Stöberl 2011; Schuler 2008; Ure und Dölller 2011; Ely et al. 2006; Schellong et al. 2013; Ure 2013; Burchert 2020).
Orthopädisch-neurologische Erkrankungen: Weiters sollte auf orthopädische Fehlstellungen und sensomotorische Ausfälle wie sie z. B. bei Wirbelsäulenproblemen häufig vorkommen geachtet werden (Stöberl 2011; Schuler 2008; Ure und Dölller 2011; Ely et al. 2006; Schellong et al. 2013; Ure 2013; Burchert 2020).

Labortests und apparative Diagnostik

Sollte trotz der Basisdiagnostik die Ätiologie der Beinschwellung unklar sein, sollte man die klinische Wahrscheinlichkeit einer möglichen Ursache einschätzen. Labortests können helfen, systemische Erkrankungen auszuschließen. Hierzu zählen vollständiges Blutbild, Urinanalyse, Nierenwerte, Elektrolyte, Blutzucker, TSH und Albumin. Leber- Nieren- und Darmerkrankungen führen oft zu Proteinverlust, was ein Serumalbumin unter 2 g/dl zur Folge haben kann und häufig zu Ödemen führt. Bei Patienten mit Dyspnoe und Ödemen mit möglicherweise kardialer Ätiologie sollte eine NT-proBNP bestimmt werden, da hiermit eine Herzinsuffizienz mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Zudem sollten Patienten mit Verdacht auf kardiale Ödeme ein EKG und ein Thorax-Röntgen bekommen (Ely et al. 2006).
Zur Abschätzung der Wahrscheinlichkeit einer tiefen Venenthrombose gibt es eigene Scores. Ein klinisch validierter Score zur Ermittlung der Wahrscheinlichkeit einer tiefen Beinvenenthrombose ist der Wells-Score (Tab. 4) (Wells et al. 1995).
Tab. 4
Wells-Score zur Ermittlung der klinischen Wahrscheinlichkeit einer Thrombose
Aktive Tumorerkrankung
1
Lähmung oder kürzliche Immobilität
1
Bettruhe (>3 Tage)
1
Größere chirurgische Eingriffe (<12 Wochen)
1
Schmerz/Verhärtung entlang der tiefen Venen
1
Schwellung ganzes Bein
1
Unterschenkelschwellung >3 cm gegenüber Gegenseite
1
Eindrückbares Ödem am symptomatischen Bein
1
Kollateralvenen
1
Frühere, dokumentierte TVT
1
Alternative Diagnose mindestens ebenso wahrscheinlich wie Venenthrombose
−2
Score ≥2: Wahrscheinlichkeit für TVT hoch; Score <2: Wahrscheinlichkeit für TVT gering (Wells et al. 1995)
Ein D-Dimer-Test ist dann sinnvoll, wenn vorher die Einschätzung der klinischen Wahrscheinlichkeit einer Thrombose durchgeführt wurde.
Bei hoher klinischer Wahrscheinlichkeit soll kein D-Dimer-Test durchgeführt werden, sondern gleich eine weiterführende Diagnostik erfolgen. Der Kompressionsultraschall sollte hier als primäre bildgebende Untersuchungsmethode zur Diagnose einer TVT eingesetzt werden (Kap. „Klinisches Bild und diagnostisches Vorgehen bei venösen Thrombosen der unteren Extremitäten (Linnemann, B.)“) Darüber hinaus können mit einer ausführlichen Sonografie Zysten, Blutungen, Muskelfaserrisse, Aneurysmen, Tumore oder ein Kompartmentsyndrom erkannt werden. Die Phlebografie kommt als nachgeordnetes Verfahren nur bei speziellen Indikationen oder bei sonografisch nicht eindeutiger Thrombose oder Ursache zum Einsatz. Computertomografie und Magnetresonanztomografie können zur Ausdehnungsdiagnostik bei raumfordernden Prozessen im Becken bzw. Retroperitoneum sowie bei Beckenvenen- oder Vena cava-Thrombosen eingesetzt werden und sind vor invasiven Therapieverfahren zur Eingriffsplanung erforderlich (Konstantinides und Meyer 2019; Hach-Wunderle et al. 2016).
Als Spaltprodukte der Fibrinolyse zeigen D-Dimere eine vermehrte Gerinnungs- und Fibrinolyseaktivität jeglicher Ursache an und reagieren somit neben thrombotischen Ereignissen auch bei unspezifische Reaktionen wie Entzündung, Trauma, Operation, Schwangerschaft, aktiver Tumorerkrankung oder Blutungungen mit. Für quantitative Testverfahren liegt der Grenzwert meist bei 500 μg/l. Bei Patienten die älter als 50 Jahre sind kann durch einen altersadaptierten erhöhten Grenzwert (Lebensalter × 10 μg/l) die Spezifität ohne relevante Einbuße der Sensitivität erhöht werden. (Konstantinides und Meyer 2019; Hach-Wunderle et al. 2016)
In der Lymphödemdiagnostik können klinisch unklare Fälle mithilfe einer Sonografie, indirekter Lymphangiographie, Funktionslymphszintigraphie oder MR-Lymphografie weiter abgeklärt werden. Ähnlich wie beim Gefäßultraschall erfolgt mit einer hoch auflösenden 13 MHz- Ultraschallsonde die Vermessung der Cutis- und Subcutisdicke am medialen distalen Unterschenkel. Danach wird die Komprimierbarkeit der Subcutis durch Sondendruck ermittelt. Als sonografisches Merkmal des chronischen Lymphödems gelten die Verbreiterung der Subcutis mit echolosen längsgerichteten Spalten und auffallend echoreichem Randsaum was auch als „Matratzenrelief“ bezeichnet wird. Studien ergaben, dass bei klinischem Lymphödem die Sonografie in ca. 50 % falsch negativ ist und subklinische Lymphödeme nur durch die quantitative Lymphszintigraphie erfasst werden können, die auch als Goldstandard der bildgebenden Diagnostik des Lymphödems gilt. Auch eine eine aktuelle Arbeit (Becker et al. 2015) weist darauf hin, dass es nicht möglich ist, Lymphödeme sonografisch von anderen Ödemen der unteren Gliedmaßen zu unterscheiden (Ure und Dölller 2011; Ure 2013; Becker et al. 2015).
Auch beim Lipödem kann ein Ultraschall hilfreich sein. Hier zeigt sich als sonomorphologisches Kriterium eine deutliche Subcutisverbreiterung mit erhöhter Echogenität und längsgerichteten Septen, auch hier liegt eine eingeschränkte Komprimierbarkeit vor, wobei hier die Druckausübung im Vergleich zum Lymphödem als schmerzhaft empfunden wird (Ure und Dölller 2011; Ure 2013).
Varizen müssen nicht immer sichtbar sein um relevante Beschwerden zu verursachen. Mit der Duplex-Sonografie kann man schnell und einfach Pathologien des oberflächlichen und tiefen Venensystems ermitteln. Sie gibt Auskunft über die der Varikose zugrunde liegenden Hämodynamik sowie über die Morphologie und Anatomie eventuell pathologischer Befunde.
Bei symptomatischer Varikose dient die Duplex-Sonografie als Grundlage für die Indikationsstellung zur Sanierung der Varikose.
Am besten erfolgt die klinische Untersuchung der Varikose und die duplexsonografische Evaluierung des Venensystems am stehenden Patienten, da durch die Einwirkung der Schwerkraft Pathologien besonders gut erkennbar werden. (Pannier et al. 2019)

Klinisches Bild der Differenzialdiagnosen (Tab. 5)

Tab. 5
Klinische Aspekte zur Differenzialdiagnose der unterschiedlichen Beinödeme (Stöberl 2011; Schuler 2008; Ure und Dölller 2011; Ely et al. 2006; Schellong et al. 2013)
Differenzialdiagnosen
Klinische Aspekte
TVT
Schmerzhafte, pralle, einseitige Beinschwellung mit bläulich bis lividem Hautkolorit.
CVI
Im Tagesverlauf zunehmendes einseitiges bis zweiseitiges Beinödem. Schweregefühl und ziehende Beschwerden in den Beinen. Hautveränderungen wie Corona phlebectatica, Hyperpigmentierungen, Stauungsekzem, Lipodermatosklerose, Atrophie blanche bis hin zum Ulcus cruris.
Hämatom
Schmerzhafte lokale bis flächig ausgedehnte rötlich bis blaugrüne Verfärbung. Bei Superinfektion ist auch eine Überwärmung möglich.
Schmerzhaftes, weiches, einseitiges, eindrückbares Beinödem mit scharf begrenzter Rötung.
Von den Zehen und vom Vorfuß ausgehend anfangs weiches, dann teigiges bis schließlich
derbes Ödem. Papillomatosis cutis, Stemmer Zeichen.
Bilateral symmetrisch lokalisierte Fettgewebsvermehrung an den Extremitäten unter Aussparung von Händen und Füßen. In Abhängigkeit vom Stadium glatte, dann unebene bis hin zu deformierter Hautoberfläche mit palpablen Knötchen und Knoten. Schwere- und Spannungsgefühl, Hämatomneigung, Druck- und Berührungsschmerz, Teleangiektasien, Hypothermie der Haut.
Weiche, bilaterale, im Knöchelbereich beginnende, eindrückbare Beinödeme. In ausgeprägten Fällen Bildung von Spannungsblasen und Anasarka.
Leberinsuffizienz
Weiche, bilaterale, eindrückbare Beinödeme. Feinfleckige Pigmentierung, Haarlosigkeit der Beine, Juckreiz, Aszites.
Weiche, bilaterale, eindrückbare Beinödeme. Lidödeme. Bei fortschreitender Erkrankung generalisiertes Ödem (Anasarka).
Prätibiales Myxödem
Teigig, derbe, symmetrisch Beinschwellung mit knotig flächiger Induration.
Acrodermatitis chronica atrophicans
Asymptomatisches, weiches, eindrückbares Ödem an den Streckseiten der Extremitäten. Livide, gelenksbetonte Verfärbung.

Chronisch venöse Insuffizienz Kap. „Klinisches Bild und diagnostisches Vorgehen bei chronisch venöser Insuffizienz“

Unter einer chronisch venösen Insuffizienz (CVI) versteht man eine langfristige oder dauerhafte Funktionsstörung des Rücktransportes des venösen Blutes aus den Beinen.
Drei Ursachen liegen dieser Funktionsstörung zugrunde:
1.
Postthrombotisches Syndrom: Venöse Pathologie als Folge von Beinvenenthrombosen. Obstruktionen in der venösen Strombahn durch Restthromben sowie der Verlust der Klappenfunktion sind die Ursache (Hach-Wunderle et al. 2016; Pannier et al. 2019).
 
2.
Primäre Varikose: Venöse Pathologie ohne vorausgehende Beinvenenthrombose. Distension der Venen durch genetische Faktoren mit Verlust der Klappenfunktion sowie eine Volumenüberlastung durch Rezirkulation bei Varikose sind die Ursache (Hach-Wunderle et al. 2016; Pannier et al. 2019).
 
3.
Störung des Rücktransports ohne venöse Pathologie durch Verlust der Wadenmuskelpumpe bei Immobilität (z. B. Rollstuhlfahrer) oder bei Sprung-, Knie- und Hüftgelenksverletzung mit versteiftem Gelenk oder pathologischem Gangbild (Hach-Wunderle et al. 2016; Pannier et al. 2019).
 
Durch den chronischen Rückstau entsteht ein Ödem (Tab. 5). Dies hat eine venöse Hypertension zur Folge. Das Ödem folgt der Schwerkraft und ist deshalb distal am stärksten ausgeprägt. Ziehende Beschwerden in den Beinen, Schweregefühl gefolgt von Hautveränderungen wie Hyperpigmentierungen, Stauungsekzem, Lipodermatosklerose, Atrophie blanche bis hin zum Ulcus cruris sind die Folge. Die Anamnese und klinische Untersuchung sind wegweisend für die Diagnose der CVI. Die Zunahme des Ödems im Tagesverlauf, bei langem Stehen oder sitzenden Tätigkeiten, sowie die Empfindlichkeit auf Wärme (z. B. Fußbodenheizung) sind Indizien. Ein Hochlagern der Beine wird von den Patienten meist als sehr angenehm empfunden und bringt eine Besserung der Beschwerden (Hach-Wunderle et al. 2016; Pannier et al. 2019).

Tiefe Beinvenenthrombose

(Kap. „Klinisches Bild und diagnostisches Vorgehen bei venösen Thrombosen der unteren Extremitäten“)
Bei einer akuten tiefen Bein- oder Beckenvenenthrombose werden partielle oder vollständige Abschnitte der tiefen Leitvenen durch Blutgerinnsel verschlossen.
Dadurch wird der Rückfluss des Blutes zum Herzen behindert, wodurch es zu einer vermehrten peripheren Volumenansammlung von Blut kommt. Eine einseitige Beinschwellung mit druckschmerzhafter praller Wade und livides Hautkolorit sind die Folge (Abb. 1). Die Schwellung des Beins ist umso ausgeprägter, je mehr Venensegmente verschlossen sind und je weiter proximal die Thrombose liegt. Sind etwa nur partielle Venenabschnitte am Unterschenkel verschlossen oder bei bettlägerigen Patienten, sind diese Symptome oft nur schwach oder gar nicht ausgeprägt. Typisch für Muskelvenenthrombosen ist ein muskelkaterähnlicher Schmerz in der Wade in der Abwesenheit einer Schwellung. Bei der oberflächlichen Venenthrombose (Thrombophlebitis) zeigt sich in der Regel keine Schwellneigung, es sei denn sie ist sehr ausgeprägt. Durch unvollständige Rekanalisation sowie durch Schädigung der Venenklappen können chronische Folgen entstehen, da durch die chronische Abflussstörung des Blutes, eine venöse Hypertonie entsteht. Auf dem Boden einer CVI entwickelt sich somit ein postthrombotisches Syndrom (PTS), was eine chronische Schwellung und die typischen Hautveränderungen wie Hyperpigmentierungen, Stauungsekzem, Lipodermatosklerose, Atrophie blanche bis hin zum Ulcus cruris zur Folge hat (Tab. 5) (Hach-Wunderle et al. 2016).

Lymphödem

(siehe Kap. „Lymphödem“)
Ursache ist immer die Insuffizienz des Lymphgefäßsystems wodurch der Rücktransport lymphpflichtiger Substanzen zu nieder ist.
Am häufigsten sind sekundäre Lymphödeme, als Folge einer malignen Erkrankung, wenn z. B. Lymphknotenpakete in der Leiste und des Beckens maligne infiltriert werden, aber auch nach chirurgischen Eingriffen mit Verletzungen der Lymphgefäße in der Leiste oder Axilla, und auch nach Bestrahlungen werden Lymphgefäße geschädigt.
Man spricht hier vom sekundären deszendierendem Lymphödem, da es sich von proximal nach distal entwickelt. Je nach Ausprägung des Lymphödems kann man 3 unterschiedliche Stadien unterscheiden. Im Anfangsstadium (Stadium I) ist eine Vermehrung freier interstitieller Flüssigkeit zu beobachten die spontan reversibel ist.
Im Stadium II (spontan irreversibles Stadium) und Stadium III (deformierendes Stadium) zeigen sich die typischen Hautveränderungen wie Verdickung von Kutis und Subkutis durch Einlagerung von Fettgewebe und Vermehrung des Bindegewebes (Fibrose, Sklerose), Hyperplasie mit Hyperkeratose, Kastenzehen und Papillomatose. Für den für das Lymphödem typischen fibrosklerotischen Umbauprozess ist eiweißreiche Flüssigkeit im Interstitium verantwortlich. Das Lymphödem bildet sich deshalb auch im reversiblen Stadium nicht vollständig über Nacht zurück. Eine häufige Begleiterscheinung des Lymphödems ist das Erysipel, da der mangelnde Rücktransport der Lymphe zur Verklebung
der Lymphspalten und zur Obliteration der Lymphgefäße führt und damit
eine bakterielle Entzündung des Interstitiums begünstigt wird (Abb. 2) (Tab. 5) (Stöberl 2011; Schuler 2008; Ure und Dölller 2011; Ely et al. 2006; Schellong et al. 2013; Ure 2013; Burchert 2020; Ure 2018).

Immobilitätsödem

Durch das Erliegen der venösen Pumpfunktion und dem damit unzureichenden Abstrom interstitieller Flüssigkeit über die Blut- und Lymphgefäße kommt es zur Ausbildung von orthostatischen Immobilisationsödemen.
Häufig sieht man das bei Gesunden nach langen Reisen aber auch bei der CVI als sogenanntes Phlebolymphödem. Auch bei Rollstuhlpatienten und schlaffer Lähmung, liegt diese Form des Ödems mit symmetrisch schmerzlosen Ödemen an Vorfüßen, Knöchel und prätibial in starker Ausprägung vor (Stöberl 2011; Schuler 2008; Ure und Dölller 2011; Ely et al. 2006; Schellong et al. 2013; Ure 2013; Burchert 2020).

Lipödem

(siehe Kap. „Lipödem“)
Die genaue Ursache des Lipödems ist unklar. Es ist durch eine überproportionale Verteilung des Körperfetts an den Extremitäten gekennzeichnet, während der Rumpf schlank bleibt und Hände und Füße nicht beteiligt sind (Cuff Phänomen) (Tab. 5). Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer. Neben der umschriebenen, bilateral symmetrischen, lokalisierten Zunahme des subkutanen Fettgewebes an den Extremitäten, weist das Lipödem die typischen klinischen Manifestationen auf, diese beinhalten fehlendes Stemmer Zeichen, Schmerzen die im Tagesverlauf zunehmen, Schwere- und Spannungsgefühl der betroffenen Extremität, Druck und Berührungsschmerz, Hämatomneigung, gleichbleibender Umfang der Extremitäten trotz Gewichtsreduktion, Teleangiektasien im Bereich der Fettpölster und Hypothermie der Haut. Beim chronischen Lipödem kann es zusätzlich häufig zum Auftreten eines Begleitlymphödems und einer CVI kommen, da die Venenmuskelpumpe nicht mehr suffizient arbeiten kann. Die Entstehung von Arthrosen wird durch das Lipödem auch begünstigt. Nach Schweregrad kann man drei progrediente klinische Stadien unterschieden (Tab. 6) (Stöberl 2011; Schuler 2008; Ure und Dölller 2011; Ely et al. 2006; Schellong et al. 2013; Ure 2013; Burchert 2020; Kruppa et al. 2020).
Tab. 6
Stadieneinteilung des Lipödems und Eigenschaften (Ure 2018)
Stadium
Eigenschaften
Grad I
Glatte und weiche Oberfläche der Haut mit kleinen palpablen Knötchen
Grad II
Unebene aber noch weiche Oberfläche der Haut mit größeren in etwa walnussgroßen Knoten
Grad III
Deformierte und indurierte Oberfläche der Haut mit großen palpablen Knoten. Positives Stemmerzeichen bei Vorliegen eines Begleitlymphödems
Anamnese und physikalische Untersuchung sind entscheidend für die Diagnosestellung. Häufig liegt eine positive Familienanamnese vor. In einigen Fällen liegt auch eine Adipositas vor, was die Diagnose zusätzlich erschwert. Krankheitsspezifische Laborbefunde existieren nicht. Sonografie oder Schnittbildverfahen eignen sich um die Dicke der Cutis und Subcutis zu beurteilen, dienen aber ausschließlich zur differenzialdiagnostischen Abgrenzung anderer Krankheitsbilder und haben bislang in der Routinediagnostik des Lipödems keinen hohen Stellenwert (Stöberl 2011; Schuler 2008; Ure und Dölller 2011; Ely et al. 2006; Schellong et al. 2013; Ure 2013; Burchert 2020; Kruppa et al. 2020).

Systemisch bedingte Ödeme

Kardiale Ödeme am Boden einer Herzinsuffizienz sind eine der häufigsten Ursachen für Ödeme (Tab. 5). Meist liegt eine beidseitig symmetrische Schwellung vor, die im Knöchelbereich bis prätibial aufsteigend beginnt und in ausgeprägten Fällen auch Oberschenkel, Gesäß und beim liegenden Patienten auch den Sakralbereich und Skrotalbereich betreffen kann. Man spricht dann von Anasarka. Spannungsblasen können sich in ausgeprägten Fällen bilden wodurch es nicht selten zum Flüssigkeitsaustritt kommt. Entzündungsreaktionen und ein chronisches Stauungsekzem können die Folge sein (Stöberl 2011; Schuler 2008; Ure und Dölller 2011; Ely et al. 2006; Schellong et al. 2013; Ure 2013; Burchert 2020).
Bei Leberinsuffizienz liegt eine Synthesestörung von Albumin vor. Albumin ist für die Aufrechterhaltung des kolloidosmotischen Drucks verantwortlich und wird in der Leber gebildet. Liegt nun eine Synthesestörung vor, wird die Entstehung von Beinödemen und Aszites begünstigt (Eiweißödem). Auch bei Nahrungskarenz oder anderen systemischen Erkrankung kann sich dementsprechend, auch bei primär gesunder Leber, ein Ödem bilden. Es entsteht eher distal betont, kann aber Arme, Beine und den Körperstamm einbeziehen. Die Haut erscheint glasig ist aber nicht verfärbt. Es handelt sich um ein eiweißfreies Ödem welches sich leicht eindrücken lässt und nach Weglassen des Drucks auch wieder rasch verschwindet (Stöberl 2011; Schuler 2008; Ure und Dölller 2011; Ely et al. 2006; Schellong et al. 2013; Ure 2013; Burchert 2020).
Auch bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz kommt es zu einer Störung des kolloidosmotischen Drucks durch vermehrte Kochsalzretention was das Auftreten von Ödemen begünstig (Tab. 5). Typischerweise treten hier die Ödeme zuerst im Gesicht auf (Lidödem) und können bei fortschreitender Erkrankung in ein generalisiertes Ödem (Anasarka) übergehen (Stöberl 2011; Schuler 2008; Ure und Dölller 2011; Ely et al. 2006; Schellong et al. 2013; Ure 2013; Burchert 2020).
Das prätibiale Myxödem ist typisch für die Hypothyreose. Bei der Hypothyreose kann es zu einer Bindegewebsproliferation kommen die typischerweise zur Ausbildung eines Myxödems führt. Dieses ist gekennzeichnet durch knotig flächige Induration, Erythem, Vergröberung der Hauttextur mit Klaffen der Follikel und findet sich symmetrisch an den Unterschenkelstreckseiten und lässt sich nicht eindrücken (Tab. 5). Auch bei Hyperkortisolismus und Morbus Basedow können Ödeme vereinzelt auftreten (Stöberl 2011; Schuler 2008; Ure und Dölller 2011; Ely et al. 2006; Schellong et al. 2013; Ure 2013; Burchert 2020).

Zyklisches, prämenstruelles Ödem der Frau

Eine gewisse prämenstruelle Schwellungsneigung ist ein physiologisches Phänomen. Das zyklische, prämenstruelle Ödem stellt eine Sonderform des systemisch bedingten Ödems dar. Beidseitig, symmetrische, weiche Ödeme, die ausschließlich in der zweiten Zyklushälfte auftreten, verbunden mit einem prämenstruellen Gewichtsanstieg, sind kennzeichnend für diese Art des Ödems. Die Schwellung betrifft morgens in erster Linie die Augenlider und mit zunehmendem Tagesverlauf eher den Knöchelbereich, aber auch eine Schwellung der Hände und Brüste sind möglich. Häufig werden Schmerzen in den Brüsten und Beinen und ein Gefühl der Aufgedunsenheit angegeben. Direkt vor dem Einsetzen der Regelblutung ist der Effekt am stärksten. Nach dem Einsetzen der Regelblutung verschwinden die Symptome schlagartig, die retinierte Flüssigkeit wird in einer polyurischen Phase schnell ausgeschieden (Stöberl 2011; Schuler 2008; Ure und Dölller 2011; Ely et al. 2006; Schellong et al. 2013; Ure 2013; Burchert 2020).
Fast alle Schwangeren entwickeln durch die hormonelle Umstellung sowie durch das heranwachsende Kind Ödeme.
Schwangerschaftsödeme sind pathophysiologisch meist multifaktoriell. Diese sind Faktoren beinhalten Zunahme des Blutvolumens, Veränderung des Bindegewebes, Tonusverlsust der Venen, eine Abnahme der Aktivität der Wadenmuskelpumpe sowie ein zunehmender Abflusswiderstand durch die Erhöhung des intraabdominellen Drucks. Bei starkem Tonusverlust der epifaszialen Venen können Klappeninsuffizienzen entstehen was eine Schwangerschaftsvarikose zur Folge hat. All diese Veränderungen sind nach Beendigung der Schwangerschaft vollständig reversibel, allerdings kann bei unvollständiger Rückbildung der Schwangerschaftsvarikose mit daraus resultierender schwacher Klappenfunktion, eine CVI zurückbleiben (Stöberl 2011; Schuler 2008; Ure und Dölller 2011; Ely et al. 2006; Schellong et al. 2013; Ure 2013; Burchert 2020).
Auch die hormonelle Dysregulation in der Perimenopause kann die Ursache eine Schwellneigung der Beine sein.

Medikamentös induzierte Ödeme

Viele Medikamente sind über verschiedenste Mechanismen für periphere Ödeme verantwortlich. Der Schweregrad ist sehr unterschiedlich und reicht von leichten Ödemen der unteren Extremitäten bis hin zu Anasarka. Obwohl medikamentös induzierte Ödeme meist bilateral auftreten und nicht entzündlich sind, gibt es Medikamente die erythematöse (z. B. Pemetrexed) aber auch unilaterale (z. B. Sirolimus) Ödeme hervorrufen können. Einige Medikamente haben vasodilatative Eigenschaften und begünstigen so die Entstehung eines Ödems, zu Ihnen gehören blutdrucksenkende Mittel (z. B. Kalziumkanalblocker, Minoxidil, Hydralazin), Antiparkinson-Medikamente, Antidepressiva, die 5-HT2-Rezeptoren Antagonisten, Antipsychotika mit α1-adrenolytischer Wirkung und/oder Hemmwirkung auf 5-HT2-Rezeptoren, Baclofen und Endothelin Rezeptorantagonisten. Mehrere Arzneimittel verursachen Salz- und Wasserretention z. B. Androgene, Aromatasehemmer, Östrogene, Gonadotropin freisetzende Hormonanaloga, Wachstumshormone, Glucocorticoide, Endothelinrezeptorantagonisten, oder Opioide. Ödeme treten auch häufig bei der Einnahme von NSAID auf. Ursache ist die Abschwächung der Prostaglandin-Wirkung auf die Niere bei Aufrechterhaltung der Natrium- und Wasserhomöostase. Arzneimittelinduzierte Lymphödeme können bei der Einnahme von tumorspezifischen Therapien wie Tamoxifen, Taxanen (Paclitaxel, Docetaxe), mTOR- Inhibitoren und Phosphoinositid-3-Kinasen (PI3K)- Inhibitoren (lpelisib, Idelalisib) auftreten (Largeau et al. 2021).
Das Diuretika-induzierte Ödem stellt eine Sonderform der Arzneimittelödems dar. Dabei handelt es sich um eine generalisierte Schwellneigung nach Wirkungsverlust oder Absetzen eines nicht indizierten Diuretikums, das die Knöchelregion, Arme, Finger und Augenlider betreffen kann. In Gegenregulation zur diuretikainduzierten Mehrausscheidung von Na+ und Wasser werden Aldosteron und antidiuretisches Hormon verstärkt produziert. Werden die Diuretika abgesetzt, führt der Effekt der gegenregulatorischen Hormone zur deutlichen Flüssigkeitseinlagerung. Häufig werden Diuretika missbräuchlich bei Adipositas, mit dem Ziel, Gewicht zu verlieren, sowie bei Lymphödemen, venös bedingten Ödemen und zyklischen Ödemen eingenommen (Stöberl 2011; Largeau et al. 2021).

Entzündlich bedingte Ödeme

Entzündliche Prozesse zeigen oft Begleitödeme. Die Ödeme können weich bis prall sein und sind in der Regel eindrückbar.
Typisch sind neben der Schwellung, Schmerzen, Rötung und Überwärmung als Zeichen der Entzündung, entweder lokal direkt am Entzündungsort oder ein von diesem ausstrahlend, allgemeiner dumpfer Schwellschmerz. Das entzündliche Begleitödem sieht man klassischerweise beim Erysipel und bei einer Phlegmone (Abb. 2). Weiterhin zeigen sich Begleitödeme bei Arthritiden über dem betroffenen Gelenk oder nach Verletzungen (Prellung, Muskelfaserriss) und Verbrennungen (Stöberl 2011; Schuler 2008; Ure und Dölller 2011; Ely et al. 2006; Schellong et al. 2013; Ure 2013; Burchert 2020).
Baker-Zysten entstehen in der Kniekehle meistens zwischen dem medialen Kopf des M. gastrocnemius und des M. semimembranosus (Abb. 3). Bei einer Ruptur breitet sich der Zysteninhalt in der Muskelloge nach distal aus und verursacht eine reaktive Entzündung und Schwellung am Unterschenkel.
Differenzialdiagnostisch kann mittels Duplexsonografie eine Beinvenenthrombose ausgeschlossen werden, wobei die rupturierte Zyste selbst meist nicht mehr nachweisbar ist und subkutan Flüssigkeit mit Zystenresten dargestellt werden kann. Bei Unklarheit ist eine weitere Abklärung mittels MRT möglich (Stöberl 2011; Schuler 2008; Ure und Dölller 2011; Ely et al. 2006; Schellong et al. 2013; Ure 2013; Burchert 2020).
Die Acrodermatitis chronica atrophicans im Stadium oedematosum, als Folge einer Borrelieninfektion die Monate bis Jahre zurückliegen kann, ist durch eine schmerzlose, livide, einseitige Beinschwellung gekennzeichnet. Eine Biopsie sowie die Bestimmung eines IgG-Borrelientiters sichern die Diagnose (Stöberl 2011; Schuler 2008; Ure und Dölller 2011; Ely et al. 2006; Schellong et al. 2013; Ure 2013; Burchert 2020).
Das hypoxisch toxische Ödem bei chronisch kritischer Extremitätenischämie zeigt eine teigige Schwellung der Zehen und des Vorfußes, gelegentlich auch am Unterschenkel, bedingt durch eine Permeabilitätsstörung des Endothels, bei dauerhafter Minderperfusion und die dadurch bedingte chronische Hypoxie bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit (Stöberl 2011; Schuler 2008; Ure und Dölller 2011; Ely et al. 2006; Schellong et al. 2013; Ure 2013; Burchert 2020).

Tumorbedingte Beinschwellung

Weichteilsarkome des Unter- oder Oberschenkels stellen eine seltene Ursache der einseitigen Beinschwellung dar. Es entwickelt sich meist langsam eine initial asymptomatische Masse, die in weiterer Folge Druck auf umgebende Gefäße und Nerven ausübt. Neben dem Druckgefühl können Symptome wie bei Durchblutungsstörungen oder sensomotorische Defizite an der betroffenen Extremität auftreten. Sonografie und MRT helfen die Diagnose zu sichern (Stöberl 2011; Schuler 2008; Ure und Dölller 2011; Ely et al. 2006; Schellong et al. 2013; Ure 2013; Burchert 2020).

Artifizielles Ödem

Unter einem artifiziellen Ödem versteht man eine Schwellung in Folge unabsichtlicher oder absichtlicher Abschnürung der Extremitäten. Dies kann bei schlecht angelegten Kompressionsverbänden, bei Einschnürung durch einen orthopädischen Stützapparat oder bei Selbstverletzungen der Fall sein. Zwischen Ödem und gesundem Gewebe zeigen sich scharf begrenzte, zirkuläre Abschnürareale. Bei Weglassen des auslösenden Faktors stellt sich eine rasche Besserung des Ödems ein (Stöberl 2011; Schuler 2008; Ure und Dölller 2011; Ely et al. 2006; Schellong et al. 2013; Ure 2013; Burchert 2020).

Schwellungen der oberen Extremität

Im Vergleich zur Venenthrombose der unteren Extremität treten Venenthrombosen in den oberen Extremitäten seltener auf, die Inzidenz ist jedoch steigend. (Kap. „Schulter-Armvenenthrombose“). Grund dafür könnte die vermehrte Anlage von zentralen Venenkathetern und Herzschrittmachern sein sowie die Zunahme an Tumorerkrankungen. Neben Fremdkörpern (Kathetern) im Gefäßsystem stellen Tumorerkrankungen und chirurgische Eingriffe den wichtigsten Risikofaktor für eine Thrombose der oberen Extremitäten dar. (Kap. „Zentralvenöse Katheter und deren Komplikationen“).
Mögliche Zeichen einer venösen Stauung im Bereich der oberen Extremität sind Schwellung, Zyanose, Dilatation bzw. verstärkte Kollateralvenenzeichnung (Abb. 4), oft begleitet von Schmerzen. Komplikationen einer tiefen Venenthrombose der oberen Extremität können das PTS (in der Regel milde ausgeprägt), der Verlust venöser Gefäßzugänge sowie das Vena Cava Superior Syndrom sein. Das Vena Cava Superior Syndrom ist eine obere Einflussstauung mit Verlegung des venösen Rückstroms zum Herzen im Einzugsbereich der Vena cava superior und führt so zu einem erhöhten venösen Druck im Bereich des Kopfes, des Nackens und der oberen Extremität (Heil et al. 2017). Bei Hämodialysepatienten kann es durch die wiederholte oder prolongierte Implantation dicklumiger Dialysekatheter zu zentralvenöse Abflussstauungen kommen. Oft entwickeln sich häufig die Zeichen einer venösen Hypertension mit Schwellung von Arm und Hand, gelegentlich auch venöse Ulzera, wenn peripher der Obstruktion ein arteriovenöser Gefäßzugang funktioniert (Abb. 5) (Kamper et al. 2014). Dieselben Symptome wie eine tiefe Venenthrombose kann das Schultergürtel Engpasssyndrom („Thoracic-Outlet Syndrom“) verursachen z. B. infolge venöser Kompression durch die erste Rippe bzw. eine persistierende Halsrippe.
Weiterhin können sekundäre Lymphödeme, als Folge einer malignen Erkrankung eine Schwellung der oberen Extremität verursachen, wenn z. B. Lymphknotenpakete in der Axilla maligne infiltriert werden bzw. aber auch nach chirurgischen Eingriffen mit Verletzungen der Lymphgefäße in der Axilla sowie nach Bestrahlung (Beispiel Mamma-Karzinom) (Ure 2013). Auch nach Verletzungen oder Operationen können hin und wieder Schmerzen persistieren die durch das initiale Trauma nicht mehr erklärbar sind, bekannt als komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS). Auch im Rahmen des CRPS kann es zum Auftreten von Ödemen kommen (Bruehl 2015).
Literatur
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