Hyperinsulinämie und Insulinresistenz führen zu einer chronischen Entzündungsreaktion in der Gefäßwand, Aktivierung der Gerinnung (PAI-1,
Fibrinogen und Plättchenaggregation gesteigert) und Störungen des Lipidstoffwechsels, welche eine Atherombildung fördern. Auf zellulärer Ebene kommt es durch die gesteigerte Wirkung der mitogen-aktivierten Proteinkinase zu Endothelschäden in Folge von chronischer Inflammation (Zytokinspiegel erhöht), Sekretion von
Adhäsionsmolekülen, Sekretion von Endothelin-1 und aggravierter
Apoptose von endothelialen Vorläuferzellen (EPC). Der Reparaturmechanismus des Endothels ist bei Insulinresistenz gestört (Cubbon et al.
2007). Dabei scheinen die endothelialen Vorläuferzellen aus dem
Knochenmark eine herausragende Rolle zu spielen. In Ergänzung der „Response-to-Injury Hypothesis“ der Schädigung großer Gefäße ist die Reparaturfähigkeit bei Reduktion oder Verlust der endothelialen Vorläuferzellen (EPC) aus dem Knochenmark bei
Diabetes signifikant eingeschränkt (Goldschmidt-Clermont
2003). Nicht nur der gestörte Reparaturmechanismus, sondern auch die gesteigerte Synthese und Sekretion von inflammatorischen und angiogenetischen Wachstumsfaktoren führen zur chronischen Gefäßwandentzündung (Libby et al.
2002). Die reduzierte Anzahl, die verminderte Migrationsfähigkeit und die gestörte Aktivität der EPC trägen bei Diabetikern zur Entstehung der Gefäßläsionen in der Mikro- und Makrostrombahn bei (Loomans et al.
2004). Die EPC-Konzentrationen im
Serum korrelieren negativ mit der Blutzuckerhöhe. Diabetes mellitus beeinflusst die Zahl und Aktivität von EPC, und die niedrige EPC-Anzahl und reduzierte Aktivität bei chronischer Hyperglykämie führen zu Progression der Mikro- und Makroangiopathie (Fadini et al.
2006). Bei Typ-2-Diabetikern mit
PAVK ist die Anzahl von EPC hochsignifikant gegenüber gesunden Kontrollpersonen und Patienten mit PAVK ohne Diabetes reduziert (Fadini et al.
2005). Dies ist auch bereits bei gestörter oraler Glukosetoleranz nachweisbar. Bei Diabetikern mit Makroangiopathie ist eine signifikant reduzierte Angiogenese zu sehen (Fadini et al.
2019). Zudem ist die Abwehrbereitschaft des Endothels gegenüber hypoxischen und glukotoxischen Faktoren beeinträchtigt und proangiogenetische Wachstumsfaktoren sind bei Diabetikern mit PAVK erniedrigt (Mercier et al.
2020). Verursacht ist dies u. a durch die hyperglykämieinduzierte Deregulation von Phosphatasen, hier besonders der proangiogenetischen Tyrosin-Kinase-Rezeptoren. Die Down-Regulation von proangiogenetischen Wachstumsfaktoren bei Diabetikern beeinträchtigt die Reparaturfähigkeit des Gefäßsystems auf vaskuläre Risikofaktoren wie Hyperglykämie,
Hypertension und oxidativen Stress und reduziert die Kollateralrekrutierung bei Ischämie. Störungen von Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF), Platelet-Derived Growth Factor (PDGF), Angiopoietin 1 und 2 (Ang-1 und Ang-2) und Stroma Cell-Derived Factor 1 (SDF-1) finden sich bei Diabetikern. Die Rekrutierung und
Migration von undifferenzierten endothelialen Vorläuferzellen in ischämische Gewebe, die Proliferation von endothelialen Zellen und Perizyten und das geordnete Wachstum glatter Gefäßmuskelzellen ist dadurch beeinträchtigt. Die glukoseabhängigen Veränderungen der Wachstumsfaktoren beeinflussen die Angiogenese und bieten eine Erklärung für das Auftreten von Mikroangiopathie (Hochregulation von VEGF bei diabetischer proliferativer Retinopathie) und Makroangiopathie (u. a. Down-Regulation von PDGF, SDF-1 bei peripherer Ischämie) (Fadini et al.
2019).
Die Insulinresistenz führt zur chronischen Entzündungsreaktion in der Gefäßwand (Shoelson et al.
2006). Tierexperimentelle Studien und prospektive Untersuchungen an Diabetikern bestätigen konsistent die ätiologische Rolle der chronischen subklinischen Entzündungsreaktion in der Pathogenese des
Typ-2-Diabetes und der vaskulären Folgekomplikationen. Dabei spielen
Zytokine aus dem adipösen Fettgewebe (Adipozytokine wie Interleukin 6 und Interleukin 18),
Monozyten Chemoattractant Protein-1 (MCP-1),
Plasminogen Activator Inhibitor-1 (PAI-1),
Leptin,
Resistin und andere eine bedeutsame Rolle. Erhöhte CRP-Spiegel bei Diabetikern sind ein Marker der chronischen Entzündungsreaktion.
Aktuelle Studien an Typ-2-Diabetikern zeigen einen kontinuierlichen Anstieg der
Prävalenz der
diabetischen Makroangiopathie und der Intima-Media-Dicke bei Abfall der Adiponectin-Spiegel im
Serum unabhängig von BMI und Geschlecht (Chen et al.
2020). Die Serumspiegel von Interleukin IL-1 und Interleukin IL-18 als
Promotor und Ausdruck der chronischen Entzündungsreaktion sind bei Diabetikern mit
PAVK signifikant erhöht (Cai et al.
2020) und die Höhe der entzündlichen Biomarker Tumor Necrosis Factor Receptor 1 (TNFR 1) und Angiopoietin-like-2-Protein (Ang-L2) sind unabhängig assoziiert mit der Notwendigkeit einer Minor- und Majoramputation bei diabetischer Angiopathie bei Typ-2-Diabetikern (Schneider et al.
2018). Diese aktuellen Befunde weisen auf die herausragende Bedeutung der chronischen Entzündungsreaktion in der Gefäßwand bei diabetischer Angiopathie hin.