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Klinische Angiologie
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Publiziert am: 25.02.2023

Peri- und postoperative medikamentöse Therapie

Verfasst von: Hendrik Bergert
Patienten, die sich einer revaskularisierenden Operation im Gefäßsystem unterziehen müssen, benötigen eine langfristige antithrombotische Therapie. Gesichert ist eine Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse für diese Patienten. Die aktuelle Studienlage empfiehlt in der medikamentösen Therapie nach lokaler Thrombendarteriektomie und nach alloplastischen Bypässen der aortalen und supragenualen Region ASS 100 mg/d oder Clopidogrel 75 mg/d. Nach Anlage kniegelenksüberschreitender alloplastischer Bypässe wird die Kombination von ASS 100 mg/d und Clopidogrel 75 mg/d empfohlen, für die Dauer einer dualen TFH gibt es jedoch keine gesicherte Evidenz. Dem gegenüber profitieren Patienten nach autologem Venenbypass von einer oralen Antikoagulation mit Vitamin K Antagonisten (Ziel-INR 2–3). Dabei muss das Blutungsrisiko regelmäßig reevaluiert werden, bei Kontraindikationen hingegen empfiehlt sich die Gabe von ASS 100 mg/d. Die Daten der aktuellen COMPASS- und VOYGER-PAD Studien implementieren eine niedrig dosierte orale Antikoagulation in Kombination mit ASS bei Patienten mit nicht/ mässig erhöhtem Blutungsrisiko nach infrainguinalen Revaskularisationen.

Medikamentöse peri- und postoperative Basistherapie

Nach revaskularisierender Operation im Gefäßsystem besteht die Indikation für eine antithrombotische Therapie, die differenziert nach dem befallenen vaskulären Territorium und dem verwendeten OP‐Verfahren gestaltet werden muss. Diese trägt dazu bei, akute thrombotische Verschlüsse sowie die Reverschlussrate zu verringern und muss risikoadaptiert mit einer Thrombozytenfunktionshemmung (TFH) und/oder Antikoagulation gestaltet werden. Ergänzend hierzu ist bei allen Patienten mit Gefäßerkrankungen eine optimale Therapie der kardiovaskulären Risikofaktoren zur Verhinderung von Myokardinfarkt, Schlaganfall und kardiovaskulärem Tod („major adverse cardiovascular event“, MACE) indiziert. Basistherapie bei Patienten mit klinisch manifesten atherosklerotischen Gefäßerkrankungen jedweder Lokalisation (auch die keiner Revaskularisation bedürfen) ist eine TFH mit ASS 100 mg/d oder Clopidogrel 75 mg/d (siehe auch Kap. „Management kardiovaskulärer Risikofaktoren“ und Kap. „Prinzipien der antithrombotischen Therapie bei arteriellen Erkrankungen“) (Lawall et al. 2015).
Präoperativ sollten die Medikamente zur TFH möglichst nicht abgesetzt werden, da sich ansonsten die perioperative kardiovaskuläre Mortalität erhöht (Mantz et al. 2011). Nach den aktuell vorliegenden Daten besteht kein signifikant erhöhtes Blutungsrisiko unter einfacher und auch unter doppelter TFH für Operationen am arteriellen Gefäßsystem (Stone et al. 2011). Daher sollte ein Absetzen der TFH immer kritisch mit dem Operateur im Rahmen der Operationsvorbereitung diskutiert werden.
Zur Basistherapie gehört bei jedem Patienten perioperativ eine lipidsenkende Therapie gemäß den Empfehlungen der aktuellen europäischen Leitlinien ESC/EAS 2019 (Cosentino et al. 2020). Eine LDL-Senkung durch Statine erhöhte in einer retrospektiven Analyse nach infrainguinalem Venenbypass die primäre und sekundäre Offenheitsrate signifikant (Abbruzzese et al. 2004).
Vor jeder geplanten Revaskularisationsmaßnahme sollten ebenso die Risikofaktoren arterielle Hypertonie und Diabetes mellitus optimiert werden (Lawall et al. 2015). Prinzipiell sollten Patienten mit symptomatischer PAVK aufgrund der hohen Komorbidität mit einer gleichzeitig vorliegenden koronaren Herzkrankheit, die in 60–90 % der Patienten vorliegt, einen β-Blocker zur Reduktion der peri- und postoperativen Mortalität erhalten. Gerade perioperativ führt die β-Blockade zu einer reduzierten kardialen Stressbelastung und zu weniger myokardialen Ischämien (Nowak und Jacke 2020).
Zur interdisziplinären Betreuung von Gefäßpatienten im Rahmen einer Therapieplanung gehört ein Diabetes‐Screening bzw. bei bekanntem Diabetes die Optimierung der antidiabetischen Therapie zur Vermeidung perioperativer Hypo-/Hyperglykämien. Eine intensivierte antidiabetische Therapie führte in mehreren Studien zu einer Reduktion vaskulärer Ereignisse im Vergleich zu Patienten mit deutlich erhöhten HbA1c‐Werten (Hayward et al. 2015). Im mittelfristigen postoperativen Verlauf ist dabei eine Kooperation von Gefäßmedizinern mit Diabetologen anzustreben, wobei sich die spezifische Therapie anhand der vorliegenden aktuellen Leitlinien für Diabetes orientieren sollte (Deutsche Gesellschaft für Kardiologie‐Herz-und Kreislaufforschung e.V. 2020). Tab. 1 fasst die Empfehlungen der perioperativen medikamentösen Therapie zusammen.

Intra- und postoperative Heparingabe (UFH/NMH)

Bei Patienten mit permanenter Indikation zur oralen Antikoagulation (z. B. Vorhofflimmern) muss diese im Falle einer Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten perioperativ mit niedermolekularem Heparin überbrückt bzw. bei Therapie mit neuen direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) periinterventionell pausiert werden. Die perioperative Antikoagulation während einer operativen Gefäßrekonstruktion erfolgt vor dem Setzen der Gefäßklemmen üblicherweise mit unfraktioniertem Heparin (UFH) intravenös (Dosierung: 70–100 U/kg KG iv.). Das Ziel ist dabei, eine Thrombose in den meist arteriosklerotisch veränderten vor- und nachgeschalteten Gefäßsegmenten zu verhindern. In der Praxis hat sich dabei zur Steuerung die „activated clotting time“ (ACT, Ziel 180–200 s) bewährt. Je nach Länge der Operation kann die Heparinisierung durch wiederholte Bolusgaben weiter unterhalten werden. Damit ist die Rate der Thrombosierungen oder peripherer Embolisationen ohne erhöhtes Blutungsrisiko reduziert (Doganer et al. 2021).
Besteht postoperativ eine eingriffsbedingte (Venenbypass) oder durch Komorbiditäten bedingte Indikation zur Antikoagulation, so kann diese entweder mit Perfusor-gesteuerter unfraktionierter Heparingabe nach PTT-Wert oder mit niedermolekularen Heparinpräparaten (NMH) durchgeführt werden. Dabei hat sich in der klinischen Praxis vorzugsweise die NMH-Applikation wegen der einfachen Durchführbarkeit durchgesetzt. Die NMH weisen dabei folgende Vorteile auf: hohe Bioverfügbarkeit, schwächere Interaktionen mit Thrombozyten, höhere profibrinolytische Wirkung, wesentlich geringere Induktion einer Heparin-induzierten Thrombozytopenie Typ II, renale Elimination (cave: Dosisreduktion bei Niereninsuffizienz mit GFR <30, ggf. Wirksamkeit nach Anti-Xa-Plasmaspiegel dosieren) sowie eine konstante Dosis-Wirkungs-Beziehung (i. d. R. keine Laborkontrollen in kurzen Intervallen wie bei UFH notwendig).
Hinsichtlich der Offenheitsrate nach peripheren Gefäßrekonstruktionen im Vergleich von UFH versus NMH besteht eine ungenügende Studienlage. Eine Cochrane Subgruppen‐Metaanalyse aus dem Jahr 2011 (Geraghty und Welch 2011) erbrachte einen marginalen Vorteil im Hinblick auf eine frühe Graftthrombose der mit NMH behandelten Bypasspatienten 30 Tage nach der Primäroperation. Weitere systematische Review‐Analysen (Wiersema et al. 2015) bestätigten den positiven Effekt der NMH hinsichtlich der Reduktion perioperativer Frühverschlussraten oder perioperativer Blutungskomplikationen, ohne jedoch klare bzw. eindeutige statistisch signifikante Vorteile gegenüber den UFH zu belegen.

Antithrombotische Therapie nach lokaler Thrombendarteriektomie

Nach aktueller Studienlage ist nach lokaler Thrombendarteriektomie mit oder ohne Patchplastik (z. B. Carotis- oder Femoralisgabel-Revaskularisationen) und auch nach aortalen, iliacalen bzw. aorto-iliacalen/femoralen Revaskularisationen (z. B. Rohr- bzw. Y-Prothesenimplantationen) eine einfache TFH mit ASS 100 mg/d oder Clopidogrel 75 mg/d lebenslang indiziert (Lawall et al. 2015). Diesbezüglich besteht Evidenzgrad IA in der aktuellen S3 Leitlinie PAVK. Das Ziel der TFH ist in diesem Zusammenhang nicht eine Verbesserung der Offenheit der Revaskularisation, da dies für diese Eingriffe bisher nie nachgewiesen werden konnte, sondern die Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse.

Antithrombotische Therapie nach alloplastischem Bypass

Nach gefäßchirurgischen Revaskularisationen im Bereich der Beckenachse mittels aorto-iliakalem oder aorto-bifemoralem Bypass sollte eine TFH mit ASS 100 mg/d oder Clopidogrel 75 mg/d zur Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse durchgeführt werden (Evidenzgrad IA, S3-Leitlinie PAVK, Lawall et al. 2015). Die Gabe eines TFH nach infrainguinalen Bypässen hat zudem einen positiven Einfluss auf die Offenheitsrate. Dieser Effekt zeigt sich stärker bei Kunststoffprothesen als bei autologem Bypassmaterial (Dörffler-Melly et al. 2008). Bei Patienten, die einen alloplastischen femoro-poplitealen Bypass (Dacron oder PTFE) bis oberhalb des Kniegelenkes erhalten haben, ist eine einfache TFH mit ASS 100 mg/d oder Clopidogrel 75 mg/d postoperativ zur Verbesserung der Offenheit ausreichend (Rice und Lumsden 2006).
In der CASPAR-Studie (Belch et al. 2010) wurde untersucht, ob es bei femoro-poplitealen Bypässen unterhalb des Kniegelenkes bei pAVK einen therapeutischen Vorteil bei der dualen TFH von ASS (75–100 mg/d) und Clopidogrel (75 mg/d) gegenüber ASS-Monotherapie (75–100 mg/d) gibt. Im Hinblick auf den primären kombinierten Endpunkt einer Index-Graftokklusion oder Revaskularisation, Majoramputation am Indexbein oder Tod fand sich kein Vorteil für die duale Plättchenhemmung. Für die präspezifizierte Subgruppe der Patienten mit einem infragenualen Kunstoffbypass ergab sich jedoch hinsichtlich des primären Endpunktes ein signifikanter Vorteil (HR, 0.65; 95 % CI, 0.45–0.95; P = 0.025). Hieraus ergibt sich die Empfehlung einer dualen TFH nach infragenualen Bypässen aus alloplastischen Material für 6–24 Monate. Die Dauer einer dualen TFH ist jeweils individuell festzulegen. Ein positiver Effekt der dualen TFH fand sich nicht für die Subgruppe der autologen venösen Bypässe (HR 1,25; 95 % CI 0.94–1.67).

Antithrombotische Therapie nach autologem (venösen) Bypass

In mehreren früheren klinischen Studien gab es Hinweise, dass die postoperative Gabe von Vitamin-K-Antagonisten nach venösen Bypässen der unteren Extremität einen positiven Einfluss auf die 2-Jahres-Offenheitsrate haben könnte. Ebenso fanden sich positive Hinweise für eine Erhaltung der Extremität sowie auch für das Patientenüberleben. Die Ziel-INR lag in diesen Arbeiten zwischen 1,4–3,0 (Kretschmer et al. 1992; Dutch BOA 2000; Geraghty und Welch 2011).
Dem vermehrten Einsatz endovaskulärer Revaskularisationstechniken ist es geschuldet, dass aktuell periphere Bypässe vermehrt crural bzw. pedal angeschlossen werden müssen, um eine Amputation zu verhindern. Da Venenbypässe eine signifikant bessere Offenheitsrate haben als Prothesenbypässe, werden in diesen Anschlusssegmenten fast ausschließlich autologe oder zumindest Composite – Bypässe angelegt. Solche Bypässe haben aufgrund des erhöhten Widerstandes beim arteriellen Abstrom über ein Gefäß ein hohes Verschlussrisiko und gelten – genau wie Bypässe, die bereits wegen eines Verschlusses erneut revaskularisiert wurden – als „bypass-at-risk“.
In einer älteren Arbeit von Sarac et al. (1998) wurde in einer kleinen, monozentrischen, prospektiv-randomisierten Studie bei Patienten mit cruralen high-risk Venenypässen (ausschließlich „bypass- at-risk“) die Antikoagulation von Warfarin (INR 2–3) in Kombination mit ASS (325 mg/d) versus alleiniger ASS-Therapie untersucht. Dabei zeigten sich Vorteile zugunsten der Kombination in Bezug auf die postoperative Offenheitsrate der Bypässe (97 % vs. 85 %), die kumulative Beinerhaltungsrate (81 % vs. 31 %) sowie in Hinblick auf die Langzeitoffenheit (3 Jahre) des Bypasses (77 % vs. 56 %). Keine Unterschiede bei kleinen Ereignisraten fanden sich in Bezug auf Blutungskomplikationen (bis auf häufigere Wundhämatome in der Warfaringruppe) und der Morbidität- und Mortalitätsraten. VKA mit einer Ziel-INR von 2–3 in Kombination mit ASS scheint nach bisher vorliegender Datenlage bei diesen Patienten einen positiven Effekt auf die Offenheitsraten der Bypässe und der Erhaltung des Beines zu haben.
Die Dutch BOA Studie ist die bislang größte randomisierte Studie, die die orale Antikoagulation mit Warfarin gegen Aspirin 80 mg verglichen hat (Dutch Bypass Oral anticoagulants or Aspirin Study Group 2000). Hierbei handelt es sich um eine multizentrisch randomisiert-kontrollierte Studie mit 2690 Patienten, die sich einer infrainguinaler Bypass-OP unterzogen. Die Patienten wurden über einen Zeitraum von 21 Monaten nachverfolgt. Der Ziel INR in der Warfaringruppe lag mit 3,0–4,5 deutlich höher als in anderen Studien. Primärer Endpunkt war die Rate an Graftverschlüssen. Insgesamt unterschieden sich beide Gruppen nicht hinsichtlich des primären Endpunktes. Allerdings traten in der Warfarin-Gruppe vs ASS deutlich mehr Major-Blutungen auf (108 vs 56; HR 1.96 CI 1.42–2.71). In der Subgruppe der venösen Bypässe verbesserte die Therapie mit Warfarin die die Rate der Bypassdurchgängigkeit (HR 0,69; CI 0.57–0.88). Aspirin war gegenüber Warfarin von Vorteil in der Subgruppe der nicht-venösen Bypässe (HR 0·89, CI 0.75–1.06).
Aus diesen Daten lässt sich ableiten, dass bei infrainguinalen Bypässen (femoro-popliteal und femoro-crural) aus autologem-venösem Material eine Antikoagulation mit VKA (Ziel-INR: 2–3) indiziert sein kann, wenn keine aktiven Blutungen oder Kontraindikationen vorliegen. Der Vorteil der oralen Antikoagulation mit einer INR von 3–4 ließ sich in der BOA-Studie allerdings nur für 2 Jahre nach Implantation nachweisen, nicht aber im längerfristigen Verlauf. Dies bedeutet, dass nach diesem Zeitraum eine erneute Nutzen-Risiko-Abwägung der oralen Antikoagulation erfolgen und ggf. die OAK auf eine alleinige Thrombozytenfunktionshemmung umgestellt werden sollte, vor allem wenn der Bypass regelrecht funktioniert. Ist jedoch eine Therapie mit ASS oder anderen TFH aufgrund einer kardialen oder zerebrovaskulären Erkrankung indiziert, ist die Antikoagulation in Bezug auf den Bypass als sekundär anzusehen.
Der Beobachtung, dass die primären Offenheitsraten prothetischer Bypässe unter ASS höher lagen als bei autologen Bypässen könnte der Effekt einer reduzierten Thrombozytenadhäsion auf dem künstlichen Bypassmaterial zugrunde liegen. Zusammenfassend lässt sich anhand der bisher vorliegenden Studien (Ariesen et al. 2005) feststellen, dass bei femoro-poplitealen (P3) und femoro-cruralen Bypässen in autologer Technik VKA und in der alloplastischen Technik eine duale TFH mit ASS und Clopidogrel zur Verbesserung der Bypass‐Offenheitsrate führen kann.
Duale antithrombotische Therapie mit Rivaroxaban und ASS nach Revaskularisation
Die direkten oralen Antikoagulanzien (Dabigatran, Rivaroxaban, Apixaban oder Edoxaban) sind als Monotherapie in therapeutischer Dosierung mit dem Ziel, einen Bypassverschluss zu verhindern, aufgrund fehlender Daten nicht zugelassen. Obwohl ihr Einsatz in diesem Bereich als „off-label“ gilt, werden diese trotzdem aufgrund der Einfachheit der Therapie für diese Indikation zunehmend eingesetzt.
Davon abzugrenzen ist die Kombinationstherapie mit Rivaroxaban in niedriger, vaskulärer Dosierung (2-mal 2,5 mg) in Kombination mit ASS 100 mg im Sinne einer dualen antithrombotischen Therapiestrategie (dual pathway antithrombotic therapy). Die COMPASS-Studie hatte zunächst die kombinierte antithrombotische Therapie gegenüber einer Monotherapie mit ASS 100 mg bei Patienten mit stabiler Arteriosklerose untersucht (Eikelboom et al. 2017). Die Studie wurde vorzeitig abgebrochen, da die Therapie mit 2-mal 2,5 mg Rivaroxaban und 100 mg ASS der alleinigen ASS-Therapie in allen primären und sekundären Endpunkten überlegen war. Im Vergleich zur Monotherapie mit ASS reduzierte die Kombination aus Rivaroxaban plus ASS die Raten von MACE (major cardiovascular events) um 28 % (HR 0,72, 95 %-KI, 0,57–0,9, p = 0,0047) und MALE (major adverse limb events) um 48 % (HR 0,52, 95 %-KI, 0,35–0,82, p = 0,0037) hochsignifikant. Zudem konnte die Mortalität mit der Kombinationstherapie um 18 % signifikant gesenkt werden. Trotz eines signifikanten Anstiegs schwerwiegender Blutungen konnte waren Blutungen in kritische Organe mit der Kombinationstherapie gegenüber der Monotherapie nicht häufiger. Aufgrund der COMPASS-Daten findet sich bereits in den ESVM‐Leitlinien 2019 für das Therapiekonzept eine Level IIA Empfehlung für Patienten mit stabiler pAVK ohne erhöhte Blutungsrisiken (Frank et al. 2019). Gleiches gilt für die ESC/EASD – Leitlinien (Cosentino et al. 2020). Es ist zu erwarten, dass das Therapiekonzept in die künftigen internationalen und nationalen Leitlinien eingearbeitet wird (siehe auch Kap. „Prinzipien der antithrombotischen Therapie bei arteriellen Erkrankungen“).
Die VOYAGER-PAD Studie hat das duale Therapiekonzept bei Patienten mit pAVK nach infrainguinaler Revaskularisation untersucht (Bonaca et al. 2020). In diese Studie wurden 6564 Patienten mit symptomatischer pAVK eingeschlossen, die sich einer chirurgischen (etwa ein Drittel) oder endovaskulären Revaskularisation (etwa zwei Drittel) unterzogen hatten. Die Patienten wurden randomisiert entweder mit Rivaroxaban in vaskulärer Dosis (2-mal 2,5 mg/Tag) oder Placebo zusätzlich zu ASS 100 mg therapiert. Der kombinierte primäre Endpunkt der Studie bestand aus dem Auftreten einer akuter Extremitätenischämie, Majoramputation, Myokardinfarkt, ischämischem Schlaganfall und kardiovaskulär bedingtem Tod. Die Kombination aus Rivaroxaban plus ASS bewirkte nach 3 Jahren im Vergleich zur ASS-Monotherapie eine signifikante Reduktion des Risikos für den kombinierten primären Endpunkt um 15 %. Der possitive Effekt der dualen antithrombotischen Therapie setzte bereits sehr früh nach Randomisierung ein. Die signifikante Reduktion des primären Endpunktes beruhte im Wesentlichen auf einer Reduktion des Risikos für eine akute Extremitätenischämie um 33 %. Primärer Sicherheitsendpunkt waren schwerwiegende Blutungen. Hier wurde eine numerische (62 vs. 44), jedoch nicht signifikante Zunahme im Rivaroxaban-Arm beobachtet (HR: 1,43). Bei den schweren, intrakraniellen oder tödlichen Blutungen zeigte sich kein Unterschied in den Behandlungsgruppen bei gleichzeitig niedrigen Ereignisraten in beiden Gruppen. Bei den sekundären Endpunkten konnte die Rate für Klinikeinweisungen wegen koronarer oder peripherer thrombotischer Ereignisse durch Rivaroxaban relativ um 28 % reduziert (8,7 vs. 12,1 %) werden.
Zusammenfassend zeigt die Kombinationstherapie aus Rivaroxaban und ASS bei Hochrisiko‐pAVK-Patienten nach infrainguinaler Revaskularisation auch angesichts eines erhöhten Blutungsrisikos einen positiven Netto-Nutzen. In der täglichen klinischen Praxis ist eine Kombinationstherapie vor allem bei fortgeschrittener pAVK mit Befall mehrerer vaskulärer Territorien und nach infraingunaler Revaskularisation bei vertretbarem Blutungsrisiko indiziert.
Die Tab. 2 fasst die aktuellen Empfehlungen für die medikamentöse Therapie nach operativer Revaskularisation zusammen. Im Ergebnis der zitierten Studien lassen sich diese Empfehlungen für die klinische Praxis ableiten, diese besitzen aber keinen Leitliniencharakter. Eine Risiko-Nutzen-Abwägung hinsichtlich des individuellen Blutungsrisikos ist immer notwendig.
Tab. 1
Perioperative Basistherapie bei operativer Revaskularisation
• Statine (z. B. Atorvastatin oder Rosuvastatin), Ziel LDL <55 mg/dl
• Beta Blocker und ACE‐Hemmer nicht absetzen bzw. vor OP ansetzen
• RR <140/90 mm Hg (~Zielwert)
• Diab. Mell.: perioperativ sind hypo- und hyperglykämische Werte zu vermeiden, HBA1c <8,5 – diabetologisches Konsil
• Nikotinkarenz
• TFH (ASS oder Clopidogrel), postoperative ggf. Kombination mit Rivaroxaban in vaskulärer Dosierung, wenn keine Indikation zur therapeutischen oralen Antikoagulation oder dualen TFH besteht
Tab. 2
Praktische Empfehlungen zur intra- und postoperativen antithrombotischen Therapie nach chirurgischer Revaskularisation
Gefäßgebiet
Medikation
 
Intraoperativ
Postoperativ
A. carotis interna
Supraaortale Gefäße
Thorakale Aorta
Aorta abdominalis
Viszeralarterien
Iliakalarterien
Infrainguinal
3-5000 IE UFH, nach 3 h erneute 3000 IE UFH (ggf. ACT-gesteuert)
unter ASS 100
NMH – Prophylaxe bei Immobilisation
(cave Kontraindikationen für NMH)
ASS 100 oder Clopidogrel 75 dauerhaft*
Infragenual
3-5000 IE UFH, nach 3 h erneute 3000 IE UFH (ggf. ACT-gesteuert)
unter ASS 100
NMH gewichtsadaptiert 2-mal tgl. oder Perfusorgesteuerte PTT mit UFH
Kunststoffbypass:
ASS 100 und Clopidogrel 75*
Venenbypass:
VKA (INR 2–3) für mind. 1 Jahr
Venenbypass „at risk“:
VKA (INR 2–3) und ASS 100 für mind. 1 Jahr
* Nach doppelter TFH oder bei instabiler AVK ohne erhöhtes Blutungsrisiko wird 2-mal 2,5 mg Rivaroxaban plus ASS 100 (Compass-Schema) empfohlen (wenn keine weiteren VKA oder NOAK-Indikationen bestehen)
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