Das Auftreten einer Thrombose oder Lungenarterienembolie stellt in der Schwangerschaft eine der häufigsten Erkrankungen dar. Die sichere und schnelle Diagnostik und Therapie dieser Krankheitsbilder unter den speziellen Aspekten der Gravidität und des Wochenbettes sollten eine grundlegende Kenntnis im klinischen Alltag bilden. Die Besonderheiten von Hämostase und Gerinnungssystem während der Phasen von Schwangerschaft und Wochenbett machen eine differenzierte Betrachtung und Abgrenzung zu anderen nicht schwangerschaftsassoziierten thrombembolischen Erkrankungen zwingend erforderlich.
Die venöse Thrombembolie und die daraus resultierende Lungenarterienembolie stellen eine der häufigsten Erkrankungen in der Schwangerschaft dar. Die Inzidenz der Thrombosen liegt insgesamt bei 1,4 pro 1000 Patientenjahren, welche sich in der antepartalen Phase mit 1,0 und in der postpartalen Phase mit 5,0 abbilden lässt (Nijkeuter et al. 2005; Jacobsen et al. 2008). Durch eine frühzeitige Charakterisierung der Risikofaktoren und damit der Patientinnen mit einem erhöhten Risiko kann dieses häufige Krankheitsbild vermieden werden. Bereits durch den Einsatz einer prophylaktischen Antikoagulation ist eine deutliche Minimierung des Auftretens thrombembolischer Komplikationen bei diesen Patientinnen möglich. Bei Eintreten einer Thrombose und/oder Lungenembolie ist die Therapie mit niedermolekularem Heparin ohne Übertreten des Pharmakons auf das Kind möglich. Die spezielle Kenntnis der besonderen Gegebenheiten von Hämostase und Gefäßsystem in der Schwangerschaft und im Wochenbett soll im nachfolgenden Kapitel umfassend vermittelt werden.
Ursachen und Risikofaktoren
Durch die physiologischen Veränderungen im Gefäßsystem und der Hämostase kommt es im Verlauf der Schwangerschaft insgesamt zu einer physiologischen prokoagulatorischen Situation. Diese ist notwendig, um eine adäquate Blutstillung zum Zeitpunkt der Entbindung zu gewährleisten. Im Wesentlichen kann diese physiologische Anpassung des mütterlichen Organismus mit der Virchow’schen Trias charakterisiert werden. Erstens ist die Zunahme der venösen Stase durch Veränderung des Venentonus und durch zunehmenden Druck des gravidierenden Uterus auf die Vena cava inferior und die Iliakalvenen gekennzeichnet. Dabei sollte besonders der linken Beckenachse aufgrund ihrer physiologischen Engstelle durch Überkreuzung der linken Beckenvene durch die rechte Beckenarterie Beachtung geschenkt werden (May-Thurner-Punkt). Des Weiteren zeigen sich im Laufe der Schwangerschaft umfangreiche Veränderungen der Hämostase. Typischerweise werden diese durch eine Zunahme der prokoagulatorischen Faktoren (z. B. Fibrinogen, Faktor VIII, von Willebrand-Faktor, Faktor VII, Faktor IX), Verminderung der Gerinnungsinhibitoren (z. B. Protein-S, Antithrombin) und eine Verminderung der fibrinolytischen Aktivität (z. B. verminderter gewebespezifischer Plasminogenaktivator, erhöhter Plasminogenaktivatorinhibitor) gekennzeichnet (Szecsi et al. 2010; Clark et al. 1998; James et al. 2014).
Damit kommt der Kenntnis angeborener und/oder erworbener thrombophiler Störungen am besten vor einer Schwangerschaft eine besondere Bedeutung zu in der Vermeidung von thrombembolischen Komplikationen.
Als dritter Faktor nach Virchow ist die endotheliale Schädigung zu nennen, die z. B. im Rahmen geburtshilflicher Maßnahmen (z. B. Sectio caesarea) oder eintretender Schwangerschaftskomplikationen (z. B. Gestationsdiabetes, Eklampsie) zu sehen ist (Navarrete et al. 2023).
Neben diesen 3 alleinig schwangerschaftsassoziierten Veränderungen sind weitere zusätzliche Risikofaktoren für die Entstehung einer venösen Thrombembolie zu definieren.
Ein zusätzliches Augenmerk ist auch auf Begleiterkrankungen, wie z. B. chronisch-entzündliche Darmerkrankungen oder Erkrankungen des rheumatologischen Formenkreises, zu legen, da diese eine gewisse chronisch-inflammatorisch bedingte thrombophile Situation darstellen. Die nachfolgende Tab. 1 zu Risikofaktoren/-Situationen für eine schwangerschaftsassoziierte venöse Thrombembolie ist der aktuellen AWMF-Leitlinie (Linnemann et al. 2023) entnommen.
Tab. 1
Risikofaktoren für eine schwangerschaftsassoziierte venöse Thrombembolie. (Linnemann et al. 2023)
Durch eine genaue Charakterisierung der Schwangeren hinsichtlich ihrer Risikofaktoren lassen sich häufig thrombembolische Ereignisse vermeiden. Diese Diagnostik ist im Idealfall vor einer Schwangerschaft durchzuführen.
Diagnostik Becken-/Beinvenenthrombose
Bei Verdacht auf ein eingetretenes thrombembolisches Ereignis während einer aktuellen Schwangerschaft besteht zwingender Handlungsbedarf. Die Symptomatik eines venösen Gefäßverschlusses und/oder einer Lungenembolie kann dabei häufig variieren zwischen klinisch stumm bis hin zu fatalen Verläufen. Variköse Veränderungen der distalen Extremitäten sind insbesondere bei Multipara schwierig, klinisch zu beurteilen, insbesondere ohne Kenntnis des Venenstatus vor Schwangerschaft. Goldstandard in der Diagnostik der Becken-/Beinvenenthrombose ist daher die Kompressionssonografie. Die Untersuchung erfolgt stets beidseitig und umfasst die Kompression aller tiefen und oberflächlichen Beinvenen sowie die Ableitung der Flussprofile in der V. femoralis und V. femoralis communis im Seitenvergleich. Ein seitendifferenter Fluss und/oder bandförmiger Fluss kann schon hinweisend auf ein venöses Abstromhindernis der Beckenetage sein und zieht eine sonografische Beurteilung der Beckenvenen in jedem Fall nach sich.
Die beidseitige Sonografie der Beckenvenen sollte auf jeden Fall zum Ausschluss auch isolierter Beckenvenenthrombosen durchgeführt werden.
Falls eine entsprechende thrombotische Veränderung nicht detektiert werden konnte, die Beschwerden jedoch persistieren und für eine Thrombose typisch sind, oder bei uneindeutigem Sonografiebefund, ist eine Kontrolluntersuchung im Intervall nach spätestens 4–7 Tagen zu wiederholen. Als zusätzliche Bildgebung kann eine MR-Venografie bei allerdings höherer Invasivität diskutiert werden, konventionelle Phlebografie und CT-Venografie sind in der Schwangerschaft kontraindiziert (Linnemann et al. 2023).
Die laborchemische Diagnostik mit den üblicherweise nachweisbaren Gerinnungsaktivierungsmarkern (z. B. D-Dimer, Thrombin-Antithrombin-Komplex [TAT]) ist bei schwangeren Patientinnen nur eingeschränkt zu verwerten. Durch die in Abschn. 2 beschriebenen physiologischen Veränderungen der Hämostase steigen D-Dimere im Laufe der Schwangerschaft über die Normalwerte an (Tang et al. 2019). Eine Einführung höherer schwangerschaftsspezifischer Referenzbereiche je nach Trimester konnte bei fehlenden prospektiven großen Studien bisher nicht realisiert werden.
Deshalb kann die Bestimmung dieser Parameter (D-Dimer, TAT) lediglich einen Anhaltspunkt für ein thrombembolisches Geschehen geben, entbindet aber nicht von der sonografischen Diagnostik.
Die nachfolgende Abbildung aus der AWMF-Leitlinie zur Diagnostik bei Verdacht auf Thrombose in der Schwangerschaft soll zusammenfassend den Diagnostikalgorithmus nochmals verdeutlichen (Abb. 1).
×
Diagnostik Lungenembolie
Zur Vermeidung unnötiger Strahlen- und Kontrastmittelbelastungen kommt in der Diagnostik einer Lungenarterienembolie bei einer kreislaufstabilen Schwangeren der Kompressionssonografie des venösen Gefäßsystems große Bedeutung zu. Wird eine Thrombose der Becken-/Beinvenen nachgewiesen, kann auf eine weiterführende bildgebende Lungenemboliediagnostik bei ohnehin gleicher Therapie (Antikoagulation) verzichtet werden. Des Weiteren kommen Echokardiografie zur Frage einer Rechtsherzbelastung und die Lungensonografie zum Einsatz, um einen Lungenembolieverdacht zu erhärten. Falls ein negativer Befund, auch in der Kontrolle der venösen Gefäße, vorliegt, dennoch die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Lungenembolie gegeben ist, darf unter Nutzen-Risiko-Abwägung eine Bildgebung mit Strahlenbelastung erfolgen. Nach aktuellen internationalen Leitlinien ist der Einsatz der Computertomografie der Pulmonalarterien (CTPA) als bildgebende Methode der ersten Wahl für schwangere Patientinnen möglich. Alternativ kann auch die Perfusionsszintigrafie der Lunge eingesetzt werden. Auf eine Ventilationsuntersuchung wird in der Schwangerschaft bei fehlenden Begleiterkrankungen der Schwangeren verzichtet. Eine enge Abstimmung zwischen radiologischer Diagnostik und therapeutischer Einrichtung ist unbedingt erforderlich.
Auch für die Diagnostik der Lungenarterienembolie in der Schwangerschaft wird in der aktuellen AWMF-Leitlinie eine entsprechende Übersicht dargestellt, welche nachfolgend hier abgebildet werden soll (Linnemann et al. 2023) (Abb. 2).
×
Therapie
Zur Therapie der thrombembolischen Ereignisse in der Schwangerschaft ist die Auswahl der Antikoagulanzien beschränkt. Aufgrund der Plazentagängigkeit sind die bekannten Nicht-Vitamin-K-Antagonisten (direkte orale Antikoagulanzien, DOACs) und die Vitamin-K-Antagonisten nicht einzusetzen. Zur Verfügung steht die Heparinapplikation, üblicherweise mit niedermolekularem Heparin (NMH). Je nach Präparat ist die 1- bzw. 2-malige Gabe am Tag bei Therapiedosis erforderlich. Nach einer initialen volltherapeutischen Behandlungsphase über 4 Wochen kann je nach Art und Umfang des Ausmaßes des thrombembolischen Ereignisses auf auch eine intermediäre Dosis reduziert werden. Dieses ist allerdings eine Einzelfallentscheidung. Die zur Therapiesteuerung eingesetzte Bestimmung der anti-Xa-Spiegel ist routinemäßig nicht durch Studien belegt. Dies ist u. a. durch die Besonderheit des Verhältnisses von Gefäßvolumen und Anstieg des Körpergewichts durch z. B. die Ödemneigung erkärt. Empfohlen wird derzeit allerdings eine Kontrolle bei Patientinnen mit Unter- (< 50 kg) oder Übergewicht (> 100 kg), ausgeprägter Niereninsuffizienz sowie Rezidivereignissen trotz durchgeführter Antikoagulation und unter bestimmten Aspekten einer zugrunde liegenden thrombophilen Störung (z. B. Antithrombinmangel) (Linnemann et al. 2023).
Bei Vorliegen von Kontraindikationen gegen den Einsatz von Heparinen besteht die Möglichkeit der Gabe von Fondaparinux oder Danaparoid, allerdings unter entsprechender Aufklärung der Patientin und engmaschiger Anbindung an eine diesbezüglich erfahrene Einrichtung.
Bei Einsatz einer therapeutischen Dosis von Antikoagulanzien zum Zeitpunkt der Entbindung sollte ein abgestimmtes Procedere mit den behandelnden Gynäkologen/Geburtshelfern erfolgen, um Blutungen und/oder Wundheilungsstörungen zu verhindern. Prinzipiell besteht bei einer Manifestation eines thrombembolischen Ereignisses vor der 37. Schwangerschaftswoche die Möglichkeit einer entsprechenden Pausierung der Antikoagulation bis zu 24 h vor dem Ereignis. Die aktuelle Leitlinie zu Thrombose und Lungenembolie (Linnemann et al. 2023) empfiehlt, mit spontanem Einsetzen von Wehen in der Regel kein Heparin mehr zu geben. Zur Vermeidung von hohen Peak-Spiegeln und zur Minimierung des postpartalen Blutungsrisikos kann für die Endphase der Schwangerschaft (z. B. nach der 37. SSW) ein Dosisregime mit 2-mal täglicher NMH-Gabe erwogen werden. Bei prolongiertem Geburtsverlauf und bei hohem Risiko für VTE-Rezidive können zusätzliche prophylaktische oder intermediäre Heparindosen gegeben werden, wobei der voraussichtliche Geburtszeitpunkt und das mütterliche Blutungsrisiko zu berücksichtigen sind. Postpartal sollte die Antikoagulation 6–12 h nach vaginaler Entbindung und 12–24 h nach Sectio wieder aufgenommen werden. Bei hohem Blutungsrisiko ist es probat, zunächst mit einer prophylaktischen Dosierung zu beginnen und mit sinkendem Blutungsrisiko die Dosis schrittweise zu erhöhen.
Bei Auftreten einer Thrombose und/oder Lungenembolie nach der 37. Schwangerschaftswoche können, je nach Umfang und Ausmaß des Ereignisses, eine Umstellung auf die Gabe von hochmolekularen Heparinen und eine entsprechende 4- bis 6-stündige Pause zum Entbindungszeitpunkt abgestimmt werden. Diese sind allerdings Einzelfallentscheidungen und gehören in die Hand eines interdisziplinären Teams. Der Einsatz von Vena-cava-Filtern sollte sehr seltenen Einzelfällen vorbehalten werden (Khan et al. 2017).
Die häufige Frage nach der Anlage einer Periduralanästhesie (PDA) ist nach der letzten Applikation des Antikoagulans zu entscheiden. Bei einer therapeutisch notwendigen Antikoagulation muss häufig darauf verzichtet werden.
Für den postpartalen Zeitraum ist eine therapeutische Antikoagulation für mindestens 3 Monate nach dem Ereignis in der Schwangerschaft erforderlich. Auch hier steht der Übergang der oralen Antikoagulanzien in die Muttermilch im Vordergrund. Bei möglichem Beenden nach 3 Monaten postpartal kann je nach Umfang des Ereignisses eine Fortführung der Gabe von niedermolekularem Heparin bis zu diesem Zeitpunkt erfolgen. Bei einer längerfristigen Notwendigkeit zur Antikoagulation sollte eine Umstellung auf einen Vitamin-K-Antagonisten unter entsprechender Beachtung einer Vitamin-K-Prophylaxe des Kindes empfohlen werden. Der Einsatz von DOACs wird nicht empfohlen.
Hinweis
Bei gesicherter Thrombose ist eine Kompressionstherapie obligat, bei vorbestehender ausgeprägter Varikosis ist bei den schwangeren Patientinnen ebenfalls unbedingt auf eine entsprechende suffiziente Kompressionstherapie im Rahmen der Schwangerschaft zu achten. Gegebenenfalls ist der Einsatz von niedermolekularem Heparin in Prophylaxedosis bei aufgetretener Phlebitis, meist auch über einen längeren Zeitraum aufgrund der fortschreitenden Schwangerschaft und der entsprechenden Veränderungen im Gefäßsystem und der Hämostase, zu erwägen (Wiegers et al. 2023).
Zusammenfassung
Zusammenfassend stellt die schwangerschaftsassoziierte venöse Thrombembolie eine der häufigsten Erkrankungen in der Schwangerschaft und im Wochenbett dar. Durch entsprechende Abklärungen vor Eintritt der Schwangerschaft sind diese häufig zu vermeiden. Wenn das Ereignis der Thrombembolie allerdings eingetreten ist, besteht sofortiger Handlungsbedarf über den gesamten Zeitraum der Schwangerschaft bis Ende des Wochenbettes und zum Entscheid der Antikoagulation nach 3 Monaten. Das Ereignis einer Thrombose in dieser speziellen Situation ist auch für den weiteren Lebensweg der Patientin hinsichtlich der Auswahl der Kontrazeption und einer entsprechenden vorbereitenden Thromboseprophylaxe in weiteren Risikosituationen (z. B. ausgeprägte Immobilität, operative Maßnahmen) zu beachten.
Literatur
Clark P et al (1998) Activated protein C sensitivity, protein C, protein S and coagulation in normal pregnancy. Thromb Haemost 79:1166–1170CrossRefPubMed
Jacobsen H et al (2008) Incidence and risk patterns of venous thromboembolism in pregnancy and puerperium – a register-based case-control study. Am J Obstet Gynecol 198(2):233.e1-7
James AH et al (2014) Characterization of antithrombin levels in pregnancy. Thromb Res 134:648–651CrossRefPubMed
Khan F et al (2017) Diagnosis and management of deep vein thrombosis in pregnancy. BMJ 357:2344CrossRef
Linnemann B et al (2023) AWMF-S2k-Leitlinie: Diagnostik und Therapie der Venenthrombose und Lungenembolie. Nr. 065/002
Navarrete S et al (2023) Pathophysiology of deep vein thrombosis. Clin Exp Med 23:645–654CrossRefPubMed
Nijkeuter N et al (2005) In: Marder et al Hemostasis and thrombosis basic principles and clinical practice, 6th edn. Heit Ann Int Med
Szecsi PB et al (2010) Haemostatic reference intervals in pregnancy. Thromb Haemost 103(49):718–727PubMed
Tang J et al (2019) Meta-analysis of reference values of haemostatic markers during pregnancy and childbirth. Taiwan J Obstret Gynecol 58:29–35
Wiegers H et al (2023) Incidence and prognosis of superficial vein thrombosis during pregnancy and the post-partum period: a Danish nationwide cohort study. Lancet Haematol 10:e59–e66CrossRef