Durale arteriovenösen Fisteln
(dAVF) sind arteriovenöse Kurzschlussverbindungen, die in der Dura bzw. in der Wand der duralen venösen Blutleiter lokalisiert sind. Die arteriellen Zuflüsse gehen überwiegend von duraversorgenden Gefäßen aus, in Einzelfällen können auch piale Arterien zur Shuntverbindung beitragen. Die Lokalisation des Shunts und die Art der arteriellen Versorgung unterscheidet dAVF von parenchymatösen und pialen arteriovenösen Fehlbildungen. dAVF sind meist erworben. Auslöser für die Entstehung sind u. a. Sinus- und Hirnvenenthrombosen und Traumata. Die klinischen Symptome der dAVF werden von der Lokalisation des Shunts, der Art der venösen Drainage und dem Ausmaß des Shuntvolumens bestimmt. Leitsymptome können
Kopfschmerzen, ein
pulsatiler Tinnitus, eine Enzephalopathie,
Sehstörungen oder andere fokal-neurologische Defizite sein. Der Patient ist durch das Auftreten von Blutungen, Kongestionsödemen und kompressionsbedingten
Ausfällen gefährdet. Die Behandlung duraler Fisteln erfolgt bevorzugt interventionell-neuroradiologisch.
Allgemeiner Teil
Jeder bildmorphologische Verdacht auf eine dAVF und jede atypische intrakranielle Blutung erfordert die Durchführung einer Katheterangiografie zum Nachweis oder definitiven Ausschluss einer arteriovenösen Kurzschlussverbindung. Hierbei müssen alle hirn- und duraversorgenden Arterien selektiv dargestellt werden, um sowohl die arteriellen Zuflüsse als auch die venösen Drainagewege der Kurzschlussverbindungen und des Hirnparenchyms beurteilen zu können. Die zerebrale Panangiografie ist zur definitiven Therapieentscheidung und zur Planung des therapeutischen Vorgehens unerlässlich.
Nach einer erfolgreichen endovaskulären Fistelbehandlung ist zumindest eine einmalige angiografische Kontrolle nach einigen Wochen erforderlich, um den Verschluss definitiv zu bestätigen.
Wenn ein endovaskulärer Verschluss der Fistel nicht gelingt, ist ein operatives Vorgehen, selten eine Radiotherapie indiziert.
Spezieller Teil
Im Folgenden sollen Klinik und praktisches Vorgehen bei häufig auftretenden duralen arteriovenösen Fisteln dargestellt werden.
Sinus-cavernosus-Fisteln
Sinus-cavernosus-Fisteln können durch eine Verletzung der Gefäßwand der A. carotis interna in ihrem intrakavernösen Verlauf entstehen. Ursächlich hierfür sind Traumen oder Rupturen kavernosaler Karotisaneurysmen. Diese Form der Fistel wird auch als direkte Sinus-cavernosus Fistel bezeichnet. Im Gegensatz hierzu wird bei einer sog. indirekten Sinus-cavernosus-Fistel die Kurzschlussverbindung aus duraversorgenden Ästen der Arteria carotis interna und externa gespeist.
Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer, bevorzugt postmenopausal. Assoziationen mit
arterieller Hypertonie, Kollagenerkrankungen und
Arteriosklerose sind beschrieben (Kupersmith und Berenstein
1993).
Sinus-transversus- und -sigmoideus-Fisteln
Fisteln dieser Lokalisation werden überwiegend aus Ästen der A. carotis externa, in geringerem Ausmaß auch aus der A. carotis interna oder der Vertebralarterien gespeist. Wenn Abflussstörungen durch vollständig oder teilweise thrombosierte oder stenosierte Sinusabschnitte bestehen, kann sich eine kortikalvenöse Drainage entwickeln.
Sinus-sagittalis-superior-Fisteln
Durale AVF dieser Lokalisation betreffen meist das mittlere und hintere Drittel. Der behinderte Hemisphärenabfluss führt bei diesen Fisteln bevorzugt zu einer Enzephalopathie mit kognitiven Einschränkungen und Wesensänderungen. Die Zuflüsse erfolgen zumeist über Äste der A. carotis externa; sie können transarteriell embolisiert werden. In Einzelfällen kommt auch ein transvenöses Vorgehen in Frage.
Ethmoidale Durafisteln
Die Zuflüsse bei Durafisteln der vorderen Schädelgrube münden in einer deutlich dilatierten V. olfactoria oberhalb der Siebbeinplatte. Bei den arteriellen Zuflüssen handelt es sich hauptsächlich um Äste der Aa. ophthalmicae (A. ethmoidalis anterior und posterior). Da die Drainage ausschließlich über piale Venen erfolgt, werden diese Fisteln meist als
Subarachnoidalblutung oder als
intrazerebrale Blutung symptomatisch.
Tentoriumfisteln
Durafisteln des Tentorium cerebelli erhalten ihre Zuflüsse aus der A. carotis interna und externa sowie aus den Vertebralarterien (Picard et al.
1990). Die Drainage erfolgt immer über piale Venen: am vorderen freien Rand des Tentoriums über das peripontine und perimesenzephale Venensystem mit dem Risiko von stauungsbedingten Hirnstammfunktionsstörungen oder Blutungen. Da diese Venen auch eine Verbindung zum perimedullären spinalen Venensystem aufweisen, kann sich klinisch eine Rückenmarksymptomatik entwickeln (Brunerau et al.
1996). Bei Fistellokalisation am medialen hinteren Rand des Tentoriums entwickelt sich eine Ableitung über die Kleinhirnhemisphärenvenen mit dem Risiko zerebellärer Blutungen; eine Fistellokalisation am lateralen hinteren Rand des Tentoriums mit venöser Drainage über supratentorielle Venen bedingt parietale und okzpitale Blutungen mit entsprechender klinischer Symptomatik.