Systemischer Lupus erythematodes (SLE)
Die EULAR/ACR-Klassifikationskriterien von 2019 (Aringer et al.
2019) sind hilfreich zur Klassifikation einer Systemerkrankung als
SLE und letztendlich auch zur Diagnosestellung, wenn bestimmte klinisch-konstitutionelle Symptome, Organmanifestationen und pathognomonische serologische Befunde vorhanden sind. Neu ist im Gegensatz zu früheren Klassifikationskriterien, dass positive ANA, Titer >1:80 als „Eingangskriterium“ gefordert werden; ohne ANA kann also eine Erkrankung nicht als SLE klassifiziert werden. Wenn ANA vorhanden sind, werden mindestens 1 klinisches Kriterium und
>10 Punkte aus insgesamt 3 Domänen gefordert. Die Kriterien müssen nicht gleichzeitig präsent sein. Innerhalb einer Domäne wird nur das höchst bewertete Kriterium im Gesamtscore berücksichtigt. Ein Kriterium sollte dann nicht gezählt werden, wenn es dafür eine wahrscheinlichere Erklärung gibt (z. B. eine Infektion oder eine andere rheumatische Erkrankung).
Eine kardiale Beteiligung des
SLE kann das Perikard, Myokard und Endokard betreffen. Als häufigste Manifestation ist eine
Perikarditis zu nennen, die bei 20–50 % aller SLE-Patienten entweder schon bei der SLE-Erstmanifestation oder während Schüben im Verlauf auftreten kann (Tincani et al.
2006; Doria et al.
2005). Asymptomatische Perikardergüsse lassen sich bei bis zu 40 % der SLE-Patienten nachweisen (Tincani et al.
2006). Die Perikarditis als Serositis
– neben Pleuritis und
Peritonitis – hat als klinisches Kriterium auch Eingang in die Klassifikationskriterien gefunden (s. Tab.
2). Myokarditiden sind hingegen nur selten anzutreffen, manifestieren sich klinisch als Arrhythmien, ventrikuläre Dysfunktion,
dilatative Kardiomyopathie und
Herzinsuffizienz.
Herzrhythmusstörungen und AV-Überleitungsstörungen finden sich gehäuft bei Patienten, die Anti-Robert (Ro)-/
-Sjögren-Syndrom (SS)-A-Antikörper-positiv sind (Lazzerini et al.
2006). Bei schwangeren Patientinnen mit Anti-SS-A/Ro-Antikörpern besteht ein erhöhtes Risiko für einen kindlichen kongenitalen AV-Block.
Tab. 2
EULAR/ACR Klassifikationskriterien des SLE von 2019 (Aringer et al.
2019)
Konstitutionell | | 2 |
Haut | Nicht vernarbende Alopezie | 2 |
Orale Ulzera | 2 |
Subakut-kutaner oder diskoider LE | 4 |
Akuter kutaner LE | 6 |
Arthritis | Synovitis in ≥2 Gelenken oder Druckschmerz in ≥2 Gelenken mit Morgensteife ≥30 min | 6 |
Neurologie | Delirium | 2 |
Psychose | 3 |
Anfälle | 5 |
Serositis | | 5 |
| 6 |
Hämatologie | Leukopenie | 3 |
Thrombopenie | 4 |
Autoimmunhämolyse | 4 |
Nieren | Proteinurie >0,5 g/24 h | 4 |
| 8 |
Lupusnephritis (histologisch) Typ III, IV | 10 |
Immunologische Kriterien | Gewichtung |
Antiphospholipid-Ak | Anticardiolipin-Ak (aCL) >40 GPL oder Anti-Beta-2-Glycoprotein-1-Ak (a-β2-GP1) >40 GPL oder Lupus Antikoagulans (LA) positiv | 2 |
Complement | C3 oder C4 vermindert | 3 |
C3 und C4 vermindert | 4 |
Hochspezifische Auto-Ak | anti-Doppelstrang-DNS-Antikörper (ds-DNS-Ak) | 6 |
anti-Smith (Sm)-AAntikörper |
Die Libman-Sacks-Endokarditis
bei
SLE ist charakterisiert durch Klappenverdickungen und – verruköse Vegetationen (nichtbakterielle Vegetationen), auch in Kombination. Beide morphologische Veränderungen können mit Klappendysfunktionen einhergehen, letztere meist in Form von Regurgitationen; Stenosen sind selten. Am häufigsten ist die Mitralklappe, am zweithäufigsten die Aortenklappe betroffen. Libman-Sacks-Endokarditiden kommen bei 1–10 % der SLE-Patienten vor (Tincani et al.
2006), besonders häufig aber bei Patienten mit
Antiphospholipidsyndrom (APS). Das Vorhandensein eines APS wiederum erhöht das Risiko thromboembolischer, namentlich zerebrovaskulärer Komplikationen. Gleiches gilt für
Thromboembolien der Koronararterien bei koronarangiografisch normal erscheinenden Koronararterien. Zur Diagnose eines Antiphospholipidsyndroms ist neben klinischen Kriterien, nämlich Gefäßverschlüssen im Sinne einer arteriellen, venösen oder „Small vessel-Thrombose“ oder Schwangerschaftskomplikationen (≥1
Abort in oder nach der 10. SSW oder ≥1
Frühgeburt in oder vor der 34. SSW oder ≥3 Aborte konsekutiv vor der 10. SSW) der Nachweis von mindestens einem der 3 folgenden Parameter notwendig:
Antikörper gegen Kardiolipin oder β-2-Glykoprotein-1 oder ein positiver Lupusantikoagulans
(LA)-Test. Die genannten Tests müssen bei mindestens 2 verschiedenen Messungen im Abstand von mindestens 12 Wochen positiv sein (Miyakis et al.
2006).
Die häufigste Ursache einer kardialen Morbidität und vorzeitiger Todesfälle bei
SLE liegt allerdings – wie bei der RA – in einer akzelerierten Atherosklerose mit
koronarer Herzerkrankung. Das relative Risiko, eine KHK zu entwickeln, ist besonders hoch bei jungen Frauen, die ansonsten bekanntermaßen ein geringes
kardiovaskuläres Risiko aufweisen und verstärkt sich bei längerfristiger Kortikosteroidtherapie und
Rauchen als zusätzlichen Risikofaktoren (Schoenfeld et al.
2013).
Therapie
Als „Basistherapie“ sollte jeder an
SLE Erkrankte Hydroxychloroquin erhalten, welches u. a. das Risiko kardiovaskulärer Komorbiditäten reduziert und das Outcome von Schwangerschaften verbessert. Bei
Perikarditis und anderen Serositiden kommen zusätzlich
Kortikosteroide und Azathioprin oder
Methotrexat zum Einsatz. Das
Antiphospholipidsyndrom wird bei
venösen Thromboembolien mit Kumarinen, aber nicht mit
direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) behandelt. Bei Thrombosen alleine auf arterieller Seite und prophylaktisch bei Schwangerschaft sollte eine Therapie mit ASS 100 mg täglich erfolgen, bei Schwangerschaft zusätzlich mit niedermolekularem Heparin.
Systemische Sklerose/Sklerodermie
Kardiale Manifestationen einer SSc sind mit einer
Prävalenz von 15–35 % relativ häufig anzutreffen (Steen und Medsger Jr.
2000), bleiben aber in einem Großteil der Fälle subklinisch (Kahan et al.
2009). Perikardbeteiligungen wurden in Autopsiestudien bei 33–72 % der SSc-Patienten gefunden in Form von fibrinösen Perikarditiden, perikardialen Adhäsionen und Perikardergüssen. Es lassen sich verschiedene Störungen der kardialen Mikrozirkulation bei Patienten mit SSc nachweisen: Vasospasmen der kleinen Koronararterien und Arteriolen sind wichtige und vor allem frühe kardiale Manifestationen, die sowohl in Ruhe als auch provoziert durch einen Kaltwassertest („cold pressor testing“) bei SSc auftreten. Analog lässt sich im Bereich der Digitalarterien ein
sekundäres Raynaud-Syndrom ebenfalls bereits in Frühphasen der SSc provozieren. Eine myokardiale
Fibrose hingegen tritt in der Regel als Spätmanifestation auf und führt zur systolischen und diastolischen Dysfunktion. Echokardiografisch zeigen sich typischerweise segmentale Wandbewegungsstörungen und eine reduzierte koronare Flussreserve in Abwesenheit einer
koronaren Herzerkrankung.
In der Praxis besonders relevant ist eine sekundäre pulmonalarterielle
Hypertonie (mit und ohne gleichzeitige Lungenfibrose) mit der Folge einer
Rechtsherzinsuffizienz
Dermato-/und Polymyositis
Für die
Dermatomyositis sind die Hautveränderungen des lilafarbenen periorbitalen Ödems (heliotropes Exanthem), Gottron-Papeln über den Streckseiten der Fingergelenke und rot-bläuliche Hautverfärbungen im Bereich des Halses und Dekolletés und sonnenexponierter Areale typisch. Die
Kreatinkinase (CK) und andere Muskelenzyme sind meist sehr hoch und mit der entzündlichen Krankheitsaktivität assoziiert. Immunserologisch können ANA-positiv sein, zudem je nach Krankheitsentität spezifische
Antikörper gegen Histidyl-tRNA-Synthetase bzw. Jo-1, gegen TIF1-γ, MDA5 oder Mi-2. In der
Elektromyografie finden sich myopathische Potenziale (scharfe Wellen, Fibrillationspotenziale), Sicherung der Diagnose mittels
Muskelbiopsie.
Eine Herzbeteiligung ist häufig, allerdings nur bei ca. 6 % der Betroffenen klinisch bedeutsam. Sie gilt als prognostisch ungünstig und wichtige Todesursache. Pathogenetisch liegen der
Polymyositis zytotoxische T-Zellreaktionen zugrunde, die am Herzen zu einer Schädigung der Herzmuskulatur und einer
dilatativen Kardiomyopathie führen können. Die
Dermatomyositis führt über eine Kleingefäßvaskulitis
zur
Myokarditis und Perikardergüssen. Atrioventrikuläre Überleitungsstörungen, supraventrikuläre und ventrikuläre Extrasystolen sind typische EKG-Befunde, klinisch steht die
Herzinsuffizienz im Vordergrund (Zhang et al.
2012). Zudem kann es zu pulmonalarterieller
Hypertonie kommen mit nachfolgender
Rechtsherzinsuffizienz.
Dermatomyositiden sind im Erwachsenenalter häufig paraneoplastischer Genese, daher ist eine Tumorsuche (namentlich
Lungenkarzinom,
Mammakarzinom, Beckentumoren) bei diesen Patienten obligat.