Ein Cochrane Review von 2018 findet insgesamt 33 randomisierte, kontrollierte Studien (RCT) zur Therapie der oberflächlichen
Beinvenenthrombose durch topische oder systemische medikamentöse Therapie oder physikalische oder chirurgische Maßnahmen. Bei vielen dieser vergleichenden Studien wurde jedoch nicht die Rate an
venösen Thromboembolien, Progression der oberflächlichen
Venenthrombose oder Behandlungsnebenwirkungen berichtet. Außerdem sind mehrere dieser Studien von wissenschaftlich minderer Qualität (Di Nisio et al.
2018).
Medikamentöse Therapie
In der Behandlung der oberflächlichen
Venenthrombose kommen unterschiedliche Medikamentengruppen zum Einsatz. Studien liegen bezüglich der Gabe von NMH,
Fondaparinux, Rivaroxaban
und nichtsteroidalen Antirheumatika
(systemisch und topisch) vor. Insgesamt ist auch hier der Anteil von qualitativ hochwertigen Untersuchungen gering. Häufig fehlen Vergleichsgruppen, und meist ist nur eine geringe Patientenzahl inkludiert.
Thrombosen der Vena saphena magna mit < 3 cm Abstand der cranialen Thrombusbegrenzung zur Einmündung in die Vena femoralis communis sind mit einem besonders hohen Risiko einer
tiefen Beinvenenthrombose und einer
Lungenembolie vergesellschaftet und sollten daher wie eine tiefe
Beinvenenthrombose mit einer vollen therapeutischen Antikoagulation behandelt werden (Di Minno et al.
2016; Beyer-Westendorf et al.
2017).
Ausdehnung der oberflächlichen
Venenthrombose und Abstand zum tiefen Venensystem haben Einfluss auf Art und Dauer der Antikoagulation.
Fondaparinux: Die beste Datenlage bezüglich der medikamentösen Therapie einer oberflächlichen
Venenthrombose liegt für das synthetische Pentasaccharid
Fondaparinux vor. In der randomisierten kontrollierten Calisto-Studie wurde 3002 Patienten mit oberflächlichen Venenthrombosen über 45 Tage entweder 2,5 mg Fondaparinux einmal täglich subkutan oder Placebo verabreicht. Fast alle der Patienten in beiden Studiengruppen erhielten zudem eine Kompressionstherapie. Patienten mit hohem Risiko für die Entwicklung einer tiefen Venenthrombose
(zum Beispiel Tumorpatienten) waren von der Studie ausgeschlossen. In der Behandlungsgruppe trat der vordefinierte kombinierte Endpunkt aus Tod, symptomatischer
Lungenembolie,
tiefer Beinvenenthrombose und/oder Progression der oberflächlichen Venenthrombose
bei 0,9 % der mit Fondaparinux behandelten Patienten im Vergleich zu 5,9 % in der Placebogruppe auf, wobei jede einzelne Komponente des Endpunkts in der Behandlungsgruppe signifikant seltener als in der Placebogruppe war (Decousus et al.
2010b).
Niedermolekulare Heparine (NMH): Mehrere kontrollierte und randomisierte Studien zur Gabe von NMH bei oberflächlichen
Venenthrombosen liegen vor. Nur einige dieser Studien sind placebokontrolliert. Auch diese Studien sind sehr heterogen, sowohl was den Einschluss der Patienten, die systematische Nachkontrolle, die Dauer der Behandlung als auch die Dosis des verwendeten Heparins (prophylaktische Dosis für den Hochrisikobereich, halbtherapeutische oder therapeutische Dosis) angeht. Die Studien zeigen eine Verminderung des Auftretens tiefer Venenthrombosen und
Lungenembolien unter einer Therapie mit NMH im Vergleich zu Placebo. Ein eindeutiger und überzeugender Vorteil einer therapeutischen oder halbtherapeutischen Heparindosis gegenüber einer Hochrisikoprophylaxedosis konnte hierbei nicht gezeigt werden (Kearon et al.
2012).
Nicht Vitamin-K-abhängige, direkte orale Antikoagulanzien (NOAK oder DOAK): Bislang liegt lediglich eine Studie bezüglich der Therapie mit einem NOAK in der Behandlung der oberflächlichen
Venenthrombose vor. In der 2017 veröffentlichten SURPRISE-Studie wurden 462 Patienten mit oberflächlicher Venenthrombose
und einem weiteren Risikofaktor für thromboembolische Komplikationen (d. h. Alter > 65 Jahre, männliches Geschlecht, vorherige
venöse Thromboembolien in der Eigenanamnese, aktive Tumorerkrankungen oder Tumorerkrankungen in der Anamnese, Autoimmunerkrankung, oberflächliche Venenthrombose
in einer nicht varikös veränderten Vene) zu einer Behandlung mit dem direkten Faktor-Xa-Inhibitor Rivaroxaban einmal täglich 10 mg Rivaroxaban oral oder
Fondaparinux einmal täglich 2,5 mg subkutan randomisiert. In der Per-Protokoll-Analyse (und auch in der Intention-to-Treat-Analyse) zeigten sich im kombinierten primären Endpunkt aus symptomatischer tiefer Venenthrombose
oder
Lungenembolie, Progression der oberflächlichen Venenthrombose
und/oder Mortalität vergleichbare Ergebnisse in den unterschiedlichen Therapiegruppen im Follow-up über 45 Tage (2 % bei Patienten unter Fondaparinux vs. 3 % bei Patienten unter Rivaroxaban) und über 90 Tage (7 % in beiden Gruppen) (Beyer-Westendorf et al.
2017). Allerdings muss hinterfragt werden, ob die statistische
Power der Studie ausreicht, um wirklich eine Nicht-Unterlegenheit der Rivaroxaban-Therapie zu belegen (Di Nisio et al.
2018). In der Rivaroxaban-Gruppe traten numerisch, aber nicht signifikant mehr Blutungsereignisse auf, darunter allerdings keine schweren Blutungen. Bemerkenswert ist der relativ hohe Anteil von späten, nach Beendigung der Therapie auftretenden venösen
Thromboembolien in dem Studienkollektiv von Patienten mit zusätzlichen Risikofaktoren, was eine verlängerte Therapiedauer bei diesen Patienten bedenkenswert erscheinen lässt.
Nichtsteroidale Antiphlogistica (NSAR): Die orale Gabe von NSAR (z. B.
Diclofenac,
Indometacin) reduziert das Risiko eines Progresses der oberflächlichen
Venenthrombose gegenüber Placebo, hat aber keinen überzeugenden Effekt auf das Auftreten tiefer Venenthrombosen oder
Lungenembolien (Di Nisio et al.
2018), weswegen diese Substanzen nur supportiv bei starken Schmerzen oder ausgeprägter Entzündungsreaktion eingesetzt werden.
Topische Therapie: Durch die topische Gabe von antiphlogistischem Gel (z. B.
Diclofenac oder
Ibuprofen) kann eine geringe Verbesserung der lokalen Symptomatik erreicht werden, ein Effekt auf die Progression der oberflächlichen
Venenthrombose oder das Auftreten
venöser Thromboembolien konnte bislang nicht gezeigt werden (Scott et al.
2015).
Kompressionstherapie
Die Sinnhaftigkeit dieser klassischen Behandlung der oberflächlichen
Venenthrombose ist umstritten. Obwohl vom pathophysiologischen Ansatz (Verbesserung des venösen Flusses zur Vermeidung des Thrombosewachstums, raschere Thrombusorganisation durch besseren Kontakt des Thrombus zum Endothel, Schmerzreduktion durch Ödemverminderung) her sinnvoll, ist der Wert einer Kompressionstherapie bei der Behandlung der oberflächlichen Venenthrombose
wissenschaftlich nicht wirklich belegt, entsprechende qualitativ hochwertige Studien fehlen (Di Nisio et al.
2018). Auf der anderen Seite muss angemerkt werden, dass in den meisten Studien, die Medikamenteneffekte bei oberflächlichen Venenthrombosen untersucht haben, zusätzlich eine Kompressionstherapie
erfolgte. In einer randomisierten Untersuchung von 73 Patienten mit oberflächlichen Venenthrombosen unter Therapie mit niedermolekularem Heparin (NMH) und NSAR konnte in der ersten Therapiewoche eine Senkung des Analgetikabedarfs und eine schnellere Thrombusregression bei Patienten unter Kompressionstherapie (graduierte Kompressionstrümpfe der Kompressionsklasse 2 und einem Druck von 23–32 mmHg) im Vergleich zur Patientengruppe ohne Kompressionstherapie gezeigt werden. Nach 3-wöchiger Therapiedauer konnten allerdings keine signifikanten Unterschiede bezüglich Analgetikaeinnahme, Thrombusregression oder Quality of Life mehr gefunden werden (Boehler et al.
2014). Eine Kompressionstherapie (Wicklung mit Kurzzugkompressionsbinden oder Tragen von Kompressionsstrümpfen) scheint daher allenfalls in der frühen Phase der Erkrankung zur Schmerzlinderung sinnvoll zu sein; in späteren Phasen sollte sie nur bei klinischen Zeichen einer venösen Insuffizienz – was bei bestehender Varikosis ja recht häufig ist – erfolgen.
Chirurgische Therapie
Die chirurgische Therapie einer oberflächlichen
Venenthrombose, meist im Bereich der Vena saphena magna, beinhaltet in der Regel die proximale Ligatur der Vene, häufig in Kombination mit einer Exhairese derselben. Insgesamt ist die Datenlage bezüglich der chirurgischen Therapie spärlich, die meisten diesbezüglich veröffentlichten Studien sind qualitativ nicht hochwertig und mit einer nur geringen Patientenzahl durchgeführt, häufig fehlt eine Vergleichsgruppe. Bezüglich der Häufigkeit
tiefer Beinvenenthrombosen und
Lungenembolien besteht kein Vorteil einer chirurgischen Therapie der oberflächlichen Venenthrombose
im Vergleich zu einer gerinnungshemmenden Behandlung (Kearon et al.
2012; Di Nisio et al.
2018; Cosmi
2015; Decousous et al.
2003; Wasam
2019; Kakkos et al.
2021). Zu bedenken sind auch eine durch den Eingriff und die damit verbundene Endothelläsionen induzierte Gerinnungsaktivierung mit der Gefahr einer frühen Rezidivthrombose und einer durch den Eingriff provozierten Lungenembolie als Argumente gegen eine chirurgische Behandlung. Hinzu kommen auch lokale Komplikationen durch den Eingriff selber (
Wundheilungsstörungen, Nervenverletzungen etc.). In einem systematischen Review, der 6 Studien mit insgesamt 334 Patienten mit oberflächlicher Venenthrombose
im Bereich der Vena saphena magna auswertete, ergaben sich für die chirurgische Therapie (d. h. Ligatur der Vene mit oder ohne Stripping) keine Vorteile gegenüber einer alleinigen systemischen Antikoagulation, die über einen Zeitraum von 6 Wochen bis 6 Monaten durchgeführt wurde. Die Autoren fanden keinen Unterschied bezüglich einer Progression der oberflächlichen Venenthrombose
und der Entwicklung einer tiefen Venenthrombose
oder einer Lungenembolie. Hingegen betrug die chirurgische Komplikationsrate (d. h. Hämatom, Serom, Infektion) in dieser
Metaanalyse 7,7 % (Sullivan
2001).
Therapiebesonderheiten
Oberflächliche Armvenenthrombosen: Eine Venenverweilkanüle sollte entfernt werden, eine lokale,
topische Therapie mit einem antiphlogistischem Gel wirkt symptomlindernd und ist meist ausreichend. Eine systemische gerinnungshemmende Therapie ist nur in Fällen einer Progression in das tiefen Venensystem notwendig. Bei Zeichen einer bakteriellen systemischen Infektion mit
Fieber und Schüttelfrost (sogenannte septische Thrombophlebitis) sollte neben der Entfernung des Venenzugangs eine systemische antibiotische Therapie mit einem Breitspektrum-Antibiotikum, welches sowohl staphylokokkenwirksam ist als auch den gramnegativen Bereich abdeckt, sinnvoll. In den seltenen therapieresistenten Fällen mit persistierendem Fieber/systemischer Infektion trotz Antibiose sollte eine chirurgische Entfernung der Vene erwogen werden.
Oberflächliche Venenthrombose in der Schwangerschaft: Zu bedenken sind hier einerseits das insbesondere peripartal erhöhte Blutungsrisiko durch eine gerinnungshemmende Therapie als auch das in der Schwangerschaft erhöhte Risiko einer tiefen
Venenthrombose und
Lungenembolie. Als Therapie der oberflächlichen Venenthrombose
in der Schwangerschaft kommt meist eine Kompressionstherapie in Verbindung mit der topischen Applikation eines nichtsteroidalen Antirheumatikums (NSAR) zum Einsatz. Der systemische Einsatz von NSAR jenseits der 26.–28. Schwangerschaftswoche sollte vermieden werden. Die Gabe eines niedermolekularen Heparins (NMH) in hoher Prophylaxedosis oder halbtherapeutischer Dosierung für einen Zeitraum von 1 bis 6 Wochen wird bei Patienten mit beidseitigen oberflächlichen Venenthrombosen, ausgeprägter klinischer Symptomatik, bei schwangeren Patientinnen mit oberflächlichen Venenthrombosen der Vena saphena magna und der Vena saphena parva mit einer kranialen Begrenzung < 5 cm, aber > 3 cm Abstand zur Einmündung in das tiefe Venensystem und ausgedehnten Thrombophlebitiden von mehr als 5 cm Länge empfohlen, ansonsten wird insbesondere unter Berücksichtigung des erhöhten Blutungsrisikos zumeist ein abwartendes Verhalten unter klinischer und Ultraschallkontrolle innerhalb von 7–10 Tagen angeraten. Bei einem Abstand < 3 cm zur Einmündung in das tiefe Venensystem besteht eine Indikation zu einer vollen therapeutischen Antikoagulation mit einem Niedermolekularem Heparin (NMH)(Chan et al.
2014; Linnemann et al.
2023).
Fondaparinux kann anders als NMH die Plazentaschranke überwinden und sollte daher in der Schwangerschaft nicht gegeben werden, DOAK sind wegen teratogener Wirkung kontraindiziert.
Morbus Mondor: Therapeutisch werden meistens orale nichtsteroidale Antirheumatika eingesetzt, eine positive Wirkung auf den Krankheitsverlauf ist allerdings nicht belegt.