Bei der Behandlung einer akuten schweren Blutung müssen verschiedene Aspekte adressiert werden. Neben einer Wiederherstellung der Normovolämie gilt es, eine an die Situation und den Patienten angepasste adäquate Hämoglobinkonzentration zur Sicherstellung der Gewebeoxygenierung
aufrechtzuerhalten sowie eine suffiziente
Hämostase zu ermöglichen. Hinweise auf entsprechende Transfusionstrigger geben die Richtlinie zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (
Bundesärztekammer 2023) sowie die Querschnitts-Leitlinien zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten (Bundesärztekammer
2020).
Im Fall einer massiven Blutung muss zunächst die Ursache eruiert und gezielt adressiert werden (Kompression, chirurgische Blutstillung, interventionelle Blutstillung). Parallel kann ein hybrider Ansatz
aus Volumenersatz mit kristalloiden Infusionslösungen, Transfusion
allogener Blutprodukte, z. B. in einem Verhältnis EK:FFP:TK 4:4:1, und parallel beginnendem gezieltem Gerinnungsmanagement nötig werden (Johansson et al.
2014). Ziel ist es, hierbei eine Normovolämie sowie einen suffizienten Hb-Wert aufrechtzuerhalten, aber auch durch gezieltes Gerinnungsmanagement sowie, falls möglich, durch den Einsatz fremdblutsparender Maßnahmen wie die maschinelle Autotransfusion die Transfusion allogener Blutprodukte bzw. die Fremdblutexposition auf das niedrigste nötige Maß zu reduzieren (Turan et al.
2013).
Gezieltes Gerinnungsmanagement
, sowohl im Rahmen einer Massivblutung als auch bei diffusen
Blutungsneigungen, beinhaltet die Betrachtung verschiedener Aspekte der
Hämostase und bei Vorliegen von Pathologien deren gezieltes Therapieren. Hierzu eignen sich insbesondere funktionelle Gerinnungstests wie die Viskoelastometrie,
, mit deren Hilfe der Bedarf an
allogenen Blutprodukten gesenkt werden kann (Innerhofer et al.
2017; Stein et al.
2017; David et al.
2023). In einem ersten Schritt kann innerhalb weniger Minuten das Vorliegen einer Hypofibrinogenämie detektiert werden.
Fibrinogen ist essenzieller Baustein des Gerinnsels (Olde Engberink et al.
2014; Collins et al.
2014; Magunia et al.
2020). In einem zweiten Schritt gilt, es den Fokus auf die Gerinnselstabilität zu legen und das Vorhandensein einer
Hyperfibrinolyse zu untersuchen. Diese verhindert eine stabile Hämostase und beeinflusst das Outcome der Patienten negativ (Kim et al.
2018). Sollte diese vorliegen, kann sie mit dem Antifibrinolytikum Tranexamsäure behandelt werden (Yu und Ling
2023; Al-Dardery et al.
2023). In einem dritten Schritt kann die Zeit bis zur Entstehung eines Gerinnsels beurteilt werden. Hier können Mängel an
Gerinnungsfaktoren sowohl im intrinsischen als auch im extrinsischen Gerinnungsweg erkannt und entsprechend therapiert werden. Verlängerte Gerinnselbildungszeiten in den die extrinsische Gerinnungskaskade abbildenden Assays (z. B. EX-Test® oder EXTEM®) können gezielt mit Prothrombinkomplexpräparaten behandelt werden, dies gilt insbesondere bei Medikation mit
Vitamin-K-Antagonisten (Brekelmans et al.
2017). Verlängerungen der Gerinnselbildungszeit im die intrinsische Kaskade abbildenden Assay (z. B. IN-Test® oder INTEM®) lassen unspezifisch auf Faktorenmangel schließen. Neben der gezielten Substitution spezifischer Faktorenkonzentrate kann Fresh-Frozen-Plasma (FFP)
verabreicht werden. Hierbei ist zu jedoch zu bedenken, dass die Gerinnungsfaktoren im Gegensatz zu Faktorenkonzentraten nur in physiologischer Konzentration im FFP vorliegen und zum Ausgleich von Faktorenmängeln hohe Volumina an FFP notwendig sind, andererseits FFP auch Faktoren (Faktor V, Faktor XI) enthält, für welche keine spezifischen Konzentrate verfügbar sind. Idealerweise wird nach jeder Intervention die Situation neu evaluiert und bewertet. Ein zielgerichtetes Vorgehen nach Algorithmus bietet klare Vorteile. Hierfür haben sich in den letzten Jahren verschiedene Algorithmen zum Teil an die behandelten Patientenkollektive angepasst (Stein et al.
2017; Görlinger et al.
2019). In Blutungssituationen mit Patienten unter Antikoagulation kommen neben den oben aufgeführten Maßnahmen die spezifischen Therapien mit Antagonisten wie PPSB, Protamin, Andexanet alfa oder Idarucizumab hinzu. In jedem Schritt sollten auch mit Aufrechterhaltung der Normothermie
, eines physiologischen pH-Wertes
sowie einer suffizienten Calcium-Konzentration
die Grundvoraussetzungen für eine adäquate Hämostase adressiert werden. Falls unter Ausschöpfung aller Maßnahmen eine schwere Blutung nicht stillbar ist, kann als Ultima Ratio die Gabe von rekombinantem aktiviertem Faktor VII erwogen werden; jedoch sollte vorher sichergestellt sein, dass die o.g. physiologischen Grundvoraussetzungen der Hämostase ausreichend adressiert wurden (Rossaint et al.
2023; Kietaibl et al.
2023).