Asymptomatische Karotisstenose
Patienten mit asymptomatischer Karotisstenose
sind vaskuläre Hochrisikopatienten, bei denen eine Abklärung vaskulärer Risikofaktoren und ein Screening auf das Vorliegen einer KHK bzw. pAVK zwingend erforderlich ist.
Im Gegensatz zu Patienten mit symptomatischer Karotisstenose liegt das Schlaganfallrisiko bei asymptomatischer Stenose > 50 % unter optimaler konservativer Therapie („Best Medical Treatment“) bei ca. 1 % pro Jahr.
Das von einer Karotisstenose ausgehende Schlaganfallrisiko hängt allerdings auch von der Plaquemorphologie ab: Es besteht ein bis zu 5-fach erhöhtes Risiko für zerebrovaskuläre Ereignisse bei Nachweis von echoarmen im Vergleich zu echoreichen Plaques. Allerdings bleibt die möglichst exakte Quantifizierung des Stenosegrades wesentliches Kriterium für die Therapieentscheidung, da die großen Studien zur Entscheidung TEA vs. konservatives Vorgehen ausschließlich den Stenosegrad als Einschlusskriterium verwendet haben.
Es gibt zunehmend Versuche, instabile von stabilen asymptomatischen Stenosen zu differenzieren, um Hochrisikopatienten zu selektieren, die von einer invasiven Therapie der Stenose besonders profitieren (Tab.
5). In einer prospektiven Untersuchung an 319 Patienten mit über 60 %iger (nach Ultraschallbefund) asymptomatischer ACI-Stenose betrug die Schlaganfallrate innerhalb eines Jahres bei Patienten mit Nachweis von Mikroemboliesignalen (MES) in der transkraniellen Doppler-Sonografie (
TCD) 1 % (95%-KI 1,01–1,36) im Vergleich zu 15,6 % (4,1–79) bei Nachweis von MES (Markus et al.
2010).
Tab. 5
Klinische und bildgebende Parameter, die mit einem erhöhten Risiko für eine
zerebrale Ischämie bei 50- bis 99 %iger asymptomatischer ACI-Stenose assoziiert sind. (Nach: Fabiani et al.
2020)
Spontane Embolien im TCD | 7,46 (2,24–24,89); 0,001 |
Echoarmer Plaque im Duplexultraschall | 2,61 (1,47–4,63); 0,001 |
Spontane Embolien im TCD und echoarmer Plaque im Duplexultraschall | 10,61 (2,98–37,82); 0,0003 |
Stenose Progression (50–99 % Stenose) | 1,92 (1,14–3,25); 0,05 |
Stenose Progression (70–99 % Stenose) | 4,7 (2,3–9,6); 0,05 |
Stummer Infarkt in der Bildgebung (60–99 % Stenose) | 3,0 (1,46–6,29); 0,002 |
Eingeschränkte zerebrovaskuläre Reservekapazität (70–99 % Stenose) | 6,14 (2,77–4,95); 0,01 |
Juxtaluminale echofreie Zone im Duplex (Computeranalyse) | Trend p < 0,001 |
Plaqueeinblutung im hochauflösenden MRT | 3,66 (2,77–4,95); 0,01 |
| 3,0 (1,9–4,73); 0,0001 |
Neben der Detektion von spontanen MES mittels der
TCD ist vor allem das Plaque-Imaging mittels hochauflösender MRT und speziellen Karotisspulen vielversprechend (Li et al.
2020). Verschiedene Untersuchungen konnten zeigen, dass es mittels hochauflösender MRT unter Einsatz geeigneter Sequenzen und spezieller Spulen möglich ist, Kriterien für instabile Plaques zu definieren (Fabiani et al.
2020).
Aufgrund der verbesserten medikamentösen Therapie wird in den aktuellen Leitlinien eine OP nur noch für Patienten mit Stenosen zwischen 60 und 99 % (nach NASCET) ohne erhöhtes OP-Risiko und einer Lebenserwartung > 5 Jahren empfohlen. Außerdem sollen ein oder mehrere klinische oder bildgebende Befunde nachweisbar sein, die mit einem erhöhtem Schlaganfallrisiko assoziiert sind (Tab.
5). Frauen mit asymptomatischer ACI-Stenose haben unabhängig vom Alter ein niedrigeres Risiko für eine
zerebrale Ischämie (Kap. „Stenosen und Verschlüsse der extrakraniellen A. Carotis“).
Keyhani et al.
2019 analysierten, ob sich klinische Parameter identifizieren lassen, die den Nutzen einer TEA bei asymptomatischer ACI-Stenose bei Personen > 65 Jahre aufgrund einer reduzierten Lebenserwartung unwahrscheinlich machen. Von 2325 eingeschlossenen Patienten waren nach 5 Jahren bereits 29,5 % verstorben. Ein Modell unter Berücksichtigung von 4 Komorbiditäten (maligne Erkrankung in den letzten 5 Jahren,
COPD,
Herzinsuffizienz und
chronische Niereninsuffizienz) war mit einer deutlich erhöhten 5-Jahres-Mortalität assoziiert. Bei Nachweis eines Parameters war das Risiko bereits um 31 % erhöht (HR 1,31; 95 % KI 1,02–1,70) und erreichte bei Vorhandensein aller 4 Faktoren eine HR von 5,22 (95 % KI 3,70–7,30).
Dissektion
Dissektionen betreffen meist die A. carotis interna oder die A. vertebralis und manifestieren sich beim Großteil der Patienten initial mit plötzlich auftretenden Projektionsschmerzen (temporal, orbital, fazial), einseitigen Hals- oder Nackenschmerzen oder lokalen Druckzeichen durch das Wandhämatom wie dem Horner-Syndrom oder kaudalen Hirnnervenausfällen (Schmidt-Pogoda und Minnerup 2019). Die klassische Trias aus einseitigen Kopf-, Gesichts- oder Nackenschmerzen, einem (inkompletten) Horner-Syndrom und im Verlauf einer zerebralen oder retinalen Ischämie findet sich lediglich in einem Drittel der Patienten (Schievink 2001), allerdings sollte der Nachweis von zweien dieser Symptome dringend an diese Differenzialdiagnose denken lassen. Ein einseitiger ipsilateraler Kopfschmerz ist häufig. Charakteristischerweise tritt dieser Kopfschmerz bei 2/3 der Patienten – überwiegend frontotemporal, aber gelegentlich auch im Bereich der gesamten Kopfhälfte oder okzipital – auf (Silbert et al. 1995). Die Intensität des Kopfschmerzes nimmt häufig langsam zu, es gibt aber auch Fälle mit plötzlichem starkem „Thunderclap“-Kopfschmerz (Silbert et al. 1995). Auch ein pulsatiles Ohrgeräusch (in ca. 25 % der ACI-Dissektionen) oder direkte Druckläsionen zahlreicher Hirnnerven durch das Wandhämatom mit entsprechender Klinik können auftreten.
Dissektionen treten zwar meist einseitig auf, in ca. 20 % der Fälle finden sich jedoch beidseitige Läsionen, nicht selten auch in Kombination mit dem vorderen und hinteren Kreislauf. Das Intervall zwischen Dissektion und klinischer Symptomatik ist variabel und kann auch mehrere Tage, im Einzelfall auch Wochen betragen. Ursache ist meist eine Embolisation von Thromben aus der Dissektion (Kap. „Dissektionen der extrakraniellen hirnzuführenden Arterien“).
Typische klinische Befundkonstellation
-
Akute Schläfenkopfschmerzen oder andere einseitige Gesichts- und/oder Kopfschmerzen und:
-
Horner-Syndrom ipsilateral: zusammen mit zerebraler oder okulärer TIA ipsilateral, ca. 30 % der Fälle;
-
pulssynchrones Ohrgeräusch ipsilateral;
-
kaudale Hirnnervenstörung ipsilateral: Hypoglossusparese, Vagusparese oder Glossopharyngeusparese mit Schluckstörung.
Diagnostik in zwei Schritten
Cave: Bei allen Untersuchungsmethoden sind falsch-negative Befunde möglich!
Vertebralisdissektionen treten am häufigsten im V3-Segment (Atlasschlinge) und im V1-Segment unmittelbar vor Eintritt in den Querfortsatz des meist 6. Halswirbels auf. Bei klinischem Verdacht oder auffälligem Strömungssignal sollte die A. vertebralis in ihrem Verlauf nach kranial und kaudal untersucht werden. Vereinzelt können
Dissektionen auch monosegmental zwischen zwei Transversalfortsätzen auftreten. Diagnostisch problematisch ist, dass die A. vertebralis nicht regelhaft über den gesamten Verlauf gut darstellbar ist. Dies trifft insbesondere auf den Bereich der Atlasschlinge zu. Eine Abgrenzung zu einer Hypoplasie gelingt meist über die Analyse des Strömungsprofils im V2-Segment, das bei Dissektion meist stark pulsatil mit fehlender diastolischer Komponente ist. Wichtig ist es zu beachten, dass ein negativer Befund im Ultraschall eine Dissektion nicht ausschließt. Die
Sensitivität beträgt ca. 92 %.
Eine Dissektion der A. vertebralis kann mit einer
Riesenzellarteriitis verwechselt werden. Zwar zeigen Arteriitiden meist eine konzentrische Lumeneinengung im Gegensatz zum exzentrischen Restlumen bei Dissektion, diese Unterscheidung ist jedoch nicht zuverlässig, sodass bei älteren Patienten an diese Differenzialdiagnose gedacht werden sollte.
Fibromuskuläre Dysplasie (FMD)
Die FMD ist eine nicht arteriosklerotische, nicht entzündliche Gefäßerkrankung, die häufig die Nierenarterien, aber auch die A. carotis und A. vertebralis betreffen kann.
An den hirnversorgenden Gefäßen findet sich die FMD in der ACI überwiegend unmittelbar unterhalb der Schädelbasis. Duplexsonografisch zeigt sich typischerweise eine umschriebene Stenosierung einige Zentimeter kranial der Bifurkation bei sonst fehlenden arteriosklerotischen Veränderungen. Aufgrund der Lokalisation ist die
Sensitivität und
Spezifität der Duplexsonografie begrenzt (Kap. „Fibromuskuläre Dysplasie“).
Zerebrale Mikroangiopathie durch Arteriosklerose (subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie)
Durch eine
Arteriosklerose der kleinen Gefäße
hervorgerufene Enzephalopathie, die 90 % der Mikroangiopathien ausmacht. Wichtigster Risikofaktor ist der arterielle Hypertonus. Es gibt eine Assoziation mit der hypertensiven extrakraniellen Makroangiopathie. Pathogenetisch handelt es sich vorwiegend um eine Arteriolosklerose der langen Marklagerarterien mit Schädigung der weißen Substanz („Leukoaraiose“ bzw. „White Matter Lesions“) häufig in Kombination mit lakunären Infarkten.
Klinisch besteht eine affektive Labilität mit Reizbarkeit und/oder depressiven Symptomen, eine apraktische Gangstörung, eine Harninkontinenz sowie akute fokal-neurologische Symptome in Abhängigkeit von der Lokalisation der lakunären Ischämie. Häufig entwickelt sich eine subkortikale
Demenz mit Erschöpfbarkeit, Verlangsamung,
Aufmerksamkeitsstörungen und eine Antriebsminderung bis Apathie.
In der Bildgebung (vorzugsweise MRT) finden sich lakunäre Infarkte, eine diffuse, periventrikuläre Hyper- bzw. Hypointensität häufig im Grenzzonenbereich der tiefen und oberflächlichen perforierenden Arterien. In der Sonografie lässt sich gelegentlich bei ausgeprägter Mikroangiopathie in der ACI oder ACC ein deutlich pulsatiles Strömungsprofil als Hinweis auf einen erhöhten nachgeschalteten Widerstand nachweisen.
Bei Menschen unter 50 Jahren mit diesen Veränderungen, fehlendem Hypertonus und Migräneanamnese muss differenzialdiagnostisch auch an ein
CADASIL („zerebrale autosomal-dominante Arteriopathie mit subkortikalen Infarkten und Leukenzephalopathie“) gedacht werden.
Takayasu-Arteriitis
Bei dieser in Europa eher seltenen Gefäßerkrankung handelt es sich um eine chronisch verlaufende
Vaskulitis, die insbesondere den Aortenbogen und die daraus entspringenden Gefäßstämme betrifft. Die Erkrankung tritt v. a. bei jüngeren Frauen bis zum 40. Lebensjahr auf.
Nach unspezifischer Symptomatik (allgemeines Krankheitsgefühl,
Schwindel etc.) entwickelt sich eine entzündlich bedingte Verdickung der Innenwand der aortennahen Gefäße mit langstreckigen Stenosen. Im Bereich der hirnversorgenden Gefäße sind insbesondere die A. subclavia und die A. carotis communis betroffen. Der US ist zur Erst- und Frühdiagnostik geeignet.
Im S/W-Bild zeigt sich als typischer Befund eine langstreckige konzentrische Verdickung der Gefäßinnenwand. Diese ist homogen, echoarm und besitzt eine überwiegend glatte und parallel zur Gefäßaußenwand verlaufende Oberfläche (sog. Makkaroni-Zeichen) (Widder und Hamann
2018). Eine sichere Differenzierung zu diffusen arteriosklerotischen Veränderungen ist nicht möglich (Kap. „Takayasu-Arteriitis“).