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Klinische Angiologie
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Publiziert am: 22.01.2024

Klinisches Bild und diagnostisches Vorgehen bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit der oberen Extremitäten

Verfasst von: Katja Sibylle Mühlberg
Die periphere arterielle Verschlusskrankheit, PAVK, wird im täglichen Sprachgebrauch überwiegend mit Durchblutungsstörungen der Becken-Bein-Arterien assoziiert, obwohl die Arterien der oberen Extremität ebenso von atherosklerotischen, thrombembolischen und anderen Verschlussprozessen betroffen sein können, insbesondere bei systemischen Ursachen oder multilokulären Manifestationen der jeweils zugrunde liegenden Erkrankung. Erst im Jahr 2017 wurden die oberen Extremitäten mit einem eigenen Kapitel in einer europäischen PAVK-Leitlinie bedacht. Die bis dahin beinah stiefmütterliche Betrachtung dieses Themas spiegelt sich auch in der deutlich geringeren Zahl der Publikationen im Vergleich zu denen der Becken-Bein-Arterien wider. Dabei rechtfertigen die Vielzahl der Ursachen einer arteriellen Verschlusskrankheit der oberen Extremitäten und die mannigfaltigen Symptome, die von absoluter Beschwerdefreiheit bis hin zu schwer behindernden Einschränkungen in der Gebrauchsfähigkeit der Hände reichen können, dies keinesfalls.

Epidemiologie und spezielle Pathophysiologie

Im Verhältnis zu den unteren Extremitäten sind Durchblutungsstörungen der oberen Extremität deutlich seltener. Älteren Angaben zufolge entfallen nur etwa 10 % der peripheren arteriellen Verschlussprozesse auf die Schulter-Arm-Arterien. Belastbare Angaben zur generellen Inzidenz oder Prävalenz finden sich jedoch kaum, was daran liegt, dass die Ätiologie der gefäßstenosierenden und -okkludierenden Prozesse sehr vielfältig ist: Neben atherosklerotischen Ursachen spielen vor allem entzündliche Prozesse bei Groß- und Kleingefäßvaskulitiden sowie lokale Kompressionsphänomene eine Rolle, des Weiteren thrombembolische, iatrogene und traumatische Ursachen und seltener die fibromuskuläre Dysplasie, zystische Adventitiadegeneration, hämatologische oder funktionelle Ursachen. Ein beachtlicher Teil der chronischen Gefäßveränderungen, selbst der komplette Subclavia- oder Axillarisverschluss, bleibt infolge guter Kollateralisation oft asymptomatisch und entgeht, wenn nicht als Zufallsbefund entdeckt, damit jeglicher Statistik.
Tab. 1 (nach Cohnert 2018 und Tatò 2020) vermittelt einen Überblick über die am häufigsten beschriebenen Ursachen mit jeweiliger Prädilektionsstelle, sortiert nach anatomischer Gefäßetage. Der besseren Übersicht halber wird die Gliederung nach Gefäßetagen auch bei der folgenden Darstellung zu pathophysiologischen und epidemiologischen Erkenntnissen beibehalten.
Tab. 1
Übersicht zu Differenzialdiagnosen und Prädilektionsstellen stenosierender und okkludierender Gefäßprozesse der oberen Extremität
Ursache
A. subclavia
A. axillaris
A. brachialis
Unterarmarterien
Hand-/Fingerarterien
Atherosklerose
X
X
  
X (embolisch)
X
X
X
  
X
  
X (embolisch)
X (embolisch)
Strahlenschaden
X
X
   
Trauma (z. B. Claviculafraktur)
X
X
  
X (embolisch)
 
X
   
Embolie (kardial, arterioarteriell)
X
X
X
X
X
Mediasklerose (Diabetes mell. und chron. Niereninsuffizienz)
  
X
X
X
Thrombangiitis obliterans
   
X
X
Trauma, mykotisches Aneurysma, akzidentelle i. a.-Injektion
  
X
X
X (embolisch)
    
X
Sekundäres Raynaud-Phänomen (Kollagenosen und Vaskulitiden der kleinen und mittleren Gefäße)
   
X
X
    
X
Vibrationstrauma
    
X
Hypothenar-Hammer-Syndrom
    
X
Vinylchloridexposition
    
X
Katecholamintherapie, Schock
    
X
Myeloproliferative Neoplasie/Chemotherapie
    
X
Iatrogen (z. B. Radialispunktion)
   
X
X
Erfrierung
    
X
Cholesterinkristallembolie
    
X

Verschlussprozesse vom Schultergürtel- und Oberarmtyp (A. subclavia, A. axillaris, A. brachialis)

Pathophysiologisch dominiert außerhalb Asiens klar die Atherosklerose als Ursache, die in 50–85 % der Fälle auch mit Manifestationen im Bereich der unteren Extremität einhergeht (Vollmar 1996). Die Betroffenen sind älter als 40 Jahre mit einem Altersgipfel um das 60.–70. Lebensjahr, und es sind mehr Männer als Frauen betroffen (60 % vs. 40 %). Neben der Atherosklerose muss bei Aortenbogenveränderungen immer an Vaskulitiden, insbesondere Riesenzellarteriitis und Takayasu-Arteriitis, gedacht werden (Kap. „Riesenzellarteriitis“, Schmidt, W; Kap. „Takayasu-Arteriitis“, Czihal, M). Sehr selten sind aneurysmatische Veränderungen im Zusammenhang mit infektiösen Erkrankungen (Lues) oder eine lokale Gefäßkompression durch raumfordernde Mediastinaltumoren.
Innerhalb der Aortenbogenäste ist die linke A. subclavia mit einem Verhältnis von 4:1 häufiger als die rechte A. subclavia betroffen (Tab. 2). Die Ursache dieser Seitenpräferenz ist unklar. Aufgrund der Häufigkeit ist den Stenosen und Verschlüssen der proximalen A. subclavia ein eigenständiges Kapitel gewidmet (Kap. „Stenosen und Verschlüsse der prox. A. subclavia“, Ibrahim, T).
Tab. 2
Relative Verteilung der Häufigkeit arterieller Verschlussprozesse innerhalb der Aortenbogenäste. (Nach Hasse 1974)
 
Häufigkeit [%]
A. subclavia links
43
A. carotis comm. links
21
Tr. brachiocephalicus
22
A. subclavia rechts
13
A. carotis comm. rechts
1
Verschlussprozesse der supraaortalen Äste (Truncus brachiocephalicus, A. carotis communis sinistra, A. subclavia sinistra) werden auch unter dem Begriff des Aortenbogensyndroms zusammengefasst. Während früher darunter im engeren Sinne ausschließlich entzündliche Gefäßveränderungen, z. B. infolge einer Takayasu-Arteriitis, verstanden wurden, hat sich im deutschsprachigen Raum der Begriff des Aortenbogensyndroms jedoch ätiologieunabhängig etabliert. Sind alle Abgänge betroffen, handelt es sich um ein komplettes Aortenbogensyndrom, das sehr selten vorkommt. Bei Befall nur einzelner Äste spricht man vom inkompletten Aortensyndrom. Die Symptomatik variiert entsprechend dem Ausmaß und der zugrunde liegenden Erkrankung.
Atherosklerose
Abgangsnah lokalisierte Subclaviastenosen sind zu > 90 % atherosklerotisch bedingt und treten bei Patienten mit einer generalisierten Atherosklerose zu 10–15 % auf (Cohnert 2018). Ist eine atherosklerotische Subclaviastenose nachweisbar, findet man in ca. 50 % der Patienten auch eine koronare Herzkrankheit und in ca. 33 % der Fälle eine weitere Manifestation im Bereich der Becken-Beinarterien oder der Carotiden, sodass vor allem die atherosklerotische Subclaviastenose als Marker für eine schwere generalisierte Atherosklerose angesehen werden kann (Ochoa und Yeghiazarians 2010).
Cave
Atherosklerotische Veränderungen des Aortenbogens und seiner Abgänge zeigen eine ausgesprochen hohe Koinzidenz zur koronaren Herzkrankheit und erlauben daher Vorhersagen zu deren Outcome und zur generellen kardiovaskulären Mortalität (Clark et al. 2021). Die atherosklerotische Subclaviastenose ist somit Zeichen einer schweren generalisierten Manifestation der Atherosklerose.
Thrombembolie
Die Inzidenz thrombembolischer Gefäßverschlüsse ist gering und wird einer dänischen Kohortenstudie zufolge auf ca. 3 bzw. 5 pro 100.000 Personenjahre (Männer bzw. Frauen) geschätzt (Andersen et al. 2010). Akute thrombotische Verschlüsse sind überwiegend kardialen Ursprungs (unbehandeltes Vorhofflimmern) und nur selten aus einem atherosklerotischen Aortenbogen oder der Aorta ascendens stammend (Chisari et al. 2016).
Entzündlich
Hierzulande sehr viel seltener sind entzündliche Prozesse (Takayasu-Arteriitis, Riesenzellarteriitis, Lues-Arteriitis) oder fibromuskuläre Dysplasien (FMD), deren Prädilektionsstellen meist weiter distal lokalisiert sind, besonders im Übergang der A. subclavia in die A. axillaris. Die Riesenzellarteriitis als häufigste systemische Vaskulitis manifestiert sich bei über 50-Jährigen und ist oft mit einer Polymyalgia rheumatica (PMR) assoziiert, Frauen sind 2- bis 6-mal häufiger betroffen als Männer (Ness et al. 2013). Patienten mit einer Takayasu-Arteriitis sind hingegen deutlich jünger, der Altersgipfel liegt bei ca. 20–30 Jahren, und es dominiert hier noch stärker das weibliche Geschlecht mit bis zu 90 %, in Abhängigkeit von der geografischen Verbreitung (Onen und Akkoc 2017).
Kompressionssyndrome
Im Schulter-Arm-Übergangsbereich muss differenzialdiagnostisch die äußerliche Kompression der distalen Subclaviaarterie und der A. axillaris durch knöcherne oder muskuläre Strukturen erwogen werden, wie beim Thoracic-Outlet-Syndrom (TOS). Dabei wird die Subclaviaarterie überwiegend im kostoklavikulären Raum und der Scalenus-Enge komprimiert, die A. axillaris in der Pectoralis-minor-Enge. Rezidivierender Druck und Kompression führen zu fibrosierenden und stenosierenden Wandveränderungen, in deren Folge sich poststenotische Aneurysmen entwickeln können, die nicht selten auch Quelle arterieller Thrombosierung mit peripherer Embolisation sind. Insgesamt führt das TOS jedoch nur in 1–2 % der Fälle zu arteriellen Beeinträchtigungen (Freischlag und Orion 2014; Jones et al. 2019), weitaus häufiger werden nervale Strukturen komprimiert (95 %), gefolgt von venösen (3–5 %). (Kap. „Arterielle Kompressionssyndrome“, Czihal, M).
Weniger bekannt, weil selten, sind die Kompressionssyndrome der Brachialarterie, die überwiegend junge Patienten betreffen. Bei etwa 10 % der Menschen wird die A. brachialis durch einen akzessorischen 3. Bizepskopf oder durch einen bandförmigen Ausläufer der Bizepssehne (Lacertus fibrosus) komprimiert, was nur selten Symptome verursacht, aber unter anhaltend schwerer Armmuskelarbeit mit forcierter Beugung im Ellenbogengelenk zum akuten thrombotischen Verschluss in der Ellenbeuge oder zu Fingerarterienembolien führen kann (Rieger 1998). Auch Über-Kopf-Athleten, z. B. Baseballspieler, sind gefährdet durch repetitive Kompression der A. axillaris oder A. circumflexa humeri mit hieraus resultierend segmentaler Dissektion oder Aneurysmabildung mit konsekutiver Embolisation (Duwayri et al. 2011).
Aktinisch
Aktinisch bedingte Schäden der Schulter-Arm-Gefäße stellen ein offenbar unterschätztes Problem dar, was am späten Auftreten der oft unspezifischen Symptome liegt (Delanian 2021). (Kap. „Postaktinische Gefäßpathologien“, Thalhammer, C). Im Bestrahlungsfeld der apikalen Lungen-, Hals- und Mammatumoren liegende Gefäße zeigen unter Strahlenbelastung Veränderungen in allen Wandschichten (Intimaproliferation, Medianekrose und Adventitia-Fibrose) und können zu relevanten Carotis-, Subclavia- und Axillarisstenosen führen im Sinne eines beschleunigten Atheroskleroseprozesses und in 2 % zu aneurysmatischen Komplikationen (Gujral et al. 2014; Rieger 1998).
Tab. 3 zeigt den klinischen Verlauf mit der jeweils dominierenden Gefäßpathologie. Der Beginn der gefäßassoziierten Symptome lässt sich häufig nur schwer rekonstruieren, da diese von den oft viel früher einsetzenden plexusassoziierten nervalen Ausfällen (Par-/Dysästhesien, neuropathischer Schmerz, Muskelschwäche) überlagert und maskiert werden. Belastbare Daten zur Häufigkeit aktinischer Schäden der oberen Extremitäten liegen nicht vor aufgrund der Schwierigkeit der Differenzierung selbiger vom generellen Atheroskleroseprozess.
Tab. 3
Zeitlicher Verlauf aktinischer Gefäßschäden im Schulter-Arm-Bereich. (Nach Modrall und Dadjadi 2003)
Beginn
Pathomechanismus
Symptomatik
Akut
Thrombotischer Verschluss, Embolisation
Akrale Ischämie, Fingernekrosen
Früh (5 Jahre)
Intimaproliferation, thrombotische Wandveränderungen
Meist asymptomatisch
Intermediär (10 Jahre)
Wandfibrose, Okklusion
Raynaud-Phänomen, belastungsabhängiger Schmerz, asymptomatisch bei guter Kollateralisation
Spät (im Mittel 26 Jahre)
Akzelerierte Atherosklerose mit periarterieller Fibrosierung, Retraktion
Raynaud-Phänomen, belastungsabhängiger Schmerz,
asymptomatisch bei guter Kollateralisation

Verschlussprozesse der Unterarm-, Hand- und Fingerarterien

Je kleiner die Gefäßkaliber, umso größer ist das Spektrum der zu bedenkenden Differenzialdiagnosen.
Mediasklerose
Die Atherosklerose tritt an den Unterarm-, Hand- und Fingerarterien eher in den Hintergrund. Die Mediasklerose hingegen, die sowohl bei Diabetikern als auch chronisch Niereninsuffizienten überwiegend an den Unterschenkelarterien beschrieben ist, lässt sich auch an den Unterarmgefäßen Betroffener nachweisen, besonders an der A. radialis, und kann im Falle einer Dialyse-Shunt-Anlage aufgrund der limitierten Vasodilatation zu ischämischen Komplikationen i. S. e. Steal-Phänomens führen (Viscovic et al. 2018; Nobbe 1998).
Vaskulitiden und Kollagenosen
Entzündliche Gefäßveränderungen treten hauptsächlich im Rahmen von systemischen Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis auf, insbesondere bei Kollagenosen (v. a. systemische Sklerose, Mischkollagenosen), bei denen neben Fingerarterienverschlüssen häufig auch Verschlüsse der A. ulnaris zu beobachten sind (Taylor et al. 2002). Vaskulitiden der mittelgroßen und kleinen Gefäße manifestieren sich hauptsächlich an den Fingerarterien und im Kapillarbett, können aber auch die Unterarmgefäße befallen (Kap. „Entzündliche Erkrankungen der kleinen Gefäße“, Lamprecht, P; Kap. „Entzündliche Erkrankungen der mittelgroßen Gefäße“, Füeßl et al.). Eine dominierende Ursache der Unterarm- und Fingerarterienverschlüsse ist auch die Thrombangiitis obliterans, deren Prävalenz regional und hinsichtlich des Nikotinkonsums und der Rauchergewohnheiten sehr differiert und in der Gesamtbevölkerung mit 0,5–5,6 % in Westeuropa bis hin zu 45–63 % in Indien und 16–66 % in Korea und Japan angegeben wird (Klein-Weigel und Richter 2014) (Kap. „Thrombangiitis obliterans“, Klein-Weigel, P, Fazeli, B, Selvaraj, D).
Traumata, iatrogen
Unterarm-, Hand- und Fingerarterien sind äußeren Verletzungen und Traumata besonders ausgesetzt. Sport- und freizeitbedingte stumpfe Anpralltraumata, z. B. beim Volleyballspiel, Tennis oder Karatesport, können Ursache von Mikrodissektionen, traumatischen Vasospasmen, peripheren Aneurysmen und letztlich von konsekutiven thrombotischen Verschlüssen und akraler Embolisation sein. Auch berufsbedingte Ursachen wie das Hypothenar-Hammer-Syndrom oder anhaltende Vibrationstraumata, können zu peripheren Gefäßverschlüssen führen, die sowohl im Hohlhandbogen, der distalen A. ulnaris (Hypothenar-Hammer-Syndrom), aber auch in der distalen A. radialis (Thenar-Hammer-Syndrom) auftreten können. Für das Hypothenar-Hammer-Syndrom wurde eine Prävalenz von ca. 1 % beschrieben bei Patienten, die aufgrund eines Raynaud-Phänomens oder einer Handischämie in spezialisierten Zentren vorgestellt wurden; die Prävalenz in der Gesamtbevölkerung dürfte unter 1 % liegen (Schröttle et al. 2015). (Kap. „Hypothenar-Hammer-Syndrom und andere berufsbedingte akrale Durchblutungsstörungen“, Köhler, A, Nowak, D).
In diesem Zusammenhang spielen auch iatrogene Verletzungen, z. B. im Rahmen der Radialispunktion bei Koronar- und anderen Gefäßinterventionen am Unterarm, eine besondere Rolle. Die Wahrscheinlichkeit postprozeduraler Radialisverschlüsse wurde in einer Metaanalyse mit einer breiten Spanne von < 1 % bis 33 % beziffert (Rashid et al. 2016), die Inzidenz schwerer periprozeduraler Vasospasmen mit 7 % (Sandoval et al. 2019).
Periphere Embolie
Mit abnehmendem Gefäßkaliber sind Embolien hauptsächlicher Grund peripherer Gefäßverschlüsse, die Symptomatik reicht dabei von passagerer Fingerischämie wie beim Raynaud-Phänomen (Kap. „Sekundäres Raynaud-Phänomen und Kollagenosen“, Sander, O, Dechant, C) bis hin zu akralen Nekrosen. Die Emboli sind überwiegend (70 %) kardialen Ursprungs, meist thrombotisch bei unbehandeltem Vorhofflimmern, seltener bakteriell bei endokarditischen Klappenvegetationen, oder treten als Konsequenz hämatoonkologischer Erkrankungen auf, z. B. als Hyperviskositätssyndrom bei Polyzythämia vera, Thrombozytose, Kryoglobulinämie (Wahl et al. 2019). Auch Embolien aus proximalen Aneurysmen, z. B. beim TOS (s. o.), müssen bedacht werden. Differenzialdiagnostisch kommen des Weiteren Cholesterinkristallembolien (Kap. „Cholesterinkristallembolie, Differenzialdiagnose der akralen Embolie“, Amendt, K, Sigl, M) oder akzidentelle Ursachen in Betracht, letztere durch versehentliche arterielle Injektionen z. B. im Rahmen eines Drogenkonsums (autogene Gefäßschädigung) oder iatrogen durch medikamentöse Fehlinjektionen (Barbiturate, Narkotika etc.).
Häufiger Ausgangspunkt dabei ist eine anatomische Variante der A. ulnaris, die in 0,7–7 % der Fälle oberflächlich auf den Flexoren des Unterarms verläuft und bei Injektionen oder Blutentnahmen versehentlich punktiert wird (Senanayake et al. 2007).
Fibromuskuläre Dysplasie (FMD)
Die FMD als Ursache der pAVK der oberen Extremitäten ist eine Rarität. (Kap. „Fibromuskuläre Dysplasie“, Thalhammer, C). Dennoch, die generell schon sehr seltene FMD wurde in einem US-amerikanischen Register, in das mehr als 1800 FMD-Patienten eingeschlossen wurden, bei 15,9 % (10/63) aller FMD-Patienten, die sich einem bildgebenden Verfahren der Armarterien unterzogen, detektiert, und zwar mit FMD-Lokalisationen im gesamten Schulter-Arm-Bereich von der A. axillaris bis hin zu den Unterarmarterien (Gornik et al. 2019). Angaben zur generellen Prävalenz in der Gesamtbevölkerung fehlen aufgrund der Rarität.

Klinisches Bild und diagnostisches Vorgehen

In Abhängigkeit von Ursache, Zeitfenster und lokaler Manifestation der arteriellen Verschlussprozesse reicht das klinische Erscheinungsbild von vollkommener Beschwerdefreiheit bis hin zu hochsymptomatischer Ischämie, akralen Gewebsverlusten und Gebrauchsunfähigkeit der oberen Extremität (Tab. 4).
Tab. 4
Assoziation zwischen Genese gefäßokkludierender Prozesse und zeitlichem Auftreten und Symptomatik. Dominierende Prozesse oder Lokalisationen sind fett gedruckt
Manifestation
Symptomatik
Lokalisation
Genese
Quelle (Auswahl)
Gefäßstatus
Akut
Hochsymptomatische Arm-/Hand-/Fingerischämie
A. subclavia
A. axillaris
A. brachialis
A. radialis
A. ulnaris
Arc. palmaris
Digitalarterien
Thrombotisch/embolisch
Kardial
Paraneoplastisch
Traumatisch
Iatrogen
Antiphospholipid-Syndrom
Kompression (TOS)
Keine oder geringe Atherosklerose, fehlende Kollateralisation
Subakut
Belastungsabhängig
A. subclavia
A. axillaris
A. brachialis
A. radialis
A. ulnaris
Thrombotisch aufgepropft auf atherosklerotische Läsionen/embolisch
Plaqueruptur
Kardial
Paraneoplastisch
Traumatisch
Iatrogen
Antiphospholipid-Syndrom
Vorbestehende atherosklerotische Stenosen, keine/schwache Kollateralen
Belastungsabhängig
Raynaud-Phänomen
B-Symptomatik
Inflammationsmarker
A. subclavia
A. axillaris
Vaskulitisch
Großgefäßvaskulitis
Vaskulitistypische Wandveränderungen, Cave: ggf. koinzidente Atherosklerose
Hand-/Fingerischämie
Raynaud-Phänomen
Akrale Läsionen
Arcus palmaris
Digitalarterien
Thrombotisch/embolisch
Kardial
Bakteriell (Endokarditis)
Cholesterinkristallembolie, Plaqueruptur
Vaskulitisch (z. B. TAO)
Traumatisch (Vibration, HHS)
Iatrogen
Je nach Genese spezifisch bis unspezifisch
TAO: Korkenzieher-Kollateralen
Gefäßrarefizierung
Chronisch
Asymptomatisch bis Belastungsabhängig Raynaud-Phänomen
A. subclavia
A. axillaris
A. brachialis
A. radialis
A. ulnaris
Atherosklerotisch
Postvaskulitisch
Posttraumatisch
Rezidivierend traumatisch
Je nach Genese
(Multilokuläre) Atherosklerose, meist Kollateralen
Anlagebedingt (Radialis-/Ulnaris-/Handbogenagenesie)
Hand-/Fingerischämie
Raynaud-Phänomen
Akrale Läsionen
Arcus palmaris
Digitalarterien
Thrombangiitis obliterans
Postthrombotisch
Postvaskulitisch
Posttraumatisch
Rezidivierend traumatisch
Je nach Genese
TAO: Korkenzieher-Kollateralen
Gefäßrarefizierung
Anlagebedingt (Handbogenagenesie)
TOS, Thoracic-Outlet-Syndrom; TAO, Thrombangiitis obliterans; HHS, Hypothenar-Hammer-Syndrom
Wichtig
Faustregel: Je länger die Gefäßpathologie besteht oder sich entwickelt, desto geringer und unspezifischer ist die Symptomatik. Dies gilt insbesondere für atherosklerotische Stenosen und Verschlüsse, die bei guter Kollateralisation auch vollkommen asymptomatisch bleiben können.
Im Gegensatz dazu kann der akute thromboembolische Verschluss des ansonsten Gefäßgesunden aufgrund unzureichender Kollateralisation mit einem hohen Amputationsrisiko einhergehen.
Im Folgenden soll die diagnostische Strategie nach akuten versus chronischen Verschlussprozessen differenziert betrachtet werden.

Akute Ischämie

Die klinische Symptomatik der akuten thrombembolischen Gefäßverschlüsse entwickelt sich rasch innerhalb weniger Stunden und ist allgemein bekannt als sog. „6P“-Symptomatik:
  • Schmerz (Pain)
  • Pulslosigkeit (Pulselessness)
  • Blässe (Pallor)
  • Gefühllosigkeit (Paresthesia)
  • Lähmung (Paralysis)
  • Schock/Erschöpfung (Prostration)
Die genannten Symptome müssen nicht simultan auftreten und können in ihrer Ausprägung sehr variabel sein.
Akute Armischämien können initial wenig spektakulär erscheinen und sich lediglich durch eine schmerzhafte Schwere des Armes und eingeschränkte Handfunktionalität präsentieren. Bevorzugtes Ziel kardiogener Emboli ist dabei mit 85 % die A. brachialis (Deguara et al. 2005).
Akute Ischämien der Hand- und Fingerarterien führen zu schmerzhaften, kalten, blass oder zyanotisch verfärbten Fingerspitzen, oft auch zu einer Schwellung oder einem Spannungsgefühl der Finger beim Beugen (ischämisches Ödem). Bei der Inspektion soll auch auf kleine, schmerzhaft gerötete oder hämorrhagische Effloreszenzen an den Fingerkuppen (Osler-Knötchen) oder schmerzlose Erytheme und Knötchen auf der Handinnenfläche (Janeway-Läsion) geachtet werden, beide hinweisend auf infektiöse kardioembolische Ereignisse bei Endokarditis. (Kap. „Klinisches Bild und diagnostisches Vorgehen bei akralen Durchblutungsstörungen“, Czihal, M).
Akute Fingerischämien schließen eine Beteiligung proximaler Gefäßabschnitte nicht aus. Daher stets den gesamten Schulter-Arm-Bereich untersuchen.
Bei starken Schmerzen sind Betroffene oft kaltschweißig, tachykard und verängstigt, was durch eine stress- und schmerzgetriggerte Katecholaminausschüttung jegliche vasodilatatorische Kompensation konterkariert.
Im Zuge der klinischen Ersteinschätzung müssen daher rasch wesentliche anamnestische Informationen erfragt werden, ohne den Beginn der Therapie unnötig zu verzögern, u. a. Beginn der Symptomatik, bestehende Vorerkrankungen und etwaige Medikation. Dabei sollte die Anamnese gezielt die häufigsten Ursachen akuter Gefäßverschlüsse eruieren: strukturelle kardiale Vorerkrankungen, Vorhofflimmern, Atherosklerosemanifestationen, Traumata (Berufs- und Freizeitanamnese!), stattgehabte Gefäßinterventionen.
In Abhängigkeit von Ausprägung und Dauer der Ischämie erfolgt hiernach ohne Zeitverzögerung die apparative Diagnostik, entweder mittels Doppler-, besser jedoch mittels Duplexsonografie, da diese bereits wesentliche Erkenntnisse zur Ursache und zum Ausmaß des obliterierenden Prozesses liefert und hierdurch die Therapie bestimmt. (Kap. „Vaskulärer Ultraschall: Arterielles System“, Staub, D, Aschwanden, M). Ist die Duplexsonografie nicht verfügbar, kann eine CT- oder MR-Angiografie durchgeführt werden.
Bei vital bedrohter Extremität muss unverzüglich eine digitale Subtraktionsangiografie mit Option einer endovaskulären Sofortintervention oder die gefäßchirurgische Thrombektomie ohne Verzögerung durch andere bildgebende Verfahren erfolgen.
Orientierung bieten die in Tab. 5 gelisteten klinischen und apparativen Befunde zur Schweregradeinschätzung der akuten Ischämie, die auch für die obere Extremität Gültigkeit besitzt.
Tab. 5
Stadienbasierte klinische und apparative Befunde der akuten Extremitätenischämie. (Adaptiert nach Rutherford et al. 1997)
Stadium
Situation und Prognose
Befunde
Doppler Signal
  
Sensibilitätsstörung
Gestörte Motorik
arteriell
venös
I
Extremität vital, nicht gefährdet
Keine
Keine
Hörbar
Hörbar
II
Extremität gefährdet
    
 IIa
Gefährdung gering bei zeitgerechter Therapie
Minimal
Keine
Keine
Hörbar
 IIb
Gefährdung hoch, Extremitätenerhalt nur bei sofortiger Revaskularisation
Mild
Mäßig
Keine
Hörbar
III
Irreversibler Gewebs- oder Nervenschaden
Gefühllosigkeit
Paralyse
Keine
Keine
Einer dänischen Kohortenstudie zufolge konnte bei 63 % aller akuten Armischämien ein Vorhofflimmern detektiert werden (Andersen et al. 2010). Die Differenzierung zwischen embolischem Verschluss und lokal thrombotischem Verschluss (meist auf dem Boden einer Atherosklerose) ist essenziell hinsichtlich der therapeutischen und sekundärpräventiven Maßnahmen, aber auch im Hinblick auf die Prognose.
Im Rahmen der Primärdiagnostik ist ein EKG, ggf. gefolgt von einem Langzeit-EKG, obligat, um eine absolute Arrhythmie als mögliche Emboliequelle zu detektieren.
Differenzialdiagnostisch bedeutsam bei einer auf die Finger beschränkten Symptomatik ist das paroxysmale Fingerhämatom (Achenbach-Syndrom) mit plötzlich einsetzenden stechenden Schmerzen und blau verfärbten Fingergliedern. Ursache hierfür ist eine spontane oder provozierte Ruptur einzelner Fingervenen (z. B. beim Taschetragen). Die Erkrankung ist harmlos, nach wenigen Tagen selbstlimitierend und bedarf keiner Therapie. Die Symptomatik kann rezidivierend auftreten.

Chronische Ischämie

Gerade bei chronischen Gefäßprozessen mit oft langjährigen Adaptionsmöglichkeiten kann das klinische Bild wenig eindrucksvoll sein. Klinische Untersuchung und eine gezielte Anamnese, die die im Kap. 1.1 und 1.2 beschriebenen Ursachen erfasst, sind erforderlich. Besonders Wert gelegt werden sollte dabei auf belastungsinduzierbare Ischämiezeichen sowie auf die Berufs-, Freizeit- und Sportanamnese, um traumatische und kompressionsbedingte Umstände zu erfassen. Provokationstests helfen, maskierte Symptome zu objektivieren. Die Untersuchungen erfolgen stets im Seitenvergleich.
Patienten klagen insbesondere bei Über-Kopf-Arbeiten über rasche Ermüdung, Schmerzen, Kraftlosigkeit (Apraxia intermittens), Kältegefühl oder Hypästhesien der betroffenen Seite. Pulsverlust, Pulsabschwächung, Strömungsgeräusche zervikal oder supraklavikulär können hinweisend sein. In Analogie zum Ratschow-Test der Beine können mit senkrecht über den Kopf erhobenen Armen mehrere kraftvolle Faustschlüsse durchgeführt werden, beim hiernach synchronen Absenken der Arme wird auf eine seitendifferente Blässe oder verzögerte Hyperämie der Hände und Unterarme geachtet. Bei proximalen Subclaviastenosen können Armbelastungen zum Subclavian-Steal-Phänomen mit Schwindel, Ataxie, Drop Attacks, Sehstörungen oder Tinnitus führen. Im Falle eines koronaren Mammaria-interna-Bypass sind unter Armbelastung Symptome einer Myokardischämie bei relevant stenosierter A. subclavia zu erwarten.
Bei schwergradigen Prozessen können in Analogie zur pAVK der unteren Extremität im Stadium III Ruheschmerzen und im Stadium IV Fingernekrosen auftreten. Symptome der chronischen Handischämie können sehr subtil sein und sich initial als Raynaud-Phänomen präsentieren. Dezente Hyperkeratosen an den Fingerkuppen können als Zeichen einer verzögerten Hauterneuerung ebenso wie Nagelwachstumsstörungen Hinweise liefern.
Eine Blutdruckdifferenz > 20 mmHg in Ruhe wird als hinweisend auf stenosierende Prozesse erachtet. In Analogie zur Knöchel-Arm-Druck-Messung können Dopplersignale über der A. radialis und brachialis abgeleitet werden, wobei für die Arme kein krankheitsdefinierender Quotient festgelegt ist. Weiter distal ist der Allen-Test zur Beurteilung von A. radialis, A. ulnaris bzw. der Hohlhandbögen gebräuchlich. Auch die einfache Fingernagelprobe zur Beurteilung der Rekapillarisationszeit (normal 2–3 s) kann hinweisend sein.
Zur akralen Diagnostik eignen sich die optische Pulsoszillografie der Finger sowie Laserverfahren (Laserdopplerperfusion, LASCA), deren Aussagekraft durch Provokationstests (z. B. lokale Wärmeapplikation) erhöht werden kann, wodurch zwischen funktionellem (Vasospasmus) und nichtfunktionellem Perfusionsdefizit (persistierender Verschluss) differenziert werden kann (Abb. 2).
Die Duplexsonografie liefert nicht nur Aussagen über Lokalisation, Ausdehnung und Art des okkludierenden Prozesses, sondern erlaubt auch hämodynamische Aussagen sowohl in Ruhe als auch unter Provokationsmanövern, z. B. zur Detektion vaskulärer Kompressionssyndrome. Hochfrequente Sonden erlauben zuverlässige Aussagen bis in die Fingerarterien mit hoher Sensitivität und Spezifität (Kap. „Vaskulärer Ultraschall: Arterielles System“, Staub, D, Aschwanden, M).
Bei begründetem Verdacht und entsprechender Klinik können CT- und MR-Angiografie ergänzt werden, sofern die farbkodierte Duplexsonografie nicht aussagekräftig ist. Ansonsten gilt die digitale Subtraktionsangiografie für Arm-, Hand- und Fingergefäße als Goldstandard, da in gleicher Sitzung auch endovaskulär rekanalisierende Therapieverfahren kombiniert werden können (Abb. 1). Dabei besteht der Vorteil der DSA in der hochauflösbaren Darstellung der Hand- und Fingerarterien, wofür häufig eine intraarterielle Vasodilatantien-Applikation zur Behebung katheterassoziierter Vasospasmen erforderlich ist (Kap. „Arteriografie“, Treitl, M).
Im Gegensatz zur DSA ist die Auflösung der CTA aufgrund der sehr schmalkalibrigen Fingergefäße nur bis maximal zum Fingergrundgelenk gegeben. Subtile Veränderungen, z. B. im Rahmen von Vaskulitiden, werden im Vergleich zur Duplexsonografie nicht zuverlässig erfasst. Ähnliches gilt für die MR-Angiografie, bei der infolge der sehr kurzen arteriovenösen Übergangsphase in der Hand die Aufnahmen oft von venösen Signalen überlagert werden. Der Stellenwert der MRA liegt jedoch zuverlässig in der Beurteilung proximaler Aortenbogenprozesse und großkalibriger Gefäße, der Stellenwert der CTA in der gleichzeitigen knöchernen Beurteilung, insbesondere bei traumatischen Ursachen (Deak et al. 2010) (Kap. „Magnetresonanztomografie“, Treitl, K; Kap. „Computertomografie“, Sabel, B, Puhr-Westerheide, D).

Therapie

Mit Wiederherstellung der arteriellen Perfusion, ganz gleich mit welcher Methode, ist die Behandlung nicht abgeschlossen, sondern alle therapeutischen Maßnahmen müssen die Vielfalt der zugrunde liegenden Ursachen berücksichtigen und in den Therapieplan inkludieren. Unter Umständen bedeutet dies auch Einschränkungen in der Berufsausübung, z. T. mit sozialmedizinischer Relevanz (Anerkennung als Berufserkrankung). Absolute Basis jedweder Therapie, insbesondere bei atherosklerotischen Ursachen, ist die Risikofaktorminimierung, die auch im Rahmen der Nachsorge konsequent und stetig verfolgt werden sollte (Kap. „Management kardiovaskulärer Risikofaktoren“, Weiss, N, Dörr, G, Nechwatal, R; Kap. „Prinzipien der antithrombotischen Therapie bei arteriellen Erkrankungen“, Espinola-Klein, C).
Ein fachübergreifendes Therapiemanagement sollte gerade bei kardialen, entzündlichen und hämatoonkologischen Ursachen selbstverständlich sein.
Rehabilitative Therapien werden generell aufgrund der Diagnose pAVK noch viel zu selten verordnet und in Anspruch genommen, sind aber gerade bei Durchblutungsstörungen der oberen Extremität zur Wiederherstellung der vollen Gebrauchsfähigkeit essenziell (Kap. „Medizinische Rehabilitation bei Gefäßerkrankungen“, Dörr, G, Westphal, R, Nechwatal, R, Prokein, R, Marx, M, Oettler, W, Meng, K).

Therapie bei akutem Verschluss der Arterien der oberen Extremitäten

Ist die Diagnose gesichert, sollte unverzüglich heparinisiert werden und der Arm tiefgelagert, warmgehalten und gut gepolstert werden. Auf ausreichend Analgesie ist zu achten, intramuskuläre Injektionen sind vor etwaiger Lysetherapie zu vermeiden. Bei akutem Verschluss der Schulter-Arm-Arterien ist die Thromboembolektomie mittels Fogarty-Technik etabliert. Gleichwertige Ergebnisse werden inzwischen durch lokoregionäre katheterbasierte Thrombolyse erzielt. Die Lyse erfolgt entweder mittels rt-PA oder Urokinase in Kombination mit systemischer therapeutischer Heparinisierung. Kontraindikationen zur Lyse sind zu beachten. Bei Embolisation in Unterarm- und Handarterien sind sowohl die Aspirationsthromb- oder -embolektomien als auch lokoregionäre Lyse oder chirurgische Sanierung Verfahren der Wahl.
Im proximalen Gefäßbett liegt der Erfolg der lokoregionären Lyse bei über 90 % und ist damit der chirurgischen Embolektomie ebenbürtig (Andersen et al. 2013). Im distalen Gefäßbett hingegen zeigt die chirurgische Therapie etwas bessere Ergebnisse. Bei den am Arm seltenen thrombotisch-auf atherosklerotische Prozessen kann nach erfolgreicher Thrombusmobilisation eine zusätzliche PTA oder Bypassversorgung als Hybrideingriff erforderlich werden.
Insbesondere bei protrahierter Ischämie kann es auch am Arm nach erfolgreicher Rekanalisation durch ein Reperfusionsödem zum Kompartmentsyndrom kommen. Deshalb engmaschige Kontrolle von Sensibilität, Motorik, Schwellungszustand sowie Muskelenzymen im Serum.
Klinische, duplexsonografische und/oder ggf. mikrozirkulatorische Verlaufskontrollen postinterventionell sind obligat nach 1, 6 und 12 Monaten, danach jährlich. Ebenso obligat ist die therapeutische Antikoagulation, sofern kein erhöhtes Blutungsrisiko besteht. Erfolgt postinterventionell keine therapeutische Antikoagulation, lässt sich ein 22 %-Anstieg der Reokklusionsinzidenz verzeichnen mit dann schlechterer Prognose und hohen Mortalitätsraten (Skeik et al. 2015). Die alleinige therapeutische Antikoagulation ohne endovaskuläre oder chirurgische Rekanalisation ist umstritten und scheint mit residuellen Perfusionsdefiziten einherzugehen (Kap. „Prinzipien der antithrombotischen Therapie bei arteriellen Erkrankungen“, Espinola-Klein, C).
Im Vergleich zur kritischen Ischämie der unteren Extremität mit Amputationsraten bis zu 25 % liegen diese an der oberen Extremität mit max. 6 % vergleichsweise niedrig. Als Prädiktoren gelten Diabetes mellitus, Hämodialyse und offene Läsionen. Frauen haben ein höheres Risiko als Männer, welches auch länger nach Thromboembolektomie anhält (Frauen 5 Jahre vs. Männer 1 Jahr) und mit komplexeren Begleiterkrankungen und kleineren Gefäßdiametern erklärt wird (Andersen et al. 2013; Chisari et al. 2016). Diese geschlechtsspezifischen Outcomes sollen in der individuellen Nachsorge berücksichtigt werden.

Therapie bei arteriosklerotischen Verschlussprozessen der Arterien der oberen Extremitäten

Asymptomatische Patienten werden ausschließlich konservativ behandelt. Rekanalisationswürdige Ausnahmen sind:
  • Subclaviaprozesse vor elektivem Mammaria-interna-Bypass bei Koronarischämie
  • Axillarisprozesse vor axillofemoralem Bypass bei pAVK der unteren Extremität
  • Unterarmprozesse im Zuge der Dialyse-Shunt-Anlage
Wie bei jeder atherosklerotischen Manifestation ist die Risikofaktorminimierung obligat, insbesondere die lipidsenkende und plaquestabilisierende Statintherapie. Zwar liegen für die obere Extremität keine Outcome-Studien vor, dennoch dürfen aufgrund der atherosklerotischen Pathomechanismen positive Effekte nicht nur unter Statinen, sondern auch unter Bempedoinsäure und in Kombination mit Ezetimib und PCSK9-Inhibitoren angenommen werden (Kap. „Management kardiovaskulärer Risikofaktoren“, Weiss, N, Dörr, G, Nechwatal, R).
Symptomatischen Patienten stehen sowohl endovaskuläre, operative als auch Hybridverfahren zur Verfügung. Endovaskuläre Rekanalisationen werden seit den 1990er-Jahren zunehmend auch im Bereich der A. subclavia und des Tr. brachiocephalicus angewendet und zeigen nach 10 Jahren primäre Offenheitsraten von 85 % (Berger et al. 2011). In einem systematischen Review konnten Ahmed et al. 2016 zeigen, dass stentbasierte Rekanalisationen der alleinigen PTA hinsichtlich des technischen Erfolgs überlegen sind. Kein signifikanter Unterschied bestand bezüglich der primären Offenheitsrate, postinterventionellen Symptomfreiheit oder periprozeduralen Komplikationen. Als Risikofaktoren für Restenosen gelten Gefäßdiameter < 7 mm, Rauchen und COPD sowie jüngeres Alter (Mousa et al. 2015).
Den proximalen Subclaviastenosen ist ein eigenes Kapitel gewidmet (Kap. „Stenosen und Verschlüsse der prox. A. subclavia“, Ibrahim, T).
Bedeutsam für den technischen Erfolg distaler Subclaviastenosen ist die Anwendung selbstexpandierender Stents, um Restenosen im druck- und biegungsbeanspruchten Bereich zwischen 1. Halsrippe und Clavicula gerecht zu werden (Abb. 3). Ob eine zerebrale Protektion durch katheterbasierte Filtersysteme grundsätzlich oder nur in Hochrisikosituationen anzuwenden ist, ist weiterhin Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion und wird aktuell u. a. bei Rekanalisation okkludierter Subclaviaarterien, großkalibriger linker A. vertebralis oder Ostium-involvierender Intervention empfohlen.
Offen chirurgische Verfahren waren im 5-Jahres-Follow-up hinsichtlich der primären Offenheitsraten den endovaskulären Verfahren zwar überlegen, auf Symptomfreiheit und Überleben hatte dies jedoch keinen Einfluss (Galyfos et al. 2019). Periphere Nervenkomplikationen waren im chirurgischen Setting 7-mal häufiger zu verzeichnen. Bei kurzstreckigen Verschlüssen waren überwiegend Thrombendarterektomien und Patch-Plastik Verfahren der Wahl, bei längerstreckigen Prozessen oder schwer zugänglichen Lokalisationen (distale A. subclavia) überwiegend Bypassverfahren. Sowohl als Bypass als auch als Patch-Graft kam überwiegend die V. saphena magna zu Einsatz, die die besten Offenheitsraten im bewegungsreichen Schulter- und Ellenbogenbereich zeigte. Zur Sicherung der Hand- und Fingerperfusion finden distale Bypässe auf Hohlhandbogen oder Fingerarterien Anwendung oder Flow-Reversal-Verfahren mit Arterialisierung peripherer Venen in mikrochirurgischer Technik.
Supportiv oder bei Kontraindikationen zu direkt rekanalisierenden Verfahren können vasodilatative Prostanoid-Infusionen zur Anwendung kommen, thorakozervikale Sympathektomien, Fingersympathektomien mit Botulinumtoxin oder Rückenmarkstimulationsverfahren (Spinal Cord Stimulation). Randomisierte kontrollierte Studien liegen hierzu noch nicht vor.
Klinische, duplexsonografische oder mikrozirkulatorische Verlaufskontrollen postinterventionell sind obligat.
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