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Klinische Angiologie
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Publiziert am: 27.07.2024 Bitte beachten Sie v.a. beim therapeutischen Vorgehen das Erscheinungsdatum des Beitrags.

Tiefe Beinvenenthrombose und postthrombotisches Syndrom

Verfasst von: Katja Sibylle Mühlberg
Thrombosen der tiefen Beinvenen machen mehr als zwei Drittel aller venösen Thrombembolien aus. Trotz Antikoagulation und Kompression, den beiden Säulen der Thrombosetherapie, bleibt der venöse Abstrom in 50–80 % der Fälle behindert aufgrund fehlender oder nicht vollständiger Rekanalisation der tiefen Venen. Etwa jeder dritte Patient entwickelt ein postthrombotisches Syndrom (PTS), 3 % entwickeln ein schweres PTS oder ein Ulcus cruris venosum. PTS werden in okklusive, refluxive und Mischtypen eingeteilt. Das Wissen um die verschiedenen Manifestationen und Risikofaktoren des PTS ermöglicht einen individuellen Behandlungsansatz, der von suffizienter Kompression bis hin zu rekanalisierenden Maßnahmen reicht. Eine strukturierte Nachsorge nach stattgehabter Thrombose vermag die schwerwiegenden Komplikationen der tiefen Beinvenenthrombose, die mit einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität einhergehen können, zu minimieren.

Therapie tiefer Beinvenenthrombosen – zwei Säulen

Die Therapie tiefer Beinvenenthrombosen basiert auf zwei Säulen: der therapeutischen Antikoagulation und einer suffizienten Kompressionstherapie. Die Antikoagulation verhindert nicht nur das appositionelle Wachsen der Thrombose, sondern auch potenzielle Embolisationen in die Lungenstrombahn. Das Auflösen des Gerinnsels wird durch die körpereigene (oder iatrogene) Fibrinolyse sichergestellt. Die Antikoagulation gewährleistet die hierfür notwendige Verschiebung des Gleichgewichts zwischen gerinnungsfördernden und gerinnungshemmenden Faktoren. Die Kompressionstherapie bewirkt in der Akutphase der Thrombose einen Rückgang der Schwellung und der damit verbundenen Schmerzen. Die Unterstützung des venösen Rückstroms durch den von außen applizierten Druck fördert gleichzeitig die Rekanalisation der okkludierten Venen. Je früher und konsequenter sowohl Kompression als auch Antikoagulation erfolgen, umso geringer ist die Wahrscheinlichkeit eines postthrombotischen Syndroms (Thieme et al. 2024). Venenrekanalisierende Maßnahmen spielen überwiegend im Bereich der Beckenvenen eine Rolle (Kap. „Beckenvenenthrombose“).

Antikoagulation

Die Antikoagulationstherapie wird in drei Phasen eingeteilt. Mit Diagnose der Thrombose beginnt die Initialphase, die 5–21 Tage dauert. Dieser Zeitrahmen entspricht den Dosiervorschriften der oralen Antikoagulantien, die sich je nach Präparat hinsichtlich der Dauer der Initialphase entsprechend ihrer Zulassung unterscheiden. Abb. 1 vermittelt einen Überblick über die phasengerechte Dosierung oraler Antikoagulantien.
In der Initialphase werden einige direkte orale Antikoagulantien (Apixaban und Rivaroxaban) höher dosiert als in der Erhaltungsphase. Dieser Umstand wird der Tatsache gerecht, dass das individuelle Rezidivrisiko einer Thrombose besonders in den ersten 3 Wochen erhöht ist (Limone et al. 2013). Die Initialphase der Vitamin-K-Antagonisten als auch der direkten oralen Antikoagulantien Edoxaban und Dabigatran wird im Gegensatz zu Apixaban und Rivaroxaban durch eine mindestens 5-tägige Behandlung mit niedermolekularem Heparin umgesetzt (Kap. „Nicht-Vitamin-K abhängige orale Antikoagulantien“ und „Vitamin-K-Antagonisten“).
Der sofortige Beginn der therapeutischen Antikoagulation mit Diagnose der Thrombose reduziert sowohl die Rate an PTS als auch deren Schweregrad.
An die Initialphase schließt sich die Phase der Erhaltungstherapie an, die 3–6 Monate dauert. Die Dauer der Erhaltungstherapie richtet sich dabei nach Lokalisation und Ausdehnung der Thrombose. Je weiter proximal und je langstreckiger die Thrombose, umso länger die Antikoagulationsdauer. Dies ist zum Beispiel bei Beckenvenenthrombosen der Fall. Hingegen kann die Erhaltungstherapie der isolierten Unterschenkelthrombose meist nach 3 Monaten, in Einzelfällen, z. B. bei isolierten Muskelvenenthrombosen, ggf. schon nach einem Monat beendet werden. Hierauf wird im Kap. „Isolierte tiefe Unterschenkel- und Muskelvenenthrombose“ dezidiert eingegangen.

Kompressionstherapie

Die Kompressionstherapie verfolgt zwei Ziele: Reduktion von Schmerz und Schwellung in der Akutphase der Thrombose sowie Verhinderung eines postthrombotischen Syndroms (PTS).

Kompression in der Akutphase

In den meisten Fällen der akuten Thrombose ist eine Versorgung mit knielangen Kompressionsstrümpfen der Kompressionsklasse 2 ausreichend, und zwar unabhängig von der Ausdehnung der Thrombose. Dies mag auf den ersten Blick verwundern, ist man doch geneigt, die Thrombose möglichst in ihrer gesamten Ausdehnung „abzudecken“. Vergegenwärtigt man sich jedoch, dass das Ziel ist, einer schwerkraftbedingten Schwellung im untersten Beinbereich entgegenzuwirken und den venösen Rückstrom zu unterstützen, wird klar, dass eine effektive Kompression der tiefsten Punkte, also der Region unterhalb des Knies, hierfür entscheidend ist. Hinzu kommt die Tatsache, dass Kompressionsstrümpfe einen graduierten Druckverlauf aufweisen. Sie sind so gewirkt, dass im Fesselbereich mit 100 % des definierten Druckes komprimiert wird, nach oben hin der Anpressdruck jedoch kontinuierlich abnimmt. Auf diese Weise wird ein Abströmen der angestauten Flüssigkeit überhaupt gewährleistet. Ein Kompressionsstrumpf weist bereits in Kniehöhe nur noch 50 % des Anpressdruckes auf, der im Fesselbereich anliegt. Standard ist also eine Versorgung mit Kompressionsstrümpfen der KKL 2 A-D (knielanger Wadenstrumpf). Liegt eine deutliche Schwellung des Oberschenkels vor, wie es beispielsweise bei Beckenvenenthrombosen häufig der Fall ist, kann natürlich die Strumpflänge nach oben erweitert werden, um auch in diesem Bereich Schwellung und Schmerz zu reduzieren. Da es mit Beginn einer Antikoagulation in den meisten Fällen innerhalb der ersten 1–2 Wochen zu einer deutlichen Umfangsabnahme der initialen Beinschwellung kommt, ist es ratsam, die ersten Tage mit effektiven Kompressionsverbänden in Wickeltechnik zu überbrücken, bevor ein Kompressionsstrumpf, der dann die nächsten Monate straff sitzen soll, angepasst wird. Würde man den Strumpf zum Zeitpunkt der maximalen Schwellung anpassen, säße dieser dann schon nach 1–2 Wochen, nämlich mit Rückgang der initialen Schwellung, viel zu locker und würde seiner Funktion in den kommenden Monaten damit nicht mehr gerecht werden.
Patienten sollen mit Kompression laufen bzw. mobilisiert werden. Der effektive Kompressionsdruck baut sich optimal erst durch Aktivierung der Wadenmuskulatur auf.
Bei der Auswahl der Strumpflänge (Oberschenkelstrumpf oder Strumpfhose vs. Kniestrumpf) soll auch der Patient mit seinen Präferenzen einbezogen werden, was die fakultative Ausdehnung der Kompressionsbestrumpfung angeht, um Compliance und Therapieadhärenz zu fördern. Dabei spielen insbesondere bei Frauen, die Röcke und Kleider tragen, modische Aspekte eine Rolle.
Hinsichtlich der Strickart werden üblicherweise rundgestrickte Kompressionsstrümpfe verwendet. In Ausnahmefällen können und sollen dann flachgestrickte Kompressionsstrümpfe zur Anwendung kommen, wenn aufgrund starker Umfangsdiskrepanzen zwischen Fuß, Fessel, Unter- oder Oberschenkel rundgestrickte Strümpfe einschneiden, rutschen oder kneifen. Der Vorteil der flachgestrickten Bestrumpfung ist die Möglichkeit der sehr individuellen Anpassung der Maschenzahl im Strickvorgang an die individuelle Beinform. Dies ist beim rundgestrickten Strumpf mit über den gesamten Verlauf konstanter Maschenzahl nur begrenzt möglich.
Patienten sollten über Sinn und Zweck der Kompression ausreichend informiert werden. Das Wissen darum, dass je konsequenter eine Kompression getragen wird, umso geringer das Risiko anhaltender postthrombotischer Beschwerden ist, trägt maßgeblich zur Therapietreue bei. Wichtig ist auch, dass erklärt wird, dass der Strumpf vom Aufstehen bis zum Abend getragen werden soll (solange man auf den Beinen ist) und nachts ausgezogen werden darf. Da die Haut unter Kompressionstherapie zum Austrocknen neigt, ist eine abendliche Hautpflege ratsam. Bedacht werden sollen auch Umstände, die einem selbstständigen An- und Ausziehen der Kompressionsstrümpfe entgegenstehen, z. B. Kraftlosigkeit, höheres Alter, eingeschränkte Rücken- und Fingerbeweglichkeit etc. Hier stehen dem Anwender zahlreiche An- und Ausziehhilfen für Kompressionsstrümpfe zur Verfügung, die ebenfalls begründet verordnungsfähig sind.
In den meisten Fällen genügen Kompressionsstrümpfe in Knielänge (A–D) der Kompressionsklasse 2. Patienten sollen über Anwendung und Nutzen informiert werden. Bei Einschränkungen im selbstständigen Gebrauch der Strümpfe sollen An-/Ausziehhilfen verordnet werden, Angehörige geschult oder die Hilfe eines ambulanten Pflegedienstes verordnet werden.
Eine Alternative zu Kompressionsstrümpfen und phlebologischen Kompressionsverbänden stellen medizinisch-adaptive Kompressionssysteme (MAK) dar, die auch als Wrap-Verbände bezeichnet werden. Hierbei werden flächige Kompressionsmaterialien um das Bein gelegt, und mittels Klettverschluss wird ein definierter Anpressdruck hergestellt, der je nach Hersteller auch individuell erhöht oder reduziert werden kann. Vorteil der MAK ist die einfach zu erlernende Anwendung und vor allem die Möglichkeit, von Anfang an den korrekten Anpressdruck unabhängig vom Ausmaß der Schwellung einzustellen.

Kontraindikationen der Kompression

Vor Beginn einer Kompression soll eine pAVK ausgeschlossen werden. Dies darf bei kräftig palpablen Fußpulsen in 95 % aller Fälle angenommen werden (Londero et al. 2016). Eine pAVK mit kritischer Ischämie stellt eine absolute Kontraindikation zur Kompressionstherapie dar. Hier bedarf es ohnehin einer möglichst raschen Wiederherstellung oder mindestens Verbesserung der arteriellen Perfusion. Die kritische Ischämie ist definiert durch folgende Umstände:
  • Knöchelarteriendruck < 50 mmHg,
  • Zehenarteriendruck < 30 mmHg und/oder
  • transkutaner Sauerstoffpartialdruck (tcPO2) am Fußrücken < 30 mmHg.
Eine hämodynamisch kompensierte pAVK hingegen stellt keine absolute Kontraindikation zur Kompressionstherapie dar. Hier kann auch mit reduzierten Anpressdrücken eine suffiziente Entstauung gewährleistet werden, z. B. durch Verwendung von Strümpfen der KKL 1. Gleiches gilt für Patienten mit (diabetischer) Neuropathie, auch hier sind eine reduzierte Kompressionsklasse 1 (KKL1 mit ca. 18–21 mmHg) und die Verwendung offener Zehenspitzen oder Softspitzen beim Strumpf präventiv hinsichtlich unerwünschter Druckschäden infolge der Kompression. Eine Schulung der Patienten ist unabdingbar mit Verhaltensregeln beim Auftreten von Beschwerden und täglicher Fußinspektion.
Treten Blau- oder Weißverfärbungen, Missempfindungen, Taubheitsgefühl, Schmerzen oder sonstige Beschwerden im Fuß- oder Zehenbereich unter laufender Kompression auf, muss die Kompression sofort gelockert bzw. beendet werden.
Alternativ bietet der Markt inzwischen Spezialbestrumpfungen für die phlebologische Indikation bei koinzidenter pAVK und/oder Neuropathie an.
Weitere Kontraindikation stellen die Phlegmasia coerulea/alba dolens, die septische Phlebitis sowie eine schwer dekompensierte Herzinsuffizienz im NYHA-Stadium III–IV dar.

Dauer der Kompressionstherapie

Zeitgleich zur Entscheidung, ob die therapeutische Antikoagulation über die Erhaltungsphase von 3–6 Monaten fortgesetzt oder beendet werden soll, erfolgt im Rahmen der Nachsorge auch die Entscheidung über Fortsetzen oder Beenden der Kompressionstherapie. Zu diesem Zeitpunkt kann ein mehrere Tage andauernder Auslassversuch der Kompression Klarheit verschaffen, ob Schwellung, Schweregefühl oder Schmerzen ohne Kompression wieder auftreten. Ist dies der Fall, soll die Kompressionstherapie fortgesetzt werden. Da ohnehin zu diesem Zeitpunkt meist eine duplexsonografische Kontrolle des Ausgangsbefundes der Thrombose erfolgen soll, kann die Ursache der anhaltenden Beschwerden erfasst werden: ein persistierender oder nicht vollständig rekanalisierter Verschluss der Venen (okklusives PTS) und/oder insuffiziente Venenklappen (refluxives PTS).

Thrombose-Nachsorge

In den ersten 1–3 Wochen soll eine erste Kontrolle zur Sicherstellung der Verträglichkeit der Antikoagulantien und zur Optimierung der Kompressionstherapie erfolgen. Nach 3–6 Monaten soll die nächste klinische Kontrolle erfolgen, dann mittels Duplexsonografie zur Bestimmung des Restthrombuslast. Da in den meisten Fällen nach 3- bis 6-monatiger Antikoagulation und Kompression keine relevante Abnahme der Restthrombuslast mehr zu erwarten ist, stellt sich zu diesem Zeitpunkt auch die Frage nach etwaigen endovaskulär rekanalisierenden Maßnahmen, was vor allem bei Beteiligung der Beckenvenen optional ist. Des Weiteren entscheidet sich zu diesem Zeitpunkt, ob die Antikoagulation beendet werden kann oder ob diese in voller Dosis oder dosisreduziert als verlängerte Sekundärprophylaxe fortgeführt werden soll. Dies ist bei hohem oder mäßig erhöhtem Rezidivrisiko unter Berücksichtigung des Blutungsrisikos für jeden Patienten individuell zu entscheiden. Als Hilfestellung zur Einordnung der dispositionellen und expositionellen Risikofaktoren können die Thromboseampel (Linnemann et al. 2023) oder der VTE-Predict-Score herangezogen werden, wobei letzterer nicht für Tumor-assoziierte Thrombosen gilt (de Winter et al. 2023). Die Entscheidungsfindung pro und contra verlängerte Sekundärprophylaxe wird ausführlich in den Kap. „Risikofaktoren für Rezidive venöser Thrombembolien“ und „Verlängerte medikamentöse Sekundärprophylaxe venöser Thrombembolien“ beschrieben.
Nach 3–6 Monaten soll im Nachsorgetermin über Fortsetzen, Beenden oder Anpassen der Kompressions- und Antikoagulationstherapie sowie optional über endovaskulär rekanalisierende Maßnahmen entschieden werden. Die Verlaufskontrolle dient dem Erfassen eines postthrombotischen Syndroms (PTS).

Postthrombotisches Syndrom

Risikofaktoren und Symptomatik des PTS

Das postthrombotische Syndrom (PTS) ist eine Folgeerkrankung nach stattgehabter tiefer Beinvenenthrombose. Ursächlich sind nicht vollständig rekanalisierte Bereiche der zuvor thrombosierten Venen und/oder nicht mehr funktionstüchtige Venenklappen. Daraus abgeleitet werden PTS vom okklusiven oder refluxiven Typ. Beide Varianten können auch kombiniert auftreten. Die hieraus erwachsende Symptomatik erklärt sich aus dem gestörten venösen Abstrom. Periphere Ödemneigung, Schwere- und Spannungsgefühl, Schmerzen, belastungsabhängige Wadenkrämpfe (Claudicatio venosa), hyperpigmentierte Haut, oberflächliche variköse Umgehungskreisläufe bis hin zum Ulcus cruris kennzeichnen die Vielfalt der Symptome des PTS. Die meisten Symptome werden im Villalta-Score erfasst (Kahn et al. 2009), der zur Schweregradbeurteilung herangezogen werden kann (Tab. 1). Die Claudicatio venosa als relevantes Symptom ist allerdings nicht enthalten.
Tab. 1
Villalta-Score. Schweregradbeurteilung anhand der addierten Punktwerte: 0–4 Pkt. kein PTS; 5–9 Pkt. mildes PTS; 10–14 Pkt. moderates PTS; 15 Pkt. oder Ulcus cruris: schweres PTS. (Adaptiert nach Khan SR et al. 2009)
Symptome und Befunde
Schwere der Ausprägung
 
keine
leicht
mittel
schwer
Subjektive Symptome
Schmerz
0
1
2
3
Schweregefühl
0
1
2
3
Krämpfe
0
1
2
3
Parästhesien
0
1
2
3
Klinische Befunde
Prätibiales Ödem
0
1
2
3
Indurierte Haut
0
1
2
3
Hyperpigmentierung
0
1
2
3
Wadenkompressionsschmerz
0
1
2
3
Venöse Ektasien
0
1
2
3
0
1
2
3
Halten die Symptome einer Thrombose trotz Antikoagulation und Kompression über 3–6 Monate an, ist dies prädiktiv für ein PTS. Rezidivierende Thrombosen in derselben Extremität, eine bereits vorbestehende chronisch venöse Insuffizienz bzw. Varikosis fördern die Entwicklung eines PTS. Bewegungsarmut aggraviert zusätzlich durch Ausfall der Wadenmuskel-Venenpumpe den venösen Rückstau, ebenso eine inkonsequente Kompressionstherapie. Übergewicht verstärkt den Symptomenkomplex und gilt als relevanter Risikofaktor für die Entwicklung eines PTS.

Diagnostik des PTS

Da ohnehin 3–6 Monate nach Thrombosediagnose eine Duplexsonografie erfolgen soll, um über eine etwaige verlängerte Antikoagulation zu entscheiden, ist dieser Zeitpunkt geeignet, auch hinsichtlich der Risikofaktoren für ein PTS zu screenen. Die Duplexsonografie liefert relevante Befunde, die prädiktiv für die Entwicklung eines PTS sein können und die Therapie bestimmen. In einem systematischen Review aus 12 prospektiven Studien mit 2684 verlaufsbeobachteten Thrombosepatienten konnten Ultraschallparameter definiert werden, die zuverlässig ein PTS vorhersagen (Dronkers et al. 2018). Die Odds Ratio für ein PTS war dabei am höchsten bei einer Kombination aus Restthrombus und Reflux (OR 2.35; 95 % KI 1.35–4.11) und dem alleinigen Restthrombus-Nachweis (OR 2.17; 95 % KI 1.79–2.63). Hingegen war der isolierte Reflux auf Poplitealhöhe seltener mit einem PTS assoziiert (OR 1.34; 95 % KI 1.03–1.75).
Der duplexsonografische Nachweis einer partiellen oder kompletten Obstruktion (Abb. 2) und/oder eines Refluxes (Abb. 3) in der von der Thrombose betroffenen Vene ist prädiktiv für die Entwicklung eines PTS.
Auch plethysmografische Verfahren (Venenverschlussplethysmografie und digitale Photoplethysmografie, syn. Lichtreflexrheografie) eignen sich zur Diagnostik und Verlaufskontrolle PTS. Die Verschlussplethysmografie liefert Hinweise auf seitendifferente venöse Abflüsse, die Lichtreflexrheografie auf venöse Klappeninsuffizienzen (Abb. 4).
Die klassische Phlebografie spielt in der PTS-Diagnostik keine Rolle mehr. Eine MR-Phlebografie hingegen kommt dann zur Anwendung, wenn venenrekanalisierende Maßnahmen geplant werden. Der Vorteil der MR-Phlebografie liegt in der zuverlässigen Darstellbarkeit intraluminaler Septen und Venenwandverdickungen.

Therapie des PTS

Die maßgeblichen Befunde des PTS, nämlich Obstruktion und Reflux, bestimmen die therapeutischen Optionen: Kompression ist die Therapie des obstruktiven und refluxiven PTS. Die Antikoagulation hat vor allem in der Initialphase ihren Stellenwert zur Vermeidung der Obstruktion. Venenrekanalisierende Maßnahmen können entstandene Obstruktionen beheben und damit Refluxen vorbeugen, diese aber nicht grundsätzlich vermeiden. Pathophysiologisch fällt mit dem Wiederherstellen eines ungehinderten venösen Abstroms der peripher-venöse Hochdruck weg und damit eine der wesentlichsten Ursachen der (sekundären) venösen Klappeninsuffizienz. Andererseits können periphere Venenklappen durch den Thrombus selbst so geschädigt sein, dass sie nicht mehr dicht schließen. Der hierdurch bedingte Reflux wäre dann durch rekanalisierende Maßnahmen nicht zu verhindern. Nur die individuelle Kombination verschiedener Therapieoptionen kann dem individuellen PTS gerecht werden.

Kompression und Bewegung

Eine konsequente Kompressionstherapie in Verbindung mit aktivem Lebensstil, Bewegung unter Kompression, ist der wesentlichste Teil der Therapie des PTS. Hierbei ist wichtig, dass Patienten verstehen, welchen therapeutischen Effekt Kompression auf undichte Venenklappen hat, und warum die Aktivierung der Wadenmuskel-Venenpumpe so bedeutsam für den venösen Abstrom und eine suffiziente Entstauung ist. Ein systematisches Review aus 12 randomisierten kontrollierten Studien und einer Metaanalyse mit 3751 Patienten belegt, dass die mit Diagnose der Thrombose sofort begonnene konsequente Kompression die Entwicklung eines PTS nachweislich um 50 % reduziert (Thieme et al. 2024). Hierfür war ein knielanger Kompressionsstrumpf ausreichend, unabhängig von der Ausdehnung der Thrombose. Es ergab sich kein Vorteil eines Oberschenkelstrumpfes im Vergleich zum Kniestrumpf hinsichtlich der Verhinderung eines PTS.
Eine knielange Kompression ist ausreichend in der Therapie des PTS.
Laufen unter Kompression fördert nachweislich das Abheilen venöser Ulzera (Jull et al. 2018; Robson et al. 2008). Insbesondere die Aktivierung im Sprunggelenk, also das Auf- und Abwippen der Füße, das auch im Sitzen durchgeführt werden kann, ist besonders effektiv für den Rücktransport des gestauten Venenblutes. Liegt bereits ein Ulcus cruris venosum oder eine derb indurierte Haut oder ein sekundäres Lymphödem vor, dann ist die Verwendung flachgestrickter Kompressionsstrümpfe ratsam (siehe Kap. „Kompressionstherapie bei chronisch venöser Insuffizienz und Ulcus cruris“). Das gröber und rauer gewirkte Material weist eine höhere Steifigkeit auf, die Haut und Unterhautgewebe besser drainiert als rundgestrickte Strümpfe. Zudem sind aufgrund des Strickverfahrens sehr individuelle Maßanfertigungen möglich, die ein Einschneiden in kritischen Regionen, z. B. Übergang Fuß/Unterschenkel, durch Einarbeitung einer Y-Einkehre verhindern.
Ulkuspatienten, Patienten mit starken Kalibersprüngen am Bein und Umfangsdifferenzen am Übergang vom Fuß zum Unterschenkel profitieren von einer flachgestrickten Bestrumpfung. Bei Ulcus cruris venosum kann die flachgestrickte Kompression auf KKL 3 (34–46 mmHg) eskaliert werden, da hierdurch raschere Abheilungsraten belegt sind (Thieme et al. 2024).
Die Kompressionsdauer orientiert sich komplett an der Symptomatik, soll aber 3–6 Monate nicht unterschreiten (Linnemann et al. 2023). Danach wird in einem Auslassversuch geprüft, ob Symptome des PTS auftreten. Ist dies der Fall, wird die Kompression fortgesetzt. Der Verlauf kann sowohl duplexsonografisch, plethysmografisch als auch mittels Villalta-Score objektiviert werden.
Ist ein Ulcus cruris venosum unter Kompression erfolgreich abgeheilt, neigen viele Patienten dazu, auf Kompression zu verzichten, da das Ziel erreicht wurde. Hierunter treten allerdings vorhersehbar Ulkusrezidive auf, da der zugrunde liegende Pathomechanismus des PTS ja weiter fortbesteht. Das heißt, Ulkuspatienten benötigen in der Regel eine lebenslange Kompression.

Chirurgische und katheterinterventionelle Verfahren

Venenrekanalisierende Maßnahmen sind therapeutische Optionen, die aufgrund der gegenwärtigen Studienlage keine Standardtherapie darstellen, sondern in Einzelfällen unter sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung angewandt werden können. Schwere postthrombotische Syndrome, eine Claudicatio venosa oder therapierefraktäre Ulzera können rekanalisierende Interventionen oder eine chirurgische Sanierung rechtfertigen. Der früher favorisierte femoro-femorale Cross-over-Bypass nach Palma, der eine getunnelte Anastomose der mobilisierten V. saphena magna der Gegenseite mit der V. femoralis communis darstellt, wird heute kaum noch angelegt. Die inzwischen dominierenden katheterinterventionellen Rekanalisationen finden überwiegend im iliokavalen Bereich Anwendung, können aber bis in die V. femoralis oder V. profunda femoris ausgedehnt werden. Voraussetzung für den Erfolg ist ein hinreichend starker venöser Einstrom. Hierzu kann eine chirurgische Desobliteration der V. femoralis comm., manchmal eine zusätzliche AV-Fistel erforderlich werden. Die Rekanalisation obliterierter Venen erfolgt aufgrund der Schmerzhaftigkeit in Vollnarkose. Einer Metaanalyse zufolge liegen die primären Offenheitsraten 3 Jahre nach Intervention bei 68 %, die sekundäre Offenheitsrate liegt bei 85 % (Qiu et al. 2019). Die Studien waren allerdings nur bedingt miteinander vergleichbar aufgrund qualitativer Unterschiede des Studiendesigns und wegen uneinheitlicher Interventionsstandards. Eine multizentrische nicht randomisierte TOPOS-Studie beschreibt primäre Offenheitsraten von 81 % nach 2 Jahren und signifikant reduzierte Villalta-Scores (Sebastian et al. 2024). Bei den eingeschlossenen 60 Patienten kam es zu 9 akuten Stentverschlüssen, 4 symptomatischen Stentstenosen und einer Lungenembolie. Aufgrund der gegenwärtig niedrigen Evidenz spricht die deutsche Leitlinie eine KANN-Empfehlung für interventionelle Verfahren zur Therapie eines schweren PTS aus (Linnemann et al. 2023). Pathophysiologisch betrachtet bieten sie für das obstruktive PTS eine kausale Therapieoption, die jedoch in prospektiven randomisierten Studien im Vergleich zur konservativen Therapie validiert werden sollte.
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