Kompression in der Akutphase
In den meisten Fällen der akuten Thrombose ist eine Versorgung mit knielangen Kompressionsstrümpfen der Kompressionsklasse 2 ausreichend, und zwar unabhängig von der Ausdehnung der Thrombose. Dies mag auf den ersten Blick verwundern, ist man doch geneigt, die Thrombose möglichst in ihrer gesamten Ausdehnung „abzudecken“. Vergegenwärtigt man sich jedoch, dass das Ziel ist, einer schwerkraftbedingten Schwellung im untersten Beinbereich entgegenzuwirken und den venösen Rückstrom zu unterstützen, wird klar, dass eine effektive Kompression der tiefsten Punkte, also der Region unterhalb des Knies, hierfür entscheidend ist. Hinzu kommt die Tatsache, dass Kompressionsstrümpfe einen graduierten Druckverlauf aufweisen. Sie sind so gewirkt, dass im Fesselbereich mit 100 % des definierten Druckes komprimiert wird, nach oben hin der Anpressdruck jedoch kontinuierlich abnimmt. Auf diese Weise wird ein Abströmen der angestauten Flüssigkeit überhaupt gewährleistet. Ein Kompressionsstrumpf weist bereits in Kniehöhe nur noch 50 % des Anpressdruckes auf, der im Fesselbereich anliegt. Standard ist also eine Versorgung mit Kompressionsstrümpfen der KKL 2 A-D (knielanger Wadenstrumpf). Liegt eine deutliche Schwellung des Oberschenkels vor, wie es beispielsweise bei
Beckenvenenthrombosen häufig der Fall ist, kann natürlich die Strumpflänge nach oben erweitert werden, um auch in diesem Bereich Schwellung und Schmerz zu reduzieren. Da es mit Beginn einer Antikoagulation
in den meisten Fällen innerhalb der ersten 1–2 Wochen zu einer deutlichen Umfangsabnahme der initialen Beinschwellung kommt, ist es ratsam, die ersten Tage mit effektiven Kompressionsverbänden in Wickeltechnik zu überbrücken, bevor ein Kompressionsstrumpf, der dann die nächsten Monate straff sitzen soll, angepasst wird. Würde man den Strumpf zum Zeitpunkt der maximalen Schwellung anpassen, säße dieser dann schon nach 1–2 Wochen, nämlich mit Rückgang der initialen Schwellung, viel zu locker und würde seiner Funktion in den kommenden Monaten damit nicht mehr gerecht werden.
Patienten sollen mit Kompression laufen bzw. mobilisiert werden. Der effektive Kompressionsdruck baut sich optimal erst durch Aktivierung der Wadenmuskulatur auf.
Bei der Auswahl der Strumpflänge (Oberschenkelstrumpf oder Strumpfhose vs. Kniestrumpf) soll auch der Patient mit seinen Präferenzen einbezogen werden, was die fakultative Ausdehnung der Kompressionsbestrumpfung angeht, um
Compliance und Therapieadhärenz zu fördern. Dabei spielen insbesondere bei Frauen, die Röcke und Kleider tragen, modische Aspekte eine Rolle.
Hinsichtlich der Strickart werden üblicherweise rundgestrickte Kompressionsstrümpfe verwendet. In Ausnahmefällen können und sollen dann flachgestrickte Kompressionsstrümpfe zur Anwendung kommen, wenn aufgrund starker Umfangsdiskrepanzen zwischen Fuß, Fessel, Unter- oder Oberschenkel rundgestrickte Strümpfe einschneiden, rutschen oder kneifen. Der Vorteil der flachgestrickten Bestrumpfung ist die Möglichkeit der sehr individuellen Anpassung der Maschenzahl im Strickvorgang an die individuelle Beinform. Dies ist beim rundgestrickten Strumpf mit über den gesamten Verlauf konstanter Maschenzahl nur begrenzt möglich.
Patienten sollten über Sinn und Zweck der Kompression ausreichend informiert werden. Das Wissen darum, dass je konsequenter eine Kompression getragen wird, umso geringer das Risiko anhaltender postthrombotischer Beschwerden ist, trägt maßgeblich zur Therapietreue bei. Wichtig ist auch, dass erklärt wird, dass der Strumpf vom Aufstehen bis zum Abend getragen werden soll (solange man auf den Beinen ist) und nachts ausgezogen werden darf. Da die Haut unter Kompressionstherapie zum Austrocknen neigt, ist eine abendliche Hautpflege ratsam. Bedacht werden sollen auch Umstände, die einem selbstständigen An- und Ausziehen der Kompressionsstrümpfe entgegenstehen, z. B. Kraftlosigkeit, höheres Alter, eingeschränkte Rücken- und Fingerbeweglichkeit etc. Hier stehen dem Anwender zahlreiche An- und Ausziehhilfen für Kompressionsstrümpfe zur Verfügung, die ebenfalls begründet verordnungsfähig sind.
In den meisten Fällen genügen Kompressionsstrümpfe in Knielänge (A–D) der Kompressionsklasse 2. Patienten sollen über Anwendung und Nutzen informiert werden. Bei Einschränkungen im selbstständigen Gebrauch der Strümpfe sollen An-/Ausziehhilfen verordnet werden, Angehörige geschult oder die Hilfe eines ambulanten Pflegedienstes verordnet werden.
Eine Alternative zu Kompressionsstrümpfen und phlebologischen Kompressionsverbänden stellen medizinisch-adaptive Kompressionssysteme (MAK) dar, die auch als Wrap-Verbände bezeichnet werden. Hierbei werden flächige Kompressionsmaterialien um das Bein gelegt, und mittels Klettverschluss wird ein definierter Anpressdruck hergestellt, der je nach Hersteller auch individuell erhöht oder reduziert werden kann. Vorteil der MAK ist die einfach zu erlernende Anwendung und vor allem die Möglichkeit, von Anfang an den korrekten Anpressdruck unabhängig vom Ausmaß der Schwellung einzustellen.
Kontraindikationen der Kompression
Vor Beginn einer Kompression soll eine
pAVK ausgeschlossen werden. Dies darf bei kräftig palpablen Fußpulsen in 95 % aller Fälle angenommen werden (Londero et al.
2016). Eine pAVK mit kritischer Ischämie stellt eine absolute Kontraindikation zur Kompressionstherapie dar. Hier bedarf es ohnehin einer möglichst raschen Wiederherstellung oder mindestens Verbesserung der arteriellen Perfusion. Die kritische Ischämie ist definiert durch folgende Umstände:
Eine hämodynamisch kompensierte
pAVK hingegen stellt keine absolute Kontraindikation zur Kompressionstherapie dar. Hier kann auch mit reduzierten Anpressdrücken eine suffiziente Entstauung gewährleistet werden, z. B. durch Verwendung von Strümpfen der KKL 1. Gleiches gilt für Patienten mit (diabetischer) Neuropathie, auch hier sind eine reduzierte Kompressionsklasse 1 (KKL1 mit ca. 18–21 mmHg) und die Verwendung offener Zehenspitzen oder Softspitzen beim Strumpf präventiv hinsichtlich unerwünschter Druckschäden infolge der Kompression. Eine Schulung der Patienten ist unabdingbar mit Verhaltensregeln beim Auftreten von Beschwerden und täglicher Fußinspektion.
Treten Blau- oder Weißverfärbungen, Missempfindungen, Taubheitsgefühl, Schmerzen oder sonstige Beschwerden im Fuß- oder Zehenbereich unter laufender Kompression auf, muss die Kompression sofort gelockert bzw. beendet werden.
Alternativ bietet der Markt inzwischen Spezialbestrumpfungen für die phlebologische Indikation bei koinzidenter
pAVK und/oder Neuropathie an.
Weitere Kontraindikation stellen die Phlegmasia coerulea/alba dolens, die septische Phlebitis sowie eine schwer dekompensierte
Herzinsuffizienz im NYHA-Stadium III–IV dar.
Thrombose-Nachsorge
In den ersten 1–3 Wochen soll eine erste Kontrolle zur Sicherstellung der Verträglichkeit der Antikoagulantien und zur Optimierung der Kompressionstherapie erfolgen. Nach 3–6 Monaten soll die nächste klinische Kontrolle erfolgen, dann mittels Duplexsonografie zur Bestimmung des Restthrombuslast. Da in den meisten Fällen nach 3- bis 6-monatiger Antikoagulation und Kompression keine relevante Abnahme der Restthrombuslast mehr zu erwarten ist, stellt sich zu diesem Zeitpunkt auch die Frage nach etwaigen endovaskulär rekanalisierenden Maßnahmen, was vor allem bei Beteiligung der Beckenvenen optional ist. Des Weiteren entscheidet sich zu diesem Zeitpunkt, ob die Antikoagulation beendet werden kann oder ob diese in voller Dosis oder dosisreduziert als verlängerte Sekundärprophylaxe fortgeführt werden soll. Dies ist bei hohem oder mäßig erhöhtem Rezidivrisiko unter Berücksichtigung des Blutungsrisikos für jeden Patienten individuell zu entscheiden. Als Hilfestellung zur Einordnung der dispositionellen und expositionellen Risikofaktoren können die Thromboseampel (Linnemann et al.
2023) oder der VTE-Predict-Score herangezogen werden, wobei letzterer nicht für Tumor-assoziierte Thrombosen gilt (de Winter et al.
2023). Die Entscheidungsfindung pro und contra verlängerte Sekundärprophylaxe wird ausführlich in den Kap. „Risikofaktoren für Rezidive venöser Thrombembolien“ und „Verlängerte medikamentöse Sekundärprophylaxe venöser Thrombembolien“ beschrieben.
Nach 3–6 Monaten soll im Nachsorgetermin über Fortsetzen, Beenden oder Anpassen der Kompressions- und Antikoagulationstherapie sowie optional über endovaskulär rekanalisierende Maßnahmen entschieden werden. Die Verlaufskontrolle dient dem Erfassen eines postthrombotischen Syndroms (PTS).