Viszeralvenenthrombosen (VVT) umfassen Thrombosen der Pfortader, Lebervenen (Budd-Chiari-Syndrom), Mesenterial- und Milzvenen. VVT zeigen Mortalitätsraten von bis zu 20 % und gehen oft mit myeloproliferativen Neoplasien, Thrombophilie und Leberzirrhose einher. Die Diagnose erfolgt mittels Sonografie und CT. Bei stabilem Kreislauf und fehlenden Organkomplikationen ist die Antikoagulation Therapie der ersten Wahl, die prognoseverbessernd wirkt und trotz fragiler Hämostase nicht mit einem erhöhten Blutungsrisiko einhergeht. Niedermolekulare Heparine, Vitamin-K-Antagonisten sowie DOAK kommen in Frage unter sorgfältiger Prüfung des individuellen Blutungs- und Thromboserisikos. Bei Blutungen, Darminfarkten oder anderen Komplikationen ermitteln erfahrene multidisziplinäre Teams mit chirurgischer Beteiligung die bestmögliche Therapie, die von Thrombektomie, Ballonangioplastie, Stenting, transjugulärem intrahepatischen portosystemischen Shunt bis hin zur Lebertransplantation und Darmresektion reicht.
Viszeralvenenthrombosen (VVT) gehören zu den atypischen Thrombosen und umfassen Thrombosen der Pfortader, der Lebervenen (Budd-Chiari-Syndrom), der Mesenterialvenen und der Milzvene. Das am häufigsten betroffene Gefäß ist die Pfortader mit einer Inzidenz von 2–3 pro 100.000 Personen und Jahr. In den meisten Fällen liegt der Pfortaderthrombose eine Leberzirrhose zugrunde. Pfortaderthrombosen ohne Zirrhose, Mesenterialvenenthrombosen, Milzvenenthrombose und Budd-Chiari-Syndrom sind hingegen deutlich seltener: Die Inzidenz nichtzirrhotischer Pfortaderthrombosen oder des Budd-Chiari-Syndroms wird in der europäischen Bevölkerung auf etwa 0,1–0,2 pro 100.000 Personen und Jahr geschätzt, die jährliche Inzidenz isolierter Mesenterialvenenthrombosen wird mit 1 pro 100.000 Personen und Jahr angegeben (Ageno et al. 2017). Versterben Patienten an einer VVT, dann sind Blutungskomplikationen, die Leberzirrhose an sich und das hepatozelluläre Karzinom die häufigsten Ursachen. Hingegen sind Leberversagen und Darminfarkte die häufigsten Todesursachen bei VVT-Patienten mit einem Budd-Chiari-Syndrom oder einer Mesenterialvenenthrombose. Egal, welche VVT vorliegt, allen VVT gemeinsam ist die außerordentlich hohe 30-Tage-Mortalitätsrate, die mit bis zu 20 % beziffert wird und bei Mesenterialvenenthrombosen sogar bei 60 % liegt (Riva und Ageno 2020; Thatipelli et al. 2010).
Pathophysiologie und klinische Symptome
Die Auslöser einer VVT lassen sich in lokale und systemische einteilen. Die wichtigsten lokalen Ursachen sind Leberzirrhose und bösartige Erkrankungen, gefolgt von infektiösen oder entzündlichen Abdominalprozessen (z. B. Cholezystitis, Pankreatitis, Blinddarmentzündung, Leberabszess, entzündliche Darmerkrankung) sowie chirurgischen Eingriffen (z. B. bariatrische Eingriffe, Splenektomie). Zu den systemischen Erkrankungen zählen überwiegend myeloproliferative maligne Erkrankungen wie die Polyzythaemia vera oder die essenzielle Thrombozythämie, die 30–40 % der VVT ohne Zirrhose ausmachen. In Analogie zur tiefen Beinvenenthombose und Lungenembolie können auch andere, nichthämatologische maligne Erkrankungen mit VVT assoziiert sein, ebenso hereditäre Thrombophilien, das Antiphospholipid-Syndrom und andere klassische thrombotische Risikofaktoren (Smalberg et al. 2012; Qi et al. 2015). In etwa 25–30 % aller VVT bleibt die Ätiologie kryptisch (Ageno et al. 2015).
Das klinische Bild und die Symptomatik der VVT sind außerordentlich unspezifisch, was erklärt, dass vom Einsetzen der VVT-Symptome bis zur Diagnosestellung zu viel Zeit vergeht.
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Analysen zufolge vergehen im Schnitt 7 (3–18) Tage bis zur korrekten Diagnose einer VVT. Dies ist fatal, da dieser Zeitverzug mit einem drastisch steigenden Mortalitätsrisiko einhergeht.
Fatal ist, dass jeder 5. VVT-Patient im akuten Stadium der Thrombose verstirbt (Riva und Ageno 2020; Søgaard et al. 2016). Daher ist die Kenntnis der Symptome und die Sensibilisierung für VVT bei bestimmten Patientengruppen entscheidend für das Outcome der Betroffenen.
Die am häufigsten berichteten Symptome sind Bauchschmerzen, Gastrointestinalblutungen und Aszites. Es gibt jedoch kein spezifisches oder typisches Symptom für jede einzelne VVT. Symptomatik und Anzeichen können sich zwischen den verschiedenen VVT-Typen auch überschneiden. Alle VVT-Subtypen können prinzipiell mit Bauchschmerzen oder dem Bild eines akuten Abdomens, Fieber, Aszites, Ikterus, Varizen oder einer gastrointestinalen Blutung einhergehen. Am häufigsten sind Bauchschmerzen (40–65 %), Aszites (10–70 %) und gastrointestinale Blutungen (10–30 %). Auch Übelkeit, Erbrechen oder Verwirrtheit und Koma als Zeichen der Enzephalopathie können im Zusammenhang mit VVT auftreten.
Tab. 1 gibt einen Überblick über die Vielfalt der Symptomatik. Dabei wurden die vorherrschenden Symptome eines jeden VVT-Typs hervorgehoben.
Tab. 1
Symptome der Viszeralvenenthrombosen (VVT)a. (Adaptiert nach Thatipelli et al. 2010)
aDie in ihrer Häufigkeit dominierenden Symptome sind fett gedruckt
Betrachtet man die pathophysiologischen Hintergründe der jeweiligen VVT, lassen sich die dominierenden Symptome gut erklären. Typisch für Pfortaderthrombosen ist die Pfortaderhochdruck-bedingte Ausbildung von Aszites, Ösophagusvarizen als Kollateralen und deren Pfortaderhochdruck-bedingte Blutungsneigung. Kommt es zum akuten Verschluss der Pfortader, führt dies über die verminderte Mesenterialdrainage zur Entstehung einer Darmstauung, was kolikartigen Schmerzen, Fieber und manchmal auch einen Ileus nach sich zieht. Ohne spontane oder therapeutische Rekanalisation geht die Pfortaderthrombose in ein chronisches Stadium über, in dem Kollateralen die Funktion der verschlossenen Pfortader übernehmen. Paraportale Kollateralen werden als kavernöse Transformation (Abb. 1) beschrieben, portosystemische Kollateralen verlaufen als Magen- oder Ösophagusvarizen. Diese Varizen sind die häufigste Ursache für Blutungen infolge der portalen Hypertonie.
Abb. 1
a Akute Pfortaderthrombose (Sternchen markiert die nichtperfundierte Pfortader). b Chronische Pfortaderthrombose mit kavernöser Transformation. Viele geschlängelte Kollateralen mäandern um die okkludierte Pfortader (Sternchen markiert die echoreich okkludierte Pfortader). (Mit freundlicher Genehmigung Prof. Thomas Karlas, Gastroenterologie, Universität Leipzig)
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Eine unbehandelte Pfortaderthrombose kann zwischen spontaner Rekanalisation und thrombotischem Verschluss wechseln.
Die mit Zirrhose einhergehende Pfortaderthrombose lässt sich durch den verzögerten Einstrom von Pfortaderblut in das fibrotische Lebergewebe erklären. Das häufigste klinische Zeichen ist in diesem Fall dann Aszites. Eine kavernöse Transformation hingegen ist bei Leberzirrhose-assoziierter Pfortaderthrombose selten.
Eine Pfortaderthrombose kann entweder als isolierte Thrombose oder in Kombination mit Milzvenenthrombosen auftreten. Pfortaderthrombose-Risikofaktoren werden in systemische (50–70 %) und lokale Faktoren (20–30 %) unterteilt. Zu den systemischen Risikofaktoren gehören Thrombophilien, myeloproliferative maligne Erkrankungen, Morbus Behçet, paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH) sowie häufig auch klassische Thromboserisikofaktoren wie hormonelle Kontrazeptiva, Schwangerschaft usw. Typische lokale Risiken einer Pfortaderthrombose sind Leberzirrhose, Leber- oder Bauchtumoren, intraabdominelle Entzündungen (z. B. Pankreatitis, Cholezystitis, Appendizitis, entzündliche Darmerkrankungen, Hepatitis) und chirurgische Eingriffe (Plessier et al. 2022; Tascilar et al. 2014).
Bauchschmerzen und Aszites sind die dominierenden Symptome des Budd-Chiari-Syndroms und werden durch eine Thrombose der gesamten Lebervenen und der hieraus resultierenden Leberstauung mit drohendem akuten Leberversagen erklärt.
Bauchschmerz und nicht selten das Bild eines akuten Abdomens werden bei Mesenterialvenenthrombosen beobachtet, die in einer lebensbedrohlichen Darmischämie münden können.
Diagnosestrategien
Primär Bildgebung
Im Gegensatz zu diagnostischen Algorithmen der tiefen Beinvenenthrombose ist der D-Dimer-Test nicht Teil des VVT-Diagnosepfads. Die meisten der in Abschn. 2 geschilderten Umstände führen zu einer Erhöhung des D-Dimers. D-Dimere sind unspezifisch und deren Bestimmung in diesen Fällen nicht hilfreich.
Wenn anamnestische Informationen, Risikofaktoren oder klinische Symptome den Verdacht auf eine VVT stützen, sollte die Diagnose ohne Zeitverzögerung primär durch Sonografie und/oder CT-Angiografie bestätigt werden. Alle unerklärlichen Bauchschmerzen sollten innerhalb von 24 h bildgebend untersucht werden.
Die Abdomensonografie mit farbcodiertem Duplex ermöglicht die Unterscheidung zwischen dem akutem und chronischen Stadium der Pfortaderthrombosen und beantwortet die Frage, ob eine Zirrhose vorliegt oder nicht. Für den Nachweis einer Pfortaderthrombose zeigt die Sonografie eine hohe Sensitivität (89–93 %) und Spezifität (92–99 %). Eine kontrastmittelverstärkte Computertomografie (CT) und Magnetresonanztomografie (MRT) können zur weiteren Sicherung der Diagnose und zur Suche nach bösartigen Erkrankungen, insbesondere Leberzellkarzinomen, eingesetzt werden.
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Die CT- und MRT-Empfindlichkeit kann bei Pfortaderthrombosepatienten mit Zirrhose verringert sein, wenn das Kontrastmittel so langsam anflutet, dass eine Pfortaderthrombose vorgetäuscht wird. Weitere falsch-positive Befunde können durch eine Tumorkompression oder -infiltration der Pfortader sowie durch Kontrastmittelartefakte verursacht werden (Sturm et al. 2021).
In dieser Situation kann die kontrastmittelverstärkte Sonografie zur Unterscheidung zwischen Tumorinfiltration bzw. -kompression und Thrombus hilfreich sein. Auch Zufallsbefunde einer Pfortaderthrombose oder Mesenterialvenenthrombose, die im CT oder MRT gesehen wurden, sollten vor Einleitung einer Antikoagulationstherapie mit (Kontrastmittel-)Sonografie verifiziert werden.
Im Falle einer Pfortaderthrombose mit Zirrhose sollte zusätzlich eine Ösophagogastroskopie durchgeführt werden, um das Ausmaß der Magen- und Ösophagusvarizen als potenzielle Blutungsquelle zu beurteilen.
Die Sonografie ist auch das primäre bildgebende Verfahren zur Diagnose des Budd-Chiari-Syndroms mit einer Sensitivität und Spezifität von etwa 85–90 % (Northup et al. 2021; EASL Clinical Practice Guidelines 2016). Die sonografische Diagnose erfordert dann wiederum eine Bestätigung durch CT- oder MRT-Diagnostik, einschließlich der Suche nach hepatozellulären Malignomen. Eine Leberbiopsie kann hilfreich sein, wenn nur kleinere intrahepatische Venen betroffen sind oder andere Lebererkrankungen ausgeschlossen werden sollen (Northup et al. 2021; Franchis 2015).
Im Gegensatz zur Pfortaderthrombosen- und Budd-Chiari-Syndrom-Diagnostik ist bei Patienten mit Mesenterialvenenthrombose die Schnittbildgebung der Sonografie überlegen. Die Sensitivität der Sonografie zur Erkennung einer Mesenterialvenenthrombose ist mit 70–90 % nicht hoch genug, was auf die oft schwierige sonografische Darstellung von Mesenterialvenen zurückzuführen ist. Hier überzeugt die MR-Venografie mit einer Sensitivität und Spezifität von nahezu 100 %. Die CT-Diagnostik erreicht eine Sensitivität von 91–95 % und eine Spezifität von 94–100 % und ist deshalb von Vorteil, da sie nahezu überall verfügbar ist und auch eine Beurteilung des Darms auf ischämische Zeichen ermöglicht (EASL Clinical Practice Guidelines 2016; Björck et al. 2017).
In der CT-Diagnostik ist es wichtig, sowohl eine arterielle als auch eine portalvenöse Phase darzustellen, um Darmischämien zuverlässig zu erkennen. Anzeichen einer akuten Darmischämie sind eine Wandverdickung oder -dilatation sowie intestinale und portalvenöse Gaseinschlüsse.
Obligatorisches Screening auf myeloproliferative und thrombophile Erkrankungen
Myeloproliferative Erkrankungen machen etwa 30–40 % der VVT-Fälle ohne begleitende Zirrhose oder andere bösartige Erkrankungen aus. Es wird empfohlen, auch ein Screening auf eine Mutation von JAK2-V617F durchzuführen, die bei etwa 95 % der Polyzythaemia vera und bei 40–50 % der essenziellen Thrombozythämie nachweisbar ist.
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Das Screening auf JAK2-Mutationen bei Patienten mit VVT kann in etwa 15 % der Fälle eine myeloproliferative Störung diagnostizieren, bevor typische Veränderungen des Blutbilds auftreten. Daher wird angenommen, dass VVT als Frühmanifestation myeloproliferativer Malignome, also als eine Art Vorbote, auftreten.
Bei JAK2-V617F-negativen Patienten sollte eine erweiterte hämatologische Untersuchung mit Screening auf Calreticulin-Mutationen oder eine Knochenmarksbiopsie durchgeführt werden.
Asymptomatische, inzidentelle und chronische VVT
Etwa 10–25 % der VVT verlaufen asymptomatisch und werden als Zufallsbefund entdeckt. Ohne klinische Symptome ist es dann schwierig, zwischen akuter und chronischer Thrombose zu unterscheiden. Lassen sich jedoch variköse Erweiterungen der Paraportalvenen (kavernöse Transformation) feststellen, kann von einer chronischen Pfortaderthrombose ausgegangen werden. Aufgrund der Tatsache, dass die Wahrscheinlichkeit einer effektiven Rekanalisation mit verspätetem Beginn der Antikoagulation sinkt, sollte zumindest versucht werden, herauszufinden, ob die Thrombose frisch ist oder nicht.
Therapie der VVT
In allen Fällen einer VVT sollen sowohl das Ausmaß der Thrombose als auch bereits bestehende Risikofaktoren oder Komorbiditäten sorgfältig dokumentiert werden, da die Identifizierung der Risikofaktoren wichtige Auswirkungen auf weitere Therapieentscheidungen hat.
Die therapeutische Antikoagulation ist die Erstlinientherapie bei stabilen Patienten mit akuter und symptomatischer Pfortaderthrombose, Mesenterialvenenthrombose und Budd-Chiari-Syndrom. Sie verhindert das Fortschreiten der Thrombose, minimiert das Risiko von Organkomplikationen, wie Darminfarkt und Leberversagen, und verhindert durch die Rekanalisierung der VVT die Entwicklung einer portalen Hypertonie.
Vor Beginn der Antikoagulation sollen folgende Fragen beantwortet werden (s. Übersicht).
Fragen vor Beginn einer therapeutischen Antikoagulation bei VVT
Ist der Patient in einem stabilen oder instabilen klinischen Zustand?
Liegt eine eingeschränkte Leberfunktion vor?
Ist die VVT akut oder chronisch?
Handelt es sich bei der VVT um einen zufälligen, asymptomatischen Befund?
Akute symptomatische VVT, kritisch und instabil
Bei etwa 5 % aller Patienten mit VVT kommt es trotz Antikoagulation innerhalb der ersten Tage zu einer klinischen Verschlechterung. Bestehen Anzeichen einer akuten Darmischämie, eines Infarkts, einer Peritonitis oder einer Perforation, ist eine offene chirurgische Therapie, ggf. mit Darmresektion, unumgänglich. Patienten mit Budd-Chiari-Syndrom haben ein hohes Risiko für ein akutes Leberversagen, weswegen endovaskuläre Strategien wie lokale Thrombolyse, Thrombektomie, Ballonangioplastie und Stenting sowie transjuguläre, intrahepatische, portosystemische Shunts (TIPS) oder eine Lebertransplantation in Betracht gezogen werden müssen, wenn Organkomplikationen drohen.
Instabile Patienten mit Hypotonie, Schock, hohem Laktatspiegel oder Magen-Darm-Blutungen sollten umgehend von einem multidisziplinären Team, bestehend aus erfahrenen Internisten, Gefäßspezialisten/Angiologen oder radiologischen Interventionalisten und Chirurgen, beurteilt werden. Endovaskuläre Strategien, TIPS oder Lebertransplantation sind Therapieoptionen, wenn eine Antikoagulation allein nicht erfolgversprechend ist.
Bei instabilen Zuständen, insbesondere bei Patienten mit akuter Mesenterialvenenthrombose, soll unfraktioniertes Heparin (UFH) verwendet werden aufgrund seiner kürzeren Halbwertszeit und besseren Kontrollierbarkeit, was bedeutsam ist, wenn noch nicht klar ist, ob eine chirurgische oder endovaskuläre Intervention bevorsteht. Bei drohendem oder bereits vorliegendem Darminfarkt ist die sofortige chirurgische Therapie obligat.
Akute symptomatische VVT, stabil und ohne Organkomplikationen
Kreislaufstabile Patienten mit einer akuten VVT ohne Organkomplikationen, wie Darminfarkt, Leberversagen oder gastrointestinale Blutungen, sollten rasch therapeutisch antikoaguliert werden. Nach der Initialphase mit niedermolekularem Heparin (NMH) können entweder NMH weiter eingesetzt werden oder direkt wirkende orale Antikoagulanzien (DOAK) oder Vitamin-K-Antagonisten (VKA). Internationale Richtlinien empfehlen eine Mindesttherapiedauer von 3–6 Monaten für symptomatische Thrombosen.
In Einzelfällen, z. B. bei einigen Patienten mit Leberzirrhose und Pfortaderthrombose, kann eine längere Antikoagulationsdauer von 12 Monaten nötig sein, um eine Rekanalisierung der Pfortader zu erreichen.
Bei eindeutigem und nur vorübergehendem Risikofaktor, der die VVT ausgelöst hatte und nicht mehr vorhanden ist, kann die Antikoagulation nach 3–6 Monaten beendet werden. In einer prospektiven Registerstudie betrug das VVT-Rezidivrisiko bei passagerem Auslöser 3,2 % pro Jahr, während es bei anhaltendem Risikofaktor (z. B. Zirrhose) bei 11,3 % pro Jahr lag (Ageno et al. 2015).
Bei spontaner Thrombose ohne nachweisbare Auslöser, persistierende Risikofaktoren, rezidivierende Thrombose, Budd-Chiari-Syndrom, intestinale Ischämie oder Mesenterialvenenthrombose sowie bei Patienten mit Leberzirrhose, die für eine Lebertransplantation in Frage kommen, sollte die Antikoagulation auf unbestimmte Zeit fortgesetzt werden.
Für die Wirksamkeit einer dosisreduzierten, verlängerten Antikoagulation mit Apixaban oder Rivaroxaban analog zur verlängerten Sekundärprophylaxe bei Patienten mit tiefer Beinvenenthrombose oder Lungenembolie liegen derzeit keine Belege vor.
Inzidentelle, asymptomatische und chronische VVT
Bei einer asymptomatischen Pfortaderthrombose, die sich vermutlich innerhalb der letzten Monate entwickelt hat, wird eine Therapiedauer von mindestens 3 Monaten favorisiert. Im Gegensatz dazu scheinen Patienten mit chronischem Verschluss der Pfortader, kavernöser Transformation und bereits bestehenden Kollateralen nicht von einer Antikoagulation zu profitieren, es sei denn, sie litten an MesV (Mesenterialvenenthrombosen) oder einer rezidivierenden Thrombose; in diesen Fällen wird eine Antikoagulation empfohlen.
Fragile, aber balancierte Hämostase
Es ist zu beachten, dass bei Patienten mit Leberzirrhose und eingeschränkter Leberfunktion die hepatische Synthese sowohl der Gerinnungs- als auch der Fibrinolysefaktoren beeinträchtigt ist. Darüber hinaus liegt oft zusätzlich eine reduzierte Thrombozytenzahl als Folge einer portalen Hypertonie vor. Veränderte Routinetests (z. B. Quick/International Normalised Ratio [INR]), aktivierte partielle Thromboplastinzeit [aPTT], Antithrombin) und die Thrombozytopenie können zu der falschen Annahme einer „Autoantikoagulation“ führen. Es wurde jedoch bestätigt, dass Patienten mit stabiler Leberzirrhose trotz veränderter Faktoren bei der primären Hämostase, Gerinnung und Fibrinolyse über ein ausgeglichenes hämostatisches System verfügen, das jedoch leicht durch Dekompensation oder Infektion sowohl in hämorrhagischer als auch in thrombotischer Richtung verändert werden kann (Leonardie et al. 2017).
Die Bestimmung von aPTT, Anti-Xa-Spiegel oder INR bei eingeschränkter Leberfunktion ist nur begrenzt sinnvoll. Standardlabortests können das Blutungsrisiko nicht vorhersagen und sind für die Beurteilung des hämostatischen Status bei diesen Patienten unzureichend.
Bedeutsam ist auch, dass die gefürchteten Blutungen weniger durch einen Faktorenmangel, sondern hauptsächlich durch Pfortaderhochdruck und Ösophagusvarizen bestimmt werden, weshalb beides behandelt werden sollte.
Wirksamkeit und Sicherheit von Antikoagulanzien
Einer Metaanalyse zufolge haben VVT-Patienten unter Antikoagulation ein deutlich geringeres Risiko für Thrombusprogress und Rezidivthrombosen sowie eine stark reduzierte Mortalität (Candeloro et al. 2022). Das Risiko schwerer Blutungen war bei antikoagulierten Patienten am geringsten. Interessanterweise zeigen zirrhotische Pfortaderthrombosepatienten mit Antikoagulation signifikant geringere Raten spontaner Ösophagusblutungen, was durch höhere Rekanalisationsraten der Pfortaderthrombosen mit der Folge eines niedrigeren Pfortaderdrucks erklärt wird (Loffredo et al. 2017).
Niedermolekulare Heparine (NMH)
NMH können bei eingeschränkter Leberfunktion Vorteile bieten, da ihre Wirkung unabhängig vom Leberstoffwechsel ist und umfangreiche Erfahrungen mit Dosisanpassungen bei Thrombozytopenie oder hohem Blutungsrisiko vorliegen. Patienten mit Fettleibigkeit, Niereninsuffizienz oder während der Schwangerschaft sollten durch regelmäßige klinische Kontrollen eng überwacht werden und sollten angewiesen werden, sofort alle Anzeichen zu melden, die auf ein unerwünschtes Ereignis hinweisen könnten. Ob und wie eine Dosisanpassung erfolgen sollte, wird kontrovers diskutiert.
Vitamin-K-Antagonisten (VKA)
Vitamin-K-Antagonisten werden mit einem INR-Zielwert von 2,0–3,0 eingesetzt. Die eingeschränkte Aussagekraft des INR-Werts bei Patienten mit Leberzirrhose muss bedacht werden: Die INR kann für die tatsächliche Antikoagulationsintensität repräsentativ sein oder auch nicht. Darüber hinaus kann die INR leicht durch Nahrungsmittel und Medikamente beeinflusst werden, was die Beurteilung der Wirksamkeit von VKA zusätzlich erschwert.
Direkte orale Antikoagulanzien (DOAK)
Inwieweit DOAK eine zumindest gleichwertige oder überlegene Therapieoption im Vergleich zur sequenziellen Therapie mit Heparin und VKA darstellen, kann derzeit nicht abschließend beurteilt werden, da Patienten mit Leberzirrhose und relevanter Leberinsuffizienz bewusst aus DOAK-Phase-III-Studien ausgeschlossen wurden. Retrospektive Studien und ein systemisches Review konnten keine Überlegenheit für eines der beiden Therapieregime belegen (Gupta et al. 2021). Es könnte von Vorteil sein, dass DOAKs einem First-Pass-Effekt in der Leber unterliegen und deshalb in hoher Dosis den Pfortaderweg nehmen; als nachteilig hingegen ist die enterale DOAK-Resorption anzusehen, die insbesondere bei Darmischämie beeinträchtigt sein kann.
Abhängig vom Schweregrad der Leberinsuffizienz, bestimmt durch das Child-Pugh-Staging, gibt Tab. 2 einen Überblick über Dosierung und Kontraindikationen oraler Antikoagulanzien nach aktuellem Stand der Fachinformationen.
Tab. 2
Dosierung und Kontraindikationen oraler Antikoagulanzien in Abhängigkeit des Schweregrades der Leberinsuffizienz. Gemäß der jeweiligen Fachinformation zeigen die grün hinterlegten Felder den möglichen Einsatz der Antikoagulanzien an, die hellblau hinterlegten Felder mahnen zur Vorsicht und weisen auf Einschränkungen in der Anwendung an, die rot hinterlegten Felder stehen für Kontraindikationen. ASAT/ALAT Transaminasen; Bili Bilirubin; ULN oberer Referenzwert; KI Kontraindikation
Vor und während der Antikoagulation
Vor der Entscheidung über eine Antikoagulation oder zu Beginn einer Antikoagulationstherapie sollte das Risiko-Nutzen-Verhältnis für den einzelnen Patienten sorgfältig abgewogen und dokumentiert werden. Risikofaktoren für Blutungen sind Ösophagusvarizen, wenn sie nicht vor der Antikoagulation behandelt werden, und eine schwere Thrombozytopenie. Der Grenzwert einer schweren Thrombozytopenie bleibt umstritten. Obwohl einige Studien gezeigt haben, dass eine Thrombozytenzahl von < 50 × 109/l das Blutungsrisiko bei Patienten mit Leberzirrhose erhöht, konnten dies andere nicht bestätigen (Hepatobiliary Disease Study Group 2021).
Eine Ösophagogastroskopie sollte durchgeführt werden, um nach Anzeichen einer portalen Hypertonie zu suchen und evtl. Ösophagusvarizen zu ligieren. Es wird zudem empfohlen, Helicobacter pylori (H. p.) zu eradizieren, falls nachweisbar, um das H. p.-assoziierte Risiko für Schleimhautläsionen zu minimieren. Zur Senkung des Pfortaderhochdrucks und damit des Blutungsrisikos sollten nichtselektive β-Blocker eingesetzt werden. Darüber hinaus sollten alle VVT-Patienten Protonenpumpenhemmer erhalten, insbesondere bei Magenulzera. Alle Medikamente mit potenziellem Blutungsrisiko sollten kritisch bewertet und, wenn möglich, abgesetzt werden. Dies betrifft z. B. nichtsteroidale entzündungshemmende Arzneimittel (NSAR), Thrombozytenaggregationshemmer, Glukokortikoide, Ginkgo usw. Falls zutreffend, sollte auch eine Alkoholentwöhnung angestrebt werden.
Die Messung der Ausgangswerte der Leber- und Nierenfunktion, des vollständigen Blutbildes, der Prothrombinzeit/INR und der aktivierten partiellen Thromboplastinzeit (mit allen besprochenen Einschränkungen) ist sinnvoll für die Nachsorge, um geringfügige Blutverluste frühzeitig zu erkennen und die Dosierungsanpassung einzelner Medikamente vorzunehmen. Abb. 2 fasst den Algorithmus für die wichtigsten therapeutischen Aspekte unter Berücksichtigung des klinischen Verlaufs zusammen.
Abb. 2
Therapiealgorithmus zur Behandlung der VVT in Abhängigkeit vom klinischen Verlauf. (Adaptiert nach Linnemann et al. 2023). BCS Buddd-Chiari-Syndrom; DOAK direkte orale Antikoagulanzien; NMH niedermolekulares Heparin; MesVT Mesenterialvenenthrombose; PPI Protonenpumpenhemmer; PVT Pfortaderthrombose; UFH unfraktioniertes Heparin; VKA Vitamin-K-Antagonisten
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Unter Beachtung aller genannten Umstände ist der Einsatz von Antikoagulanzien sicher, verbessert das Überleben und geht im Vergleich zu unbehandelten Patienten nicht mit höheren Blutungsraten einher.
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