Vaskuläre Erkrankungen unterliegen vielfach geschlechtsassoziierten Einflüssen, wie im Kap. „Geschlechtersensible Gefäßmedizin“ im Detail erläutert wird. Diese Unterschiede auf pathophysiologischer Ebene ziehen Konsequenzen für diagnostische, therapeutische oder präventive Maßnahmen nach sich, welche im Folgenden anhand ausgewählter Beispiele illustriert werden sollen.
Geschlechtsspezifische Diagnostik
Studien zufolge bestehen geschlechtsspezifische Unterschiede beim laborchemischen Nachweis einer Resistenz gegenüber aktiviertem
Protein C (APC-Resistenz
), gebräuchlich zur Diagnostik der thrombophilen Gerinnungsstörung Faktor-V-Leiden (Hansen und Nybo
2019). Mutationen im
Gerinnungsfaktor V führen dazu, dass dieser prokoagulatorisch wirksame Faktor durch APC nicht bzw. nur unzureichend inaktiviert werden kann (Kap. „Hereditäre Thrombophilie“). Zum laborchemischen Nachweis wird die APC-Ratio als Quotient der Gerinnung (aPTT-Bestimmung) mit und ohne den Zusatz einer definierten Menge an aktiviertem Protein C im Citratplasma bestimmt. Bei gesunden Probanden ist die APC-Ratio > 2,4, ein Quotient zwischen 1,5–2,3 legt eine heterozygote
Faktor-V-Leiden-Mutation nahe, bei einem Quotienten < 1,5 besteht der Verdacht auf eine homozygote Faktor-V-Leiden-Mutation. Studiendaten an 1081 Patienten zur Abklärung einer APC-Resistenz belegen nun im Schnitt niedrigere
Cut-off-Werte im gemessenen Anteil an aktiviertem Protein C (APC-Ratio) bei weiblichen (2,0 ± 0,3) im Vergleich zu männlichen Patienten (2,1 ± 0,3, p < 0,05) mit positivem Testergebnis. Auch bei negativem Labortest zeigten sich bei Frauen im Schnitt niedrigere APC-Werte (2,6 ± 0,4 versus 2,8 ± 0,5, p < 0,01). Insbesondere ließ sich in 35 % der nachweislich nicht unter Faktor-V-Leiden-Mutation erkrankten Frauen eine pathologische APC-Ratio von ≤ 2,4 nachweisen (entsprechend einem falsch-positiven Testergebnis), bei Männern lag der Anteil falsch-positiv Getesteter bei 18 % (p < 0,01). In der Konsequenz ergibt sich ein Nutzen der Einführung geschlechtsspezifischer Cut-off-Werte in der modernen Labormedizin der APC-Resistenz.
Für den zum Ausschluss
venöser Thromboembolien (
VTE) genutzten
D-Dimer-Test fanden sich hingegen bislang keine Hinweise auf geschlechtsspezifisch differierende
Cut-off-Werte in der
Ausschlussdiagnostik einer VTE (Reagh et al.
2021). Wohl aber fanden sich auch hier geschlechtsspezifische Unterschiede im Sinne eines Nutzens zur Prädiktion adverser Verläufe in spezifischen Subkohorten (Li et al.
2021).
Auch in der Ultraschalldiagnostik lassen sich relevante geschlechtsspezifische Unterschiede finden. Hier gilt die Dicke der arteriellen Wand der A. carotis communis (Intima-Media-Dicke, IMT) als prognostischer Parameter für das kardiovaskuläre Risiko. Anhand von 4814 Probanden (2433 Männer, 2381 Frauen) der Gutenberg-Heart-Studie im Alter von 35 bis 74 Jahren wurden IMT-Normwerte erhoben (Sinning et al.
2011). Es ergab sich eine mediane IMT von 0,62 mm bei Frauen und von 0,65 mm bei Männern. In Abhängigkeit vom Alter wurden für beide Geschlechter getrennt die IMT-Werte oberhalb der 95. Perzentile als pathologisch ausgewiesen. Hierbei zeigten sich insbesondere bei jungen kardiovaskulär gesunden Probanden ausgeprägte Unterschiede zwischen den Geschlechtern: in der Gruppe der 35-Jährigen lag die 95. Perzentile der IMT, und damit der Cut-off zu als pathologisch zu bewertenden Größen, bei 0,71 mm bei Männern versus 0,61 mm bei Frauen. Bei der Verwendung eines Unisex-Cut-off-Wertes in der klinischen Routine würden dementsprechend IMT-Erhöhungen bei jungen Frauen potenziell erst mit deutlich größerer Ausprägung als pathologisch eingestuft und das kardiovaskuläre Risiko systematisch unterschätzt werden.
Auch beim abdominellen
Aortenaneurysma (AAA) muss bei der sonografischen Messung des Diameters des aneurysmatischen Aortensegments berücksichtigt werden, dass Frauen bereits physiologisch insgesamt kleinere aortale (Referenz-)Diameter aufweisen als Männer (Sonesson et al.
1993). Zudem wiesen verschiedene Studien auf ein deutlich erhöhtes Rupturrisiko von AAA bei weiblichen im Vergleich zu männlichen Patienten mit AAA gleicher Diameter hin. So evaluierte das UK Small Aneurysm Trial das Langzeit-Rupturrisiko überwachungspflichtiger AAA zwischen 40–55 mm an 2257 Patienten (davon 79 % männlich) (Brown und Powell
1999). Es zeigte sich nach Adjustierung auf klassische Risikofaktoren und die aortale Gefäßgröße, dass das weibliche Geschlecht ein unabhängiger Risikofaktor für eine Ruptur ist, welcher deren Risiko etwa um das 3-Fache erhöht (HR 3,0; 95 %-CI 1,99–4,53; p < 0,001). Damit hatte das weibliche Geschlecht einen höheren Einfluss auf das Rupturrisiko als der AAA-Diameter (HR 2,5; p = 0,032), ein fortgesetzter Nikotinkonsum (HR 2,1; p = 0,066) oder der mittlere Blutdruck (HR 1,04; p = 0,002). Dementsprechend haben geschlechtsspezifische Größenunterschiede mittlerweile Eingang in den diagnostischen Algorithmus mittels abdomineller Sonografie gefunden (siehe Kap. „Aneurysmen der
abdominellen Aorta und der Iliakalarterien“).
Geschlechtsspezifische Therapie
Aus therapeutischer Sicht ergeben sich aus den unterschiedlichen Grenzwerten zur Indikationsstellung invasiver Therapiemaßnahmen beim abdominellen
Aortenaneurysma (AAA) entsprechende Konsequenzen. Zur Indikation der prophylaktischen Therapie mittels Aneurysma-Repair
bei asymptomatischem (fusiformen) AAA ≥ 55 mm liegen bei männlichen Patienten mehrere große
Metaanalysen und Registerstudien vor (Beck et al.
2016; Liu et al.
2020). Bei Frauen (Grenzwert ≥ 50 mm) ist die Evidenzlage jedoch insgesamt unklarer. Kohortenstudien wiesen auf eine erhöhte 30-Tages-Letalität (OR 1,67; p < 0,001) sowie erhöhte Komplikationsraten und Langzeitsterblichkeit (HR 1,23; p = 0,001) nach endovaskulärem Aneurysma-Repair hin, jedoch nicht auf geschlechtsspezifisch erhöhte frühe oder späte Reinterventionen und Endo-Leaks (Liu et al.
2020). Das Mortalitätsrisiko rupturierter AAA (rAAA) ist demgegenüber um ein Vielfaches höher, sie stellen einen gefäßmedizinischen Notfall dar, der unmittelbar invasivtherapeutische Maßnahmen erfordert. Eine schwedische bevölkerungsbezogene Analyse an 10.724 Patienten weist mit 20,2 % der Männer und 22,5 % der Frauen mit rAAA (p = 0,011) einen relevanten Anteil an Patienten aus, die prähospital versterben (Zommorodi et al.
2019). Von den stationär Aufgenommenen wurden zudem nur 56,6 % der männlichen und 40,4 % der weiblichen Patienten mit rAAA (p < 0,001) tatsächlich invasiv behandelt. Frauen hatten zudem eine vergleichsweise erhöhte Mortalität innerhalb des ersten Jahres nach Ruptur.
In der Konsequenz wird sowohl gefordert, bei weiblichen Patienten mit AAA frühzeitiger elektiv zu intervenieren, Endografts an die speziellen Bedürfnisse der weiblichen Gefäßanatomie anzupassen als auch Frauen primär in spezialisierten Gefäßzentren zu versorgen, in welchen umfangreich sowohl endovaskuläre als auch offen-operative Expertise zum Aneurysma-Repair vorhanden ist (Schmitz-Rixen et al.
2020).
Aspekte therapeutischer Unterversorgung im Hinblick auf das Geschlecht bei der
peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (
pAVK) wurden umfassend im Rahmen des durch den G-BA Innovationsfonds geförderten Projektes
GenderVasc analysiert (Freisinger
2023): Von den bundesweit jährlich > 190.000 stationären Behandlungsfällen bei pAVK entfallen rund zwei Drittel auf Patienten männlichen Geschlechts. Diese deutliche Unterrepräsentanz weiblicher pAVK-Patienten im stationären Behandlungssektor steht in gewissem Widerspruch zu der hinsichtlich des Geschlechts nahezu ausgeglichenen pAVK-Prävalenz in der Allgemeinbevölkerung (siehe Kap. „Definition und Epidemiologie der pAVK“). Entsprechend einer an die Krankheitsstadien adaptierten Therapie besteht bei allen Patienten mit symptomatischer pAVK die Indikation zur medikamentösen Gabe eines Thrombozytenaggregationshemmers und eines Statin-Präparates. Dennoch erhalten basierend auf Daten von 42.197 GKV-Versicherten mit Claudicatio intermittens zum Zeitpunkt einer stationären Einweisung nur 46 % der Frauen und 50 % der Männer ein Statin, nur bei einem Drittel der Patienten besteht initial eine antithrombotische Therapie. Im Stadium der kritischen
Extremitätenischämie (CLTI) erhielten entgegen gültigen Leitlinienempfehlungen sogar nur 35 % der Frauen und 43 % der Männer ein Statin, eine antithrombotische Therapie bestand nur bei 50 % der Patienten. Auch im Einsatz der bei CLTI dringlich indizierten revaskularisierenden Therapie wurden geschlechtsspezifische Versorgungsdefizite nachgewiesen. Vor dem Hintergrund einer generellen Unterversorgung
mit endovaskulären und/oder operativen Maßnahmen erhielten auf Basis der GKV-Routinedaten nur 61 % der weiblichen und 65 % der männlichen CLTI-Patienten eine Revaskularisation (p < 0,001). Folgeanalysen an bereits amputierten pAVK-Patienten bestätigten, dass bei 36 % der weiblichen und bei 28 % der männlichen Patienten innerhalb von 2 Jahren vor Amputation keinerlei Revaskularisationsversuche unternommen wurden. Der Anteil von Majoramputationen lag bei weiblichen Amputierten mit 43 % über dem der amputierten Männer (35 %). Zudem war die 2-Jahres-Überlebensrate weiblicher amputierter pAVK-Patienten deutlich gegenüber männlichen Patienten reduziert (45 % versus 55 %, p < 0,001), insbesondere im Falle fehlender vorheriger Revaskularisation (38 % versus 51 %, p < 0,001; HR 1,037 95 %-CI 1,035–1,039). Im Ergebnis wies
GenderVasc im bundesweiten Kontext eine ausgesprochen defizitäre Leitlinienadhärenz bei pAVK im Allgemeinen und bei Frauen im Besonderen sowohl in der medikamentösen als auch in der revaskularisierenden Therapie aus. Dieses Versorgungsdefizit ließ sich auch in der Langzeitnachbeobachtung feststellen und sollte zur dringenden Optimierung derzeitiger Versorgungsstrukturen unter Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Bedürfnisse entlang sektorenübergreifender Behandlungspfade aufrufen. Inwieweit dies gelingt, werden künftige Studien der Versorgungsanalyse zeigen.
Geschlechtsspezifische Prävention
Eine gängige Methode im Rahmen der Sekundärprävention
stellt das strukturierte
Screening zur Früherkennung von Erkrankungen dar. In der Gefäßmedizin betrifft diese Maßnahme das Ultraschallscreening auf Vorliegen eines abdominellen Aortenaneurysmas (AAA):
Das AAA ist eine überwiegend das männliche Geschlecht betreffende Erkrankung, seine Gesamtprävalenz ist unter Berücksichtigung einer ausgeprägten Altersabhängigkeit bei Männern etwa 3-fach gegenüber Frauen erhöht. Wie im Kap. „Geschlechtersensible Gefäßmedizin“ detailliert ausgeführt, konnten bereits vielschichtige pathogenetische/pathophysiologische Einflüsse von „sex“ und „gender“ gesichert werden, die zu dieser geschlechtsspezifischen Epidemiologie beitragen.
Der Nutzen eines Ultraschallscreenings auf
Bauchaortenaneurysma wurde zuletzt 2015 vom unabhängigen Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) bewertet (URL IQWIG). Im Fazit des Berichts heißt es: „Aus der vorliegenden Nutzenbewertung ergibt sich für Gesamtmortalität, BAA-bedingte Mortalität, Ruptur-Häufigkeit und Anzahl Notfalloperationen ein Beleg für einen Nutzen eines Ultraschall-Screenings auf BAA für Männer. Es ergibt sich für Gesamtmortalität, Ruptur-Häufigkeit, Anzahl Notfalloperationen und Anzahl elektiver Eingriffe kein Anhaltspunkt für einen Nutzen des Ultraschall-Screenings auf BAA für Frauen.“ Einschränkend wird kommentiert „Für BAA-bedingte Mortalität lagen keine Daten für Frauen vor.“
Entsprechend hatte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) Ende 2016 die
Richtlinie Ultraschallscreening auf Bauchaortenaneurysmen beschlossen, welche im Juni 2017 schlussendlich in Kraft getreten ist. Seither wird allen männlichen Versicherten ab dem 65. Lebensjahr einmalig ein von den GKVen getragenes sonografisches
Screening auf ein AAA angeboten. In Bezug auf ein Screening für Frauen heißt es seitens des G-BA: „Aussagen zum Nutzen des Screenings lassen sich derzeit nicht auf die oben genannten Risikogruppen übertragen, da bislang zu wenig Evidenz z. B. in Bezug auf eine geeignete Screeningstrategie bei Frauen vorliegt“ (Stand 2017; URL BAA Screening).
Neuere Daten, die eine rückläufige
Prävalenz des AAA in den letzten Jahren zeigen, verschieben den Fokus potenziellen Nutzens eines
Screenings zusehends auf das höhere Lebensalter (Männer ab 75 Jahre). Umgekehrt ist angesichts einer bis zu 10-jährigen Latenz in der Diagnosestellung eines AAA bei Frauen, einer geschlechtsspezifisch erhöhten Rupturgefahr bereits bei kleineren Diametern und der – neueren Daten zufolge – insgesamt erhöhten Mortalität sowohl bei elektiven als auch notfallmäßigen Eingriffen (siehe oben) ein Nutzen des Screenings auch bei Frauen, zumindest in bestimmten Risikoklientelen, unter heutigen Versorgungsstandards zu reevaluieren.
Idealerweise beginnt Prävention jedoch bereits deutlich vorher mit der Vermeidung von Erkrankungen, also mit der Primärprävention.
Im Bereich der arteriosklerotischen Herz- und Gefäßkrankheiten wurde mit der nachstehenden Studie erstmals Evidenz geschaffen für einen direkten Zusammenhang zwischen frühen traditionellen Risiken und kardiovaskulären Ereignissen vor Erreichen des 60. Lebensjahres.
Die multizentrische prospektive Langzeitbeobachtungsstudie an Kindern und Jugendlichen zwischen 3 und 19 Jahren hat den Einfluss früher Risikofaktoren auf spätere kardiovaskuläre Ereignisraten (u. a. ACS/Koronarintervention, TIA/
Schlaganfall/Carotisintervention, AAA,
pAVK) untersucht (Jacobs et al.
2022). Erfasst wurden dabei die fünf traditionellen Risikofaktoren
Adipositas (BMI),
Hypertonie,
Hypercholesterinämie,
Hypertriglyzeridämie und früher Nikotinabusus. Von den 38.589 untersuchten Probanden (49,7 % männlich; 50,3 % weiblich) erlitten 779 Personen während der Langzeitnachbeobachtung im mittleren Alter von 47 ± 8 Jahren ein kardiovaskuläres Ereignis, 319 davon tödlich. Die kardiovaskulären Ereignisse traten dabei häufiger bei männlichen (5,3 %) als bei weiblichen Studienteilnehmern (2,5 %) auf – ebenso die fatalen kardiovaskulären Ereignisse (1,2 % der Männer versus 0,5 % der Frauen). Jeder der untersuchten Risikofaktoren erhöhte unabhängig das Risiko späterer kardiovaskulärer Ereignisse, und die Kombination aus mehreren Risikofaktoren verstärkte dieses Risiko noch weiter. Interessanterweise hatten Risikofaktoren im Kindesalter (3–11 Jahre) einen vergleichbar starken Einfluss auf das spätere kardiovaskuläre Ereignisrisiko wie die Präsenz derselben Risikofaktoren im Jugendalter (12–19 Jahre). Ein Unterschied im Einfluss der Risikofaktoren auf kardiovaskuläre Ereignisse in Bezug auf das biologische Geschlecht konnte nach umfangreicher Adjustierung u. a. auf die Ethnie oder den parentalen Bildungshintergrund nicht festgestellt werden. Im Fazit weist die Studie somit auf einen hohen Wert einer frühen, bereits im Kindes- und Jugendalter einsetzenden
kardiovaskulären Prävention hin und deutet im Hinblick auf das Geschlecht hier insbesondere einen prognostisch bedeutsamen Einfluss genderspezifischer Faktoren an. Weitere Studien, u. a. zur Etablierung effektiver geschlechtsspezifischer und früher Präventionsstrategien sind dringend notwendig, um den kardiovaskulären
Burden of Disease künftiger Generationen nachhaltig zu senken.
Eine der wenigen und aus angiologischer Sicht relevanten Studien an Transgenderpersonen
vergleicht das kardiovaskuläre Risiko
von Transmännern (FtM) und Transfrauen (MtF) mit dem von cis Männern bzw. cis Frauen basierend auf Umfragen an 1.842.439 US-amerikanischen Bürgern (Alzahrani et al.
2019). Von diesen identifizierten sich insgesamt 3055 Personen als transgender (0,17 %), davon 1267 als Transmänner und 1788 als Transfrauen. Im Ergebnis der Studie war das Risiko eines
Myokardinfarktes bei Transmännern nach umfangreicher Adjustierung um das 2,5-Fache (OR 2,53; p = 0,02) gegenüber cis Männern und um das 4,9-Fache (OR 4,90; p < 0,01) gegenüber cis Frauen erhöht. Das Risiko von Transfrauen war gegenüber cis Frauen um das 2,6-Fache (OR 2,56; p < 0,01), nicht aber gegenüber cis Männern erhöht. Die Studie hat zahlreiche Limitationen, die aus der Imbalance der Kohorte, der Art der Datenerhebung (Selbstreport) oder fehlenden Informationen zum Hormonstatus resultieren und ist dementsprechend als orientierend zu werten. Eine weitere große Kohortenstudie zur kardiovaskulären Gesundheit von Transpersonen unter geschlechtsangleichender Hormontherapie an 2517 Transfrauen und 1358 Transmännern bestätigte ein erhöhtes Myokardinfarktrisiko beider Transgeschlechter gegenüber cis Frauen, nicht aber gegenüber cis Männern (Nota et al.
2019). Transfrauen hatten zudem ein signifikant erhöhtes Risiko, einen
Schlaganfall oder eine
venöse Thromboembolie zu erleiden als cis Personen beiden Geschlechts. Sowohl die genaue Rolle der Hormontherapie als auch weiterer genderassoziierter Faktoren ist noch weitestgehend unklar und Gegenstand laufender Forschungen (Scheres et al.
2021). Die zitierten Studien weisen insbesondere auf die Bedeutung einer fachübergreifenden (z. B. gynäkologisch/andrologisch – kardiologisch/angiologisch) Sensibilisierung gegenüber den besonderen Bedürfnissen von transidenten Personengruppen hin, um ihrer nach derzeitigem Kenntnisstand erhöhten Vulnerabilität entsprechend medizinisch zu begegnen.