Einführung
Venöse Thromboembolien (
VTE) sind eine der Hauptursachen für Morbidität und Mortalität in der Schwangerschaft
und im
Wochenbett (Say et al.
2014). Die Häufigkeit einer VTE beträgt 1,2 pro 1000 Schwangerschaften. Das VTE-Risiko von Schwangeren ist durchschnittlich 5-fach höher als von nicht schwangeren Frauen. Es steigt mit zunehmender Schwangerschaftsdauer an und ist um den Geburtszeitpunkt am höchsten. Postpartal sinkt es innerhalb weniger Wochen und ist sechs Wochen postpartal nur noch geringfügig erhöht.
Tiefe Beinvenenthrombosen (TVT) machen ca. 75–80 % aller Schwangerschafts-assoziierten VTEs aus. Dabei kommen vor allem linksseitige iliofemorale Thrombosen mit und ohne Beteiligung der distalen Venen in der Schwangerschaft gehäuft vor. Ca. 20–25 % aller VTE manifestieren sich als Lungenarterienembolie (LAE) (James et al.
2006).
Prothrombotische Veränderungen in der Schwangerschaft
Anatomische und physiologische Veränderungen tragen zu einem erhöhten
VTE Risiko in der Schwangerschaft
bei. Die venöse Stase in den unteren Extremitäten wird durch
Progesteron erhöht und der sich mit zunehmender Entwicklung des Kindes vergrößernde Uterus führt zu einer Kompression der Vena cava inferior sowie der Beckenvenen. Schwangerschaftsbedingte Veränderungen des Hämostasesystems bewirken durch eine Verschiebung des Gerinnungsgleichgewichts eine Hyperkoagulabilität, deren Ziel die Verminderung des peripartalen Blutverlustes ist. Im Verlauf der Schwangerschaft kommt es zu einem Anstieg der prokoagulatorischen
Gerinnungsfaktoren, wohingegen die antikoagulatorischen Gerinnungsfaktoren signifikant abfallen. Physiologischerweise erhöhen sich hierbei die Aktivitäten des von Willebrand Faktors sowie der Gerinnungsfaktoren II, VII, VIII und IX. Bereits sehr früh im ersten Trimenon kommt es zu einem signifikanten Abfall des
Protein S. Eine erworbene Resistenz gegenüber aktivierten
Protein C wird bei 40–60 % der Schwangerschaften, vor allem im zweiten und dritten Trimester beobachtet, und ist abhängig vom verwendeten Testsystem. Zusätzlich liegen eine verminderte fibrinolytische Aktivität sowie eine erhöhte Bereitschaft zur Thrombozytenaggregation vor (Szecsi et al.
2010).
Individuelle Risikofaktoren
Neben den erwähnten physiologischen Veränderungen gibt es zahlreiche weitere Faktoren, die das VTE-Risiko in der Schwangerschaft
erhöhen. Diese lassen sich in vorbestehende Risikofaktoren sowie spezielle Risikofaktoren in der Schwangerschaft und der Wochenbettphase einteilen (Tab.
1).
Tab. 1
Risikofaktoren für
VTE in der Schwangerschaft
und im
Wochenbett. Zu den Hauptrisikofaktoren gehören eine VTE in der Eigenanamnese, das Vorliegen einer
Thrombophilie sowie eine positive Familienanamnese für VTE
•VTE in der Vorgeschichte •Hereditäre Thrombophilie •Antiphospholipid-Syndrom •Familienanamnese für VTE •Alter > 35 Jahre •Adipositas (BMI ≥ 30 kg/m2) •Rauchen (>10 Zigaretten/Tag) •Varikosis •Komorbiditäten, wie Herzerkrankung, systemischer Lupus erythematosus, chronisch entzündliche Darm- erkrankung, maligne Grunderkrankung, Paraplegie | •Mehrlingsschwangerschaft •Gewichtszunahme > 21 kg •Ovarielles Hyperstimulations- Syndrom (OHSS) •Hyperemesis gravidarum •Präeklampsie •Immobilisation (≥ 4 Tage) | •Sectio caesarea •Postpartale Infektion •Peripartaler Blutverlust (> 1000 mL) •Transfusion •Frühgeburt < 37. Woche •Totgeburt |
Zu den wichtigsten Risikofaktoren gehören eine
VTE in der Vorgeschichte, eine angeborene
Thrombophilie und eine positive Familienanamnese für VTE-Ereignisse.
Die in Tab.
1 dargestellten weiteren Risikofaktoren erhöhen das VTE-Risiko zusätzlich, wobei unklar ist, ob sich die Effekte addieren, multiplizieren oder potenzieren (Hart et al.
2020).
VTE in der Eigenanamnese
Schwangere mit einer vorausgegangen
VTE weisen ein drei- bis vierfach höheres Risiko für ein VTE-Rezidiv in der Schwangerschaft
als außerhalb der Schwangerschaft auf (Pabinger et al.
2002).
Das Rezidivrisiko hängt hierbei davon ab, unter welchen Umständen die
VTE in der Vergangenheit aufgetreten ist.
Das absolute VTE-Rezidivrisiko ist mit 4–10 % deutlich erhöht, wenn die vorausgegangene
VTE unter Einnahme hormoneller Kontrazeptiva bzw. im Rahmen einer Schwangerschaft oder im
Wochenbett aufgetreten ist oder idiopathischer Genese war. Im Gegensatz hierzu ist das absolute Rezidivrisiko nach einer im Rahmen einer eindeutigen Risikosituation entstanden VTE (z. B. postoperativ oder nach Trauma mit gelenküberschreitendem Verband) ohne Hormonexposition mit <1–2 % nur geringfügig erhöht (De Stefano et al.
2006).
Hereditäre Thrombophilie und positive Familienanamnese für VTE
Das Vorliegen einer bekannten
hereditären Thrombophilie erhöht das VTE-Risiko in der Schwangerschaft
. Unter Berücksichtigung der physiologischen Veränderungen des Hämostasesystems kann eine Testung auf hereditäre
Thrombophilie in der Schwangerschaft und im
Wochenbett nicht empfohlen werden. Diese sollte in Ausnahmefällen und nur dann erfolgen, wenn aus dem Testergebnis eine therapeutische Konsequenz für die Schwangere abgeleitet werden kann. Das VTE-Risiko unterscheidet sich je nach zugrunde liegendem Defekt und wird bei Vorliegen von mehreren thrombophilen Defekten zusätzlich erhöht. Zu den evidenzbasierten thrombophilen Defekten gehören die genetisch bedingte Faktor V Leiden (FVL) sowie
Prothrombin G20210A Mutation (PGM) sowie ein hereditärer Mangel an den Gerinnungsinhibitoren Antithrombin,
Protein S und
Protein C (Linnemann und Hart
2019). Schwangere Frauen mit einer in der deutschen Bevölkerung häufig vorkommenden FVL oder PGM in heterozygoter Ausprägung haben ohne weitere Risikofaktoren und ohne vorausgegangene
VTE ein niedriges Risiko für eine ante- oder postpartale VTE (absolutes Risiko ~1 %). Bei Vorliegen einer homozygoten FVL oder PGM oder von kombinierten heterozygoten Mutationen liegt das absolute VTE-Risiko zwischen 4–14 %. Angeborene Mangelzustände der physiologischen Gerinnungsinhibitoren Antithrombin, Protein C und Protein S kommen generell in der Allgemeinbevölkerung und somit auch bei Schwangeren selten vor, so dass deren thrombophiles Risiko schwer abzuschätzen ist. Das VTE-Risiko erhöht sich mit zunehmender Aktivitätsminderung (z. B. Antithrombin <60 %, Protein C <50 %, Protein S <40 %) und wird beim Antithrombin-Mangel zusätzlich vom zugrunde liegenden Subtyp und molekularen Veränderungen bestimmt (Gerhardt et al.
2016). Quantitative Störungen im Antithrombin (Typ I) oder Mutationen im reaktiven Zentrum (Typ IIa) bzw. pleiotrope Defekte (Typ IIc) haben ein deutlich höheres VTE-Risiko als Mutationen im Bereich der Heparin-Bindungsstelle (Typ IIb). Das VTE-Risiko wird bei Vorliegen einer positiven Familienanamnese zusätzlich erhöht, insbesondere wenn erstgradige Verwandte von einer VTE betroffen sind. Bei einem hereditären Gerinnungsinhibitor-Mangel ohne positive Familienanamnese liegt das absolute VTE-Risiko bei ~1 %, bei positiver Familienanamnese erhöht sich das VTE-Risiko auf 2–6 %. Tab.
2 gibt einen Überblick über das VTE-Risiko der hereditären thrombophilen Defekte in der Schwangerschaft unter Berücksichtigung der Familienanamnese (Middeldorp
2013).
Tab. 2
Hereditäre Thrombophilie und VTE-Risiko in der Schwangerschaft und im Wochenbett
FVL, heterozygot | 8,3 (5,4–12,7) | 3,1 (2,1–4,6) | 1,2 (0,8–1,8) |
FVL, homozygot | 34,4 (9,9–120) | 14,0 (6,3–25,8) | 4,8 (1,4–16,8) |
PGM, heterozygot | 6,8 (2,5–18,8) | 2,6 (0,9–5,6) | 1,0 (0,3–2,6) |
PGM, homozygot | 26,4 (1,2–559) | - | 3,7 (0,2–78,3) |
Antithrombin-Mangel** | 4,7 (1,3–17) | 3,0 (0,08–15,8) | 0,7 (0,2–2,4) |
Protein C-Mangel | 4,8 (2,2–10,6) | 1,7 (0,4–8,9) | 0,7 (0,3–1,5) |
Protein S-Mangel | 3,2 (1,5–6,9) | 6,6 (2,2–14,7) | 0,5 (0,2–1,0) |
Antiphospholipid-Syndrom
Beim
Antiphospholipid-Syndrom (APS) handelt es sich um eine
erworbene Thrombophilie. Die Erkrankung ist durch das Vorliegen von Antiphospholipid-Antikörpern charakterisiert, die das VTE-Risiko sowohl in der arteriellen, venösen und kapillären Strombahn erhöhen und mit spezifischen Schwangerschaftskomplikationen assoziiert sind. Das Thromboembolie-Risiko in der Schwangerschaft
hängt u. a. von der Zahl der positiven Antikörper-Entitäten und deren Titerhöhe ab. Bezüglicher weiterer Informationen wird auf Kapitel 23.6 verwiesen.
Leitlinien und Positionspapiere
In Hinblick auf eine medikamentöse VTE-Prophylaxe in der Schwangerschaft
und im
Wochenbett gibt es in der Literatur keine ausreichende Studienlage und wenig Evidenz. Die Empfehlungen zur VTE-Prophylaxe werden oftmals aus Fall-Kontrollstudien und Beobachtungsstudien sowie von Empfehlungen von nicht-schwangeren Frauen abgeleitet. Die Empfehlungsgrundlage unterscheidet sich in den einzelnen internationalen Leitlinien (Bates et al.
2012,
2018, Nelson-Piercy
2015). Die Empfehlungen der Arbeitsgruppe „Women’s Health“ der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung (GTH), die 2020 veröffentlich wurden, basieren auf einer entsprechenden Literaturrecherche, der Expertise der Arbeitsgruppe und berücksichtigen die gegenwärtige Praxis in Deutschland (Hart et al.
2020).
Evaluation des VTE-Risikos
Eine Einschätzung des individuellen VTE-Risikos sollte allen Frauen vor oder zu Beginn einer Schwangerschaft
angeboten werden. Eine besondere Beachtung sollten hierbei Frauen mit vorausgegangener
VTE, bekannter
Thrombophilie oder positiver Familienanamnese erhalten. Darüber hinaus ist eine Reevaluation und ggf. Anpassung von Therapieentscheidungen bei Auftreten von weiteren Risikofaktoren (z. B. Immobilisierung), bei Krankenhauseinweisungen, zum Entbindungstermin sowie nach der Geburt sinnvoll. Für die Entscheidung zur VTE-Prophylaxe ist das absolute VTE-Risiko der Schwangeren ausschlaggebend.
Nach Abwägung des VTE-Risikos und des Blutungsrisikos unter einer medikamentösen VTE-Prophylaxe kann von einem klinischen Benefit einer medikamentösen
VTE Prophylaxe ausgegangen werden, wenn das absolute VTE-Risiko bei mindestens 3 % liegt (Skeith
2017). Bei der Entscheidung für oder gegen eine medikamentöse Prophylaxe sollte stets die individuelle Präferenz der Schwangeren mit einbezogen werden.
Niedermolekulare Heparine (NMH) sind die Medikamente der Wahl in der Schwangerschaft und der Stillzeit.
Wird eine medikamentöse VTE-Prophylaxe in der Schwangerschaft empfohlen, so sollte diese im ersten Trimester eingeleitet werden und bis sechs Wochen postpartal fortgeführt werden. Standardmäßig erfolgt die Prophylaxe mit NMH in der Dosierung für den Hochrisikobereich.
Schwangere mit erhöhtem VTE-Risiko sollten über Symptome einer TVT und LAE aufgeklärt werden und informiert sein, sich bei entsprechender Klinik umgehend ärztlich vorzustellen, um die Verdachtsdiagnose zeitnah auszuschließen oder zu bestätigen.
Im Rahmen der Evaluation einer VTE-Prophylaxe werden drei wesentliche Situationen unterschieden: Vorliegen einer
hereditären Thrombophilie ohne
VTE, vorausgegangene VTE mit beendeter Antikoagulation sowie vorausgegangene VTE mit bei Eintritt der Schwangerschaft
noch andauernder Antikoagulation.
Situation 3: Vorausgegangene VTE mit fortgesetzter Antikoagulation
Sowohl
direkte orale Antikoagulanzien (DOAK) als auch
Vitamin-K-Antagonisten (VKA) sind plazentagängig und für die VTE-Therapie bzw. die Sekundärprophylaxe während der Schwangerschaft
kontraindiziert. In Tierversuchsstudien konnte gezeigt werden, dass Dabigatran und Rivaroxaban eine fortpflanzungsgefährdende Toxizität aufweisen (Bapat et al.
2014,
2015). In einem humanen ex-vivo Plazentamodell konnten bei einer maternalen Exposition mit Apixaban in der fötalen Zirkulation 35–90 % der maternalen Apixaban-Spiegel nachgewiesen werden (Bapat et al.
2016). In einer retrospektiven Analyse wurden insgesamt 614 Fälle mit einer DOAK-Exposition in der Schwangerschaft untersucht (Beyer-Westendorf et al.
2020). Eine Exposition mit Rivaroxaban, Dabigatran, Apixaban und Edoxaban lag bei jeweils 82 %, 6 %, 8 % und 4 % der Schwangerschaften vor. Die Expositionszeit in der Schwangerschaft betrug im Median 5,3 Wochen (4–7). Das Outcome der Schwangerschaften war für 336 Fälle verfügbar. Insgesamt konnten 56 % Lebendgeburten registriert werden. In 22 % wurde ein
Schwangerschaftsabbruch durchgeführt, in 22 % trat ein
Abort auf. Fehlbildungen wurden in 21 Fällen (6 %) detektiert; darunter waren 12 (4 %) schwere Fehlbildungen, für die ein kausaler Zusammenhang mit der vorausgegangenen DOAK-Einnahme vermutet wurde.
Im Gegensatz zu den DOAK, die präparatespezifisch eine kurze
Halbwertszeit (HWZ) von 10–15 Stunden aufweisen, haben die VKA und insbesondere das in Deutschland hauptsächlich verwendete Phenprocoumon eine deutlich längere HWZ, die für Phenprocoumon bis zu 150 Stunden betragen kann. Eine Exposition mit VKA während der Phase der Organogenese (entsprechend der 6.–12. Schwangerschaftswoche (SSW)) kann fötale Missbildungen verursachen. In einer Beobachtungsstudie wurden 408 Schwangere mit Exposition zu Phenprocoumon mit einer Vergleichsgruppe von 1642 Schwangeren ohne Phenprocoumon-Exposition verglichen (Hüttel et al.
2017). Es konnte gezeigt werden, dass bei Absetzen von Phenprocoumon bis zum Ende der 5. SSW das Fehlbildungsrisiko gering zu sein scheint (2,5 %) und sich nicht von dem Fehlbildungsrisiko von nicht VKA-exponierten Frauen unterscheidet.
Frauen in gebährfähigem Alter, die mit einem oralen Antikoagulans behandelt werden, müssen über die prinzipiell teratogenen Effekte dieser Medikamente (erhöhtes Risiko für Fehlgeburten und embryonale Fehlbildungen) aufgeklärt sein. Bei bestehendem
Kinderwunsch muss eine präkonzeptionelle Beratung zu den Risiken einer Schwangerschaft
in Hinblick auf die Grundkrankheit(en) und Antikoagulation sowie – sofern eine Schwangerschaft vertretbar und weiterhin gewünscht wird – zur Planung der Antikoagulation zum Zeitpunkt der Konzeption und im weiteren Schwangerschaftsverlauf angestrebt werden.
Die Therapie mit einem DOAK kann aufgrund der kurzen HWZ bei Vorliegen eines regelmäßigen Menstruationszyklus präkonzeptionell beibehalten werden. Mit Ausbleiben der Menstruation und Bestätigung der Schwangerschaft (vor der 6. SSW) muss umgehend eine Umstellung auf ein NMH erfolgen. Bei Frauen mit vorausgegangener
VTE, die mit VKA behandelt werden, ist bei
Kinderwunsch eine präkonzeptionelle Beratung hinsichtlich fötaler und mütterlicher Risiken der Antikoagulanzientherapie erforderlich.
Die Vor- und Nachteile der verschiedenen Therapieregime, d. h. Umstellung auf NMH entweder präkonzeptionell oder unmittelbar nach Bestätigung einer Schwangerschaft (vor der 6. SSW), sind mit der Patientin kritisch zu diskutieren.
Bei Frauen mit unregelmäßigem Menstruationszyklus ist bereits präkonzeptionell eine Umstellung zu erwägen.
Antikoagulanzien in Schwangerschaft und Stillzeit
Aufgrund ihres Molekulargewichtes und der negativen Ladung sind
Heparine nicht plazentagängig und stellen somit die Standardmedikation für die Prophylaxe und Therapie einer
VTE in der Schwangerschaft
dar. Die Exkretion von Heparin in die Muttermilch ist sehr gering, so dass auch unter dem Aspekt der niedrigen oralen
Bioverfügbarkeit Heparine in der Stillzeit unbedenklich eingesetzt werden können (Bates et al.
2012). Aufgrund der höheren Bioverfügbarkeit und des geringeren Risikos für schwere Nebenwirkungen werden NMH gegenüber unfraktionierten Heparin bevorzugt eingesetzt. Die Datenlage für die alternativen Antikoagulanzien
Fondaparinux und
Danaparoid ist im Vergleich zu den NMH deutlich limitierter (Gerhardt et al.
2007; Magnani
2010). Diese Substanzen sollten deswegen mit Vorsicht in der Schwangerschaft eingesetzt werden und lediglich in Situationen zum Einsatz kommen, in denen Heparine kontraindiziert sind (z. B. Heparin-induzierte
Thrombozytopenie) oder eine Heparin-Unverträglichkeit vorliegt. Peripartal sind die im Vergleich deutlich längeren HWZ von Fondaparinux (~15–20 Stunden) und Danaparoid (~22–24 Stunden) im Vergleich zu NMH zu berücksichtigen. Der Einsatz von VKA und DOAK zur Prophylaxe und Therapie von VTEs ist in der Schwangerschaft kontraindiziert. Der Einsatz von DOAK in der Stillzeit wird aufgrund fehlender Erfahrungen nicht empfohlen. Bei postpartal fortbestehender Indikation einer therapeutischen Antikoagulation ist die überlappende Umstellung auf einen VKA möglich. Kinder von Frauen, die während der Stillzeit mit VKA behandelt werden, sollten mit
Vitamin K supplementiert werden.
Parenterale Antikoagulanzien und Standarddosierungen
Die Evidenz aus klinischen Studien zur optimalen Dosierung von NMH zur VTE-Prophylaxe in der Schwangerschaft
ist gering. Die Ergebnisse der Highlow-Studie (
ClinicalTrials.gov NCT01828697), in der bei Frauen mit
VTE in der Vorgeschichte in einem randomisierten und kontrollierten Studiendesign NMH in Prophylaxedosis für den Hochrisikobereich mit einer intermediären Dosierung verglichen wurden, liegen noch nicht vor. Generell sollten Frauen mit erhöhtem VTE-Risiko, die in der Schwangerschaft oder im
Wochenbett eine VTE-Prophylaxe benötigen und vor der Schwangerschaft nicht unter einer Antikoagulanzientherapie standen, mit NMH in prophylaktischer Dosierung behandelt werden. Liegt ein deutlich erhöhtes VTE-Risiko vor (z. B. vorausgegangene VTE und Hochrisiko-Thrombophilie
), so kann im Einzelfall eine intermediäre NMH-Dosis (d. h. 50–75 % der therapeutischen Dosis) gewählt werden. Frauen, die bereits präkonzeptionell antikoaguliert sind, werden in der Schwangerschaft vorzugsweise mit NMH in intermediärer oder therapeutischer Dosierung behandelt. Eine therapeutische NMH-Dosierung ist für diejenigen Frauen zu empfehlen, die aufgrund eines hohen VTE-Risikos unter zeitlich unbefristeter Antikoagulation stehen oder die wegen einer akuten VTE behandelt werden. Einen Überblick über die verschiedenen Dosierungen der parenteralen Antikoagulanzien gibt Tab.
4. Die Prophylaxe mit NMH sollte im ersten Trimenon begonnen werden und wird in der Regel bis ca. 6 Wochen postpartal fortgeführt. Aufgrund des sehr geringen HIT-Risikos unter NMH bei schwangeren Frauen, ist eine diesbezügliche routinemäßige Kontrolle der Thrombozytenzahl nicht vorgesehen. Routinemäßige Kontrollen der anti-Faktor-Xa-Aktivität werden nicht empfohlen.
Tab. 4
Tagesdosierungen der parenteralen Antikoagulanzien. NMH sind die Standardmedikamente in der Prophylaxe und Therapie einer VTE in der Schwangerschaft. Alternative Antikoagulanzien sollten nur bei Vorliegen von Kontraindikationen für NMH zum Einsatz kommen
| | | |
UFH | 2–3 × 5000 IE oder 2 × 7500 IE | - | 80 IE Bolus i. v., dann 18 IE/kg/h i. v. oder 2 × 150–250 IE/d s.c. Ziel: aPTT: 1,5 bis 2 × der Ausgangs-aPTT |
NMH | | | |
Dalteparin | 1 × 5000 IE | 1 × 100–150 IE/kg 2 × 50–75 IE/kg | 1 × 200 IE/kg 2 × 100 IE/kg |
Enoxaparin | 1 × 4000 IE | 1 × 100 IE/kg der 2 × 50 IE/kg | 2 × 100 IE/kg 1 × 150 IE/kg |
Nadroparin | 1 × 2850 IE | - | 2 × 85 IE/kg or 1 × 171 IE/kg |
Tinzaparin | 1 × 4500 IE | 1 × 85 IE/kg | 1 × 175 IE/kg |
Alternative Antikoagulanzien | | | |
| 1 × 2,5 mg | - | 1 × 7,5 mg ≤ 50 kg: 1 × 5 mg ≥ 100 kg: 1 × 10 mg |
| 2 × 750 IE | - | 3 × 750–1250 IE |
Peripartales Management
Schwangere, die während der Schwangerschaft mit Antikoagulanzien behandelt werden, sollten im Rahmen der Geburtsplanung rechtzeitig (z. B. zwischen der 32. und 36. SSW) zu Fragen des peripartalen Therapieregimes und den Möglichkeiten einer Periduralanästhesie oder alternativen Maßnahmen zur Schmerzreduktion bei der Entbindung beraten werden.
Die Applikation von NMH sollte mit Einsetzen von Wehen, bei der
Geburtseinleitung bzw. mindestens 12 Stunden vor einer
Sectio caesarea pausiert werden. Für die Periduralanästhesie (PDA) beträgt der Mindestabstand zur letzten NMH-Gabe bei prophylaktischer Dosierung 12 Stunden und bei höherer Dosierung 24 Stunden (Gogarten et al.
2010).
Unter Prophylaxe bzw. Therapie von
Fondaparinux bzw.
Danaparoid müssen aufgrund der deutlich längeren HWZ längere Zeitintervalle eingeplant werden (Tab.
5).
Tab. 5
Empfohlene Zeitintervalle vor und nach rückenmarksnaher Punktion bzw. Katheterentfernung
UFH (Prophylaxe) | 1,5–2 h | 4 h | 1 h | |
UFH (Therapie) | 2–3 h | i. v. 4–6 h s.c. 8–12 h | 1 h | aPTT, (ACT), Thrombozyten |
NMH (Prophylaxe) | 4–6 h* | 12 h | 4 h | Thrombozyten bei Anwendung > 5 Tage |
NMH (Therapie) | 4–6 h* | 24 h | 4 h | Thrombozyten, anti-Faktor-Xa Spiegel |
Fondaparinux (1 × 2,5 mg/Tag) | 15–20 h* | 36–42 h | 6–12 h | anti-Faktor-Xa Spiegel |
Danaparoid (2 × 750 IE/Tag) | 22–24 h* | 48 h | 3–4 h | anti-Faktor-Xa Spiegel |
Frauen mit intermediärer oder therapeutischer Antikoagulation sind nach einer PDA hinsichtlich der Entwicklung eines spinalen Hämatoms klinisch zu überwachen.
Nach vaginaler Geburt kann die Applikation von NMH in prophylaktischer Dosierung nach 4–6 Stunden und in intermediärer/therapeutischer Dosierung nach 6–12 Stunden erfolgen. Nach
Sectio caesarea kann die Wiederaufnahme von NMH in prophylaktischer Dosierung nach 6–12 Stunden und in intermediärer/therapeutischer Dosierung nach 12–24 Stunden erfolgen.
Voraussetzung hierfür ist das Fehlen klinisch relevanter Blutungen.