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Klinische Angiologie
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Publiziert am: 15.09.2024

Klinisches Bild und diagnostisches Vorgehen bei venösen Thrombosen der unteren Extremitäten

Verfasst von: Katja Sibylle Mühlberg
Thrombosen manifestieren sich meist als schmerzhafte Beinschwellung, können aber auch klinisch stumm ablaufen. Der Verdacht auf das Vorliegen einer Thrombose generiert sich aus Symptomatik, Anamnese zu potenziellen Risikofaktoren und klinischer Untersuchung. Der Risikofaktorenanamnese kommt dabei große Bedeutung zu, da sowohl Patienten-eigene (dispositionelle) Risikofaktoren als auch äußere Einflüsse (expositionelle Risikofaktoren) die Therapie der Thrombose erheblich beeinflussen. Besteht ein starker Verdacht auf das Vorliegen einer Thrombose, soll dieser unmittelbar mittels kompletter Kompressionssonografie abgeklärt werden. Liegt hingegen eine nur geringe klinische Wahrscheinlichkeit vor, hilft die Bestimmung der D-Dimere bei der Entscheidung für oder gegen eine sonografische Diagnostik. Ist eine komplette Kompressionssonografie nicht unmittelbar verfügbar, kann die 2-Punkt-Sonografie in Kombination mit klinischer Wahrscheinlichkeit und D-Dimer zur diagnostischen Sicherheit im Akutfall beitragen.

Klinisches Bild

Das Spektrum der klinischen Symptomatik einer tiefen Beinvenenthrombose variiert von klinisch stumm bis hin zur stark schmerzhaften bläulichen Beinschwellung. Sowohl Ausdehnung (kurzstreckig vs. langstreckig) als auch Lokalisation der Thrombose (proximal vs. distal) erklären die großen Unterschiede. So ist die Wahrscheinlichkeit einer Schwellung des betroffenen Beines umso größer, je weiter proximal die Thrombose lokalisiert und je größer das Kaliber der okkludierten Vene ist. Besonders eindrucksvoll ist dies bei Patienten mit Beckenvenenthrombosen, da hier der Verschluss großlumiger proximaler Venen den venösen Abstrom aus dem Bein massiv behindert. Daraus resultiert eine starke Beinschwellung. Je stärker venöser Stau und Schwellung, umso stärker auch die Schmerzen. Sind tiefe Beinvenen ausgedehnt okkludiert, können vermehrte oberflächliche Venenzeichnungen Ausdruck von venösen Umgehungskreisläufen sein. Diese Venenzeichnungen können insbesondere dann ein Hinweis auf eine Thrombose sein, wenn sie vorher nicht nachweisbar waren. Andererseits können Thrombosen bei Patienten mit schweren System- oder Tumorerkrankungen symptomarm oder komplett asymptomatisch verlaufen. So lassen sich in ca. 5–10 % aller Patienten mit nachgewiesener Thrombose im symptomatischen Bein auch Thrombosen im asymptomatischen Bein nachweisen (Le Gal et al. 2015). Die meisten Symptome einer Thrombose (Schwellung, Schmerz, Spannungsgefühl, bläuliches Hautkolorit oder vermehrte oberflächliche Venenzeichnung) sind unspezifisch. Auch die oft zitierten „Thrombose-Zeichen“ nach Meyer (druckschmerzhafte mediale Wade), nach Payr (druckschmerzhafte Fußsohle) oder nach Homans (Wadenschmerz bei Dorsalflexion des Fußes) sind letztlich unspezifisch. Man kann sich sehr gut vorstellen, dass diese beispielsweise auch bei einem sportbedingten Muskelfaserriss ohne Thrombose positiv ausfallen würden. Bei ambulanten Patienten weisen Meyer, Payr und Homans eine Sensitivität von 60–90 % auf, bei Schwerstkranken sinkt diese auf max. 20 %, sodass empfohlen wird, Meyer-, Payr- und Homans-Zeichen niemals alleinig anzuwenden, weder zur Diagnosesicherung noch zum Ausschluss einer Thrombose (Linnemann et al. 2023; Goodacre et al. 2005).
Der Verdacht auf das Vorliegen einer Thrombose (klinische Wahrscheinlichkeit) generiert sich aus Symptomatik, individueller Thrombose-Risikofaktorenanalyse und körperlichem Untersuchungsbefund.

Diagnostisches Vorgehen

Klinische Wahrscheinlichkeit

Die klinische Wahrscheinlichkeit einer Thrombose kann mittels validierter Scores, aber auch rein empirisch durch eine individuelle Risikofaktorenanalyse abgeschätzt werden. Der am häufigsten angewandte validierte Score ist der WELLS-Score (Tab. 1).
Tab. 1
WELLS-Score
Klinisches Charakteristikum
Punkte
Aktive Tumorerkrankung (d. h. Tumordiagnose < 6 Monate, Antitumortherapie oder Palliativsituation)
1
Ruhigstellung eines Beines durch gelenküberschreitenden Verband oder infolge einer Parese
1
Bettruhe an ≥ 3 Tagen oder großer chirurgischer Eingriff innerhalb der letzten 3 Monate
1
Druckschmerz im Verlauf der tiefen Venen
1
Schwellung des gesamten Beines
1
Unterschenkelschwellung mit ≥ 3 cm Umfangsdifferenz im Vergleich zur Gegenseite
1
Einseitiges Ödem am symptomatischen Bein
1
Prominente, nicht-variköse oberflächliche Kollateralvenen
1
Tiefe Venenthrombose in der Vorgeschichte
1
Alternative Diagnose mindestens ebenso wahrscheinlich wie tiefe Venenthrombose
-2
Tab. 1 WELLS-Score als 2-stufige Bewertung: ≥ 2 Punkte: hohe Wahrscheinlichkeit für eine tiefe Beinvenenthrombose; 0–1 Punkte: niedrige Wahrscheinlichkeit für eine tiefe Beinvenenthrombose
Aktuelle deutschsprachige Leitlinien empfehlen die 2-stufige Bewertungsvariante des WELLS-Scores. Dennoch erfassen Scores nie das gesamte Spektrum potenzieller Thrombose-Risikofaktoren. Daher kommt dem Wissen um individuelle Risikokonstellationen gemäß der Virchow-Trias große Bedeutung zu. Iatrogene, entzündliche oder traumatische Venenverletzungen können ebenso wie zentrale Venenkatheter Endothelschäden verursachen. Eine Stase kann infolge schwerer Herzinsuffizienz, ausgeprägter Varikosis, morbider Adipositas oder im Rahmen einer Schwangerschaft auftreten. Schließlich spielen neben einer angeborenen oder erworbenen Thrombophilie auch hormonelle Faktoren, chronisch-entzündliche und Autoimmunerkrankungen sowie bakterielle und virale Infekte eine Rolle bei der Entstehung einer Thrombose. All diese Risikofaktoren werden im WELLS-Score nicht erfasst, können aber entscheidende Hinweise liefern und sollten daher dokumentiert werden.
Die Einschätzung der klinischen Wahrscheinlichkeit kann mittels validierter Scores und/oder empirisch unter Berücksichtigung der Virchow-Trias erfolgen, da die Intention des WELLS-Scores nicht die allumfassende Abbildung aller Risikofaktoren ist.
Das Ergebnis der Einschätzung der klinischen Wahrscheinlichkeit bzw. die individuellen Risikofaktoren sollen dokumentiert werden.

D-Dimer-Test

Ein D-Dimer-Test kann hilfreich sein, eine Thrombose auszuschließen, nämlich dann, wenn der Test negativ ausfällt. Dabei spielt es eine Rolle, ob qualitative Tests (sog. Schnelltests mit Ja/Nein-Ergebnis) oder quantitative Tests (mit Referenzwert) angewandt werden. Die deutschsprachige Leitlinie empfiehlt die Anwendung quantitativer D-Dimer-Tests mit altersentsprechenden Grenzwerten (Linnemann et al. 2023). Bis zum 50. Lebensjahr gelten D-Dimere bis 500 μg/l als unauffällig, ab dem 51. Lebensjahr kann als Faustregel für den altersadjustierten Grenzwert = Lebensalter x 10 μg/l angenommen werden. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass mit zunehmendem Alter D-Dimere physiologisch ansteigen. International standardisierte Anpassungen der verfügbaren D-Dimer-Tests fanden bislang nicht statt. Betont wird, dass D-Dimer-Tests nie als alleiniges Instrument zum Beleg oder Ausschluss einer Thrombose herangezogen werden sollen. D-Dimere sind unspezifisch und als Fibrinspaltprodukte letztlich nur Ausdruck einer Aktivierung der Gerinnungskaskade.
Falsch-negative D-Dimer-Werte entstehen, wenn die Thrombose gerade ganz frisch entsteht, wenn eine Thrombose schon lange (unerkannt) besteht oder wenn bereits eine Antikoagulation aufgrund eines Thromboseverdachts eingeleitet wurde.

Kompressionssonografie

Goldstandard in der Diagnostik der tiefen Beinvenenthrombose ist die Kompressionssonografie. Dabei macht man sich die zarte Venenwand zunutze, die sich allein durch den Druck des Schallkopfes einfach komprimieren lässt, wenn das Lumen frei von Thromben ist. Lässt sich eine Vene auf diese Weise vollständig komprimieren, gilt eine Thrombose in dem untersuchten Venensegment als ausgeschlossen. Dabei sollen Venen ausschließlich im Querschnitt komprimiert werden. Ist die Vene vollständig oder auch nur teilthrombosiert, lässt sie sich nicht oder nicht vollständig komprimieren. Sowohl die tiefen als auch die oberflächlichen Venen werden im Abstand von wenigen Zentimetern vom Knöchel bis zur Leiste komprimiert. Unterstützend werden im Längsschnitt Flussprofile des venösen Rückstroms mittels Duplexsonografie im Bereich der V. femoralis communis und der V. poplitea dokumentiert. Zur vollständigen duplexgestützten Kompressionssonografie in der Thrombosediagnostik gehört die dokumentierte standardisierte Untersuchung folgender Venen (Schellong 2004):
  • V. femoralis communis
  • V. profunda femoris
  • V. femoralis
  • V. poplitea
  • Vv. tibiales posteriores
  • Vv. fibulares
  • Muskelvenen in beiden Bäuchen des M. gastrocnemius und M. soleus
  • V. saphena magna
  • V. saphena parva
Normal ist ein atemmodulierter Fluss in den Venen. Er zeigt an, dass proximal der Flussableitung kein venöses Abflusshindernis vorliegt. Lässt sich kein atemmodulierter, sondern nur ein bandförmiger Fluss ableiten, besteht der Verdacht auf ein zentrales Abflusshindernis. In diesem Fall sollten die proximalen Venenabschnitte, also Beckenvenen und untere Hohlvene, zusätzlich untersucht werden. Das Gleiche gilt für einen im Seitenvergleich reduzierten venösen Fluss in den Beinvenen, erkennbar an einer niedrigeren Amplitude. Auch das kann ein Hinweis auf eine proximal vom Ableitungsort gelegene Thrombose sein.
Als sicheres Ausschlusskriterium einer Thrombose gilt nur die vollständige Komprimierbarkeit des Venenlumens im Querschnitt. Alle anderen vorgestellten sonografischen Befunde werden ergänzend erhoben, gelten aber für sich allein betrachtet als unsichere Thrombosezeichen.
Frisch thrombosierte Venen sind meist, aber nicht immer, dilatiert, die Binnenstrukturen echoarm. Mit zunehmendem Alter der Thrombose wandeln sich die Binnenechos in eher echoreiche Strukturen um, sofern sie sich nicht auflösen. Das Lumen der anhaltend thrombosierten Venen retrahiert im Verlauf. Septenartige echoreiche Binnenstrukturen sind Zeichen einer nicht (vollständig) rekanalisierten Vene. Die Unterscheidung zwischen einer frischen und älteren Thrombose allein anhand der hier aufgezeigten Aspekte bleibt unsicher und ist meist nur im Zusammenhang mit der Anamnese und etwaigen Vorbefunden zu klären (siehe Diagnostik bei Verdacht auf Rezidivthrombose).
Kaliberstarke Becken- und Oberschenkelvenen lassen sich im Liegen gut untersuchen. Kaliberschwächere Unterschenkelvenen kollabieren in dieser Position. Sie sollten daher besser im Sitzen untersucht werden. So lassen sie sich einfacher auffinden, da sie besser gefüllt sind als im Liegen. Auch das Komprimieren der Poplitealvene in der Kniekehle gelingt in dieser Position hervorragend. Eine bessere Füllung der Wadenvenen lässt sich durch Aufforderung des Patienten, seine Zehen kurz zu krallen (Wunstorf-Manöver), erzielen. Die Anweisung zur kräftigen In- und Exspiration hilft, einen „echten“ bandförmigen Fluss von einem nur scheinbar bandförmigen Fluss infolge flacher Bauchatmung zu unterscheiden.

Konventionelle Phlebografie, CT- und MR-Phlebografie

Die konventionelle Phlebografie als invasiver Eingriff ist durch die schonendere und deutlich besser verfügbare Sonografie weitgehend abgelöst. Zur Anwendung kommt die konventionelle Phlebografie nur noch in speziellen Fragestellungen, z. B. in Vorbereitung katheterinterventionell oder operativ rekanalisierender Maßnahmen oder selten auch zur Beantwortung gutachterlicher Fragestellungen. CT- oder MR-Phlebografien hingegen finden vor allem in der Diagnostik von Beckenvenen- und Cavathrombosen Anwendung, da der Abdominalbereich der Kompressionssonografie nicht hinreichend zugänglich ist. Zur Darstellung venöser Malformationen und zur Erfassung venöser Kollateralisationen eignen sich beide schnittbildgebenden Verfahren ebenfalls. Für die Planung elektiver Venenrekanalisationen hat sich die MR-Phlebografie durchgesetzt. Nachteil sind die nicht flächendeckende Verfügbarkeit und die zu beachtenden Kontraindikationen bei metallischen Implantaten.

Diagnostische Strategie

Ist anhand von Symptomen, Risikofaktoren-Anamnese und klinischer Untersuchung eine Thrombose sehr wahrscheinlich, soll direkt die komplette duplexgestützte Kompressionssonografie durchgeführt werden. Eine Bestimmung von D-Dimeren hat in dieser Konstellation keinen Nutzen und soll daher auch nicht erfolgen.
Liegt hingegen eine niedrige klinische Wahrscheinlichkeit für eine Thrombose vor, ist die Bestimmung der D-Dimere hilfreich. Bleiben diese negativ, gilt eine Thrombose als ausgeschlossen. Sind die D-Dimere positiv, erfolgt die sonografische Abklärung.
Im Rahmen der sonografischen Diagnostik lässt sich nicht immer mit ausreichender Sicherheit eine Thrombose ausschließen, z. B. bei offenen Wunden, fehlender Lagerbarkeit der Patienten, Fixateur-externe-Versorgung etc. In diesen Fällen kann an dieser Stelle des diagnostischen Algorithmus wiederum eine D-Dimer-Bestimmung hilfreich sein. Ist sie unauffällig, spricht das gegen eine Thrombose. Ist das D-Dimer erhöht, gilt die Empfehlung, bei unklaren Verhältnissen oder schlechter Schallbarkeit die vollständige Kompressionssonografie innerhalb von 4–7 Tagen zu wiederholen. Liegt der Verdacht auf eine Beckenvenenthrombose vor, sollte eine Schnittbildgebung ergänzt werden (CT-/MR-Phlebografie).
Ein wesentlicher Vorteil der kompletten duplexgestützten Kompressionssonografie ist auch die Abklärung relevanter Differenzialdiagnosen, die klinisch nicht sicher von einer Thrombose zu unterscheiden sind. Hierzu zählen u. a.
  • arterielles oder venöses Aneurysma,
  • Bakerzyste,
  • Lymphödem, Lymphozele,
  • Muskelfaserriss,
  • Hämatom,
  • Tumor,
  • Malformation,
  • Kompartmentsyndrom.
Nicht immer besteht die Möglichkeit, eine komplette Kompressionssonografie bei Verdacht auf eine Thrombose durchzuführen. Hier kann der bestehende Verdacht durch eine Point-of-care-Sonografie (POCUS) abgesichert werden. Hierzu existieren zwei verschiedene Optionen. Entweder man beschränkt sich auf die Darstellung der proximalen Venenabschnitte knieaufwärts, was erfahrungsgemäß leichter erlernbar ist und weniger Schwierigkeiten bereitet als die Darstellung der Unterschenkelvenen. Wählt man diese Option, muss allerdings sichergestellt sein, dass die Untersuchung binnen 4–7 Tagen wiederholt wird oder durch eine komplette Kompressionssonografie aller Beinvenen vervollständigt wird. Eine zweite Option des POCUS ist die sog. Zwei-Punkt-Sonografie, bei der die V. femoralis communis und die V. poplitea jeweils im Querschnitt auf ihre Komprimierbarkeit hin untersucht werden. Auch bei dieser Option besteht die Pflicht zur vollständigen Kompressionssonografie innerhalb von 4–7 Tagen.
Der Point-of-care-Ultraschall kann weder aszendierende Unterschenkel- noch deszendierende Beckenvenenthrombosen ausschließen, weswegen immer eine vollständige Kompressionssonografie aller Beinvenen binnen 4–7 Tagen nachgeholt werden muss. Dies gilt unabhängig davon, ob eine Thrombose im POCUS gefunden wurde oder nicht.
Die gewissenhafte Darstellung und Dokumentation der Ausdehnung der Thrombose mit Beschreibung der Lokalisation des distalen und proximalen Thrombusendes ist essenziell für eine suffiziente Nachsorge. Nur so kann sichergestellt sein, dass der Effekt der Thrombosetherapie hinreichend beurteilt werden kann.
Das Ausmaß der Rekanalisation oder aber ein etwaiger Progress der Thrombose können nur auf Grundlage einer aussagekräftigen Basisdokumentation beurteilt werden. Diese Information kennzeichnet nicht nur den Therapieerfolg, sondern bestimmt die weitere Therapie, insbesondere die Dauer der Antikoagulation.
Wurde am symptomatischen Bein eine Thrombose bestätigt, sollte die Gegenseite ebenfalls untersucht werden, auch wenn sie asymptomatisch ist. In ca. 5–10 % aller Fälle findet sich auch am asymptomatischen Bein eine Thrombose (Le Gal et al. 2015). Man kann dagegenhalten, dass eine Untersuchung der Gegenseite überflüssig ist, da ohnehin antikoaguliert wird. Eine therapeutische Konsequenz ergibt sich aber dennoch. Wird zu einem späteren Zeitpunkt am asymptomatischen Bein eine Thrombose festgestellt, ist unsicher, ob diese bereits beim Erstereignis der Gegenseite bestand, oder ob es sich um ein neues Ereignis und damit um ein Rezidiv handelt. Die Konsequenz wäre eine fälschlich angenommene Indikation zur lebenslangen Antikoagulation mit allen vermeidbaren Risiken und Konsequenzen.
Jeder klinische Verdacht auf das Vorliegen einer Thrombose muss ohne Zeitverzug so abgeklärt werden, dass eine therapeutische Entscheidung getroffen werden kann.
Besteht keine Möglichkeit zur umgehenden bildgebenden Abklärung, soll bei hoher klinischer Wahrscheinlichkeit und/oder erhöhten D-Dimeren eine therapeutische Interims-Antikoagulation unter Berücksichtigung des individuellen Blutungsrisikos eingeleitet und die Sonografie so rasch als möglich durchgeführt werden (Linnemann et al. 2023).
Abb. 1 und 2 zeigen die diagnostischen Algorithmen für die komplette Kompressionssonografie und den Point-of-care-Ultraschall POCUS.

Diagnostik bei Verdacht auf Rezidivthrombose

Hatte ein Patient bereits eine Thrombose und stellt sich mit einer Beinschwellung am selben Bein vor, lässt sich klinisch nicht immer zuverlässig zwischen einem Rezidiv oder einem postthrombotischen Zustand differenzieren. Der WELLS-Score ist in dieser Konstellation weniger hilfreich, da aufgrund des stattgehabten Ereignisses und einer jetzt neuen Beinschwellung eigentlich jeder Patient zwangsläufig als „hoch wahrscheinlich für Thrombose“ kategorisiert wird. Hier ist jeder Untersucher dankbar für eine aussagekräftige Erstdokumentation, die erlaubt, zwischen Rezidiv und postthrombotischen Residuen zu unterscheiden. Wie bereits dargestellt, bleibt dennoch die sonografische Unterscheidung zwischen frischen und älteren Thromben schwierig.
Folgende Situationen lassen den Verdacht auf eine frische Thrombose zu:
  • Thromben in einem zuvor vollständig rekanalisierten Abschnitt
  • Thromben in einem Bereich, der bislang frei von Thrombose war
  • Größenzunahme eines vorbestehenden Residualthrombus um > 4 mm im Querschnitt (gilt nur für V. femoralis und V. poplitea)
Die Übersicht zeigt, wie wichtig eine aussagekräftige Erstdokumentation ist. Es wird aber auch klar, dass die Dokumentation der Restthrombuslast bzw. der Rekanalisation am Ende der Antikoagulation ebenso bedeutsam ist.
Verbleibt eine Unsicherheit, ob die sonografischen Veränderungen frisch oder älter sind, kann auch hier ein normwertiges D-Dimer weiterhelfen und in dem Falle gegen ein frisches Thromboseereignis sprechen. Umgekehrt hilft ein erhöhtes D-Dimer nicht direkt weiter. Allerdings besteht hier die Option, sowohl die vollständige Kompressionssonografie als auch den D-Dimer-Test binnen 4–7 Tagen zu wiederholen, um ein Rezidiv möglichst sicher in seiner Dynamik zu erfassen. Abb. 3 stellt einen pragmatischen Algorithmus dar, die Evidenz hierzu bleibt allerdings begrenzt.
Wo verfügbar, bietet die MR-Phlebografie im Einzelfall eine Option zur Abschätzung des Thrombusalters und der Kollateralkreisläufe (Arnoldussen et al. 2014).
Literatur
Arnoldussen C, Strijkers R, Lambregts D, Lahaye M, de Graaf R, Wittens C (2014) Feasibility of identifying deep vein thrombosis characteristics with contrast enhanced MR-Venography. Phlebology 29(1 suppl):119–124
Goodacre S, Sutton AJ, Sampson FC (2005) Meta-analysis: the value of clinical assessment in the diagnosis of deep venous thrombosis. Ann Intern Med 143(2):129–139. https://​doi.​org/​10.​7326/​0003-4819-143-2-200507190-00012CrossRefPubMed
Le Gal G, Robert-Ebadi H, Carrier M, Kearon C, Bounameaux H, Righini M (2015) Is it useful to also image the asymptomatic leg in patients with suspected deep vein thrombosis? J Thromb Haemost 13(4):563–566. https://​doi.​org/​10.​1111/​jth.​12851CrossRefPubMed
Linnemann B, Blank W, Doenst T, Erbel C, Isfort P, Janssens U, Kalka C, Klamroth R, Kotzerke J, Ley S, Meyer J, Mühlberg K, Müller OJ, Noppeney T, Opitz C, Riess H, Solomayer EF, Volk T, Beyer-Westendorf J (2023) Diagnostics and therapy of venous thrombosis and pulmonary embolism. The revised AWMF S2k guideline. Vasa 52(S111):1–146CrossRefPubMed
Schellong SM (2004) Complete compression ultrasound for the diagnosis of venous thromboembolism. Curr Opin Pulm Med 10(5):350–355. https://​doi.​org/​10.​1097/​01.​mcp.​0000136402.​24828.​0eCrossRefPubMed