Verfasst von: Christian Lottspeich und Michael Ertl
Die transorbitale Sonografie ist eine einfach durchführbare Untersuchungsmethode, um Sehnerv und retroorbitale Gefäße darzustellen.
In der internistischen Diagnostik hat dies insbesondere Bedeutung bei orbitalen Durchblutungsstörungen. So kann unter anderem die Verdachtsdiagnose eines Zentralarterienverschlusses duplexsonografisch gesichert werden. Mit Nachweis eines sogenannten „Spot-Signs“ im Sehnervenkopf ist wiederum die embolische Genese eines Zentralarterienverschlusses bestätigt und eine vaskulitische Ursache ausgeschlossen. Auch kann bei Stenosen der extrakraniellen hirnversorgenden Gefäße die Untersuchung der Arteria ophthalmica relevante Zusatzinformationen bieten. Weiteres Einsatzgebiet der transorbitalen Sonografie liegt in der neurologischen bzw. intensivmedizinischen Hirndruck-Diagnostik.
Die transkranielle Duplexsonografie, traditionell eine Domäne der Neurologie, ist ein unverzichtbarer Bestandteil bei der Diagnostik neurovaskulärer Erkrankungen, insbesondere bei Stenosen oder Verschlüssen hirnversorgender Arterien. Voraussetzungen sind hierfür sind dabei lediglich ein zeitgemäßes Ultraschallgerät und ein niederfrequenter Sektorschallkopf mit den entsprechenden Einstellungen. Ziel dieses Kapitels ist zunächst eine Übersicht über die Gefäßanatomie und in diesem Zusammenhang auch die Erläuterung des empfohlenen Untersuchungsgangs. Als Grundlage zum Verständnis pathologischer Veränderungen werden zunächst entsprechende Normalbefunde erläutert. Im Bereich der Pathologien liegt der Fokus auf Stenosen bzw. Verschlüssen intrakranieller Arterien. Abschließend beleuchtet werden soll dann noch die sonografische Diagnostik sogenannter Kollateralkreisläufe, die in unterschiedlicher Ausprägung bei intrakraniellen Verschlussprozessen aktiv werden.
Die transorbitale Sonografie ist einfach durchzuführen und erfolgt in Rückenlage des Patienten mit leicht erhöhtem Oberkörper. Zur optimalen Darstellung der retroorbitalen Strukturen sollte ein hochfrequenter Linearschallkopf (7–15 MHz) genutzt werden. Der Schallkopf wird mit ausreichend Ultraschallgel auf das geschlossene, laterale Oberlid locker aufgelegt und der Patient angewiesen mit geschlossenen Augen geradeaus zu blicken.
Um potenzielle Schäden an Retina und Linse zu vermeiden, muss 1) die Untersuchungszeit so kurz wie möglich gehalten werden und 2) die Sendeleistung des Geräts – und damit der mechanische Index – reduziert werden (mechanischer Index < 0,2–0,3). Zur optimalen Darstellung und Flussmessung der okulären Gefäße sind die Geräteeinstellung auf langsame Flüsse anzupassen (Ertl et al. 2014).
Normalbefund
Die okuläre Sonografie ermöglicht eine hochauflösende Darstellung von orbitalen Strukturen wie dem Sehnerv und die duplexsonografische Beurteilung retrobulbärer Gefäße. Dorsal des echofreien Glaskörpers lässt sich der echoarme Sehnerv meist langstreckig darstellen. Die Normalbefunde der transorbitalen B-Bild- sowie Farbduplexsonografie sind in der Abb. 1 dargestellt. Wichtig für die Interpretation der Bildinformationen ist die Kenntnis der retrobulbären Anatomie und insbesondere der augenversorgenden Arterien. Die arterielle Durchblutung des Auges erfolgt über Äste der Arteria ophthalmica. Hierbei versorgen die kurzen posterioren Ziliararterien den Sehnervenkopf sowie Teile der Choroidea (Aderhaut), die Arteria centralis retinae versorgt wiederum die Retina (Netzhaut). Weiterführende Ausführungen hierzu finden sich im Kap. „Arterielle Durchblutungsstörungen des Auges“.
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Indikation & Pathologien
In der Ophthalmologie ist die okuläre Sonografie (A- und B-Mode) seit langem etabliert und wird insbesondere zur Darstellung des vorderen Augenabschnitts, der Diagnostik und Verlaufskontrolle bei intraokulären Tumoren sowie zur Visualisierung von Drusenpapillen eingesetzt. Die internistische und neurologische Sonografie fokussiert sich insbesondere auf die B-Bild-Darstellung des Sehnvervenkopfes, sowie der duplexsonografischen Untersuchung von Zentralarterie sowie Arteria ophthalmica.
Zentralarterienverschluss
Die Diagnose eines Zentralarterienverschlusses (ZAV) lässt sich bei fehlendem Flussnachweis in der Arteria centralis retinae stellen (siehe Abb. 2B). Bei der Beurteilung ist zu beachten, dass das Gefäß nach stattgehabtem ZAV auch rekanalisiert sein kann und dann wieder ein Flussprofil aufweist.
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Bei manchen Patienten mit embolischem ZAV findet sich im Bereich des echoarmen Sehnervenkopfes eine punktförmige, echoreiche Struktur (sogenanntes retrobulbäres Spot-Zeichen oder auch „Spot Sign“; siehe Abb. 2A sowie Abb. 3A). Es wird angenommen, dass dieses Spot-Zeichen das sonografische Korrelat eines fibrin- und cholesterinreichen Embolus in der Arteria centralis retinae darstellt (Altmann et al. 2015). Dementsprechend kann bei Nachweis des Spot-Zeichens – und damit der sonografischen Darstellung des Embolus – eine Riesenzellarteriitis als Ursache der Visusminderung mit hoher Sicherheit ausgeschlossen werden.
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Die Darstellung eines Spot-Zeichens im Sehnervenkopf sichert die Diagnose eines embolischen Zentralarterienverschlusses und schließt eine vaskulitische Genese aus.
Drusenpapille
Eine Drusenpapille ist in Abb. 3B dargestellt. Drusen der Papille zeigen sich sonografisch stark echogen, mit teils dorsaler Schallabschwächung. Sonografisch müssen Drusen von o.g. Spot-Zeichen abgegrenzt werden: Drusen liegen in der Regel näher an der Retina – ein Spot-Zeichen hingegen ist kleiner bzw. punktförmig (ca. 1 mm) und liegt zentral im Sehnervenkopf (siehe ebenfalls Abb. 3A). Die Diagnose einer Drusenpapille lässt sich meist bereits funduskopisch stellen. Drusen sind ein Risikofaktor für die Entstehung einer nicht-arteriitischen ischämischen Optikusneuropathie.
Erhöhter intrakranieller Druck
In Neurologie, Notfall- sowie Intensivmedizin wird die transorbitale Sonografie zur Diagnostik und auch Monitoring bei erhöhtem Hirndruck eingesetzt. Der Liquor- und Subarachniodalraum um den Sehnerv – die Optikusnervenscheide (ONS) – steht in direkter Verbindung zum intrakraniellen Liquorraum. Akute oder chronische Erkrankungen mit Veränderungen des Hirndrucks führen daher zu einer Verbreitung der ONS. Sonografisch kann die ONS um den Sehnerven dargestellt und der Durchmesser bestimmt werden (optic nerve sheath diameter; ONSD). Bei einem ONSD <5 mm kann ein erhöhter Hirndruck mit hoher Sensitivität ausgeschlossen werden (Koziarz et al. 2019). Da Änderungen des Hirndrucks sich in der Regel sofort auf den ONSD auswirken, eignet sich die Messung gut für ein nicht-invasives Monitoring. Dynamische ONSD-Messungen mit Positionsänderung des Patienten werden im Rahmen der Diagnostik von Liquorunterdruck sowie Normaldruckhydrocephalus eingesetzt (Bäuerle et al. 2011; Ertl et al. 2017).
Papillenödem
Die Ursachen für ein Schwellung des Sehnervenkopfes (= Papillenödem) sind vielfältig. So kann diese unter anderem bei anteriorer ischämischer Optikusneuropathie oder auch durch einen erhöhtem intrakraniellem Druck bedingt sein (siehe oben). Die Diagnose eines Papillenödems wird meist ophthalmologisch via Funduskopie gestellt. Die Schwellung des Sehnervenkopfs mit Vorwölbung nach ventral in den Glaskörper kann häufig auch sonografisch gesehen werden (siehe Abb. 3C).
Duplexsonografie und PW-Doppler der Arteria ophthalmica
Wie auch mit der Stiftsonde können Flussrichtung und -profil der Arteria ophthalmica duplexsonografisch beurteilt werden. Dies kann nützlich sein, um den Stenosegrad der Arteria carotis interna einzuschätzen („Kollateralisierung“; siehe Kap. „Arteria Carotis – Plaque und Stenosen“. Abb. 4 zeigt die Darstellung einer retrograden Arteria ophthalmica bei einem Patienten mit symptomatischer, höchstgradiger Stenose der proximalen Arteria carotis communis.
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Transkranielle Duplexsonografie
Einleitung
Die transkranielle Duplexsonografie wird v. a. als Domäne der Neurologie verstanden. Dies lässt sich auf die Wichtigkeit der Kenntnis des gesamten Systems der intrakraniellen Blutversorgung bei zerebrovaskulären Erkrankungen zurückführen. Dabei ist erst durch die Gesamtbetrachtung eine wirklich korrekte Einschätzung von pathologischen Befunden möglich. Gerade die Bewertung der Kollateralkreisläufe spielt bei der Einstufung von Stenosen der hirnversorgenden Arterien eine zentrale Rolle. Dieses Kapitel soll daher allen interessierten „Gefäßmedizinern“ einen Einblick in die transkranielle Duplexsonografie ermöglichen. Der Fokus liegt dabei auf einem strukturierten Untersuchungsgang, den wichtigsten pathologischen Befunden und der Untersuchung von Kollateralkreisläufen.
Technische Voraussetzungen
Für die transkranielle Duplexsonografie werden Schallköpfe mit niedrigen Sendefrequenzen von 1–3 MHz benötigt, welche jedoch an den meisten gängigen Ultraschallsystemen verbaut sind. Trotz der niedrigen Schallfrequenz ist die transkraniale Insonation bei Erwachsenen nur an durch bestimmte Zugangswege, den so genannten Knochenfenstern, möglich. Darunter zählen das transtemporale, transforaminale, transorbitale und das transfrontale Knochenfenster.
Für die Darstellung der wichtigsten Strukturen beziehungsweise Gefäße spielt das transtemporale Knochenfenster die größte Rolle.
Hierfür wird der Schallkopf direkt vor dem Meatus acusticus externus auf dem Jochbein positioniert. Die Qualität des Knochenfensters ist dabei abhängig von Alter und Geschlecht und nimmt mit zunehmendem Alter vor allem bei Frauen (Hoksbergen et al. 2000) ab. Beim transtemporalen Schallfenster kann zwischen fünf axialen und zwei koronaren Schnittebenen unterschieden werden.
Die Untersuchung sollte dabei immer in der axialen Mittelhirnebene begonnen werden, da hier die meisten Gefäßabschnitte identifiziert werden können (Abb. 5b).
Das Mittelhirn erscheint dabei als eine schmetterlingsförmige hypoechogene Struktur, welche von den hyperechogen erscheinenden basalen Zisternen umgeben wird (Abb. 5a). Die anderen axialen Untersuchungsebenen sind die obere und untere Ponsebene (Angulierung jeweils um 10 Grad nach unten) sowie die Thalamus- und die Cella media Ebene (Angulierung jeweils um 10 Grad nach oben). Die vordere koronare Ebene eignet sich besonders zur Beurteilung der distalen A. carotis interna (ACI) sowie zur besseren Unterscheidung des Beginns der distalen ACI, A. cerebri media (ACM) und A. cerebri anterior (ACA, Abb. 6a, b). Die hintere koronare Ebene stellt die beste Möglichkeit zur Beurteilung der distalen A. basilaris (AB) dar (Abb. 6c, d). Die distalen Abschnitte in der Aa. vertebrales und die proximalen Abschnitte der AB werden über das transforaminale Schallfenster untersucht (Abb. 4a, b).
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Untersuchungsgang
Zunächst wird das transtemporale Schallfenster analysiert und die axiale Mittelhirnebene aufgesucht. Dabei ist auf ausreichend gute Sichtbarkeit der B-Bild Landmarken zu achten. Dabei sollte der B-Bild Gain nicht allzu hoch eingestellt sein, so dass das Bild insgesamt eher dunkel wirkt. Erst unter diesen gegebenen Voraussetzungen sollte der Color-Mode hinzugeschaltet werden. Im Idealfall ist dann der Circulus arteriosus willisii vollständig zu erkennen (Abb. 5b). Zur besseren Übersicht kann zunächst das Farb-Gain verstärkt und die Pulsrepetitionsfrequenz (PRF) reduziert werden.
Vordere Zirkulation
A. cerebri media
Die ACM wird neuroanatomisch in drei Gefäßsegmente (M1-M3) unterteilt. Man beginnt mit der Darstellung des M1-Segments und verfolgt das Gefäß bis zur Bifurkation. Da der Blutfluss standardgemäß auf den Schallkopf zu fließt erscheint das Gefäß rot (Abb. 7a, b). Bei guten Schallbedingungen können problemlos die weiter distal lokalisierten M2-Segmente verfolgt werden.
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Dazu ist es manchmal notwendig, den Schallkopf nach kranial in die Thalamus- bis zur Cella media Ebene zu angulieren.
Normwerte aller Flussgeschwindigkeiten der in diesem Kapitel dargestellten Gefäßabschnitte finden sich in Tab. 1.
Tab. 1
Normwerte der Flussgeschwindigkeiten ausgesuchter intrakranieller Gefäße. Adaptiert nach (modifiziert nach Valdueza et al. 2008)
Da dieses Gefäß unter physiologischen Bedingungen in der entgegengesetzten Richtung wie die ACM fließt, lässt es sich bei guten Schallbedingungen einfach identifizieren. Ausgehend von der Teilungsstelle der distalen ACI wird das Gefäß nun nach medial verfolgt. Dies ist bei optimalen Bedingungen auch bis in die A2 Segmente möglich. Normalerweise sieht man in dieser Ebene bereits die kontralateralen Gefäßabschnitte der A1 der Gegenseite (Abb. 3c, d).
A. carotis interna (intrakranieller Verlauf)
Um alle intrakraniellen Gefäßabschnitte der ACI (C1–C6) darstellen zu können, muss zum einen ein ausreichend gutes Schallfenster sowie die Kombination der axialen und koronaren Schallebene kombiniert werden. In der axialen Ebene muss dabei die untere und obere Ponsebene aufgesucht werden, für die koronare Insonation muss der Schallkopf um 90° nach oben gedreht werden. Aufgrund der Gefäßverläufe bietet sich die koronare Ebene ebenfalls besonders gut an, um Pathologien im Bereich des Carotis-Ts am Übergang zwischen ACM und ACA darzustellen (Abb. 6a).
Hintere Zirkulation
Grundsätzlich sollten bei insgesamt ca. 30 % niedrigeren Flussgeschwindigkeiten im hinteren im Vergleich zum vorderen Stromgebiet die Untersuchungsbedingungen entsprechend angepasst werden. Hierzu zählt eine Reduktion der Pulsrepetitionsfrequenz und ggf. eine Erhöhung des Farbbild-Gains.
A. vertebralis (V4-Segment)
Die Untersuchung erfolgt über das transnuchale Schallfenster. Hierfür wird die Sonde in axialer Schichtführung in einer Mulde unterhalb der Protuberantia occipitalis externa positioniert. Erfahrungsgemäß sind die besten Untersuchungsergebnisse in sitzender Position zu erzielen, möglich ist jedoch auch eine Untersuchung in liegender Position auf dem Rücken mit einer Seitwärtsrotation des Kopfes oder in Seitlage. Als sonografische Landmarke dient das Foramen magnum. Im Farbduplexbild sind beide V4-Segmente am besten dadurch zu identifizieren, dass der Zusammenfluss beider Vertebralarterien zur A. basilaris dargestellt wird (Abb. 8a). Kurz vor dem Zusammenfluss beider V4-Segmente ist manchmal ein oder beidseitig noch die posteriore inferiore Kleinhirnarterie darstellbar (PICA; Abb. 8a, Pfeil) sichtbar. Weiter proximal ist meist „schlaufenartig“ noch der Übergang vom V3 zum V4-Segment zu erkennen.
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A. basilaris (proximaler Anteil)
Die Darstellung des proximalen Anteils erfolgt wie oben beschrieben und befindet sich in einer durchschnittlichen Untersuchungstiefe von 70 mm (mit teils ausgeprägter Variabilität; Abb. 8b). In aller Regel kann das Gefäß dann im Schnitt um 22 mm (Spanne von 11–37 mm) in die Tiefe verfolgt werden, so dass das distale Drittel meist nicht über diesen Weg insonierbar ist (Schulte-Altedorneburg et al. 2000). Die von der AB im mittleren Drittel abgehende anteriore inferiore Kleinhirnarterie (AICA) ist nur bei sehr guten Schallbedingungen und auch da nur inkonsistent sichtbar. Die superiore Kleinhirnarterie (SUCA) lässt sich am besten in enger räumlicher Beziehung kaudal zur A. cerebri posterior (s.u.) transtemporal in der Mittelhirnebene darstellen.
A. cerebri posterior
Am besten gelingt die Darstellung der Arteria cerebri posterior (ACP) ausgehend vom Basilariskopf in der Mittelhirnebene. Im Farbbild erscheint das Gefäß dabei als bandförmige Struktur, welche die hypoechogenen Mittelhirnschenkel umgibt (Abb. 8c). Die ACP wird eingeteilt in ein P1–P3 Segment. Das P1 und P2-Segment ist bei ausreichendem Schallfenster in der Regel gut darstellbar (Abb. 8d).
Die frühere duplexsonografische Einteilung erfolgte je nach Flussrichtung auf den Schallkopf zu (P1) beziehungsweise vom Schallkopf weg (P2). Diese Einteilung war jedoch zurückzuführen auf die ursprünglich nicht ausreichende Auflösung früherer Ultraschallgeräte. Zwischenzeitlich orientiert man sich auch hier am Abgang der Arteria communicans posterior (AcoP, Abb. 8c, Pfeilspitze).
Die AcoP findet sich unter physiologischen Umständen in circa 75 % der Fälle mit einem Fluss in Richtung ACI (Baumgartner 2006). Die Darstellbarkeit ist aber sehr variabel und vor allem abhängig vom Alter des Patienten mit einer deutlich niedrigeren Detektionsrate bei Patienten über 60 Jahre. Wichtigkeit erlangt die Darstellung vor allem bei der Beurteilung intrakranieller Kollateralkreisläufe.
Stenosen/Verschlüsse
Intrakranielle Stenosen sind für mind. 5 % aller ischämischen Schlaganfälle verantwortlich (Krasteva et al. 2020). Im Gegensatz zur extrakraniellen ACI existieren keine international anerkannten Kriterien zur Graduierung intrakranieller Stenosen. Zunächst ist nur eine relative grobe Einteilung von Stenosen < oder >50 % möglich (Baumgartner et al. 1999). Darüber hinaus ist die Mitberücksichtigung von indirekten Stenoseparametern wie prä- oder poststenotischen Flussbeeinträchtigungen zur Einschätzung von hämodynamisch relevanten Stenosen hilfreich und sinnvoll. Die Richtwerte sind in Tab. 2 zu finden. Eine exemplarische Darstellung einer intrakraniellen Stenose findet sich in Abb. 9.
Tab. 2
Duplexsonographische Kriterien der Einteilung intrakranieller Stenosen (modifiziert nach Valdueza et al. 2008). Flussgeschwindigkeiten angegeben in cm/s. FP= Flussprofil, ACP= a. cerebri posterior, AB= A. basilaris, AV= A. vertebralis
Stenose
< 50 % (geringgradig)
50–80 % (mittelgradig)
> 80 % (hochgradig)
A. cerebri media
155
220
poststenotisches FP in der distalen M1 oder M2
A. cerebri anterior
120
155
poststenotisches FP im A2-Segment
A. cerebri posterior
100
145
poststenotisches FP in der distalen ACP
A. basilaris
100
140
poststenotisches FP in der distalen AB oder ACP, prästenotisches FP in der AB
A. vertebralis (V4)
90
120
poststenotisches FP in der distalen AV/AB, prästenotisches FP extrakraniellen AV
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Flussbeschleunigungen intrakranieller Arterien müssen dabei nicht immer realen Stenosen entsprechen, sondern können auch Ausdruck sog. „funktioneller Stenosen“ bei Kollateralkreisläufen (s.u.) sein.
Diagnostische Wichtigkeit obliegt der Sonografie auch bei der Detektion von intrakraniellen Großgefäßverschlüssen und der Kontrolluntersuchungen bei Z. n. intrakraniellen interventionellen Eingriffen wie der Thrombektomie oder der Versorgung intrakranieller Stenosen mittels Stentangioplastie. Eine hervorragende Sensitivität hinsichtlich der Detektion von Großgefäßverschlüssen in der vorderen Zirkulation konnte auch im präklinischen Setting bereits nachgewiesen werden (Herzberg et al. 2014).
Bei schlechtem oder fehlendem Knochenfenster ist nahezu immer eine gute Darstellbarkeit durch die Applikation von Ultraschallkontrastmittel zu erreichen (z. B. SonoVue®).
Besonders zu beachten sind dabei Flussbeschleunigungen in der ACA, die sehr häufig Ausdruck entweder eines Kollateralkreislaufs oder einer Hypoplasie (siehe „funktionelle Stenose“) sind, da primäre Stenosen der ACA eine Seltenheit darstellen.
Kollateralkreisläufe
Ähnlich wie bei der konventionellen Angiografie ermöglicht der Ultraschall eine hämodynamische Beurteilung in Echtzeit.
Ein intakter Circulus arteriosus willisii stellt die Grundvoraussetzung für eine funktionierende Kollateralversorgung bei hämodynamisch wirksamen Stenosen oder Verschlüssen der hirnversorgenden Arterien dar. Unter diesen Voraussetzungen können sogar ausgedehnte Verschlussprozesse mehrerer Gefäße oft noch erstaunlich gut kompensiert werden (Liebeskind et al. 2011). Dabei gibt es eine Unterscheidung zwischen primären und sekundären Kollateralen. Zu den primären zählen die AcoA (A. communicans anterior) und die AcoP, sekundäre sind die A. ophthalmica (AO) und leptomeningeale Kollateralen (LMK).
Der Begriffe „sekundäre“ Kollateralen rührt daher, dass diese nur aktiv werden, wenn primäre Kollateralen anatomisch oder funktionell nicht ausreichend zur Verfügung stehen.
Die AO fungiert als Verbindungsstück zwischen dem Versorgungsgebiet der ACE (A. carotis externa) und der ACI. Unter physiologischen Bedingungen wird die OA über die ACI versorgt. Dies führt zu einem zentrifugalen Blutfluss auf den Schallkopf zu. Wird die OA als Kollaterale aktiviert, so kehrt sich der Blutfluss um und die OA trägt nun zur Blutversorgung des Gehirns bei. Dieses Phänomen wird dann klassischerweise über die A. supratrochlearis untersucht.
LMK können sich generell zwischen allen supratentoriellen Gefäßterritorien ausdehnen, finden sich aber v. a. zwischen dem Territorium der ACM und der ACA. Unter optimalen Bedingungen kann sich bei schweren (prä)okklusiven Konstellationen sogar ein großer intrakranieller Hauptstamm über leptomeningeale Kollateralen füllen. Dabei können LMK einen Durchmesser von bis zu 1 mm erreichen, was mit dem Durchmesser pialer Arterien vergleichbar ist (Brozici et al. 2003). Besondere Wichtigkeit erlangen LMK bei intrakraniellen Großgefäßverschlüssen (z. B. Karotis-T oder M1-Verschluss). Hier können primäre Kollateralen aus anatomischen Gründen keinen Beitrag zur Blutversorgung leisten. Der Ultraschall ist dabei nur indirekt in der Lage, Aussagen über funktionierende Kollateralen zu treffen. Dabei sind v. a. Flussbeschleunigungen in den speisenden Arterien als Hinweiszeichen zu werten. Abb. 10 zeigt hier exemplarisch eine kräftige A. occipitotemporalis (Übergang P2/P3-Segment) bei einer Patientin mit beidseitigen Karotisverschlüssen, welche die LMK als in diesem Zusammenhang wichtigste Kollateralen speist. Auf Grund der überproportionalen, physiologischerweise niedrigeren Flüsse kommt es in den speisenden Gefäßen zu funktionellen Stenosen (ACP: Abb. 10b, AV-V4: Abb. 10c, AB: Abb. 10d).
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Bei extrakraniellen ACI-Verschlüssen kann in 80 % der Fälle eine sog. Cross-Filling über die AcoA bei retrograder Füllung der ipsilateralen ACA und oft funktioneller Stenose der kontralateralen ACM dargestellt werden (Abb. 11). In 70 % der Fälle findet sich auch eine Aktivierung der AcoP (Demchuk et al. 2000). Die Qualität der Kollateralkreisläufe ist dabei auch prognostisch bedeutsam. Eine präinterventionelle Analyse ermöglicht dabei beispielsweise eine prognostische Einschätzung des klinischen und radiologischen Outcomes von Pat. mit intrakraniellen Großgefäßverschlüssen (Conrad et al. 2020). Ein Cross-Filling ist übrigens schon dann anzunehmen, wenn die Flussgeschwindigkeiten in der kontralateralen ACA höher sind als in der ipsilateralen ACM, auch wenn nicht direkt ein retrograder Fluss in der ipsilateralen ACA nachweisbar ist.
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Neben der direkten Insonation der AcoP ist auch eine Flussbeschleunigung im ipsilateralen P1-Segment als H.a. auf eine Kollaterale zu werten, insbesondere, wenn die Flüsse im P2-Segment wieder normal sind. Bei vorliegenden ACI Verschluss findet sich bei Untersuchung der AcoP ein Fluss in Richtung der verschlossenen ACI.
LMK können indirekt untersucht werden, indem man das Spektrum der Zuflussgefäße ableitet. Entsprechende proximale Verschlussprozesse vorausgesetzt, kann man von einer Aktivierung ausgehen, wenn gleichsam im ipsilateralen P1- und P2-Segment eine Flussbeschleunigung im Vergleich zur Gegenseite nachgewiesen werden kann.
Zusammenfassung
Die transkranielle Duplexsonografie gilt immer noch als Domäne der neurologischen Ultraschalldiagnostik. Dabei ist sie unverzichtbar zum Verständnis stenotischer und okklusiver Prozesse der hirnversorgenden Arterien im Allgemeinen. Mit modernen Ultraschallgeräten gelingt dies in den meisten Fällen problemlos, ein ausreichend gutes Schaufenster ist dafür jedoch Voraussetzung. Sollte dies nicht gegeben sein kann zur Unterstützung Ultraschallkontrastmittel eingesetzt werden. Mit der Methode können sicher und zuverlässig intrakranielle Stenosen beurteilt werden. Zudem dient die Technik der Beurteilung hämodynamischer Kollateralkreisläufe und spielt eine wichtige Rolle in der Akutdiagnostik vor und nach der Versorgung von extra- und intrakraniellen Gefäßverschlüssen.
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