Als „Hirntod“ oder
irreversibler Hirnfunktionsausfall (IHA) wird der unumkehrbare vollständige Ausfall aller Hirnfunktionen bezeichnet. Mit ihm wird gleichzeitig der Tod des Betroffenen festgestellt. In den meisten Ländern basiert die Definition des „Hirntodes“ auf dem Konzept des Ganzhirntodes, also dem irreversiblen Funktionsausfall von Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm. Möglich wurde die Etablierung des „Hirntodes“ als Todeskriterium mit der Entwicklung der modernen
Intensivmedizin. Seither kann bei Schwersthirnverletzten dem sonst unweigerlich eintretenden Herz-Kreislauf-Stillstand
durch ausbleibende Spontanatmung mithilfe invasiver
Beatmung (u. a.) entgegengewirkt werden. Die Richtlinie zur Feststellung des IHA wurde im Jahr 2015, gemäß dem
Transplantationsgesetz (§ 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1) von der
Bundesärztekammer auf Empfehlung des Wissenschaftlichen Beirats zum vierten Mal fortgeschrieben (Wissenschaftlicher Beirat der Bundesärztekammer
2015).
Der Begriff „Hirntod“ wurde in der aktuellen Richtlinie durchgehend durch die naturwissenschaftlich-medizinisch korrekte Bezeichnung „irreversibler Hirnfunktionsausfall“ ersetzt. Im Folgenden werden wir die Bezeichnung „irreversibler Hirnfunktionsausfall“ (IHA) synonym zu dem etablierten Terminus „Hirntod“ verwenden.
Wenn sämtliche Voraussetzungen für die Feststellung des IHA erfüllt sind, kann die klinisch-neurologische Untersuchung auf die Zeichen des Hirnfunktionsausfalls durchgeführt werden (Übersicht s. Brandt et al.
2016a).
Sollte die Untersuchung einer der Reflexe nicht möglich sein (z. B. aufgrund äußerer Verletzungen), so kann der IHA nur dann diagnostiziert werden, wenn mit einem apparativen Verfahren der zerebrale Perfusionsstillstand nachgewiesen wird.
Im Falle des IHA sind die Pupillen mittelweit oder weit; der Lichtreflex ist direkt und indirekt ausgefallen. Häufig sind die Pupillen entrundet.
Bei der Prüfung des okulozephalen Reflexes werden beide Augenlider passiv geöffnet und der Kopf des Patienten rasch zu beiden Seiten gedreht. Die rasche Drehung des Kopfes von der Mittelposition zur Seite führt im Falle des Ausfalles des Kortex allein zu einer Augendeviation zur Gegenseite. Vertikale Blickbewegungen könnten durch abrupte Kopfbeugung hervorgerufen werden. Beim IHA fehlen diese Augenbewegungen (negatives Puppenkopfphänomen). Die alternative Prüfung des vestibulookulären Reflexes mittels Kaltwasserspülung der Ohren ist aufwendiger und wird sehr viel seltener angewandt.
Der Kornealreflex ist beidseits ausgefallen. Die Trigeminusschmerzreaktion wird in der Regel durch beidseitige Stiche ins Nasenseptum geprüft. Auch hierbei wird auf eine Veränderung der Pupillenweite sowie auf andere behaviorale Schmerzreaktionen des Patienten geachtet. Gleichzeitig sollte hierbei auch auf etwaige Veränderungen der Herz-/Kreislaufparameter am Monitor (z. B. Anstieg der Blutdruckwerte oder der Herzfrequenz) geachtet werden. Mit der Testung des Pharyngealreflexes werden Würgereize durch Stimulation der Rachenhinterwand induziert. Schließlich wird mit dem Trachealreflex der Ausfall eines Hustenreizes durch tiefes endotracheales Absaugen geprüft.
Facharztfragen
1.
Nennen Sie die Ausschlusskriterien für die Diagnose des IHA.
2.
Welche klinischen Befunde müssen von zwei unabhängigen Untersuchern erhoben werden, um den IHA fest stellen zu können?
3.
Wie lang ist die Beobachtungszeit nach erstmals gestellter klinischer Diagnose des IHA bei Erwachsenen, bei Kindern und bei Neugeborenen?
4.
Welche apparativen Verfahren stehen für den Nachweis des IHA grundsätzlich zu Verfügung?