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Klinische Angiologie
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Publiziert am: 11.12.2024

Indikationsstellung zur operativen Revaskularisation

Verfasst von: Georgios Meimarakis und Klaus Stöckl
Wenige gute Studien behandeln den direkten Vergleich zwischen endovaskulärer und offen chirurgischer Revaskularisation bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit. Die Studien BASIL-1, BASIL-2 und BEST-CLI zeigen, dass die Wahl des geeigneten Verfahrens stark von individuellen Patientenfaktoren abhängt.
Aktuelle Leitlinien (SVS, ESVS, DGG) insbesondere die im September 2024 veröffentlichte S3-Leitlinie zur „Diagnostik, Therapie und Nachsorge der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit“ betonen die Bedeutung einer individualisierten Therapie. Die Wahl endovaskulär vs. offen sollte auf einer Bewertung von Komorbidität, Aktivitätsniveau und anatomischen Besonderheiten basieren. Stagingsysteme wie GLASS und WIfI helfen, anatomische Gegebenheiten, Ischämiegrad und Amputationsrisiko zu bewerten und tragen zu einer optimalen interdisziplinären Behandlungsstrategie bei. Der gezielte Einsatz von Hybridverfahren bei der Behandlung komplexer Läsionen verbindet die Vorteile beider Methoden.

Einleitung

In diesem Kapitel wird die Indikationsstellung zur operativen Revaskularisation bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit (pAVK) in Abgrenzung zur rein interventionellen Behandlung diskutiert (Kap. „Indikationsstellung zur peripheren Katheterintervention“).
Die Fortschritte in den endovaskulären Techniken haben die Behandlungsoptionen für pAVK erheblich erweitert. Deren Wirksamkeit konnte in zahlreichen Studien belegt werden. Es gibt jedoch wenige aussagefähige Studien, die die Wirksamkeit endovaskulärer Verfahren direkt mit der offenen Chirurgie vergleichen. Neben Metaanalysen bieten die multizentrische, randomisierte, kontrollierte BASIL-1-Studie (1999–2004) (Adam et al. 2005), Basil-2-Studie (2014–2020) (Bradbury et al. 2023) und die jüngeren Ergebnisse der BEST-CLI-Studie (2008–2021) (Farber et al. 2022) diesbezüglich wertvolle Einblicke. Im Ergebnis bleibt die Auswahl des geeigneten Verfahrens aber stark patientenabhängig.
Unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Angiologie und der Gesellschaft für Gefäßmedizin wurde im September 2024 die S3-Leitlinie zur „Diagnostik, Therapie und Nachsorge der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit“ veröffentlicht. Diese sowie weitere Leitlinien der Society for Vascular Surgery (SVS) und der European Society for Vascular Surgery (ESVS) betonen zunehmend die Bedeutung einer individualisierten Therapie.
Ziel dieses Kapitels ist es, die Kriterien und Überlegungen zu erläutern, die bei der Entscheidung für eine operative Revaskularisation im Vergleich zu interventionellen Verfahren berücksichtigt werden müssen. Der Fokus liegt auf der Verbesserung der Lebensqualität und der Mobilität bei Claudicatio intermittens und dem Extremitätenerhalt bei kritischer Ischämie nach sorgfältiger Abwägung der Risiken und Vorteile der verschiedenen Behandlungsoptionen. Die Bedeutung der individuellen Patientenfaktoren und eines interdisziplinären Entscheidungsprozesses wird hervorgehoben, um bestmögliche Behandlungsergebnisse zu erzielen. Zu rechtlichen Aspekten und Patientenaufklärung vor Revaskularisation sei auf das Kap. „Rechtliche Aspekte und Patientenaufklärung“ verwiesen.

Indikation zur Revaskularisation bei Claudicatio intermittens

Die Schweregradeinteilung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) erfolgt im deutschsprachigen Raum häufig nach der Fontaine-Klassifikation, international und im Rahmen von Studien ist die Einteilung nach Rutherford zunehmend gebräuchlich (Kap. „Stufendiagnostik bei Verdacht auf pAVK“). Bei der Claudicatio intermittens, die den Stadien II nach Fontaine und nach Rutherford entspricht, ist die grundsätzliche Indikation zur Revaskularisation in der Regel auf Fälle beschränkt, die nach Ausschöpfung konservativer Maßnahmen weiterhin unter einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität leiden.
Patienten mit Claudicatio intermittens erleben einen unterschiedlichen Grad der Mobilitätseinschränkung. Eine mäßige Claudicatio kann bei einem wenig mobilen Patienten toleriert werden, während sie bei einem sehr aktiven Patienten bereits als schwere Behinderung wahrgenommen werden kann. Primär sollte bei diesen Patienten eine Lebensstiländerung mit konservativer Behandlung wie Gehtraining und medikamentöser Therapie sowie Behandlung der kardiovaskulären Risikofaktoren angestrebt werden (Kap. „Claudicatio intermittens“). Andererseits kann bei geeigneter Morphologie eine endovaskuläre oder operative Behandlung der Claudicatio-Symptomatik auch bei Personen gerechtfertigt sein, deren grundlegende Lebensaktivitäten oder die Berufsausübung hochgradig eingeschränkt sind (Kap. „Indikationsstellung zur peripheren Katheterintervention“).
Die Entscheidung für eine Revaskularisation basiert nicht nur auf hämodynamischen Messungen wie dem ABI/TBI (Ankle-Brachial- und Toe-Ankle-Index) oder morphologischen Befunden. Vielmehr ist der Schweregrad der funktionellen Beeinträchtigung und deren vom Patienten wahrgenommenen Wirkung auf die Lebensqualität zentral für die Indikationsstellung, unterstützt durch den objektiven Nachweis einer signifikanten Erkrankung (Mays et al. 2011).
Die Behandlung von kruralen Gefäßen, sei es endovaskulär oder offen chirurgisch, birgt ein höheres Risiko von Gefäßverletzungen wie Dissektion oder Perforation. Zudem ist im Vergleich mit der Revaskularisation proximaler Gefäße mit einer höheren Rate an Rezidivstenosen oder (Bypass-)verschlüssen zu rechnen. Vor diesem Hintergrund werden Behandlungen der isolierten infragenualen pAVK zur Gehstreckenverbesserung bei Claudicatio grundsätzlich nicht empfohlen (Nordanstig et al. 2024).
Die Abgrenzung einer pAVK im Stadium II zur kritischen Ischämie kann durch eine Neuropathie, die vor allem Patienten mit langjährig bestehendem Diabetes mellitus betreffen kann, erschwert werden. Hämodynamische Parameter, eine sorgfältige Zuordnung der Symptome und ein interdisziplinärer Austausch bilden die Grundlage für eine adäquate Behandlungsstrategie (Kap. „Klinisches Bild und Differentialdiagnose der pAVK“).
CAVE
Die Entscheidung für eine Revaskularisation bei Claudicatio intermittens sollte restriktiv gestellt und im Einzelfall unter Berücksichtigung der Hämodynamik, Gefäßmorphologie, funktionellen Einschränkung, der Lebensqualität und der potenziellen Vorteile und Risiken der Behandlung getroffen werden.

Indikation zur Revaskularisation bei kritischer Ischämie

Die kritische Ischämie erfordert als fortgeschrittenes Stadium der pAVK eine dringliche medizinische Intervention, um die betroffene Extremität zu retten und ein amputationsfreies Überleben zu ermöglichen. Sie wird klinisch durch anhaltende Ruheschmerzen, Ulzerationen oder Gangrän charakterisiert und entspricht den Stadien III/IV nach Fontaine bzw. den Stadien 4–6 nach Rutherford (Kap. „Stufendiagnostik bei Verdacht auf PAVK“).

Akute kritische Ischämie

Die akute kritische Ischämie erfordert eine sofortige Behandlung, da die Gewebetoleranz gegenüber Ischämie begrenzt ist. Individuelle Faktoren beeinflussen entscheidend die Ausprägung und Prognose der Erkrankung. Das klinische Bild kann von einem unterkühlten, leicht sensibilitätsgestörten Bein bis hin zu einem eiskalten, blau-livide marmorierten und paretischen Bein mit starken Schmerzen reichen.
In der Regel zieht ein „Acute-on-chronic-Verschluss“ bei vorbestehender pAVK ebenso wie ein isolierter Verschluss der Beckenachse bei offener Femoralisgabel eine mildere Symptomatik nach sich. Ein Verschluss der kompletten Femoralisgabel oder der femoropoplitealen Achse kann hingegen wegen mangelhafter Kollateralisierung eine ausgeprägte Ischämie verursachen. In jedem Fall ist gemäß dem Motto „time is limb“ eine zügige Revaskularisation anzustreben (Kap. „Klinisches Bild und diagnostisches Vorgehen bei akuter Ischämie der unteren Extremitäten“).
Für eine lokale Thrombolyse über mehrere Stunden besteht bei ausgeprägter Ischämie häufig keine Zeit. Neue endovaskuläre Techniken bieten mittlerweile die Möglichkeiten einer sofortigen Thrombektomie und Thrombolyse als Alternative zur operativen Thrombektomie (pharmakomechanische Thrombolyse). Chirurgische Verfahren beinhalten die Fogarty-Thrombembolektomie oder Bypassverfahren. Die Wahl des Verfahrens zur Rekanalisation richtet sich nach dem Schweregrad der Ischämie, der betroffenen Gefäßregion und nach der lokalen technischen Ausstattung, Verfügbarkeit und Expertise (Kap. „Management der akuten Ischämie der unteren Extremitäten“).

Indikation zur Revaskularisation bei chronisch kritischer Ischämie

Bei chronischer kritischer Ischämie, die durch Ruheschmerzen (Fontaine Stadium III bzw. Rutherford 4) oder Gewebsverlust (Fontaine IV bzw. Rutherford 5–6) gekennzeichnet ist, ist die Revaskularisation ein Eckpfeiler zur Rettung der Extremität. Eine Revaskularisation sollte nur durchgeführt werden, wenn realistische Chancen auf Wundheilung bestehen und eine Majoramputation vermieden werden kann. In Fällen, in denen sie nicht Erfolg versprechend ist oder bei fehlendem Nutzen wegen stark eingeschränkter Lebenserwartung, können eine primäre Amputation oder palliative Maßnahmen in Betracht gezogen werden (s. Tab. 1). Angesichts der in aller Regel multimorbiden Patienten kann die Indikationsstellung zur Revaskularisation komplex sein und erfordert eine umfassende Beurteilung sowohl der allgemeininternistischen Risiken als auch der häufig komplexen vaskulären Situation. Zu den Zielen der Behandlung gehören die Schmerzlinderung, die Wundheilung und der Erhalt einer funktionsfähigen unteren Extremität.
Tab. 1
Patientenindividuelle Faktoren für Indikationsstellung zu einer Revaskularisation
Kategorie
Patientenindividueller Faktor
Komorbiditäten und Risiko
Alter, Vorerkrankungen, kardiovaskuläre Risikofaktoren
Aktivitätsniveau und Anspruch des Patienten
Gehfähigkeit, Beeinträchtigung des Patienten im Alltag und Beruf
Ausschöpfung konservativer Maßnahmen
Lebensstiländerung, medikamentöse Therapie, Gehtraining bei Claudicatio
Komplexität, Durchführbarkeit und Haltbarkeit der geplanten Maßnahme
Einschätzung der erkrankten Gefäßabschnitte unter Berücksichtigung der Offenheitsrate durch geeignete anatomische Stagingsysteme (GLASS)
Hämodynamik und Wundsituation
Graduierung und Einschätzung des Grades der Ischämie und der Wunde mit geeigneten Scores wie WIfI (Wound Ischemia and Foot Infection)
Die Global Vascular Guideline Group führt in ihrer Leitlinie aus, dass eine evidenzbasierte Entscheidung zur Revaskularisation im Wesentlichen auf 3 Faktoren beruht (Stichwort PLAN; Conte et al. 2019):
1.
Patient risk (Risiko des Patienten)
 
2.
Limb staging (Beurteilung des Schweregrades der Ischämie und der Wunde)
 
3.
ANatomic pattern of disease (anatomisches Muster betroffener Gefäßregionen)
 
Während die Einteilung in Durchschnitts- und Hochrisikopatienten anhand der geschätzten prozeduralen und 2-Jahres-Gesamtmortalität definiert werden sollte, wurden für „Limb staging“ und „Anatomic pattern of disease“ spezifische klinische Staging-Instrumente entwickelt (Mills et al. 2014; Shirasu et al. 2022).

Staging-Instrumente

Das WIfI System (Wound, Ischemia and Foot Infection) ist ein Klassifikationssystem, das sowohl den Schweregrad der Wunde, die Ischämie und die Infektion auf einer Skala von 0–3 in die Beurteilung einschließt. Es wurde entwickelt, um das 1-Jahres-Risiko einer Majoramputation ohne Revaskularisierung vorherzusagen und um festzustellen, welche Gliedmaßen am meisten von einer Revaskularisierung profitieren (Mills et al. 2014).
Unter Federführung der Society for Vascular Surgery wurde ein globales anatomisches Stagingsystem für Gliedmaßen (GLASS) entwickelt (Shirasu et al. 2022). Basierend auf einer angiographischen Bildgebung wird eine geeignete Revaskularisierungsstrategie festgelegt, kombiniert mit der Einschätzung der technischen Machbarkeit und Haltbarkeit der Behandlung, woraus sich drei Komplexitätsstufen für den Eingriff ergeben. Dieses Stagingsystem soll sowohl für Studien eine bessere Vergleichbarkeit der Entscheidungsgrundlage ermöglichen als auch im klinischen Alltag eine Hilfestellung für die Therapieentscheidung bieten.

Voraussetzungen für die Verfahrenswahl

Die Entscheidung, ob ein offen chirurgisches oder endovaskuläres Verfahren zum Einsatz kommt, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Neben der Einschätzung des kardiovaskulären Risikos sind die betroffenen Gefäßregionen und die Gefäßmorphologie von entscheidender Bedeutung für die Wahl des Verfahrens (Kap. „Stratifizierung des Risikos vor operativen und interventionellen Gefäßeingriffen“). Dies setzt eine adäquate Diagnostik mit Abklärung der allgemeininternistischen Risiken, eine hämodynamische und klinische Einordnung des Schweregrades der Ischämie sowie eine ausreichende vaskuläre Bildgebung voraus (Conte et al. 2019).
Neben den oben genannten Faktoren ist für bypasschirurgische Verfahren das Vorhandensein einer geeigneten autologen Vene von entscheidender Bedeutung für die längerfristige Offenheitsrate. Die Farbduplexsonographie ist heute zentrales diagnostisches Instrument zur Beurteilung der Becken- und Beingefäße und zum Mapping der Spendervene (Kap. „Vaskulärer Ultraschall: arterielles System“).
In einigen Fällen ist, insbesondere für die Beckenregion, eine Schnittbildgebung (MRA/CTA) erforderlich (Kap. „Computertomographie und Magnetresonanztomographie“). Vereinzelt kann eine invasive angiographische Darstellung zur Klärung der kruralen/pedalen Anschlussmöglichkeiten für einen Bypass und zur Beurteilung der Ausstrombahn dienen, wobei die Sonographie für den Nachweis von Anschlussgefäßen besonders unter Einsatz von Echosignalverstärkern (CEUS) der Angiographie oftmals überlegen sein kann (Kap. „Arteriographie und Kontrastmittelsonographie“) (Eiberg et al. 2004).

Besonderheiten bei Diabetes mellitus

Bei Patienten mit Diabetes mellitus und kritischer Ischämie kann die periphere Neuropathie die Schmerzsymptomatik maskieren und die klinische Diagnose erschweren. Durch eine autonome Neuropathie mit Weitstellung der Gefäße kann der Fuß trotz schlechter Perfusion warm erscheinen, was eine klinische Einschätzung der Ischämie behindert (Kap. „Klinisches Bild und diagnostisches Vorgehen beim diabetischen Fußsyndrom und Diabetische Makroangiopathie“). Rechtzeitige Diagnose und Therapie sind entscheidend, um Amputationen zu vermeiden (Forsythe et al. 2020). Revaskularisierende Maßnahmen beschleunigen die Wundheilung und senken die Häufigkeit hoher Amputationen (Sun et al. 2022). Studien berichten auch bei Diabetikern von einer Wundheilungsrate bis zu 85 % nach 12 Monaten nach erfolgreicher Revaskularisation (Chuter et al. 2023). Retrospektive Datenanalysen weisen darauf hin, dass eine Verzögerung der Revaskularisation von mehr als zwei Wochen bei Diabetikern mit einem erhöhten Risiko für den Verlust von Gliedmaßen verbunden ist (Siracuse et al. 2015).
CAVE
Die Behandlung der kritischen Ischämie erfordert nach sorgfältiger Abwägung der verfügbaren Therapieoptionen ein rasches Handeln, um einen Gewebeverlust zu minimieren und Majoramputationen zu vermeiden. Besonders gefährdet sind Patienten mit Diabetes mellitus, zumal die frühzeitige Diagnose erschwert sein kann.

Endovaskuläre vs. offen-chirurgische Therapie

Die Wahl zwischen endovaskulären und offenen chirurgischen Verfahren bei der Behandlung der pAVK ist ein zentraler Aspekt der Gefäßmedizin. Beide Ansätze bieten spezifische Vorteile und Herausforderungen, die bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden müssen (siehe oben).

Aortoiliakale Läsionen

Die aortoiliakale Verschlusskrankheit führt in der Regel zu einer Claudicatio vom Gluteal- oder Oberschenkeltyp. Bei Männern kann eine beidseitige Beteiligung der A. iliaca communis oder interna für eine vaskulär bedingte erektile Dysfunktion verantwortlich sein.
Bei aortoiliakalen Verschlüssen hat sich die endovaskuläre Therapie in den letzten Jahrzehnten als bevorzugte Erstlinientherapie etabliert. Der Grund liegt in ihrer minimalinvasiven Natur und der damit verbundenen geringeren Morbidität und Mortalität bei vergleichbaren Langzeitergebnissen zur offenen Operation (Indes et al. 2013).
Studien zeigen, dass die primäre technische Erfolgsrate für endovaskuläre Eingriffe im aortoiliakalen Bereich zwischen 90 % und 100 % liegt, mit primären Offenheitsraten nach einem Jahr von 75–100 % und nach vier Jahren von 60–80 %. Die sekundäre Offenheitsrate erreicht nach einem Jahr bis zu 100 % und nach fünf Jahren 60–100 % (Kashyap et al. 2008).
Offen-chirurgische Eingriffe sind in der Regel Patienten vorbehalten, bei denen endovaskuläre Techniken nicht möglich (frustraner Rekanalisationsversuch) oder nicht sinnvoll sind (z. B. iliakale Endofibrose) bzw. bei Rezidivverschluss nach vorausgegangenen endovaskulären Eingriffen.
Zu den chirurgischen Optionen zählen die Thrombendarteriektomie (TEA) der distalen Aorta und der Aa. iliacae meist über retroperitonealen Zugang, die Anlage eines aortoiliakalen, aortofemoralen oder iliakofemoralen Bypasses (PTFE- oder Dacron) sowie die retrograde TEA der Arteria iliaca externa von der Leiste aus, mit anschließender iliakaler Stentimplantation (Kap. „Chirurgische Techniken“).
Bei extremer Ausdehnung der Atherosklerose auf die gesamte infrarenale Aorta oder nach ausgedehnten Voroperationen im Bauchraum (hostile abdomen), bietet ein extraanatomischer iliakofemoraler oder femorofemoraler Cross-over-Bypass einen möglichen Lösungsansatz. Dieser sollte jedoch nicht als Firstlinetherapie in Betracht gezogen werden, da die Offenheitsrate und die Hämodynamik gegenüber der anatomischen Rekonstruktion unterlegen sind. Auch die Anlage eines einseitigen oder beidseitigen axillofemoralen bzw. eines axillobifemoralen Bypasses zählt hierzu (s. Tab. 2). Die operative Mortalität und Morbidität sind zwar niedrig, die assistierte 5-Jahres-Offenheitsrate liegt jedoch nur im Bereich von 50–75 % (Samson et al. 2018).
Tab. 2
Beispielhafte Konstellationen für eine offen-chirurgische Revaskularisation
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Femoralisgabel und supragenuale Läsionen

Die Behandlung von Läsionen im Bereich der Femoralisgabel bleibt weiterhin eine Domäne der offenen Chirurgie (TEA). Die Verwendung von Stents in der Arteria femoralis communis wird generell nicht empfohlen, da die Streben durch die mechanische Belastung (Hüftbeugung) brechen können.
Bei gleichzeitiger Beteiligung der Femoralisgabel und der aortoiliakalen Achse wird häufig ein hybrider Ansatz gewählt, der offene (Femoralisgabel-TEA) und endovaskuläre Techniken (Stentimplantation aortoiliakal) kombiniert. Dies ermöglicht eine gezielte Behandlung komplexer Läsionen und nutzt die Vorteile beider Methoden. Die Langzeitergebnisse hängen stark von der Offenheit der nachgeschalteten Femoralisgabel und vornehmlich der A. profunda femoris ab (Morris et al. 1961).
Läsionen der Arteria femoralis superficialis werden mittlerweile primär überwiegend endovaskulär versorgt (Angioplastie, Stent, Atherektomie).

Infragenuale und pedale Läsionen

Die Behandlung infragenualer und pedaler Läsionen stellt eine besondere Herausforderung dar, da diese Bereiche oft von komplexen und ausgedehnten Verschlüssen betroffen sind. Endovaskuläre Techniken sind insbesondere bei langstreckigen kruralen Obstruktionen limitiert. In solchen Fällen kann ein chirurgischer Bypass unter Verwendung autologer Vene im Hinblick auf die Langzeitoffenheit von Vorteil sein (Decarlo et al. 2022).

Studienlage und Entscheidungsfindung

Die BASIL-1-Studie (Rekrutierung 1999–2004, Bypass vs. Angioplasty in Severe Ischaemia of the Leg) war die erste große randomisierte kontrollierte Studie, die die Wirksamkeit von endovaskulären Verfahren im Vergleich zur offenen Bypassoperation bei Patienten mit schwerer Ischämie der unteren Extremitäten untersuchte, die für beide Verfahren geeignet waren. Zusammenfassend führten die Bypassoperation und eine Ballonangioplastie zu weitgehend ähnlichen Ergebnissen in Bezug auf das amputationsfreie Überleben nach 1 und 3 Jahren. Eine Zwischenanalyse ergab, dass die Operation mit einer signifikant niedrigeren Rate an Frühverschlüssen, einer höheren 30-Tage-Morbidität und einer niedrigeren 12-Monats-Reinterventionsrate verbunden war als die Angioplastie, die 30-Tage-Mortalität war ähnlich. Bei Patienten, die länger als zwei Jahre überlebten, war die Bypassoperation mit einem besseren amputationsfreien Überleben und Gesamtüberleben assoziiert (Adam et al. 2005).
Innerhalb weniger Monate wurden 2023 zwei große Studien veröffentlicht, die Nachfolgestudie BASIL-2 (Bradbury et al. 2023) und die BEST-CLI-Studie (Best Endovascular vs. Best Surgical Therapy in Patients with Critical Limb Ischemia) (Farber et al. 2022). In der Best-CLI-Studie wurden Patienten mit CLTI und infrainguinaler peripherer Verschlusserkrankung zwei parallelen Kohorten zugewiesen. Patienten mit geeigneter Vena saphena magna für eine Operation wurden der Kohorte 1 zugewiesen. Patienten, die einen alternativen Bypass benötigten (gestückelte Vene, Kunststoffbypass), wurden der Kohorte 2 zugewiesen. Verglichen wurde jeweils gegen eine Gruppe, die sich einer endovaskulären Therapie unterzog. Bei den Patienten mit CLTI, die über eine adäquate Vena saphena magna für eine chirurgische Revaskularisation verfügten (Kohorte 1), bestand nach einem mittleren Follow-up von 2,7 Jahren ein signifikanter Vorteil für den kombinierten Endpunkt, bestehend aus MALE (Amputation oberhalb des Knöchels, Reintervention = neuer Bypass, Bypassrevision, Thrombektomie oder Thrombolyse) und Tod. Bei den Patienten, die keine adäquate Vena saphena magna besaßen (Kohorte 2), waren die Ergebnisse in beiden Gruppen ähnlich.
In der BASIL-2-Studie (Rekrutierung aus den Jahren 2014–2020) wurde das amputationsfreie Überleben bei Patienten mit chronischer extremitätenbedrohender Ischämie untersucht (Bradbury et al. 2023). Beide Gruppen benötigten eine infragenuale Revaskularisation und erhielten entweder eine endovaskuläre Behandlung oder einen Venenbypass. Das amputationsfreie Überleben war in der endovaskulären Gruppe länger als in der Bypassgruppe, vor allem verursacht durch eine niedrigere Mortalität, während die Ergebnisse für die Beschwerdelinderung/Wundheilung ähnlich ausfielen. Die Autoren propagierten daher einen „Endovascular-first-Ansatz“ für die infragenuale Revaskularisation.
Eine kürzlich erschienene Metaanalyse von 11 randomisiert kontrollierten Studien (inklusive BASIL-1 und 2 sowie BEST-CLI) sowie 105 Kohortenstudien kommt zu dem Ergebnis, dass die endovaskuläre Revaskularisation mit einem geringeren kurzfristigen Risiko, einschließlich 30-Tage-Mortalität, Wundkomplikationen, MACEs und Dauer des Krankenhausaufenthaltes, aber einem höheren langfristigen Risiko, wie Überleben, Reinterventionsrate, primäre und sekundäre Offenheitsrate verbunden ist (Shu et al. 2023). Die Ergebnisse der randomisierten kontrollierten Studien (RCTs) stimmten mit den Ergebnissen der Kohortenstudien in Bezug auf 30-Tage-Sterblichkeit, Wundkomplikationen, Dauer des Krankenhausaufenthaltes, primäre und sekundäre Offenheitsrate überein, was die Zuverlässigkeit der oben genannten Ergebnisse weiter bestätigte. Die Autoren schlussfolgern, dass die Lebenserwartung ein entscheidender Faktor für die Wahl der Revaskularisationsmethode ist. Für ältere Patienten scheint die endovaskuläre Rekanalisation eine geeignete Option zu sein, während die offen-chirurgische Option eine geeignetere Behandlung für jüngere Patienten zu sein scheint (Kap. „Chronisch kritische Extremitätenischämie“).
Aus den vorliegenden Daten lässt sich kein striktes endovascular-first oder open-surgical-first ableiten. Gleichwohl kristallisieren sich Faktoren heraus, die ein offen-chirurgisches Vorgehen favorisieren, wie
  • Jüngeres Alter
  • Geringe Komorbiditäten
  • Komplexe Läsionen (langstreckig, verkalkt)
  • Adäquate autologe Vene vorhanden
  • Durchschnittliches periprozedurales Risiko
  • Lebenserwartung > 2 Jahre

Leitlinien

Auch die aktuellen Leitlinien der Society for Vascular Surgery (SVS), der European Society for Vascular Surgery (ESVS) und der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie (DGG) betonen die Bedeutung einer individualisierten Therapieentscheidung. Sie empfehlen, die Wahl des Verfahrens auf der Grundlage der WIfI-Klassifikation (Wound, Ischemia, foot Infection) und des GLASS-Systems (Global Limb Anatomic Staging System) zu treffen. Diese Systeme helfen, das Risiko und die Anatomie der Erkrankung zu bewerten und die geeignetste Behandlungsstrategie zu bestimmen.
CAVE
Die Wahl des Verfahrens erfordert je nach Lokalisation eine sorgfältige Abwägung des individuellen Nutzens und Risikos sowie der Bedürfnisse und Präferenzen des Patienten. Stagingsysteme wie WIfI und GLASS sind bei der Entscheidungsfindung hilfreich.
Εine offen-chirurgische Behandlung sollte in bestimmten Situationen bevorzugt werden, insbesondere wenn die Patienten über eine gute langfristige Prognose verfügen und die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass der chirurgische Eingriff dauerhaften Erfolg bietet. Für die Bypasschirurgie hängt dies stark von der Verwendung einer geeigneten autologen Vene ab.
Für Patienten, deren anatomische Gegebenheiten für eine endovaskuläre Therapie ungünstig sind oder wenn vorherige endovaskuläre Eingriffe gescheitert sind, bietet die offen-chirurgische Therapie oftmals eine passende Therapieoption.
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