Hereditäre Thrombophilie
Unter
hereditärer Thrombophilie werden alle erblichen Gerinnungsdefekte subsumiert, die das individuelle Thromboserisiko in sehr unterschiedlichem Ausmaß erhöhen. Dabei ist zu beachten, dass genetisch determinierte
Thrombophilien durchaus auch kombiniert vorliegen können, wobei mehrere Risikofaktoren sich nicht
additiv, sondern multiplikativ auf das Thromboserisiko auswirken. Angesichts der hohen
Prävalenz kombinierter Defekte von ca. 1 auf 1000 Individuen hat dies eine besondere Relevanz.
Bei Kaukasiern ist die
APC-Resistenz die häufigste bekannte
hereditäre Thrombophilie. Die Bezeichnung rührt daher, dass es bei Zugabe von aktiviertem
Protein C (APC) zu einem aPTT-Gerinnungsansatz nicht zu einer wesentlichen Verlängerung der gemessenen Gerinnungszeit kommt, da das APC den mutierten Faktor V mit erniedrigter Effizienz inaktiviert. Ursächlich liegt der APC-Resistenz meist die autosomal-dominant vererbte
Faktor-V-Leiden-Mutation (FV C1961A) zugrunde, eine Punktmutation im Faktor-V-Gen, die erstmalig von einer Arbeitsgruppe in der niederländischen Stadt Leiden beschrieben wurde. Bei ca. 5 % der Patienten mit nachgewiesener APC-Resistenz im Gerinnungstest kann die
Faktor-V-Leiden-Mutation nicht nachgewiesen werden. In diesen Fällen ist ein anderer Mechanismus ursächlich für die APC-Resistenz, z. B. Vorliegen eines Lupusantikoagulans. Das Thromboserisiko ist insbesondere bei
Homozygotie deutlich erhöht. Zusätzliche Einnahme oraler Kontrazeptiva sowie
Rauchen potenziert das Risiko. Nach venösem thrombotischem Ereignis wird bei heterozygoten Patienten eine orale Antikoagulation für 6–12 Monate sowie eine anschließende Thromboseprophylaxe bei Risikoexposition empfohlen. Bei homozygoten, auch bisher asymptomatischen Menschen sollte eine lebenslange orale Antikoagulation erfolgen. Bisher gab es ausschließlich Daten zu VKA, zunehmend mehren sich die Daten, dass hier auch DOAK eingesetzt werden können.
Der Pathomechanismus, der bei der
Prothrombinmutation als zweithäufigste
hereditäre Thrombophilie in der kaukasischen Normalbevölkerung zur Thromboseentstehung führt, ist bisher noch nicht geklärt. Nachgewiesen ist lediglich, dass der Prothrombinspiegel von Mutationsträgern leicht erhöht ist, eine Identifizierung von Mutationsträgern durch Prothrombinspiegelbestimmung ist allerdings nicht möglich. Auch hier führt insbesondere die homozygote Mutation zu einem deutlich erhöhten venösen Thromboserisiko. In Kombination mit einer APC-Resistenz wird das Risiko etwa verzehnfacht. Nach thrombotischen Ereignissen wird auch hier eine orale Antikoagulation für 6–12 Monate sowie eine anschließende Thromboseprophylaxe bei Risikoexposition empfohlen.
Der hereditäre
Protein-C-
und
Protein-S-Mangel mit autosomal-dominantem Erbgang liegt meist in heterozygoter Form vor, die homozygoten Formen sind sehr selten und schon im Neugeborenalter schwer symptomatisch.
Protein C und S, beide Vitamin-K-abhängig, sind neben dem Antithrombin verantwortlich für die Hemmung der plasmatischen Gerinnung. Protein C inhibiert die Faktoren Va und VIIIa und muss dabei im Gegensatz zu
Protein S, welches hierbei als Kofaktor wirkt, zunächst durch
Thrombin aktiviert werden. Das Ausmaß der
Thrombophilie beim Protein-C-Mangel korreliert mit der Aktivität, Werte unter 50 % der Norm führen zu einem erheblich erhöhten Thromboserisiko. Die Thrombophilie bei Protein-S-Mangel ist dagegen nur schwach ausgeprägt. Vor der Diagnostik müssen Ursachen für einen erworbenen Mangel (Vitamin-K-Mangel,
nephrotisches Syndrom, Leberinsuffizienz, abgelaufene
Thromboembolie) ausgeschlossen werden. Protein S ist zudem ein Akut-Phase-Protein und unterliegt auch hormonellen Einflüsse (Absinken bei Östrogentherapie und in der Schwangerschaft). Nach stattgehabter schwerer Thrombose ist eine lebenslange Antikoagulation zu empfehlen. In der Einleitungsphase einer oralen Antikoagulation mit VKA begünstigt ein Protein-C- oder -S-Mangel das Auftreten von Kumarinnekrosen.
Der hereditäre, autosomal-dominant vererbte, fast ausschließlich in heterozygoter Form auftretende (homozygote Form führt meist in utero zum Tode)
Antithrombin(AT)-Mangel ist ebenfalls sehr selten. Antithrombin hemmt alle aktivierten
Gerinnungsfaktoren mit Ausnahme der Faktoren Va und VIIIa. In Anwesenheit von Heparin wird durch Konformationsänderung des aktiven Zentrums des Antithrombinmoleküls die Hemmwirkung auf aktivierte Gerinnungsfaktoren um das mindestens 1000-Fache gesteigert, sodass die ältere Bezeichnung auch Heparin-Kofaktor ist. Die verminderte Konzentration eines funktionell aktiven AT-Moleküls führt dazu, dass aktivierter Faktor Xa und gebildetes
Thrombin nicht ausreichend schnell inaktiviert werden können und es daher zur überschießenden Thrombenbildung kommt. Hinweisend für einen hereditären AT-Mangel ist eine Verminderung der AT-Aktivität unter 60 %. Dieses Ergebnis muss durch eine zweite Messung validiert werden. Darüber hinaus müssen Ursachen für einen erworbenen passageren AT-Mangel (
nephrotisches Syndrom, Leberinsuffizienz, abgelaufene Thrombembolie) ausgeschlossen werden. Das letzte thrombotische Ereignis sollte länger als 6 Monate zurückliegen. Kürzlich sind genetische AT-Defekte mit Thromboseneigung beschrieben wurden, die den üblichen AT-Messungen entgehen. Daher sollten, falls Patienten mit schwerer Thromboseneigung und/oder inadäquater Heparinwirkung auffallen, Antithrombin-Gen-Sequenzierungen auch bei normaler Antithrombinaktivität veranlasst werden. Circa 200 verschiedene AT-Defekte sind bekannt. Bei stattgehabtem thrombembolischen Ereignis ist zur Sekundärprophylaxe eine lebenslange Antikoagulation zu empfehlen.
Erhöhte Homocysteinspiegel gelten als Risikofaktor für arterielle und
venöse Thrombosen sowie
Arteriosklerose, wobei die molekularen Mechanismen nicht vollständig geklärt sind. Eine
Hyperhomocysteinämie wird in der Literatur nicht einheitlich definiert, meist wird ein Grenzwert von >15 mmol/l als pathologisch angesehen. Erhöhte Homocysteinämies
piegel sind mit einer 2- bis 3-fachen Erhöhung des Risikos für kardiovaskuläre Erkrankungen und Schlaganfälle assoziiert. Jede Erhöhung um 5 mmol/l erhöht das Risiko um weitere 59 % (Goldstein et al.
2011). Auch das Risiko für venöse Thrombosen erhöht sich etwa um den Faktor 2–3, wobei sowohl eine Assoziation zu
Beinvenenthrombosen als auch zu
zerebralen Venenthrombosen festgestellt wurde. Einer Hyperhomocysteinämie können genetische Defekte am MTHFR-Gen und/oder einem
Polymorphismus mit dadurch bedingten Enzymdefekten im Methionin-Homocystein-Stoffwechsel zugrunde liegen. Sie kann aber auch Folge eines Folsäure-, Vitamin-B
12- oder Vitamin-B
6-Mangels sein. Der Homocysteinspiegel kann durch Substitution von
Folsäure und Vitamin B
6 und B
12 gesenkt werden. Allerdings zeigen die bisherigen Interventionsstudien inkonsistente Ergebnisse, sodass eine Vitaminsupplementierung zur Primärprophylaxe kardiovaskulärer und zerebrovaskulärer Ereignisse derzeit nur mit einer geringen Evidenzlage (Klasse IIb) empfohlen werden kann (Shah et al.
2018).
Erhöhte Lipoprotein(Lp)(a)-Spiegel
spielen neben der Beförderung einer schweren
Arteriosklerose mit erhöhtem Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko auch eine Rolle bei venösen und arteriellen Thrombosen. Lp(a) ist eine genetische Variante des
Low-density-Lipoproteins (LDL), dessen Apo B100 mit
Apolipoprotein(a) verbunden ist, und besitzt eine sehr hohe molekulare Homologie zu
Plasminogen. Die Verdrängung von Plasminogen durch Lp(a) an Endothelzellen beeinflusst die Fibrinolyse und stimuliert die Bildung atheromatöser Plaques. Arterielle Thrombosen scheinen insbesondere bei kombinierten
Thrombophilien (wie z. B. mit APC-Resistenz) aufzutreten. Im venösen System scheint LP(a) nur eine geringe Thrombogenität zu haben. Im Gegensatz zu anderen
Lipoproteinen ist die Höhe des Lp(a)-Spiegels nicht von der Ernährung abhängig und medikamentös nur wenig zu beeinflussen. Ein Therapieversuch ist mit PCSK9 (
Proproteinkonvertase Subtilisin/Kexin Typ 9)-Hemmern möglich, die zu einer 20- bis 30 %igen Senkung des Lp(a)-Spiegels führen. Bei weiterem Progress der Arteriosklerose sollte eine Lipidapherese eingesetzt werden.
Erworbene Thrombophilie
Unter den
erworbenen Thrombophilien werden alle nichthereditären Veränderungen zusammengefasst, die letztlich zu einer erhöhten Gerinnbarkeit des Blutes führen.
Im Rahmen von Infektionen und nach Operationen kommt es zu
Akute-Phase-Reaktionen mit Erhöhung der Plasmaspiegel von
Gerinnungsfaktoren (
Fibrinogen, Faktor VIII).
Beim
nephrotischen Syndrom kommt es durch die gesteigerte glomeruläre Filtration im Rahmen des Eiweißverlustes zum Verlust antikoagulatorischer Substanzen wie AT und
Plasminogen. Die ebenfalls stattfindende Reduktion plasmatischer
Gerinnungsfaktoren wirkt sich weniger aus, sodass letztlich die Thromboseneigung überwiegt.
Thrombosen sind eine typische Komplikation von
Tumorerkrankungen und sind unter dem Begriff des
Trousseau-Syndroms bekannt. 10–15 % aller Patienten entwickeln eine symptomatische Thrombose, umgekehrt wird bei 1–10 % der Patienten mit spontaner, ursächlich zunächst nicht geklärter Thrombose in den Folgemonaten ein malignes Leiden diagnostiziert (Douketis et al.
2009). Die Gerinnungsaktivierung erfolgt zum einen durch den Tumor selbst, zum anderen durch die Therapie und durch unspezifische weitere Faktoren. Tumoren können Gerinnungsaktivatoren wie Cancer Procoagulant A (aktiviert Faktor X) und
Tissue factor (aktiviert Faktor VII) sezernieren. Tissue factor ist darüber hinaus ein Wachstumsfaktor für den Tumor selbst (van den Berg und Reitsma
2011). Die von Tumorzellen freigesetzten
Zytokine (Tumor-Nekrose-Faktor[TNF]-α, Interleukin[IL]-1) bewirken, dass die Gefäßwand thrombophiler wird, indem
Thrombomodulin auf Endothelzellen herunterreguliert wird. Parallel wird die Protein-C- und -S-Aktivität herabreguliert.
Thrombin und
Fibrin wirken förderlich auf das Tumorwachstum, steigern die Resistenz der Tumorzellen gegen Zytostatika und fördern die Neoangiogenese im Tumorgewebe (Schiller et al.
2002). Viele Zytostatika (wie Asparaginase, Cisplatin, Tamoxifen) steigern das Thromboserisiko. Begleiterscheinungen der Tumorerkrankung wie Immobilisation oder zentralvenöse Katheter wirken weiter förderlich.
Das
Antiphospholipid-Antikörper-Syndrom (APS) umschreibt den Nachweis von zirkulierenden
Autoantikörpern gegen phospholipidbindende
Plasmaproteine (z. B.
Gerinnungsfaktoren, Rezeptorproteine auf
Thrombozyten) in Zusammenhang mit dem Auftreten von arteriellen und
venösen Thromboembolien. Das Syndrom ist eine der häufigsten Autoimmunerkrankungen mit einer breiten Palette an Manifestationsmöglichkeiten. Diese reichen von tiefen Bein-, Augen-, Lebervenen- und zerebralen Sinusvenenthrombosen über
zerebrale Ischämien bis zu rezidivierenden
Aborten. Es können praktisch alle venösen und arteriellen Gefäße aller Größen betroffen sein. Unterschieden werden ein primäres
Antiphospholipid-Syndrom ohne Grunderkrankung und ein sekundäres bei z. B. rheumatologischen Erkrankungen (z. B.
SLE,
rheumatoide Arthritis), verschiedenen malignen Neoplasien, Infektionen (z. B.
HIV,
Hepatitis B,
Sepsis,
Malaria) und Medikamenteneinnahme (z. B. Chlorpromazin, Propranolol, Infliximab, TNF-α-Blocker,
Antibiotika) (Dlott und Roubey
2012). Unter dem Oberbegriff „Antiphospholipid (APL)-Antikörper“ werden Lupusantikoagulans (LA), Anticardiolipin-Antikörper (aCL) und Anti-β2-1-Glykoprotein(B2GP1)-Antikörpern sowie weitere seltenere
Antikörper subsumiert. Für die Diagnostik werden funktionelle Tests zum Nachweis eines LA (LA-sensitive PTT, dRVVT = Dilute-Russel-Viper-Venom-Time-Test) sowie Elisa-Tests zum Nachweis von Antikörpern angewendet. Für die Diagnosestellung nach den „Sydney-Kriterien“ (Miyakis et al.
2006) ist ein positiver Test mit Bestätigung nach frühestens 3 Monaten gefordert. Die derzeitigen Therapieempfehlungen für Thrombembolien bei APS umfassen eine initiale Heparintherapie, gefolgt von der Antikoagulation mit einem VKA. Die alternative Anwendung von DOAK ist Gegenstand derzeit laufender Studien und sollte als Off-Label-Therapie Einzelfällen vorbehalten bleiben.
Bei etwa 10 % der APS-Patienten kommt zu einer fälschlichen Verlängerung der
Thromboplastinzeit (Quick, INR) durch APL-Antikörper, sodass trotz scheinbar therapeutisch effektiver INR-Werte eine ineffiziente Antikoagulation vorliegt. Zur Steuerung der Antikoagulation sollten hier besser die Aktivitäten der Einzelfaktoren verwendet werden.
Die
paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH) ist eine erworbene hämatologische Erkrankung der pluripotenten
hämatopoetischen Stammzelle des
Knochenmarks, die durch eine Mutation des Phosphatidyl-Inositol-Glykan(PIG)-A-Gens hervorgerufen wird. Die PNH ist mit einer
Prävalenz von 5/1.000.000 Einwohner eine seltene chronische erworbene hämolytische
Anämie mit sehr variabler klinischer Ausprägung. Die Anämie beruht auf komplementvermittelter Hämolyse des mutierten Erythrozytenklons. Begleitet wird die Anämie in den meisten Fällen von einer Panzytopenie und einer ausgeprägten Thromboseneigung, wobei die Ursache für Letztere bisher unklar ist. Die Thrombosen betreffen überwiegend das venöse System, typische Manifestationen sind intraabdominale (Lebervenen, Pfortader) sowie
zerebrale Venenthrombosen. Daneben treten auch thrombembolische arterielle Ereignisse auf und führen zu Gefäßverschlüssen an zerebralen, koronaren, viszeralen sowie auch retinalen Gefäßen mit entsprechender Klinik. Die thrombembolischen Komplikationen sind die Hauptursache für die erhöhte Morbidität und Mortalität dieser Erkrankung. Bei jungen Patienten mit Thrombosen an ungewöhnlichen Lokalisationen sowie arteriellen Ereignissen bei nicht vorbestehender Gefäßerkrankung sollte an eine PNH gedacht werden. Die Therapie erfolgt symptomorientiert. Bei asymptomatischen Patienten wird eine abwartende Haltung empfohlen, ggf. mit prophylaktischer Antikoagulation. Bei symptomatischen Patienten erfolgt eine Behandlung mit dem monoklonalen
Antikörper Eculizumab.
Die
thrombotische Mikroangiopathie (TMA) umfasst einen meist akut auftretenden typischen Symptomenkomplex, der als gemeinsame Endstrecke ätiologisch und pathophysiologisch unterschiedlicher Erkrankungen auftreten kann und durch die Trias mechanisch-hämolytische
Anämie,
Thrombozytopenie (durch erhöhten Verbrauch) sowie ischämische Endorganschäden (durch Mikrothrombosen in den arteriellen und venösen Kapillaren in Niere, Gehirn, Herz, Lunge, Darm etc.) definiert ist. Laborchemisch präsentiert sich die TMA mit plötzlichem Hämoglobinabfall,
Fragmentozyten im
Differenzialblutbild, vermindertem
Haptoglobin, Anstieg der
Laktatdehydrogenase sowie einer meist mild ausgeprägten Thrombozytopenie. Da die klinische Symptomatik in vielen Fällen unspezifisch und die weiterführende Labordiagnostik langwierig ist, kann die schnelle Diagnose erhebliche Schwierigkeiten bereiten.
Es sind sowohl angeborene (primäre) als auch erworbene Formen der TMA bekannt. Ursache der thrombotisch-thrombopenischen Purpura
(TTP), einer primären Form, ist ein Mangel der von-Willebrand-spaltenden Protease ADAMTS-13, der meist durch
Antikörper gegen ADAMTS13 (
Morbus Moschkowitz), selten durch eine Mutation im ADAMTS13-Gen bedingt ist. Die neurologische Symptomatik mit
Verwirrtheit, Krampfanfällen und
zerebralen Ischämien steht im Vordergrund, Nierenbeteiligungen sind eher seltener. Die Therapie der TTP beinhaltet in erster Linie Plasmapherese, Plasmainfusionen, Kortikoidgaben und Rituximab (Off-Label-Use).
Unter dem Begriff des hämolytisch-urämischen Syndroms (HUS)
werden die durch komplementvermittelte Endothelzellschädigung bedingten TMA zusammengefasst. Man unterscheidet das typische HUS, das meist nach einer Infektion mit Shigatoxin bildenden
Escherichia coli auftritt und durch
Nierenversagen und blutige Diarrhö gekennzeichnet ist, vom atypischen HUS (aHUS), welches auf angeborenen oder sehr selten auf erworbenen Regulationsdefekten des Komplementsystems beruht. Durch die chronische unkontrollierte Komplementaktivierung kommt es zu einer systemischen TMA, die durch Plättchenaktivierung, Endothelzellschädigung, Entzündungen und Thrombosen im ganzen Körper charakterisiert ist. Im Vordergrund steht auch bei dieser Form die Nierenbeteiligung, aber bei etwa 10 % der Patienten treten auch neurologische Komplikationen mit zerebralen mikroangiopathischen Infarkten auf. In seltenen Fällen verläuft die Erkrankung auch fulminant mit multiplem Organversagen (Loirat und Frémeaux-Bacchi
2011). Therapie der Wahl ist Eculizumab, ein monoklonaler
Antikörper gegen das Komplementschlüsselprotein C5.
Ferner kann im Rahmen von diversen Autoimmunerkrankungen (
SLE, Antiphospholipid-Antikörper-Syndrom,
Vaskulitis), Schwangerschaft (Präeklampsie,
Eklampsie,
HELLP-Syndrom), maligner
Hypertonie, Malignomen, Infektionen (
Zytomegalie, Influenza-A-Virus H1N1,
HIV, Aspergillus,
Pneumokokken), Stammzell-/Organtransplantationen oder Medikamenteneinnahme eine
TMA als sekundäres Phänomen ausgelöst werden. Vor Kurzem wurde auch eine metabolisch durch Cobalamin-C-Defekte bedingte Form beschrieben.